19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.12.17 / Friedrichs Zauberschloss / Berlin hat eine Baustelle weniger – Am 7. Dezember wird die Staatsoper Unter den Linden wiedereröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Friedrichs Zauberschloss
Berlin hat eine Baustelle weniger – Am 7. Dezember wird die Staatsoper Unter den Linden wiedereröffnet
Susan Bäthge

Die Berliner Staatsoper ist in ihr Stammhaus zurückgekehrt, 3500 Umzugskartons mussten für 400 Lkw-Fahrten gepackt werden, 581 Mitarbeiter sind vom Schillertheater wieder Unter die Linden ge­zogen. Am 7. Dezember öffnet das Traditionshaus frisch saniert, ab­gedichtet und akustisch aufgepäppelt seine Pforten. Eine Mixtur aus Preußens Gloria, DDR-Nostalgie und globaler Gegenwart. 

Die „Ode an die Freude“ ist am 3. Oktober bereits erklungen, als das Opernhaus nach sieben Jahren Bauzeit am Prachtboulevard wiedereröffnet worden war und Intendant Jürgen Flimm „Szenen aus Goethes Faust“ unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim inszenierte. Der einwöchige Eröffnungsreigen endete am 7. Oktober mit einem „Konzert für Berlin“ kostenfrei auf dem Bebelplatz. Das war ganz große Oper unter preußisch-blauem Herbsthimmel.

Doch das Traditionshaus schloss erneut seine Pforten. Weitere zwei Monate wurden benötigt, um letzte Bauarbeiten auf und hinter der großen Bühne abzuschließen und das architektonische, technische und akustische Werk zu vollenden. Und damit auch die Bauzeit, die vier Jahre länger in Anspruch nahm als zunächst geplant. Für das Mammutprojekt brauchte es einen langen Atem, viel Kraft  und horrende Geldbeträge. Das Budget hat sich beinahe verdoppelt. Für 239 Millionen Euro sollte das Bauwerk modernisiert werden, 400 Millionen hat es am Ende gekostet. 200 Millionen Steuergelder verschlang diese Generalsa­nierung. 

Die Betreiber geben sich besonnen, erklären das Mehr an Millionen und die Verzögerungen mit dem schwierigen Baugrund, Än­derungen im Bauplan sowie der Insolvenz eines Ingenieurbüros. Wieder ein Bauskandal in Berlin, als hätte die Hauptstadt mit dem BER nicht schon genug Schelte einstecken müssen.

Allen Kritikern und aufgebrachten Denkmalschützern zum Trotz: Fachkundige Opernfans schwärmen von der verbesserten Akustik, denn darauf kommt es an in einem Opernhaus, das im internationalen Vergleich mithalten möchte. Auch der Maestro, Generalmusikdirektor Daniel Baren­boim, der die akustische Modernisierung vehement eingefordert hatte, war „erstaunt, wie hervorragend der Klang geworden ist“. Für den besseren Klang wurde die historische Stuckdecke fünf Me­ter höher gesetzt. Über dem dritten Rang hat der Architekt eine Galerie einziehen lassen, die bis zur Decke mit einem gewölbten Gitter aus Keramik und Glasfaser kaschiert ist. Dadurch hat sich der Klangraum spürbar und hörbar vergrößert, von 1,1 auf beachtliche 1,6 Sekunden Nachhallzeit.

Die veraltete und marode Bühnentechnik wurde komplett er­neuert, die schlechte Sicht von den Seitenrängen verbessert, die Sitze im Parkett und auf den Rängen verbreitert. Bei knapp einem Viertel der Plätze bleibt der Blick auf die Bühne jedoch eingeschränkt, weil die Form des Hufeisens beibehalten werden sollte. 

Hans Hoffmann, Technischer Direktor, schwärmt hingegen von der neuen Kreuzbühne, die einen schnelleren Bildwechsel der Akte ermöglicht. Lasten von bis zu 1,5 Tonnen können bewegt werden. „Ein Quantensprung!“, sagt er.

560 historische Leuchten, 1400 neue Lampen und 800 Sicherheitslichter wurden installiert, 130 Kilometer Starkstromkabel verlegt. Selbst die berühmte Oper im fernen Sydney, die ebenfalls im Sanierungsmodus weilt, sehnt sich nach so viel hochentwickelter Technik, beherbergt in feinstem preußischen Rokoko. 

Äußerlich ist die neue die alte Staatsoper, denn über all der aufwendigen Sanierung stand der Denkmalschutz, der den ur­sprünglich geplanten Totalumbau des großen Saals unmöglich machte. 

Die Fassade leuchtet nun in pinkfarbenem Putz, die sandfarbenen Säulen an der Front wirken dadurch noch prächtiger. Die Inschrift unter dem Giebel verkündet in goldenen Lettern die Bestimmung des Hauses: Fridericus Rex Apollini et Musis – von König Friedrich, Apoll und den Musen gewidmet. 

Der Alte Fritz war es, der im Juli 1741 seinem befreundeten Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff den Auftrag zum Bau des „Zauberschlosses“ gab. Eineinhalb Jahre später, am 7. Dezember 1742, wurde die Hofoper auf Be­fehl des ungeduldigen Königs mit Carl Heinrich Grauns „Cleopatra e Cesare“ festlich eröffnet. Erst zehn Monate später wurde der Bau fertiggestellt – eine Tradition des Aufschiebens, die sich auch nach 275 Jahren fortsetzte.

Nach schweren Kriegsschäden wurde die „Lindenoper“ 1955 von DDR-Architekt Richard Paulick wieder hergerichtet. Im äußeren Erscheinungsbild orientierte er sich an dem historischen Vorbild, innen lehnte er an Rokokoformen an. Die Bausubstanz des ge­schichtsträchtigen Opernhauses im Osten der Stadt – der Westen Berlins hat die Deutsche Oper – stammte noch genau aus dieser Zeit, das Material vermutlich teilweise aus den Trümmerbergen Berlins. Bautechnische Mängel wurden also beseitigt und die stark veraltete Gebäudeausstattung auf ein zeitgemäßes sicherheitstechnisches Niveau gebracht. Ebenso die Barrierefreiheit, die Klimatechnik und der Brandschutz.

Offizieller zweiter Paukenschlag nun also am 7. Dezember, dem 275. Geburtstag der Staatsoper. Das kulturinteressierte Publikum darf sich auf viele Opern freuen, vom Barock bis zu Uraufführungen. Bühnenbildner Markus Lüpertz, der berühmte Malerfürst, sorgt für den Augenschmaus. Die erste Premiere wird am 8. Dezember gefeiert: Engelbert Humperdincks Märchenspiel in drei Bildern „Hänsel und Gretel“ unter der Regie von Achim Freyer, es dirigiert der ehemalige Solo-Hornist der Staatskapelle, Sebastian Weigle. Nur einen Tag darauf folgt „L’Incoronazione di Poppea“ des italienischen Barock­komponisten Claudio Monteverdi.

Das neue alte Opernhaus am berühmten Prachtboulevard in der Mitte Berlins ist also spielfähig für das 21. Jahrhundert. In der historischen Hülle steckt jetzt ein modernes Opernhaus. Wer fragt da nach der langen Bauzeit und dem Verkehrschaos, der verengten Hauptstraße und unzähligen Bauzäunen, die die schönen Linden zieren?

Vorverkauf für die gesamte Saison der Staatsoper: www.staatsoper-berlin.de