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24.11.17 / Liegnitz ehrt Deutschen mit Auszeichnungsbenennung / Stadtpräsident rief Jürgen-Gretschel-Preis für Engagement im Dienste der Völkerverständigung und Pflege des Kulturerbes ins Leben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Liegnitz ehrt Deutschen mit Auszeichnungsbenennung
Stadtpräsident rief Jürgen-Gretschel-Preis für Engagement im Dienste der Völkerverständigung und Pflege des Kulturerbes ins Leben
Chris W. Wagner

Der Stadtpräsident der niederschlesischen Großstadt Liegnitz [Legnica], Tadeusz Krzakowski, hat Anfang dieses Monats einen Ehrenpreis für besonderes Engagement im Dienste der Völkerverständigung und Pflege des Kulturerbes ins Leben gerufen. Zum Namenspatron wurde, was in der Republik Polen selten ist, ein Deutscher bestimmt. Auf diese Wese geehrt wurde der vergangenen Monat verstorbene langjährige Vorsitzende der örtlichen Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft (DSKG) Jürgen Gretschel. Gretschel war kurz vor seinem plötzlichen Tod von den Liegnitzern zum beliebtesten Bürger der Stadt gewählt worden. 

Der erste Jürgen-Gretschel-Preis wird im März 2018 vergeben, denn der Namensgeber ist am 7. März 1941 in Liegnitz geboren worden. „Es ist eine große Ehre für die Familie und zugleich Anerkennung für die deutsche Minderheit. Die Bevölkerung von Liegnitz ist nach dem Krieg ein Schmelztiegel vieler Nationen und Ethnien geworden, Polen waren anfangs in Liegnitz eine Minderheit. Bis heute leben bei uns Nachkommen von Russen, Ukrainern, Lemken, Juden, Griechen, Roma, Polen und Deutschen und mein Großvater hat all diese Minderheiten zusammengeführt“, so Damian Stefaniak, Gretschels Enkel.

Der 29-jährige Stefaniak ist Vater von drei Kindern, arbeitet im Marketing eines Verlags und hat den Vorsitz der DSKG übernommen. „Mein Großvater war ein bunter Vogel, allseits bekannt und beliebt, sprach außer Deutsch ein perfektes Polnisch und exzellentes Russisch, da er als Kind nach der Vertreibung im von Sowjets beschlagnahmten Villenviertel aufwuchs“, so Stefaniak. 

Es ist nicht einfach für ihn, dauernd mit dem Großvater verglichen zu werden. Da er sich aber seit Langem in der Liegnitzer Kulturszene engagiert und vom Großvater zu den Veranstaltungen der DSKG mitgenommen wurde, schlägt sich der Germanist tapfer. Als Kind trat er in der polnischen Kindertanzgruppe Legnica auf, die dank Jürgen Gretschel in der alten deutschen Tracht Niederschlesiens auftritt, deutsche Lieder singt und alte schlesische Tänze wie die Schlesische Ecossaise, den Tüchlatanz oder den Jägerneuner pflegt. Zuletzt traten die „Legnica“-Kinder beim Heimattreffen der Schlesier in Hannover und beim Erntedankfest in Liegnitz auf, wo sie zum Beispiel das „Lied der Gugali“ zum 90. Jubiläum der Garten- und Gewerbeausstellung von 1927 in Liegnitz sangen. 

„Jürgen Gretschel hat ein europaweites Phänomen geschaffen, eine Gruppe zu gründen, in der sich die Mehrheitsvertreter für die Geschichte, Kultur und Traditionen einer Minderheit engagieren und helfen, diese am Leben zu halten“, so Artur Bialachowski, ein Liegnitzer Doktorand der Germanistik, der über Liegnitz publiziert, Stadtführungen macht und ebenfalls bei Gretschel „gelernt“ hat.

Es ist längst Tradition geworden, dass zum Liegnitzer Erntedankfest seitens der Stadt auch vertriebene Liegnitzer eingeladen werden. Diese werden wie dieses Jahr im Oktober ins Rathaus eingeladen und zum deutschen Friedhof begleitet, wo eine Gedenkfeier für ehemalige und heutige Liegnitzer abgehalten wird. „Mein Großvater weigerte sich, in den Nachkriegsjahren seinen deutschen Namen ins Polnische zu ändern nur damit er Karriere machen konnte. Er überzeugte die neuen Machthaber durch sein Wissen, Können und seine Offenheit. Und er war ein Lebemann, der durch sein Wesen die Menschen vereinnahmen konnte“, so Enkel Stefaniak, der dabei ist, ein Buch über seinen Großvater pünktlich zur Vergabe des ersten Jürgen-Gretschel-Preises herauszubringen. Neben dem bewegten Leben Jürgen Gretschels werden im Buch auch dessen wichtigsten Errungenschaften behandelt wie zum Beispiel die „Weihnacht der Völker“, bei der nach deutscher Tradition unter dem Adventskranz alle Minderheiten zusammenkommen. Und da Jürgen Gretschel ein leidenschaftlicher Koch war, wird die Publikation um seine Lieblingsrezepte schlesischer Spezialitäten ergänzt. 

„Als Heimatforscher und Lokalpatriot wirkte Jürgen Gretschel mit seinem umfangreichen Wissen über die Geschichte der Region wie ein wandelndes Schlesien-Lexikon, wenn er in seiner originellen, kurzweiligen Art immer wieder Touristen durch seine Heimatstadt Liegnitz führte. Gleiches galt, wenn der bekennende Protestant Gretschel vor Reisegruppen, Vereinen oder auch in Schulen in freier Rede zum Thema Schlesien sprach. In vielen Interviews mit polnischen Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern hat er immer wieder über die wechselvolle Geschichte seiner Heimat aufgeklärt. Sein Wissen um und sein Herzblut für Liegnitz und ganz Schlesien begeisterte die Menschen“, erinnert sich Bialachowski.