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17.11.17 / Der »preußische Apoll« war ziemlich musikalisch / Prinz Louis Ferdinand von Preußen war nicht nur Beau, Frauenheld, Schuldenmacher und Feldherr, sondern auch Komponist und Pianist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-17 vom 17. November 2017

Der »preußische Apoll« war ziemlich musikalisch
Prinz Louis Ferdinand von Preußen war nicht nur Beau, Frauenheld, Schuldenmacher und Feldherr, sondern auch Komponist und Pianist
Sibylle Luise Binder

Offizieller Erzeuger des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen war der jüngste Sohn des Soldatenkönigs, August Ferdinand von Preußen. Die Zeugung des kräftigen Knaben trauten jedoch viele Zeitgenossen dem kränklichen, meist mürrischen Prinzen nicht zu. Statt seiner wurden hinter vorgehaltener Hand neben dem Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel Friedrich Wilhelm Carl Graf von Schmettau als möglicher Vater genannt, der Hofmeister von Louis Ferdinands Mutter, Luise von Brandenburg-Schwedt. Der Graf soll ein ausgesprochen gut aussehender Mann gewesen sein – und das könnte ja zu Louis Ferdinand, den Theodor Fontane als „preußischen Apoll“ apostrophierte, passen. 

Allerdings zeigte sich bei Louis Ferdinand schon in jungen Jahren ein Talent, das auf Hohenzollerngene hinweist: Er war sehr musikalisch. Das verband ihn mit gleich diversen Hohenzollern. Friedrich der Große war ein guter Flötist, der eine ganze Reihe von Konzerten für sein Instrument geschrieben hat (siehe PAZ Nr. 46/2016). Dessen Schwestern Anna Amalie und Wilhelmine waren ebenfalls begabte Kom­po­ni­stin­nen (siehe PAZ Nr. 23). Und der „dicke Lüderjan“, Friedrichs des Großen Neffe Fried­rich Wilhelm II., war ein begabter Cellist.

1790 verlor Louis Ferdinands seinen ein Jahr älteren, geliebten Bruder Heinrich. Möglicherweise auf der Suche nach Trost und Ablenkung begann der musikalisch begabte Klavierspieler nun zu komponieren. Die Ausbildung dazu hatte er wohl durch seine Tante Anna Amalie, die Äbtissin im Stift Quedlinburg war, sich aber meist in Berlin aufhielt. An deren kleinem Hof wirkte der Bachschüler Johann Philipp Kirnberger, der wohl auch Louis Ferdinand unterrichtet hat. Jedenfalls weist dessen Opus 7, eine Fuge für Klavier und bezifferten Bass, auf den Einfluss von Kirnberger hin. Entgegen dem Bild vom alten Wein in neuen Schläuchen benutzte Louis Ferdinand eine klassische, zu dieser Zeit schon fast als altmodisch geltende Form und füllte sie mit neuem Inhalt und einer nahezu revolutionär erscheinenden Ästhetik.

Zufrieden war der Prinz aber nicht mit seinen Kompositionen. Obwohl er in Berliner Künstlerkreisen – er verkehrte unter anderem im Salon der Rahel Varnhagen von Ense, der als Treffpunkt der Intellektuellen galt – einen wachsenden Ruf als Pianist und Komponist genoss, schrieb er 1795 an einen Freund: „obwohl ich die Kompositionslehre um und um studiert habe, konnte ich noch nichts zuwege bringen, was gut genug gewesen wäre“

Ein Jahr später traf er auf Ludwig van Beethoven, der über ihn meinte, er „spiele gar nicht königlich oder prinzlich, sondern wie ein tüchtiger Clavierspieler“, und auch eine Menge vom Komponisten Louis Ferdinand hielt. Der geniale Musiker lobte nicht nur, sondern inspirierte auch den Preußenprinzen. Im Rondo op. 9, dem ersten Werk, das Louis Ferdinand zur Veröffentlichung bestimmte, verwendete der Prinz ein Motiv von Beethoven, ebenso zitierte er Beethoven in seinem Trio op. 10.

1804 trafen die beiden in Wien noch einmal zusammen. Drei Monate später widmete Beethoven dem Prinzen sein drittes Klavierkonzert. Louis Ferdinand war davon sicher sehr angetan. Er liebte Beethovens Musik, und als er zu Besuch bei Beethovens Mentor Fürst Franz-Joseph Maximilian von Lobkowitz war, ließ er sich Beethovens 3. Sinfonie gleich mehrfach vorspielen. Vielleicht war es das, was Beethoven ein paar Wochen nach Louis Ferdinands Tod über die Partitur schreiben ließ: „Komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern.“

Louis Ferdinand hatte in seinen letzten Wochen intensiv mit Beethovens Werk gelebt. Seinen Abrechnungsbüchern ist zu entnehmen, dass er 1806 die Noten der Sonaten für Klavier und Violine op. 30 und 47 sowie die der Klaviersonate op. 63 gekauft hatte. Diese Sonate war es dann wohl auch, die er wenige Tage vor seinem Tod in seinem letzten Quartier in der Rudolstädter Heidecksburg Freunden vorspielte.

Der vierte Koalitionskrieg, der schließlich mit dem Frieden von Tilsit zu einem Tiefpunkt der preußischen Geschichte führte, begann bereits mit einem schlechten Omen, dem Tod des Lieblings von Königshaus und Gesellschaft. Bereits vier Tage vor der Doppelniederlage von Jena und Auerstedt fiel der Kommandeur der preußischen Vorhut im Gefecht bei Saalfeld. Der am 18. November 1772 in Schloss Friedrichsfelde bei Berlin geborene Prinz von Preußen wurde nicht einmal 34 Jahre alt.

Louis Ferdinands Nachruhm überstieg noch seine Beliebtheit zu Lebzeiten. Theodor Fontane verewigte ihn noch Jahre später in seinem Gedicht „Prinz Louis Ferdinand“, das mit den Worten beginnt: „Sechs Fuß hoch aufgeschossen, / Ein Kriegsgott anzuschaun, / Der Liebling der Genossen, / Der Abgott schöner Fraun, / Blauäugig, blond, verwegen, / Und in der jungen Hand, / Den alten Preußendegen – / Prinz Louis Ferdinand.“ 

Obwohl er nur zehn Werke geschrieben hat, genoss Louis Ferdinand auch musikalisch einiges an Nachruhm. In Wien wurde der  „Romantiker der klassischen Periode“, der „romantischste aller Fürstensöhne“, wie ihn Robert Schumann nannte, gedruckt und in Bearbeitungen für Klavier vierhändig bei Hausmusikabenden gespielt. Auch Franz Liszt machte sich um den Nachruhm des Preußen verdient. So ließ er zwischen 1842 und 1848 dessen Quartett op. 6 „mit größtem Erfolg“ aufführen, und 1843 komponierte er die „Elégie sur des motifs du Prince Louis Ferdinand“. Bis heute wird Louis Ferdinand immer noch gespielt, und einige seiner Werke liegen in neueren Einspielungen auf CD vor.