27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.11.17 / Keine Sesamkuchen fürs Rotwild / Jagd und Jäger in Ostpreußen, Teil IV

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-17 vom 17. November 2017

Keine Sesamkuchen fürs Rotwild
Jagd und Jäger in Ostpreußen, Teil IV

Anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Gründung des Ostpreußischen Jagdmuseums vor 60 Jahren (siehe PAZ 43, Seite 19) konnte auch Horst F. Buschalsky für einen Vortrag gewonnen werden. Der Leitende Forstdirektor sprach über „Jagd und Jäger in Ostpreußen – einst und heute“. Die PAZ veröffentlicht seinen Beitrag in mehreren Teilen. 

  Wenn über die Jagd in Ostpreußen gesprochen wird, dürfen das Rotwild und die Rominter Heide nicht fehlen. Hier möchte ich noch einmal den Oberregierungs- und Forstrat Müller aus Königsberg zu Rate ziehen. Er schildert 1929 in seinem Bericht zum Rotwild, dass dieses im 19. Jahrhundert seinem Untergang entkommen ist. Dabei spielen auch wie beim Elchwild verantwortungsvolle Jäger und Förster eine große Rolle.

Müller schreibt, dass ursprünglich das Rotwild in Ostpreußen sehr weit verbreitet war. Wie groß die Bestände waren, geht aus überlieferten Jagdberichten hervor. So wurden unter Markgraf Johann Sigismund in der Zeit von 1612 bis 1619 1998 Hirsche, 2344 Tiere und 593 Kälber erlegt. Der stärkste Hirsch wog 7,75 Zentner, die höchste Endenzahl betrug 26. 

1725 ist Rotwild in 15 Gebieten beziehungsweise Regionen Ostpreußens als Standwild registriert, dazu gehören unter anderem die großen Waldgebiete wie die Johannisburger-, die Borkener- und die Rominter Heide, der Taberbrücker Forst und alle Wälder um Osterode bis Alt Christburg und Deutsch Eylau sowie die Wälder in Masuren zwischen Rastenburg, Nikolaiken und Sensburg. 

Wie beim Elchwild ist es mit dem Rotwild dann aber von Mitte des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts steil bergab gegangen. Die Gründe hierfür waren dieselben. Übereinstimmend führen alle zeitgenössischen Berichterstatter als Gründe neben den kriegerischen Wirren vor allem die beispiellose Wilderei und die verheerende Aasjägerei der jagdberechtigten Güter ins Feld, aber zudem vor allem auch die gewaltige Wolfsplage. Es wird beklagt, dass der Bevölkerung jeder Sinn für eine pflegliche Behandlung der Wildbestände fehle. 

Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts haben sich dann die Verhältnisse wieder zum Besseren gewendet und es wird berichtet, dass sogar wieder alte Gebiete durch Aussetzen von Wildfängen aus der Rominter Heide dazu gewonnen wurden.

Warum gerade aus der Rominter Heide, war doch Anfang des 19. Jahrhunderts die Lage des Rotwildes dort besonders prekär. Der Grund hierfür liegt ganz einfach an dem Einsatz und der Bereitschaft von wenigen Jägern und Förstern das Rotwild zu retten, indem eine konsequente Hege eingeführt wurde und alle Faktoren, die bisher zum Niedergang des Rotwildes geführt hatten, scharf bekämpft wurden.

Der Begründer dieser Entwicklung war der Preußische Oberförster zu Nassawen in der Rominter Heide, Carl Friedrich Wilhelm Reiff (1814–1867 durch Wildererhand). Er entfaltete Visionen und Initiativen des Rominter Rotwildbestandes, welches bei seinem Amtsantritt 1840 nur noch minimal mit sieben Stück vertreten war. Nach der Revolution 1848 waren es noch 13. Reiff erkannte die vorzüglichen Erbanlagen und die guten Biotopbedingungen für eine erfolgversprechende Hege.

In einem Brief an seinen Freund, dem Oberförster des Universitätswaldes zu Greifswald, schrieb er um 1850 prophetisch: „… aber die Zeit wird kommen, wenn ich sie auch nicht mehr erleben werde, in der die Hohenzollernkönige nach der Rominter Heide fahren, um hier die stärksten Hirsche zu erlegen!“ – Er sollte auch mit dieser Einschätzung Recht behalten. Reiff erbettelte sich hartnäckig vom König in Berlin die Übersendung von lebendem weiblichem Rotwild aus dem Potsdamer Wildpark. Er bekam tatsächlich von König Friedrich Wilhelm IV. diese Tiere.

Carl Friedrich Wilhelm Reiff und seinen dienstlichen Nachfolgern ist es zu verdanken, dass sich die Rominter Heide im Lauf der folgenden Jahrzehnte zu einem der bedeutendsten Rotwild-Spitzenreviere entwickeln konnte, vergleichbar mit Verhältnissen wie in den Karpaten und in Ungarn.

Im Jahr 1891 pirschte zum ersten Mal Kaiser Wilhelm II. in der Rominter Heide und machte sie zu seinem Leibrevier. Zu diesem Zweck wurde die Rominter Heide (insgesamt 24000 Hektar) eingegattert. Die umliegenden Gemeindejagden wurden zusätzlich mit 10000 Hektar als so genannte Schutzjagden angepachtet. 

Das Werk von Oberförster Reiff hatte inzwischen der königlich preußische Forstmeister Speck von Sternburg fortgeführt. Er meliorierte die Waldwiesen und säte schmackhafte Gräser ein; in jeder Försterei wurden drei bis vier Fütterungen angelegt. Kartoffeln, Möhren und Rüben wurden angebaut und eingekellert, in den königlichen Parks in ganz Preußen wurden Kastanien und Eicheln für das kaiserliche Jagdrevier eingesammelt. Allerdings gab es Auswüchse wie die ganzjährige Fütterung und die Fütterung von Sesamkuchen zu späteren Zeiten des sogenannten „Reichsjägermeisters“ unter Forstmeister Speck von Sternburg nicht. Er war immer um einen standortgerechten Rotwildbestand mit vier bis fünf Stück auf 100 Hektar besorgt. 

Lesen Sie im fünften und letzten Teil mehr über die Gegenwart von Jagd und Jägern in Ostpreußen.