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24.11.17 / Die unbekannte Größe / Eine Wiederentdeckung in Hamburg – Die Malerin Anita Rée

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Die unbekannte Größe
Eine Wiederentdeckung in Hamburg – Die Malerin Anita Rée
D. Jestrzemski

Zu ihren Lebzeiten war die Hamburger Künstlerin Anita Rée (1885–1933) eine anerkannte Malerin und Porträtistin. Sie verkehrte in den Sa­lons der Reichen und gehörte zur Hamburger Kunstszene. Lange war ihr Werk vergessen, bis man sie vor einigen Jahren als Pionierin der Moderne wiederentdeck­te. Mit der Gesamtschau „Anita Rée. Retrospektive“ zeigt die Hamburger Kunsthalle erstmals eine umfassende Ausstellung mit Werken von Anita Rée aus eigenem Bestand sowie aus weltweit verstreutem Privatbesitz. 

Die rund 200 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und dekorierten Objekte offenbaren ein facettenreiches Œuvre mit Stileinflüssen des magischen Realismus, Kubismus und der Neuen Sachlichkeit. Auch zeigt sich der für die 20er Jahre typische Zug ins Dekorative. Im Zentrum der Ausstellung stehen Porträts und südliche Landschaften in zauberhaften Farbkompositionen. Figurenbilder erinnern an archetypische Motive. 

Eines der zentralen Werke der Ausstellung ist das Gemälde „Weiße Bäume in Positano“ aus dem Jahr 1925, das erst 2012 auftauchte. Es entstand während der glücklichsten Jahre ihres Lebens, die sie überwiegend an der Amalfiküste Italiens verbrachte. Selbstzweifel und Melancholie kommen im Selbstporträt von 1929 zum Ausdruck, das zur Dauerausstellung der Kunsthalle gehört. 

Als Rée ihre Neigung für die Malerei entdeckte, war es Frauen noch nicht möglich, an einer Kunstakademie zu studieren. Sie wurde 1885 als jüngere Tochter des wohlhabenden jüdischen Kaufmanns Israel Rée und seiner Frau Clara in Hamburg geboren. Die beiden Schwestern wurden protestantisch erzogen und er­hielten eine kunstlastige Bildung für „höhere Töchter“, die ihrem späteren Leben als Ehefrau in gehobenen Kreisen zugutekommen sollte. 

Allen Warnungen zum Trotz verfolgte Rée das Ziel, freischaffende Künstlerin zu werden, richtete im Dachgeschoss des elterlichen Hauses ihr Atelier ein. Eine Ateliergemeinschaft zerbrach an ihrer unglücklichen Liebe zum Malerkollegen. Im Winter 1912/ 1913 lernte sie bei Fernand Léger in Paris das Aktzeichnen. Zusammen mit zahlreichen anderen Künstlern gründete sie 1919 die „Hamburgische Sezession“, eine Künstlerbewegung, die nach Unabhängigkeit von Einflüssen der Wirtschaftsverbände und Institutionen strebte.  

Nach dem Verkauf ihres Elternhauses 1925 pflegte Rée einen spartanischen Lebensstil. Für die Dauer ihrer Aufträge zog sie bei ihren Auftraggebern ein. 1929 und 1930 führte sie im Auftrag der Stadt Wandfriese in Schulen aus. Davon erhalten ist nur „Orpheus und die Tiere“ in der heutigen John-Neumeier-Ballettschule in Hamburg-Hamm. 

Als sie am 25. April 1933 von der Hamburgischen Künstlerschaft als „artfremdes Mitglied“ ausgeschlossen wurde, lebte sie bereits auf Sylt. Vereinsamt, enttäuscht nach persönlichen Miss­erfolgen und verzweifelt wegen der Diffamierungen der Juden durch die Nationalsozialisten beging sie am 12. Dezember 1933 Suizid.

Bis 4. Februar, Glockengießer­-wall 5, 20095 Hamburg, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr, Eintritt: 14 Euro. Internet: www.hamburger-kunsthalle.de