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24.11.17 / Butter, Busse und die Mona Lisa / Echte Kunst fasziniert, ein Kunstprojekt mit zerschossenen Bussen aus Syrien tut es nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Butter, Busse und die Mona Lisa
Echte Kunst fasziniert, ein Kunstprojekt mit zerschossenen Bussen aus Syrien tut es nicht
Burkhard Voss

Hauptgebäude der Düsseldorfer Kunstakademie 1982: Der deutsche Künstler Joseph Beuys packt fünf Kilo Butter in eine Ecke des Ateliers „Raum drei“. Butter ist ein nahezu inflationärer Massenartikel, nicht nur seit es den Begriff Butterberg als ein Synonym für subventionierte Überproduktion gibt. Können fünf Kilo Butter trotzdem Kunst sein? Hierzu meinte Beuys: „Eine Fettecke ist … deswegen gemacht, um als Fettecke im Gegensatz zu stehen zu anderen Prozessen, die ein solches plastisches, anfälliges Material macht. Also gerade die Sachen mit Fett erheben einen großen Anspruch auf Theorie.“ 

Anspruch auf Theorie? Gemäß dieser Logik haben jede Menge Gebrauchsgegenstände Anspruch auf Theorie. Wie wäre es mit Benzin? Um die Vorläufersubstanz

Erdöl ist wahrscheinlich schon mehr als ein Krieg geführt worden. Demnach müsste ein Fünf-Liter- Kanister Benzin unbedingt Kunst sein, egal ob in einer Garage, einer Tankstelle oder einem Kofferraum oder in einem Museum. Noch mehr Kunst werden in nicht allzu langer Zeit Fünf Liter Wasser sein, denn die zukünftigen Kriege sollen, glaubt man einigen Prognosen, um Wasser und nicht mehr um Erdöl geführt werden.

Wenn man seinen Gedanken so frei flottierend seinen Lauf lässt, ist irgendwann alles Kunst. Genau das ist es aber nicht. Was es in Unmengen gibt, kann nicht Kunst sein, sondern ist, insbesondere wenn es mit der Bezeichnung Kunst verknüpft wird, einfach nur noch Kitsch. Kunst ist das Einmalige, das eben nicht in Massen auftretende, Grenzenlose und Inflationäre. Dieses herauszuarbeiten, das Neue, vielleicht sogar Eruptive, das Einmalige, das ist die Kunst des Künstlers.

Fünf Kilo Butter können somit keine Kunst sein, da keine Abgrenzung zur Normalität, nicht einmal zur Banalität, vollzogen wird. So etwas musste dann auch im Abfalleimer landen, der Hausmeister der Kunstakademie Düsseldorf erkannte die Kunst am ranzigen Fett nicht. Das lag nicht an ihm, sondern an Joseph Beuys, der etwas als Kunst ausgegeben hatte, was keine war. Das war bei ihm nicht das erste Mal. Schon 1973 wurde eine mit Mullbinden und Heftpflaster vollgestopfte Badewanne auf einer Veranstaltung der SPD kurzerhand umgestülpt und zum Spülen von Gläsern verwendet. Der „Anspruch auf Theorie“ hatte offensichtlich auch das sozialdemokratische Bewusstsein nicht erreichen können.

Ob drei zerschossene und umgedrehte Busse aus dem syrischen Bürgerkrieg, noch bis vor Kurzem ausgestellt vor der Dresdner Frauenkirche, als Kunst das Bewusstsein der Bevölkerung erreichen, ist ebenfalls mehr als fraglich. Die Busse sind zweifelsohne authentisch. Und dieses Merkmal ist für das Irrenhaus der Republik auch schon völlig ausreichend, um sie vor das Brandenburger Tor zu stellen. Böse Anmerkung: Folgt man den Ausführungen des US-Bestseller-Autors Jonathan Franzen, der Anfang der 1980er Student in Berlin war, so war der von der Wehrpflicht ausgenommene Westteil der Stadt ein Zufluchtsort von Gammlern, die an einer Uni eingeschrieben sein mussten, um ihren Studentenstatus zu bewahren, aber nicht allzu engagiert waren, ernsthaft zu studieren. Sollte an der Volksweisheit „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ etwas Wahres dran sein, hätte man durchaus eine Erklärung, wie es zu diesem Irrenhaus gekommen ist. Zurück zur Authentizität, die immerhin ein Kriterium für Kunst sein soll. Dieses wird jedoch zunichte gemacht durch die Effekt-hascherei der abgewrackten Fahrzeuge, die fast schon marktschreierisch in den Himmel ragen. Sicher kein Kriterium für Kunst. 

Wie Kunst sich von der Normalität, von Gebrauchsgegenständen und von der Trivialität gut abgrenzt, zeigt ein Sprung durch die Jahrhunderte. Der Zeichner, Maler, Naturforscher, Bildhauer und Baumeister, kurz das Universalgenie Leonardo da Vinci (1452–1519), schuf als Maler der Hochrenaissance eindrucksvolle Bilder mit eigenartigem atmosphärischen Reiz, deren anziehende Wirkung von seinen Zeitgenossen nicht erreicht wurde. Neben dem Abendmahl ist es die Mona Lisa, die bis heute fasziniert. Eben die geheimnisvollste Frau der Kunstgeschichte. Erstmals in dieser Geschichte rückte Leonardo durch die ferne Landschaft im Hintergrund sie ganz in die Nähe des Betrachters. Es entstand eine fast schon unheimliche, bis dahin unbekannte Intensität.

Spätestens ab dem 19. Jahrhundert war es damit endgültig vorbei. Die Entgrenzung begann und mit ihr brach die Trivialisierung herein. Durch die Erfindung der maschinellen Druckerpressen und weiterer Apparaturen konnte die Mona Lisa millionenfach auf Flaschen, Spielkarten, Untersetzern, Briefbeschwerern und Schlüsselanhängern aufgedruckt werden. Die einzigartige Aura war dahin.

Der Autor arbeitet als Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie in Krefeld. 2017 erschien sein Buch „Albtraum Grenzenlosigkeit – vom Urknall bis zur Flüchtlingskrise” (Solibro Verlag)