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17.11.17 / Erst langfristig ein Erfolg / Vor 100 Jahren begann die Schlacht von Cambrai – Die erste große Panzeroffensive der Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-17 vom 17. November 2017

Erst langfristig ein Erfolg
Vor 100 Jahren begann die Schlacht von Cambrai – Die erste große Panzeroffensive der Geschichte
Wolfgang Kaufmann

Vor 100 Jahren startete die British Expeditionary Force (BEF) in Frankreich die erste große Panzeroffensive der Geschichte. Sie hoffte, damit den Übergang vom Stellungskrieg zum Bewegungskrieg zu erzwingen. Allerdings endete das Unternehmen, das als Auftakt zur endgültigen Niederringung des deutschen Kaiserreiches gedacht war, ohne den erhofften Erfolg. Andererseits erprobte die Entente in der Schlacht von Cambrai innovative taktische Konzepte, die sich späterhin sehr bewähren sollten. Die Folgen waren also eher lang- denn kurzfristig.

Am 15. September 1916 hatten die Briten erstmals versucht, die erstarrte Frontlinie in Frankreich mit ihren neu entwickelten Tanks aufzubrechen (siehe PAZ Nr. 36/2016). Das war jedoch auf der ganzen Linie gescheitert, wo­raus einer der Befehlshaber den lakonischen Schluss zog: „Erstens sind Panzer in schlechtem Gelände nicht zu gebrauchen. Zweitens ist das Gelände im Gefecht immer schlecht. Drittens sind die Panzer auf dem Schlachtfeld nutzlos.“ 

Andere Militärs setzten hingegen weiter auf die Tanks. Diese sollten künftig aber massierter und in deutlich größerer Zahl – an der Somme hatte man ja lediglich 49 Kampfwagen aufgeboten – zum Einsatz kommen. Die diesbezügliche Premiere erfolgte im Bereich des Eisenbahnknotenpunkts Cambrai, der eine Schlüsselrolle bei der Versorgung der Truppen in der deutschen Siegfriedstellung zwischen Arras und Soissons spielte. Außerdem war die Gegend um Cambrai im Gegensatz zum sumpfigen Flandern und der Somme-Region deutlich besser für Panzereinsätze geeignet.

Der vom britischen Oberkommandierenden, Feldmarschall Douglas Haig, abgesegnete Plan zur „Operation GY“, von der sich die Entente den kriegsentscheidenden Befreiungsschlag versprach, sah einen konzentrierten Angriff im Bereich der nur fünf Kilometer breiten Front zwischen dem Canal du Nord und dem Canal de Saint-Quentin beziehungsweise Havrincourt und Honnecourt vor. Hierfür bot die BEF letztlich 15 Divisionen der 3. Armee unter Generalleutnant Julian Byng auf, denen auf deutscher Seite zunächst nur sieben, im Kampf um Ypern erheblich geschwächte Divisionen gegenüberlagen. 

Ebenfalls stand das Royal Tank Corps unter Brigadegeneral Hugh Elles bereit – und zwar mit immerhin 378 Kampf- und 98 Transportpanzern. Die Aufgabe dieses Verbandes bestand darin, den Hauptstoß des III. Korps der Briten in Richtung auf Marcoing, Crèvecoeur und Bonavis zu unterstützen und eine Schneise für die nachfolgende Kavallerie zu schlagen, der die handstreichartige Eroberung von Cambrai oblag. Weiterhin sah die Planung von Byng das möglichst enge Zusammenwirken der Panzer mit Infanterie und Luftwaffe vor, womit neue, zukunftsweisende Maßstäbe in der Kriegführung gesetzt wurden, die später auch die deutsche Blitzkriegsstrategie im Zweiten Weltkrieg beeinflussten. 

