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24.11.17 / Die römische Republik war ihm Vorbild / Theodor Mommsen gilt als einer der bedeutendsten Altertumswissenschaftler des 19. Jahrhunderts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Die römische Republik war ihm Vorbild
Theodor Mommsen gilt als einer der bedeutendsten Altertumswissenschaftler des 19. Jahrhunderts
Dirk Klose

Theodor Mommsen zählt zu den bedeutendsten Historikern im 19. Jahrhundert, unter den Althistorikern stehen neben ihm bis heute nur wenig andere. Aber er war weit mehr: Sein Interesse galt nicht nur der Antike, sondern als liberal gesinnter Zeitgenosse auch der Gegenwart, in der er sich politisch sowohl im Preußischen Abgeordnetenhaus als auch in den 1880er Jahren im Reichstag engagierte. 

Mommsen war alles andere als ein Stubengelehrter. Er war in Berlin eine stadtbekannte und beliebte Persönlichkeit, von der selbst der Mann auf der Straße wusste, dass er etwas „mit den ollen Römern“ zu tun hatte.

Vor 200 Jahren, am 30. November 1817, wurde Mommsen in dem kleinen Ort Garding auf der Halbinsel Eiderstedt geboren. Kurz vor Vollendung seines 86. Lebensjahres starb er am 1. November 1903 im damals noch eigenständigen Charlottenburg. Mommsen hatte an der Kieler Universität Rechtswissenschaften studiert. Mit einem Stipendium der dänischen Krone – der König von Dänemark war damals noch in Personalunion auch Herzog von Holstein – konnte er 1844 nach Italien reisen, wo er vom Juristen zum Altertumswissenschaftler wurde. Die Ausbeute seiner über 60 Jahre dauernden wissenschaftlichen Arbeit ist immens. Jüngste Publikationsverzeichnisse zählen über 1200 Titel, darunter historische Darstellungen sowie viele Quellentexte und deren Erläuterungen. 

Mommsens Credo war: Um die Antike zu verstehen, muss man zuallererst deren Quellen kennen, also Inschriften, Texte, Biografien und das Finanzwesen, sprich Münzen. Auf ihn gehen die bedeutendsten antiken Quellensammlungen (Codices) zurück, die größtenteils noch heute mit mo­dernster digitaler Technik fortgeschrieben werden. Seine herausragendsten Leistungen sind die Sammlung aller lateinischen Inschriften (Corpus Inscriptionum Latinarum, ab 1853), das Personenlexikon zur römischen Kaiserzeit (1874), die ersten Bände der Quellen zur deutschen Geschichte (Monumenta Germaniae Historica, ab 1875), die Erfassung antiker Münzen (Corpus Numerorum, ab 1888) und das (heute auf 83 Bände angewachsene) Lexikon frühchristlicher Schriftsteller. 

Mommsen hatte 1848 eine Professur in Leipzig erhalten, die er aber 1851 verlor, weil er mit seiner liberalen Gesinnung bei der politischen Reaktion nach 1848 angeeckt war. Nach kurzer Station in Zürich holte ihn der preußische Staat 1854 nach Breslau. Von 1861 bis 1888 war er dann ordentlicher Professor an der Universität Berlin, schon seit 1858 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wo er in virtuoser Handhabung von Gremien und Institutionen seine großen Projekte vorantrieb.

Berühmt über das Fach hinaus wurde Mommsen durch seine mehrbändige „Römische Geschichte“ (ab 1854), die von der Gründung Roms bis zum Ende der Republik reicht. Entgegen den Befürchtungen des Verlags wurde das dickleibige Opus sofort ein durchschlagender Erfolg, für das Mommsen als erster Deutscher 1902 den Literaturnobelpreis erhielt. „Konkurrenten“ waren immerhin so berühmte Autoren wie Tolstoi, Zola, Strindberg und Gerhart Hauptmann, der dann erst 1912 ausgezeichnet wurde. Die Arbeit sei, so das Preiskomitee, ausgezeichnet worden wegen des „hohen Wertes ihres Inhalts wie durch die Vollkommenheit ihrer Form“. 

In der Tat imponiert das Werk in seiner lebendigen Erzählweise und Faktenfülle bis heute. Es ist getragen von größter Wertschätzung für das republikanische Rom, das ihm Ideal einer republikanischen, freiheitlichen Gesellschaft auch für seine Zeit war. Großartig ist seine Charakterisierung vieler Protagonisten, auch von Gegenspielern der Römer. Hannibal: „Er war ein großer Mann; wohin er kam, ruhten auf ihm die Blicke aller.“ Sein römischer Gegner Publius Scipio: „Er war eine begeisterte und begeisternde Natur … ein vorzüglicher Offizier und feingebildeter Diplomat, hellenistische Bildung einigend mit dem vollsten römischen Nationalgefühl.“

Mommsen absoluter Heros war Gaius Julius Caesar, für ihn Inbegriff eines vollkommenen Staatsmanns und Heerführers: „Weniger Menschen Spannkraft ist auf die Probe gestellt worden wie die dieses einzigen schöpferischen Genies, das Rom und das die alte Welt hervorgebracht hat.“ Bei aller Verehrung übersah er nicht dessen allzu menschliche Seite: „Caesar hat sich einweihen lassen in alle Rasier-, Frisier- und Manschettenmysterien der damaligen Toiletten sowie in die noch weit geheimnisvollere Kunst, immer zu borgen und nie zu bezahlen.“