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24.11.17 / Wenig Klarheit über ein umstrittenes Pflanzenschutzmittel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-17 vom 24. November 2017

Wenig Klarheit über ein umstrittenes Pflanzenschutzmittel
Wolfgang Thüne

Die Welt ist voller tödlicher Gefahren, doch ist sie es wirklich? Die Umweltbewegung startete in den USA 1962 mit Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“. Es ging um DDT, ein Insektizid, dessen Wirkung 1939 entdeckt wurde und Millionen von Menschen vor Cholera, Fleckfieber, Malaria und Typhus rettete. DDT ist sowohl Gift und in der Landwirtschaft verboten als auch Lebensretter und in der Malaria-Bekämpfung erlaubt.

Heute geht es nicht um die Zulassung, sondern die Verlängerung der Zulassung des Herbizids Glyphosat durch die EU. Es ist ein Pflanzenvernichtungsmittel mit direkter Auswirkung auf die ­Ackerflora und indirekter auf die Vielfalt der Ackerfauna. Löst es beim Menschen eine Krebsgefahr aus? Oder ist es nur ein Krebsrisiko, bei dem es auf die Dosis ankommt? Um diesen Punkt streiten sich die Gelehrten, die je nach Wertung als „gut“ oder „korrupt“ eingestuft werden.

Die Vielfalt der Nachrichten ist verwirrend, die Aussagen sind widersprüchlich, den angebotenen „einfachen Wahrheiten“ kann man nicht unbedingt trauen und die wissenschaftlichen Texte sind für den Laien schwer verständlich. Dies gilt für Kläger und für Beklagte. Patentinhaber und ursprünglicher Alleinproduzent von Glyphosat ist der US-Konzern Monsanto. 

Das Buch ist sehr faktenreich, aber zu detailversessen, und das macht es für einen neutralen Leser schwer verdaulich wie verständlich. Jeder will recht haben, insbesondere die in Wien ansässige NGO „Global 2000“ unter Führung des Autors. Die Streitfrage ist: Gibt es ausreichende, nur begrenzte oder keine exakten Beweise für die Behauptung, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“.

Die Aussage der Umweltschützer, 70 Prozent der Deutschen seien für ein Verbot, ist keine Risikobewertung. 70 Prozent der Deutschen sind auch für Klimaschutz, obgleich 100 Prozent von der Unmöglichkeit des Wetterschutzes überzeugt sind. Das Buch ist in zwei Teile, „USA 1973 bis 1991“ und „Europa 2012 bis 2017“, gegliedert. 

Vor der Zulassung in den USA wurde 1978 eine „26-Monate-Fütterungsstudie“ mit Mäusen und Ratten durchgeführt. Die Frage ist, reagiert der Mensch wie eine Labormaus oder -ratte, zumal zwischen dem Einwirken und der Manifestation einer Erkrankung Jahrzehnte liegen können und ein Kausalzusammenhang zwar zu behaupten, aber unmöglich zu beweisen ist? 

Bei dem hartnäckig geführten Streit geht es um die „Maus 1028“, obgleich nur 50 Mäuse an der Studie 1978 beteiligt waren. Natürlich kann immer wieder die „Fälschung von Studien“, das „Erfinden von Daten“ behauptet werden, wobei man zu Recht fragen kann, ob nicht die gesamte Datenbasis bei der „Klimaforschung“ wie der „Klimaprognose“ fraglich ist. 

Das Buch soll Stimmung machen vor der Entscheidung der EU-Kommission, ob die Genehmigung von Glyphosat um 15 Jahre verlängert werden soll oder nicht. Fakten über ursächliche Krebserkrankungen durch die bisherige Anwendung werden nicht vorgelegt. Aber es wird Stimmung gemacht. Über eine AVAAZ-Petition wurden eine Million Unterschriften gesammelt bei 500 Millionen Europäern.

Zur Relation: „Weil die ,Dosierungen’ beim Menschen um Zehnerpotenzen niedriger sind, werden anders als bei Mäusen nicht drei von 50 Individuen wegen Glyphosat Nierenkrebs bekommen, sondern vielleicht drei von 500000 oder gar ,nur’drei von fünf Millionen. Die Frage bleibt unbeantwortet: Wer zündet hier „Nebelkerzen“, das Bundesinstitut für Risikoforschung oder Global 2000?

Auch bei sorgfältigem Lesen des Buches – darauf finden Sie keine Antwort. Fragt sich, wer „Esoterik“ betreibt, die Staaten oder die NGO.

 

Helmut Burtscher-Schaden: „Die Akte Glyphosat – Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden“, Verlag Kremayr & Scherlau, Wien 2017, gebunden, 255 Seiten, 22 Euro