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17.11.17 / Das Menetekel von Stalingrad / Stalin und Hitler schlugen an der Wolga ihre Schlacht ohne jedes Erbarmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-17 vom 17. November 2017

Das Menetekel von Stalingrad
Stalin und Hitler schlugen an der Wolga ihre Schlacht ohne jedes Erbarmen
Klaus J. Groth

Bei Stalingrad schlugen zwei Gewaltmenschen ihre Prestigeschlacht. Josef Stalin und Adolf Hitler kämpften ohne Erbarmen mit den Opfern. Die Toten sind bis heute nicht exakt gezählt, 75 Jahre, nachdem die 6. Armee bei Stalingrad am 22. November eingekesselt wurde. Viele sehen in der Schlacht die Wende im Zweiten Weltkrieg.

700000 Menschen starben bei dem Kampf um Stalingrad. Die Zahl ist vermutet, nicht belegt. Einige Militärhistoriker gehen sogar von einer Million getöteter Rotgardisten und ungezählten zivilen Opfern aus. 195000 deutsche Soldaten wurden einkesselt. 60000 verhungerten oder fielen. 110000 Mann gerieten in sowjetische Gefangenschaft. Von denen überlebten 5000.

Stalingrad wurde zum Menetekel. Doch weder Stalin noch Hitler deuteten die Zeichen. Für Stalin bedeutete die Verteidigung der Stadt, die seinen Namen trug, mehr als eine strategische Absicherung. Für Adolf Hitler wird die Eroberung mit umgekehrten Vorzeichen ebenso bedeutsam gewesen sein. 

Dabei standen am Anfang durchaus strategische Planungen. Über Stalingrad sollte der Vorstoß auf die kriegswichtigen Ölfelder im Kaukasus erfolgen. Die Stadt an der Wolga hatte eine Schlüsselstellung. Der von beiden Seiten verbissen geführte Kampf um die Stadt ist jedoch ohne deren symbolische Bedeutung kaum vorstellbar. Stalin hatte während des russischen Bürgerkriegs die Stadt befehligt und durch Massenerschießungen der KPdSU zum Sieg verholfen. Die Partei dankte es, als sie Zarizyn 1925 den Namen „Stalingrad“ gab. 

Eine Fehleinschätzung Hitlers leitete das verlustreiche Ende bei Stalingrad ein. Er war davon ausgegangen, dass die Reserven des Feindes „weitgehend verbraucht“ seien. Das lasse eine weite Streckung der Front zu. Dabei sollte der Hauptangriff über die 6. Armee unter General Friedrich Paulus, unterstützt durch die 4. Panzerarmee mitsamt einigen rumänischen Verbänden, erfolgen. Die 6. Armee zählte 200000 bis 250000 Mann.

Als sie am 23. August 1942 Stalingrad erreichte, war Hitler überzeugt: „Die Russen sind am Ende ihrer Kraft.“

600 Maschinen der deutschen Luftwaffe sollten die Eroberung der Stadt vorbereiten. Die Opfer in der mit Flüchtlingen vollgestopften Stadt waren fürchterlich. Stalin hatte verboten, die Stadt zu evakuieren. Eine Millionen Bomben der deutschen Luftflotte 4 vernichteten die Stadt zum großen Teil, 40000 Zivilisten kamen ums Leben. Der Befehl Stalins wurde dennoch nicht aufgehoben. Der Diktator war überzeugt, die Anwesenheit der Zivilisten stärke den Verteidigungswillen. 

Die sowjetische Stalingrader Front befehligte Generaloberst Andreij Jerjomenko, unterstützt durch den politischen Kommissar Nikita Chruschtschow. Stalins Befehl Nr. 227 lautete: „Keinen Schritt zurück!“ Die Verteidiger igelten sich ein. Sie machten jedes Haus, jede Kreuzung zum Widerstandsnest. Je weiter die Deutschen in der Stadt vordrangen, desto heftiger wurde die Gegenwehr. Im November feierte Hitler im Münchener Löwenbräukeller einen Sieg: Das nahezu vollkommen zerstörte Stalingrad war bis auf einen kleinen Rest eingenommen. 

Es war ein Sieg, der keiner war. Am 19. November lösten die Sowjets die Operation Uranus aus. Sie griffen die rumänische 3. Armee an. Deren Widerstand war schwach. Gegen sowjetische Panzer standen von Pferden gezogene Geschütze. Die 22. deutsche und die 1. rumänische Panzerdivision erhielten den Befehl, die wankende rumänische 3. Armee zu unterstützen. Deren Kampfkraft war kläglich. Die Panzerkorps hatten in Scheunen und Ställen auf ihren Einsatz gewartet. Als der Befehl kam, waren nur 30 Panzer einsatzbereit. Mäuse hatten sich über die Kabel der Panzer hergemacht. 

Die Zange der Roten Armee schloss sich am 22. November. Die 6. Armee war eingeschlossen. Hitler wollte die Soldaten aus der Luft versorgen, Hermann Göring hatte ihm versichert, es sei möglich, täglich 500 Tonnen in den Kessel zu bringen. Tatsächlich wurde mit 290 Tonnen die Höchstmenge erreicht, an manchen Tagen gab es gar keine Flüge. Im Durchschnitt warfen die Versorgungsflugzeuge zwischen November 1942 und Februar 1943 nur 94 Tonnen ab. Bereits zwei Tage nach Schließung des Kessels waren die Rationen halbiert, die Brotzuteilung auf 300 Gramm reduziert worden. Später wurden daraus 100, noch später 60. Der Hungertod forderte die meisten Opfer im Kessel von Stalingrad. 

Verwundete sollten ausgeflogen werden. Verzweifelte Männer versuchten, mit diesen Maschinen aus dem Kessel zu entkommen. Manche klammerten sich an die Fahrgestelle. Die Piloten schuckelten und schaukelten, bis die anhängenden Passagiere die Kraft verließ und sie abstürzten. Die Begleitmusik dazu lieferte die sowjetische Propaganda. Einer der wesentlichen Akteure dabei war Walter Ulbricht, der spätere Vorsitzende des Staatrates der DDR und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED. Über riesige Lautsprecher nudelte man den Schlager ab: „In der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn.“

Ein Entlastungsangriff scheiterte, der 6. Armee mangelte es an Treibstoff für einen Ausbruchsversuch. Das Ende war absehbar. Dennoch lehnte Hitler noch am 21. Dezember einen Ausbruch ab, so wie Stalin einst die Verteidigung bis zum letzten Mann gefordert hatte. Per Funkspruch beförderte Hitler General Friedrich Paulus zum Generalfeldmarschall in der Überzeugung, ein Träger dieses Titels gehe nicht in Gefangenschaft. Der Führer irrte. Einen Tag später, am 31. Januar 1943, drang die Rote Armee in das Zentrum der Stadt vor. Die Deutschen zerstörten, was noch zu zerstören war und kapitulierten. Der Großdeutsche Rundfunk meldete am 3. Februar, die 6. Armee habe „unter der vorbildlichen Führung von Paulus bis zum letzten Atemzug“ gekämpft. Dabei seien alle Soldaten gefallen.

Tatsächlich ließ sich Generalfeldmarschall Paulus gefangen nehmen. Er hatte seinen Offizieren verboten, sich durch Selbstmord der Verantwortung zu entziehen. Sie hätten das Schicksal der Soldaten in der Gefangenschaft zu teilen. Paulus blieb bis 1953 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Bis zu seinem Tod 1957 lebte er in der DDR. 1961 wurde aus Stalingrad Wolgograd.