27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.11.17 / Lichteffekte und irgendetwas gegen die AfD

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Lichteffekte und irgendetwas gegen die AfD
Gernot Facius

Das große Reformationsjubiläum ist Geschichte. Der erwartete geistliche Ruck ist ausgeblieben, dennoch versuchten die Oberen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Probleme während ihrer jährlichen Synode in Bonn milde wegzulächeln. Er erlebe „ganz viel Begeisterung“ ließ sich der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm zitieren – trotz nicht erfüllter Erwartungen, was die Teilnehmerzahlen der diversen Feiern angeht und der Notwendigkeit, zu den veranschlagten 29,9 Millionen Euro im Jahr 2017 zusätzlich bis zu zehn Millionen Euro bereitzustellen. 

Deutlicher drückten sich der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer und sein Leipziger Amtskollege Christian Wolff aus: Sie nannten das Jubiläum ein „Fanal einer großen Selbsttäuschung“. Die EKD befinde sich weiter in einer großen Glaubenskrise. Diese Einschätzung teilte auch der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack. Er konfrontierte die Synodalen mit ernüchternden  Zahlen: Nur etwa zehn Prozent der Deutschen seien religiös auf der Suche. Nicht einmal ein Prozent der Konfessionslosen denke über einen (Wieder-) Eintritt in die Kirche nach. Die EKD (22 Millionen Mitglieder) sollte sich vor allem um diejenigen kümmern, die noch in der Kirche sind, aber dort eher am Rand stehen. „Müsste Kirche nicht manchmal mutiger sein und vom Mainstream des allgemeinen Gutmenschentums abweichen?“, fragte der Soziologe. „Zum Beispiel, indem sie sich für die Wähler der AfD interessiert und versucht, ihre Anliegen ernst zu nehmen und zu verstehen, statt sie zu verurteilen?“ 

Empfehlungen, wie man sie in der EKD nur selten hört. Widerständig sein, sich nicht immer an der Politischen Korrektheit orientieren, das fällt vielen schwer. Die evangelische Kirche fülle schon seit Langem ihre „theologische Leerstelle mit Politik und Moral“, resümierte der Historiker Benjamin Hasselhorn, Kurator der Wittenberger Luther-Sonderausstellung in der kircheneigenen Zeitschrift „zeitzeichen“. 

Die (katholische) Deutschlandfunk-Journalistin Christiane Florin registrierte eine „Mischung aus „Scheinriesentum und Selbstverzwergung“. Toleranz, miteinander reden, „irgendetwas gegen die AfD und fürs Grundgesetz – das ist so anschlussfähig wie ein Playmobil-Luther“, die Playmobil-Figur des Jahres 2017. Ganz keck kommentierte sie das enge Zusammenwirken des EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm und des Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx: „Sie wirken so unzertrennlich, dass ich schon dachte, es gebe zusätzlich zum Playmobil-Reformator auch die beiden zusammengeschweißt als Plastik-Doppelfigur.“ 

Die Kritik korrespondierte, wenn man so will, mit dem Satz aus dem Johannesbrief, der an der Stirnseite des Versammlungssaals im Bonner Hotel „Maritim“ zu lesen war: „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“ Er beschreibt in der Tat das Dilemma der EKD mit ihren 

20 Gliedkirchen. Die Kirchensteuern sprudeln (5,45 Milliarden  im Jahr 2016), aber der Gottesdienstbesuch geht weiter zurück. 

Es fehlte auf der Synode nicht an Vorschlägen, wie man aus dem Tief herausfinden könnte. „Gottesdienst bitte nicht länger als 50 Minuten“, empfahl Professor Pollack. Der bisherige EKD-Vizepräses Klaus Eberl brachte wieder die schon länger ventilierte Idee einer „Mitgliedschaft light“ ins Spiel, eine Art Kirche auf Probe. In einem in Bonn verabschiedeten Grundsatzpapier wird der EKD nahegelegt, „weiter über ergänzende oder alternative Formen der Beteiligung am kirchlichen Leben beziehungsweise der Zugehörigkeit zur Kirche nachzudenken“. 

Bei so viel Nachdenken über Innovationsmöglichkeiten mochte auch der Ratsvorsitzende nicht 

hintan stehen. „Die Probleme, die es gibt, gehen wir fröhlich an“, sagte Bedford-Strohm in Interviews. Er regte an, „mit Lichteffekten und Band bis zu einer Lounge mit ‚Singer & Songwriter‘ die Kirche attraktiver“ zu machen. Ob sich so die Gotteshäuser wieder füllen lassen?

„Was würde wohl Martin Luther denken, käme er heute des Weges gefahren? Würde er die Kirche der Reformation noch wiedererkennen?“ Diese Fragen stellt nicht etwa ein protestantischer Bischof oder Präses, sondern ein Gast in seinem Grußwort: der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki.