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10.11.17 / Viele Imker, viele Bienen / Die gute Nachricht: Der Honigbiene geht’s gut. Die schlechte: Ihrer wilden Verwandten weniger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-17 vom 10. November 2017

Viele Imker, viele Bienen
Die gute Nachricht: Der Honigbiene geht’s gut. Die schlechte: Ihrer wilden Verwandten weniger
Ulrike Dobberthien

Die Europäer 5000 vor Christus, die Ägypter des Pharonenreiches, die Inka in Südamerika und die antiken Griechen haben eins gemeinsam: Sie alle nutzten Bienen. Mal rabiat (das Volk wurde ausgeräuchert, um an den Honig zu kommen), mal milde, indem man es durch süße Feigenpampe besänftigte und den Honig vorsichtig erntete.

Bienen gibt es, wie in Bernstein gegossene Tiere zeigen, seit dem Eozän, also seit etwa 65 Millionen Jahren. Es wird sie auch weiter geben: Allen Unkenrufen vom Bienensterben und den damit verbunden apokalyptischen Szenarien zum Trotz, die in ihrer finsteren Trostlosigkeit an die Zeiten der Schwarzmalerei des „Waldsterbens“ erinnern. Imker und Völker in Deutschland gedeihen. Allein in Schleswig-Holstein gibt es 2900 Imker mit 24000 Völkern, die im Jahr 2016 fleißig 923460 Kilogramm Honig produzierten. Pro Volk sind das im Schnitt 38 Kilo; was von Volk zu Volk zwischen 15 und 50 Kilo schwanken kann.

Der gleiche Trend zeigt sich bundesweit, wie ein Blick auf die Zahlen des deutschen Imkerbundes zeigt. 850000 betreute Völker schwirrten 2016 durch Wälder, Wiesen und Felder, nachdem 2006 ihre Zahl auf dem Tiefstand von 650000 angekommen war. Die meisten Völker hatte es in der seit 1970 erhobenen Statistik 1992 gegeben, als ihre Zahl bei 1,25 Millionen lag. Die Schwankungen und das Tief von 2006 sind schnell erklärt: Bis dahin hatten viele Imker aufgegeben. Seither steigt ihre Zahl wieder, und damit die der Honigbienen. Viele Imker, viele Bienen; wenig Imker, wenig Bienen. Der Verbraucher merkt das seit einiger Zeit an fallenden Honigpreisen. 500 Gramm kosteten bis zu fünf Euro im Supermarkt; inzwischen liegen die Preise je nach Sorte wieder zwischen drei und vier Euro. 

Der Publizist Ulli Kulke zog deshalb eine Parallele zum Schweinezyklus – dem periodischen Schwanken von Angebotsmenge und Marktpreis: „Was unterm Strich bleibt, ist das wirtschaftliche Auf und Ab der Imkerei. Man könnte analog zum Schweinezyklus vom Bienenzyklus sprechen, abhängig vom Honigmarkt, von den Bedingungen und Zukunftsaussichten der Branche, von demografischen Veränderungen.“ 

Also ist alles in Butter, vielmehr in Honig? Nicht ganz. Neben natürlichen Plagen, also Parasiten wie der Varroa-Milbe machen sich auch Viren, Bakterien, Pilze, Einzeller und Wachsmotten über die Bienen her. Einige dieser Bienen-Krankheiten und Parasiten sind in Deutschland anzeigenpflichtig, so etwa die Amerikanische Faulbrut, Varroose, die Tracheenmilbe und der Kleine Beutenkäfer, falls er aus Südafrika eingeschleppt wird.

Und hier wird es heikel. Denn während die von Imkern gehegten Völker des Haustiers Honigbiene sowohl Gesundheitsvorsorge wie auch Krankenbehandlung genießen, müssen Wildbienen ohne diese Versorgung klarkommen. Noch etwas passiert: Honigbienen konkurrieren mit Wildbienen um Futter, also um Blüten. Da wird es vor allem in den Städten kritisch, in denen immer mehr Hobbyimker Bienen halten, um Stadthonig aus dem gerade propagierten „Urban Gardening“ zu produzieren. Der Biologie-Professor (Fachgebiet Tierökologie) Johannes Steidle von der Stuttgarter Universität Hohenheim: „Die Städte sind zu Rückzugsgebieten von Insekten und Wildbienen geworden, hier herrscht eine große Biodiversität. Nun kommen die Honigbienen und fressen, salopp gesagt, den Wildbienen das Futter weg.“

Ein paar Zahlen untermauern das und zeigen, dass die Stadt als Lebensraum wilder Arten oft unterschätzt wird: In Berlin leben 83 Prozent aller Wildbienenarten des Nordostens; in Köln sind sogar 91 Prozent der lokalen Wildbienenarten. „Wildbienenschutz gegen Honigbienenschutz heißt daher aktuell eine der Fragen, mit denen sich die Wissenschaft beschäftigt“, so Steidle.

Natürlich kann man die Landwirtschaft, geht es um Bienen aller Art, nicht ganz aus der Verantwortung entlassen; auch hier ist weniger Raum für Blütenpflanzen als noch in den 1990er Jahren, wo das von der EU 1989 entwickelte, hochsubventionierte Programm der Flächenstilllegungen (2009 eingestellt) für Agrarbrachen sorgte. Damals waren die Preise auch dank der irrsinnigen EU-Planwirtschaft und Subventionspolitik von Weizen bis Milch wegen der produzierten Masse so niedrig, dass viele Bauern besser leben konnten, wenn sie ihre Flächen gegen Geld stilllegten.

Die Brachen von damals sind inzwischen wieder unter dem Pflug. Und dank der von Kanzlerin Angela Merkel brachial durchge-

drückten „Energiewende“ gibt es inzwischen ewig hungrige Biogasanlagen, die als Futter endlose Mengen von Energiemais brauchen. So wächst auf vielen Feldern Deutschlands, unbemängelt von den Grünen, die sich noch in den 80ern über „Maismonokulturen zur Schweinemast“ erregten, eine trostlose grüne Wüste.

Ebenfalls problematisch ist die zunehmende Nutzung von Wiesen für Grassilage statt für Heu. Heu braucht Zeit und lässt Zeit für Blüten – was die Bienen freut. Grassilage lässt sich zügig und mehrfach mähen, was zu einer „Vergrasung der Wiesen“ führt, wie es Steidle nennt: Der häufige Schnitt fördert das vegetative Wachstum von Gräsern und Schnellblühern. Das freut Heuschrecken, die Gras verknuspern, ist aber schlecht für Bienen.

Es gibt Probleme. Aber es gibt gleichzeitig die frohe Kunde, dass Bienenwiesen, die blaublühende Zwischenfrucht Büschelschön (Phacelia), Raps, Obstplantagen, Fichten-, Kiefern- und Tannenwälder, Knicks, und Gärten genügend Bienenfutter liefern. Das große Bienensterben fällt aus.