18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.11.17 / Der Schock von Berlin / FDP stellt Inhalte über Machtbeteiligung: Damit hatte man nicht gerechnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Der Schock von Berlin
FDP stellt Inhalte über Machtbeteiligung: Damit hatte man nicht gerechnet
Hans Heckel

Nach den Bundestagswahlen erleidet das alte Parteiensystem seinen zweiten schweren Schock. Merkel klammert sich an die Macht.

Nie seit der Wahl zum ersten Bundestag 1949 war die politische Entwicklung der Bundesrepublik so offen wie seit Beginn dieser Woche. Nachdem das herkömmliche Parteiensystem schon am        24. September schwer erschüttert worden war, geraten alte Gewissheiten nun weiter ins Rutschen.

Der frühere „Handelsblatt“-Chefredakteur Gabor Steingart wirft der Kanzlerin vor, seit der Wahl die Wirklichkeit auszublenden. Tatsächlich ist „Jamaika“ auch daran gescheitert, dass diese Konstellation einem langfristigen Trend weiterverfolgen wollte, der mit der Bundestagswahl bereits an sein Ende gekommen war: die bis dahin scheinbar unaufhaltsame Prozession des politischen Spektrums nach links.

Es fällt auf, dass FDP-Chef Christian Lindner, den die meisten Medien zum Schuldigen erkoren haben, bei der Begründung für den Abbruch der Verhandlungen keine Schuldzuweisungen an die Verhandlungspartner vornahm. Der 38-Jährige zählte stattdessen die Inhalte auf, die nicht zusammenpassten, etwa bei der Steuer-, der Bildungs- sowie der Zuwanderungspolitik. Das hat offenbar alle überrascht, insbesondere die Kanzlerin selbst.

Angela Merkel wird von Kritikern seit Langem attestiert, inhaltlich beliebig zu sein, wenn es um den Machterhalt gehe. Ihre abrupten Wendungen in der Energie- oder der Asylpolitik stützen diese Sicht. Von sich selbst ausgehend war die CDU-Chefin offenbar davon überzeugt, dass die Aussicht auf Machtbeteiligung alle inhaltlichen Gräben am Ende überbrücken werde. Ebenso dachten wohl auch die allermeisten Hauptstadt-Kommentatoren. Doch das hat bei der FDP nicht funktioniert, da-her rühren das Erschrecken und die Wut über die Liberalen.

Andere sehen in dem Ausbruch aus der Beliebigkeit dagegen eine Chance für Deutschland. Sie beglückwünschen Lindner und seine Partei zu deren Standfestigkeit. 

Aber wie geht es jetzt weiter? Das wissen die Akteure derzeit selbst noch nicht. Neben Neuwahlen oder einer neuen Groko wird die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ins Spiel gebracht, die sich von einer weiteren Partei „tolerieren“ lässt.

Hier bringt sich sogar die AfD ins Spiel: Man könne sich die Tolerierung einer schwarz-gelben Minderheitsregierung vorstellen, so Fraktionschef Alexander Gauland. Schließlich gebe es eine „bürgerliche Mehrheit“ aus Union, AfD und FDP. Allerdings müsse Merkel gehen, und „Primärziele“ der AfD wie „Ausbau der Inneren Sicherheit und kein Familiennachzug“ müssten erfüllt sein, hieß es aus der Partei weiter. 

Merkel will sich ihrem Abgang jedoch mit allen Mitteln widersetzen. Warner fühlen sich an Helmut Kohl erinnert, der 1994 den Zeitpunkt für einen würdigen Abschied ebenfalls versäumt habe, und später vom Wähler davongejagt worden sei.