25.04.2024

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01.12.17 / Gegenwind / Aigners Niederlage ist schon festgeschrieben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Gegenwind
Aigners Niederlage ist schon festgeschrieben
Florian Stumfall

Guter Glaube und Naivität gebieten uns, seitens der CDU-Chefin Angela Merkel gegenüber der CSU Sympathie und Rücksichtnahme anzunehmen, doch guter Glaube und Naivität führen in die Irre. Denn immer schon war für die CSU die Schwesterpartei die größte Gefahr. Das einzige, was die CDU daran hindert, in Bayern einzumarschieren, ist die Angst, dass sich die CSU revanchiert und das mit größerem Erfolg.

Diese Überlegung ruft den „Geist von Kreuth“ in Erinnerung, wenigstens bei manchen, doch niemand weiß mehr, worum es sich dabei handelte. In den 70ern stellten CDU und CSU stets die größte Fraktion im Bundestag, aber die FDP sorgte für eine linke Mehrheit. Da schlug CSU-Chef Franz Josef Strauß seinem Freund Helmut Kohl vor, man solle jeweils bundesweit Wahllisten auflegen, aber nur für die Zweitstimmen, und sich bei den Direktkandidaten absprechen, das heißt, alles so lassen, wie es war. Kohl stimmte zu. Das Wahlrecht hätte das zugelassen unter der Bedingung, dass die Fraktionsgemeinschaft aufgelöst wird.

Als damit die CSU an die Öffentlichkeit trat, gab es von der CDU einen lauten Aufschrei, so, als wäre man aus dem Hinterhalt überfallen worden. Man habe nichts von der Idee geahnt, hieß es, und sei völlig überrumpelt. Damit war eine Strategie, die den beiden C-Parteien eine absolute Mehrheit beschert hätte, zerstört und die CSU als Verräter gebrandmarkt. Sie kleinzuhalten, war für Kohl und die Seinen wichtiger als ein Sieg bei der Wahl. Wieso sollte das ausgerechnet bei Merkel anders sein? Dass die nicht zum Wohl der Partei handelt, der sie vorsitzt, ist ja allein daran zu erkennen, dass sie alle tüchtigen Leute weggebissen hat.

Das Verhältnis zur CDU ist also seit vielen Jahren für die CSU eine Last. Doch sie hat auch ein Eigenleben und das bedeutet, dass sie auch mit selbstgemachten Schwierigkeiten umgehen muss. Diese sind teils objektiver Art und nicht korrigierbar. Eine davon liegt in der politischen Struktur Bayerns begründet. Da gibt es Ober- und Niederbayern, dazu die Oberpfalz. Dies ist der historische Kern des Landes Bayern, 1500 Jahre alt. Vor 200 Jahren sind die drei fränkischen Bezirke und Bayerisch-Schwaben dazugekommen. Während sich aber die Schwaben wohl eingefügt haben, halten die Franken immer noch auf Abstand. Soviel zum Thema Integration.

Diese ethnologischen Gegebenheiten spiegeln sich natürlich in der Politik und somit auch in der CSU wider. Der Regional-Proporz spielt eine große Rolle, was die Auswahl von geeigneten Führungspersönlichkeiten erschwert. Ein brandaktuelles Beispiel mag als Beleg dienen. Für die anstehenden Entscheidungen in der Bundespolitik hat Ministerpräsident Horst Seehofer eine „Findungs-Kommission“ ins Leben gerufen. Vorsicht bei Einrichtungen, für die man einen neuen Namen braucht! 

Diese Kommission besteht aus ihm selber, aus dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, einem Altbayern, dem noch viel früheren Bundesfinanzminister Theodor Waigel, Schwabe, und der aktuellen Landtagspräsidentin Barbara Stamm aus Franken. Was ist dazu zu sagen? Stoiber hat Bayern lange Zeit vorzüglich regiert, aber danach nie den inneren Abstand zur Macht gefunden. Um ein wenig mit dabei zu bleiben, hat er sogar Brot von der EU genommen, die er einst bekämpft hatte, jetzt also Findung. Waigel fiel schon zu seiner aktiven Zeit mehr durch Scherze und ein Talent zum Parodieren als durch scharfe Analyse und wegweisende Gedanken auf. Und Stamm? Man kann es so ausdrücken: Die Karriere eines Politikers ist vollendet, wenn er einen Posten bekommen hat, dem er nicht gewachsen ist. Stamms Karriere war sehr früh vollendet, hielt aber dennoch an. Dies also die Kommission, regional gegliedert. Was sie finden soll? Man weiß es nicht.

