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01.12.17 / Kahlschlag in der Lausitz / Eine ganze Region auf der Kippe: Was der Kohleausstieg für Südbrandenburg bedeuten würde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Kahlschlag in der Lausitz
Eine ganze Region auf der Kippe: Was der Kohleausstieg für Südbrandenburg bedeuten würde
Norman Hanert

Für Brandenburgs Landesregierung gibt es einen ganz besonderen Grund, die Bildung einer neuen Bundesregierung sehr aufmerksam zu verfolgen. Der geforderte Kohleausstieg droht eine ganze Region in die Tiefe zu reißen.

Bei den mittlerweile gescheiterten Sondierungsgesprächen für eine schwarz-gelb-grüne „Jamaika“-Koalition waren SPD und Linkspartei naturgemäß nicht mit von der Partie. Die in Potsdam amtierende rot-rote Koalition konnte somit nicht einmal indirekt über in die Gespräche eingebundene Parteigenossen auf der Bundesebene Einfluss auf die Sondierungen nehmen. 

Gleichzeitig stand aber mit dem Thema Kohleausstieg ein für Brandenburg besonders heikles Thema zur Debatte. Vor allem die Grünen drängen unter Berufung auf Klimaschutzziele auf einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Verstromung einheimischer Kohle. Vor den „Jamaika“-Sondierungen hatten Vertreter der Partei erklärt, zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele bis 2020 müssten 20 Kraftwerksblöcke abgeschaltet werden, bis 2030 soll sogar ein kompletter Ausstieg aus der Kohleverstromung erfolgen. 

Bislang liegt der Anteil von Braunkohle am deutschen Strommix bei rund 23 Prozent, weitere 17 Prozent steuerte im Jahr 2016 die Steinkohle bei. Die Kernkraft lag bei rund 13 Prozent, die Erneuerbaren Energien bei 29,5 Prozent. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung und der Kernkraft macht daher einen massiven Zuwachs bei den alternativen Energien und sehr wahrscheinlich auch ein starkes Hochfahren der Erdgasimporte erforderlich. Derzeit liegt der Anteil von Erdgas am deutschen Strommix bei etwa zwölf Prozent. 

Allein die Forderung der Grünen nach Abschaltung von 20 Kraftwerksblöcken entspricht einer Gesamtleistung von acht bis zehn Gigawatt. Wie der Sender RBB berichtet, war die CDU-Vorsitzende Angela Merkel den Grünen während der „Jamaika“-Gespräche ein ganzes Stück entgegengekommen. Offenbar wollten Union und FDP den Grünen eine Reduzierung von drei bis fünf Gigawatt zugestehen. Merkel soll im Zuge der Sondierungen vorgeschlagen haben, die Kohlestromproduktion um sieben Gigawatt herunterzufahren. 

Mit gutem Grund hat dieser politische Poker in Brandenburg heftige Reaktionen ausgelöst. Aus Sicht der Betriebsräte der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) bedeutet nämlich die Abschaltung von zusätzlich sieben Gigawatt aus Kohleenergie „das sofortige Aus für das Lausitzer Revier“. 

Gefährdet seien damit mehrere Tausend Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von jährlich 1,5 Milliarden Euro im Jahr. „Bei uns geht es fast um die Existenz der Region. Denn wir sind der größte Arbeitgeber. Wenn wir wegbrechen, dann brechen auch Serviceunternehmen und Zulieferer weg. Dann wäre ,Müllermilch‘ der größte Arbeitgeber in der Lausitz“, warnt Frank Heinze, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der LEAG, gegenüber der „Frankfurter Rundschau“.

Auch Brandenburgs rot-rote Landesregierung hat die politische Brisanz der Kohleausstiegspläne erkannt. Mit der Lausitz ist eine berlinferne Region betroffen, die ohnehin mit reichlichem Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Gut bezahlte Arbeitsplätze sind rar, der Abbau von mehreren Tausend Stellen rund um den Braunkohleabbau könnte schnell in eine neuerliche Abwanderungswelle Richtung Berliner Raum oder westliche Bundesländer münden. 

Damit nicht genug: Die Lausitz-Metropole Cottbus hat mit einer hohen Verschuldung zu kämpfen. Zudem braut sich in der Stadt durch den Zuzug von Immigranten immer mehr soziales Spannungspotenzial zusammen. Auch in Sachsen werden die Gespräche über einen forcierten Kohleausstieg mit einiger Besorgnis gesehen, denn im sächsischen Teil der Lausitz hängen an der Braunkohle ebenfalls viele Arbeitsplätze. Steigende Energiepreise könnten zudem noch dafür sorgen, dass Unternehmen auf der Strecke bleiben oder aber abwandern. 

So warnt Simone Hartmann vom Wirtschaftsrat Sachsen: „Eine Abschaltung der Braunkohlekraftwerke, insbesondere in der Lausitz, treibt nochmals die Strompreise in die Höhe.“ Schon jetzt seien Energiepreise im Vergleich zu Nachbarländern so hoch, „dass der sächsische Mittelstand nicht mehr konkurrenzfähig ist“. Hartmann wies zudem auf die Gefahr hin, dass regional verankerte Mittelständler nicht die Möglichkeit hätten, ihre Produktion wie Großkonzerne „in ein Land zu verlegen, in dem es kaum Regulierung, dafür aber niedrige Lohnkosten gibt“. 

Erschwerend kommt hinzu, dass in der Oberlausitz schon jetzt viele Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Speziell die Stadt Görlitz hat nach 1990 eine erste Welle der Deindustrialisierung erlitten. Als große Arbeitgeber waren eigentlich nur der Waggonbau und die Turbinenherstellung in der Stadt übriggeblieben. Mit der geplanten Schließung des Siemens-Turbinenwerkes droht nach Angaben der IG Metall in Görlitz eine Verdoppelung der Arbeitslosenquote von zwölf auf 24 Prozent.