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24.11.17 / Der ewige Wald? / Jagd und Jäger in Ostpreußen, Teil V

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Der ewige Wald?
Jagd und Jäger in Ostpreußen, Teil V

Anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Gründung des Ostpreußischen Jagdmuseums vor 60 Jahren (siehe PAZ 43, Seite 19) konnte auch Horst F. Buschalsky für einen Vortrag gewonnen werden. Der Leitende Forstdirektor, der im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium das Referat für Forstpolitik, Jagd und Holzwirtschaft leitet, sprach über „Jagd und Jäger in Ostpreußen – einst und heute“. Die PAZ veröffentlicht seinen Beitrag in mehreren Teilen. Lesen sie hier den fünften und letzten Teil.

Der Kaiser erlegte von seinen insgesamt in seinem Leben gestreckten 2133 Hirschen 311 in der Rominter Heide. Viele, heute noch vorhandene Gedenksteine, erinnern daran. Er ließ am Ufer der Rominte ein Jagdschloss bauen, das im nordischen Block-hausstil in Norwegen gefertigt wurde. Mit der Hubertuskapelle und dem von Professor Friese geschaffenen Hirschmonument sowie den im gleichen Stil nach und nach gebauten Förstereien, Schul- und anderen Wirtschaftsgebäuden wurde das „Jagdhaus Rominten“ zu einem beliebten Ausflugziel in Ostpreußen.

Anders wurde das, als der sogenannte „Reichsjägermeister“ die Rominter Heide für sich reklamierte. 1936 ließ er sich ein eigenes Jagdhaus, den „Reichsjägerhof“ bauen. Die Rominter Heide wurde Staatsjagdrevier und Oberforstmeister Walter Frevert zum Leiter des Reviers bestellt. Zum ersten Mal wurde die Rominter Heide zum Sperrgebiet erklärt und der öffentliche Besucherverkehr verboten.

Der sogenannte „Reichsjägermeister“ behielt sich den Abschuss der hochkapitalen und kapitalen Hirsche selber vor. Er war besessen von dem Gedanken, hier den stärksten Hirsch der Welt zu erlegen. Im Jahr 1942 gelang ihm das mit der Erlegung eines viel zu jungen Hirsches, der den Namen „Matador“ erhielt.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte auch hier das Ende dieses besonderen Wald- und Wildgebietes mit sich. Wild- und Holzbestände fielen gnadenloser Ausplünderung anheim. Zudem wurde die Heide in einen russischen und einen polnischen Bewirtschaftungsraum geteilt, getrennt durch eine innerostpreußische russisch-polnische Grenzlinie.

Seit 1991, der Öffnung weiter Teile Nordostpreußens, ist auch der Hauptteil der Rominter Heide wieder für Deutsche und Ausländer zugänglich. Im südlichen polnischen Teil war das schon vorher möglich. Es kann und darf wie im Elchwald auch die Jagd wieder ausgeübt werden. Und das Rotwild, welches dort heutzutage anzutreffen ist, hat zum Teil immer noch beachtliche Ausmaße.

Einige wenige deutsche Jäger jagen auch bis heute in der nördlichen Rominter Heide. So fielen zum Beispiel von 1992 bis 1995 einige gute Kapitel- und Abschusshirsche. Darunter auch wirklich alte und starke. Einen der stärksten Nachkriegshirsche in Rominten erlegte ein Revierförster aus Westdeutschland, die Trophäe wurde ihm allerdings vorenthalten und später gegen Devisen nach Amerika verkauft.  

Der Schweizer Forst- und Jagdhistoriker Dr. Andreas Gautschi, der nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ seinen Wohnsitz in die Rominter Heide verlegte – er wohnt heute in Szittkehmen (Wehrkirchen), resümiert in seinem Buch „Rominten – Gestern und Heute“: „Als Rest der Großen Wildnis blieb einst die Rominter Heide erhalten und wurde zur Heimat einer einzigartigen Rotwildpopulation, an deren Hege Generationen der besten hirschgerechten Jäger und Förster beteiligt waren. Der schreckliche Krieg setzte dem ein Ende. Heute, 70 Jahre danach, ist die Rominter Heide größer geworden, ein ausgedehnter, einsamer Naturraum ist entstanden, der stellenweise den Charakter der ursprünglichen Wildnis wieder angenommen hat. Eine Wertung vorzunehmen ist schwierig. Polnische und russische Förster werden wie der unbefangene Naturliebhaber zu anderen Schlüssen gelangen als der Deutsche, dem die Heide Heimat war. Jener findet, was von der Stätte seiner Geburt übrigblieb, vielleicht auch die Gräber seiner Vorfahren, von Moos bedeckt, von hohen Bäumen überwachsen. Über den Ruinen rauscht der ewige Wald. Das ist das Schicksal der verlorenen Heimat.

Die quer durch die Rominter Heide verlaufende Grenze ist schmerzlich. Niemand kann wissen, wie lange dieser Zustand andauern wird. Alles hängt davon ab, was politisch weiter geschieht. Es besteht der Wunsch, dass an diesem geschichtsträchtigen Ort, wo sich seit jeher verschiedene Kultureinflüsse zu einem harmonischen Ganzen zusammenfanden, dereinst wieder etwas Gemeinsames geschaffen werden kann. Es müssen in Europa künftig Zustände herrschen, die den guten Seiten der menschlichen Natur und den kulturellen Traditionen des Abendlandes würdig sind.“

Aus der Geschichte der Rominter Heide gibt es ein Beispiel, welches diese Denkweise anschaulich untermauert und zeigt, dass menschliches Für- und Miteinander Grenzen überwinden kann und Vertrauen schafft. Letzteres benötigen wir heut mehr denn je.

Als 1898 die russisch-litauische Grenzstadt Wystitten abbrannte, erfuhr dieses durch den Nassawer Revierverwalter, Oberförster von Saint Paul auch der Kaiser in Berlin. Er überwies dem Forstmeister eine nicht geringe Summe mit dem Auftrag, damit die erste Not der Bewohner zu lindern. Der „Heilige Paul“, wie er genannt wurde, fuhr mit seiner Wirtschafterin Lene und den Forstangestellten mit zehn großen Wagen, vollbepackt mit Kleidungsstücken, zur russischen Grenze. Die Sperre fiel, da er dort allgemein bekannt war. Der Tross fuhr auf den Marktplatz der verbrannten Stadt, wo er mit großem „Hallo“ empfangen wurde. 

Im Herbst kam Kaiser Wilhelm II. zur Pirsch nach Rominten und wollte sich dabei das neu erbaute Wystitten ansehen. Forstmeister von Saint Paul auf seiner Fuchsstute war der Anführer, der Kaiser in russischer Generalsuniform folgte, die Grenzposten salutierten, die Sperre fiel, und dann ging es auf den Marktplatz, wo die Bevölkerung in Jubel ausbrach, als sie den deutschen Kaiser erkannte. 

Das Vertrauen, die Vernunft und die Unkompliziertheit, die aus diesem Ereignis sprechen, geben ein Beispiel für das ferne Ziel aller Bemühungen, die auch heutzutage aufgebracht werden müssen. Ganz im Sinne der Aussage des dänischen Theologen und Philosophen Sören Kirkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rück-wärts verstanden“.