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17.11.17 / Verständnislose Politiker / Gilt unser Grundgesetz eigentlich noch? Ein Staatsrechtler wundert sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-17 vom 17. November 2017

Verständnislose Politiker
Gilt unser Grundgesetz eigentlich noch? Ein Staatsrechtler wundert sich
Walter Schmitt-Glaeser

Nein, Politiker müssen nicht ständig mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen. Da hat Hermann Höcherl, ein ehemaliger CSU-Bundesminister, schon Recht. Aber etwas verstehen sollten gerade die Bundestagsabgeordneten von unserer Verfassung schon. Fehlt es an einem solchen notwendigen Grundverständnis, sind ganz erhebliche Verwerfungen zu befürchten. 

Und tatsächlich sind viele Zweifel angebracht. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen, etwa die „Ehe für alle“: Man mag zu einer intimen Verbindung von Gleichgeschlechtlichen stehen wie man will; ein Abgeordneter darf keinen Beschluss mittragen, der gegen unserer Verfassung verstößt. Und eine „Ehe für alle“ ist mit Artikel 6 des Grundgesetzes kaum vereinbar, weil er die Ehe eindeutig auf Frau und Mann, also auf Verschiedengeschlechtliche bezieht. Aber dies war dem Bundestag nicht einmal eine gründliche Diskussion Wert. Ein weiterer und vorläufiger letzter Fall des fehlenden Verständnisses des Grundgesetzes ist die Weigerung der Wahl von Albrecht Glaser (AfD) zum Bundestags-Vizepräsidenten durch die Abgeordneten der meisten Parteien, weil er – so die Begründung – den Islamgläubigen die im Artikel 4 (Absatz 1 und 2) des Grundgesetze garantierte Glaubensfreiheit abgesprochen und damit gegen das Grundgesetz verstoßen habe. In Wahrheit ist diese Meinung durchaus diskutabel und keineswegs ein Verstoß gegen das Grundgesetz. 

Artikel 4 muss nämlich stets im Zusammen mit Artikel 140 des Grundgesetzes gelesen werden. Diese Bestimmung verweist wiederum auf Artikel 137 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung. Er lautet: „Es besteht keine Staatskirche.“ Die Bestimmung ist geltendes Verfassungsrecht. Das bedeutet nichts anderes, als dass der freiheitliche Staat des Grundgesetzes kein Religionsstaat sein oder sich mit anderen ganzheitlichen Weltdeutungen, etwa „Arbeiter- und Bauernstaat“, identifizieren darf; denn nur auf diese Weise lassen sich – so das Bundesverfassungsgericht in Band 41, Seite 50 – der innerer Friede und die Einheit des Staates herstellen und dauerhaft bewahren. 

Der Islam ist zwar nicht in jedem Land, in dem er vorherrscht, eine solche „Staatsreligion“ oder „Staatskirche“. Aber er neigt dazu, beschränkt sich nicht auf Glaubensfragen, sondern gibt auch staatliche und gesellschaftliche Strukturen bis in letzte Einzelheiten strikt vor. Dabei muss nicht unbedingt der sogenannte Islamische Staat mit seinen unfassbaren Grausamkeiten herangezogen werden, obwohl er das abschreckendste Beispiel schlechthin ist. Es genügen auch schon die „normalen“ islamischen Staaten wie etwa Saudi- Arabien oder der Iran, neuerdings nun auch die Türkei. Menschenwürde ist dort ein Fremdwort und auch gleiche Freiheit gibt es nicht, vor allem nicht für Frauen.

Andere Religionen werden entschieden verfolgt, „Abweichler“ auch gefoltert und getötet. Weil die Zahl der Islamisten, insbesondere der Salafisten, in Deutschland rasant zunimmt und ihre Propaganda ebenso brutal wie geschickt ist, befürchtet der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass auch bei uns ein islamischer Staat errichtet werden soll („FAZ“ vom 23. April 2015). Dieser Entwicklung müssten wir eigentlich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln sofort und massiv entgegenwirken. Angesichts des mangelnden Urteilsvermögens vieler unserer Politiker und der gezielten Desinformationspolitik vieler Medien geschieht aber gerade das Gegenteil. Man sorgt sich eher um eine Beschränkung der Aktivitäten des Islams und bekämpft jeden, der auf die akute Gefahr und die unbedingt notwendige Einschränkung dieser mit einer Demokratie unvereinbaren Religion hinweist. So drängt sich eine Frage auf, die man eigentlich gar nicht stellen mag: Sind in den etablierten Parteien maßgebliche Kräfte am Werk, die den Deutschen die Freiheit nehmen und ihre Kultur zerstören wollen?


Der Autor ist emeritierter Rechtsprofessor mit dem Arbeitsschwerpunkt Öffentliches Recht. Von 1987 bis zu dessen Auflösung 2000 war er Mitglied des Bayerischen Senats. Drei Jahre leitete er die neben dem Landtag ehemalige zweite Kammer der Volksvertretung als Präsident. Walter Schmitt-Glaeser (84) ist CSU-Miglied.