Auffällig, wie lange sich der Name Markus Söder bei einer bayerischen Darstellung vermeiden lässt. Dies ist ganz im Sinne des herrschenden Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden. Denn das ist wohlbekannt von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Seehofer und Söder können nicht miteinander. Das wäre an sich kein Malheur, schlecht ist, dass es jeder weiß. Noch einmal ein Beispiel aus zurückliegender Zeit. Über etliche, überaus erfolgreiche Jahre war Alfons Goppel Bayerns Ministerpräsident und Franz Josef Strauß CSU-Vorsitzender. Sie galten als ideales Gespann: der Landesvater und der energische Gestalter. Dass sie miteinander spinnefeind waren, wussten nur wenige. So geht es auch und so geht es sehr viel besser.

Jetzt aber leidet Bayern und leidet vor allem die CSU an dem Nachfolge-Krieg Seehofer versus Söder. Alle denkbaren Möglichkeiten werden in der Öffentlichkeit durchgespielt: Seehofer bleibt, was er ist, er bleibt Ministerpräsident und tritt als CSU-Chef zurück oder umgekehrt oder aber er hört ganz auf. Jeder kann sich heraussuchen, was ihm lieber wäre, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass mit dieser Vorstellung ein eisernes CSU-Prinzip zerstört wird, dass man nämlich seine Streitereien hinter verschlossenen Türen auszutragen hat. Eine Partei will sympathisch wirken, jedenfalls eine bürgerliche Partei, bei anderen ist das nicht so ganz sicher. Die CSU aber will das, und nichts stößt mehr ab, als wenn sich die Volksvertreter gegenseitig beschimpfen. Das gilt sogar für solche verschiedener Herkunft, um wie viel mehr, wenn sie ein und derselben Partei angehören.

Bei allem Gerede von politischer Mitbestimmung und Teilhabe steht eines fest: Die Bürger wollen, dass die Politiker entscheiden. Das Gegackere und Gehacke geht den Leuten auf die Nerven oder, noch viel schlimmer, zieht die Sache ins Lächerliche. Dies trifft vor allem für Bayern zu, wo man mit dem System entschlossener Entscheidungen so lange Zeit so gute Erfahrungen gemacht hat. Aber die CDU färbt ab. 

Auch wenn es nicht weiterhilft, aber die politische Lage ist stets durch Personen beschrieben. So muss auch die Option Ilse Aigner aufgezählt werden, Wirtschaftsministerin in Bayern, erklärte Gegnerin von Söder, aber deshalb keine Anhängerin von Seehofer. Eigentlich will sie selber. Sie hat, außer durch ihre optischen Qualitäten, mit einem Vorschlag auf sich aufmerksam gemacht, der für die CSU neu ist. Sie tritt, was die Nachfolge Seehofers angeht, für eine Urwahl ein. In auffälliger zeitlicher Nähe zu diesem Vorstoß weist sie darauf hin, dass Bayern für einen weiblichen Ministerpräsidenten reif sei.

Mit beiden Ideen betritt sie parteipolitisches Neuland. Was aber daran viel brisanter ist, liegt in der Tatsache, dass beide Vorschläge das Ende der Seehoferschen Regierungszeit voraussetzen. Und irgendwie hat Aigner damit gar nicht unrecht. Denn wenn sich die Dis­kussion um ein Karriere-Ende zu lange hinzieht, wie jetzt um Seehofer, so verselbständigt sie sich, bevor man sich’s versieht. Die Frage „ob“ wird mit einem Mal zur Frage „wann“. Und nicht einmal diejenigen, die sie angestoßen haben, können die Entwicklung mehr abwenden. Ilse Aigner aber wird kaum die Nutznießerin sein. Ihr eigener Verband, die Oberbayern, steht nicht geschlossen hinter ihr. Das bedeutet in der CSU: Aigners Niederlage ist schon festgeschrieben.