Die militärhistorisch also höchst bedeutsame Schlacht begann am 20. November 1917 um 6.20 Uhr mit einem ungewöhnlich kurzen Trommelfeuer der Artillerie, um den Gegner zu verwirren und das Gelände nicht durch zu viele Krater unpassierbar zu machen. Allerdings war die deutsche Seite vorgewarnt und rechnete mit dem Einsatz der Panzer, die dann um 7.15 Uhr losrollten. Trotzdem konnten die Angreifer die Frontlinie durchbrechen und neun Kilometer in Richtung Cambrai vorstoßen, wobei sie freilich mehr als 60 Tanks einbüßten.

Maßgeblich verantwortlich hierfür zeichnete  Generalmajor George Montague Harper, der Kommandeur der 51. Highland Division, die den Ort Flesquières erobern sollte. Dieser Befehlshaber alter Schule misstraute der Panzerwaffe und fürchtete, die Kampfwagen würden unnötig feindliches Artilleriefeuer auf seine Männer ziehen. Deshalb befahl er ihnen, 100 Meter hinter den Tanks vorzurücken, statt in deren Deckung zu bleiben und diese zugleich gegen Attacken deutscher Infanteristen abzusichern. Dadurch gaben sowohl die Panzer als auch die Highlander leichte Ziele ab und der Vorstoß der 51. Division stagnierte. Das wiederum entblößte die Flanken dreier benachbarter Divisionen, worunter letztlich die gesamte Operation litt.

In der Folgezeit warf das deutsche Oberkommando erste Verstärkungen an die Front. Das taten die Briten zwar auch, allerdings nicht im erforderlichen Ausmaß. Schwer wog vor allem, dass sie keine weiteren Tanks in Reserve hatten, um die inzwischen schon rund 250 verlorengegangenen Kampfwagen zu ersetzen. Deswegen wurden die Panzer am 27. November zurückgezogen. Am nächsten Tag erhielt die Infanterie den Befehl, sich vor Cambrai einzugraben. Damit war die Offensive trotz einiger Geländegewinne gescheitert.

Doch es sollte noch schlimmer für die Briten kommen: Am 30. November begann zudem ein deutscher Gegenangriff mit 13 Divisionen der 2. Armee unter dem General der Kavallerie Georg von der Marwitz. Dabei gelangten erstmals in größerem Umfang Stoßtrupps zum Einsatz. An diesen Gefechten nahm auch der spätere Schriftsteller Ernst Jünger teil, der darüber in seinem Buch „In Stahlgewittern“ berichtete. Die deutsche Artillerie verschoss parallel hierzu ein Gemisch aus verschiedenen Giftgasarten. Zweck dieses sogenannten „Buntschießens“ war es, die feindlichen Soldaten mittels maskenbrechender Reizstoffe zum Herunterreißen des Atemschutzes zu veranlassen. Trotzdem stockte die Gegenoffensive bald im Bereich der alten Frontlinie aus der Zeit bis zum 20. November. Es entstand eine Pattsituation, die am 6. Dezember 1917 zum Abbruch der Kämpfe führte.

Bis dahin hatten beide Seiten jeweils um die 45000 Mann verloren – einschließlich derer, die in Gefangenschaft gerieten, vermisst blieben, verwundet wurden oder schlicht erkrankten. Die Zahl der gefallenen deutschen Soldaten lag laut dem offiziellen Heeres-Sanitätsbericht bei 1619; über die diesbezüglichen britischen Verluste existieren keine zuverlässigen Angaben. 

Die schlussendlich gelungene Abwehr der ersten großen Panzeroffensive der Geschichte bestärkte die deutsche Heeresführung in ihrer grundsätzlichen Geringschätzung der neuen Waffe. Deswegen unterblieben sowohl der forcierte Bau von Kampfwagen als auch die Entwicklung von wirksameren Abwehrwaffen gegen sie. 

Das sollte sich im Laufe des Folgejahres bitter rächen, als die Gegenseite das Zusammenwirken ihrer Tanks mit Infanterie und Luftwaffe optimierte und so zunehmend größeren Nutzen aus der Feuerkraft und Schnelligkeit der Panzer zog. Das Ergebnis waren folgenschwere deutsche Niederlagen wie die in der Schlacht bei Amiens im August 1918.