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01.12.17 / Demokratie wagen / Statt neuer »Groko«: Stimmen für eine Minderheitsregierung werden lauter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Demokratie wagen
Statt neuer »Groko«: Stimmen für eine Minderheitsregierung werden lauter
Hans Heckel

Nicht nur Dänemark, auch die USA zeigen: Es ist kein Unglück, wenn die Regierung ihre Mehrheiten von Fall zu Fall suchen muss.

Nach dem Scheitern von Schwarz-Gelb-Grün scheint alles auf eine Neuauflage von Schwarz-Rot hinzudeuten, auch wenn die SPD noch zögert. Eine weitere „Groko“ sei unausweichlich, um Stabilität zu garantieren, heißt es zur Begründung. Eine Minderheitsregierung der Union, welche sich von Fall zu Fall neue Mehrheiten im Parlament zu suchen hätte, gefährde die innere Festigkeit Deutschlands und seine außenpolitische Berechenbarkeit.

Der Einwand, ein stabiles Land wie Dänemark lebe seit Langem sehr gut mit solchen Minderheitsregierungen, wird vom Tisch gewischt mit dem Argument, dem Königreich komme längst nicht die europäische und internationale Bedeutung zu wie Deutschland. Wegen ihrer weit größeren Verantwortung müsse die Regierung der Bundesrepublik dagegen stets auf eine stabile parlamentarische Mehrheit gegründet sein.

Dieser Einwand zerschellt indes schon am Beispiel der USA. Dort verfügt die Partei des Präsidenten oft nur über die Mehrheit in einem der beiden Parlamentshäuser. Zudem gebärden sich die US-Parlamentarier weit unabhängiger von ihrer Parteilinie als ihre deutschen Kollegen.

Die Folge ist, dass sich US-Präsidenten sehr häufig ihre Mehrheit im Parlament mühsam zusammensuchen müssen. Die Stellung der Vereinigten Staaten als bedeutendste Weltmacht hat darunter aber ebenso wenig gelitten wie ihr Aufstieg in diesen Spitzenrang.

Daher sehen zahlreiche Beobachter in einer Minderheitsregierung weit mehr Chancen als Risiken für die deutsche Demokratie. Wenn die Regierung zu jeder Abstimmung um Zustimmung erst werben müsste, würde das Parlament – in den vergangenen vier Jahren zur Staffage verkommen – enorm aufgewertet. Zudem könnten sich die einzelnen Parteien nicht mehr hinter Koalitionskompromissen verstecken. Sie müssten ihr Abstimmungsverhalten Punkt für Punkt direkt vor dem Wähler rechtfertigen.

Ein „Durchregieren“, wie es Deutschland unter Merkel zuletzt erlebt hat, wäre nicht mehr möglich. Daran dürfte es liegen, dass aus dem Kanzleramt heraus nun so gezielt auf einen neue „Groko“ zugesteuert wird.

Die Argumentation der Befürworter einer Minderheitsregierung lautet zusammengefasst: Nichts ist „stabiler“ und „zuverlässiger“ als eine Diktatur. Wer Demokratie will, muss ein gewisses Maß an Unvorhersehbarkeit nicht nur hinnehmen, sondern sogar ausdrücklich begrüßen. So käme frischer Wind in einen Bundestag, der damit endlich wieder ein eigenes Gewicht entwickeln könne. Es wäre das Gewicht des Volkes, das den Bundestag gewählt hat.

Eine weitere „Groko“ mutet dagegen an wie ängstliches Erstarren: Man wagt die lebendige Demokratie nicht und flüchtet sich vor ihr zurück in eine abgewählte Koalition.