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01.12.17 / »Vergangenheitsbewältigung« im Straßenverkehr / Die Jagd auf vermeintlich an den Nationalsozialismus erinnernde Kfz-Kennzeichen führt zu immer neuen Verboten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

»Vergangenheitsbewältigung« im Straßenverkehr
Die Jagd auf vermeintlich an den Nationalsozialismus erinnernde Kfz-Kennzeichen führt zu immer neuen Verboten
Wolfgang Reith

Das Bestreben seitens der Bundesrepublik, an den Nationalsozialismus erinnernde Nummernschilder zu verhindern, ist fast so alt wie die Bundesrepublik selbst. Doch die Politische Korrektheit, staatlich alimentierter Antisemitismus und preußisch-deutscher Perfektionismus haben dieses verständliche Bestreben in letzter Zeit seltsame Blüten treiben lassen, welche die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aufwerfen.

Schon 2012 betonte der damalige Verkehrsminister des Bundeslandes Brandenburg, Jörg Vogelsänger (SPD), im Landtag stolz, er habe die „bundesweit schärfste Regelung für die Sperrung von Buchstaben- und Kennzeichenkombinationen für Autokennzeichen mit NS-Symbolik verordnet“. Was aber ist nun darunter zu verstehen? 

Angeblich sollen sich in den vergangenen Jahren sogenannte Ewiggestrige und Neonazis gerne Kombinationen „gefährlicher“ Zahlen und Buchstaben für die Nummernschilder ihrer Autos ausgesucht haben, um ihre braune Gesinnung (für Eingeweihte) nach außen hin zu demonstrieren. So steht die Ziffer 1 für den ersten Buchstaben des Alphabets (A) und die 8 für H. Die „Codierung“ 18 bedeutet folglich „Adolf Hitler“, die 88 ein ver­steck­tes „Heil Hitler“. Nachdem bereits Vogelsängers Vorgänger die Kombinationen AH 18 und HH 88 hatte sperren lassen, waren dann ab 2012 auch die Zahlenkombinationen 188, 888, 1888, 8818 und 8888 nicht mehr erlaubt. 

Pech für jemanden, der beispielsweise am 1. oder am 8. August 1988 geboren wurde und damit nicht mehr sein Geburtsdatum (1888 beziehungsweise 8888) auf dem Autokennzeichen führen darf – was in Deutschland allgemein beliebt ist –, da er sonst für einen verkappten Nazi gehalten werden könnte. Neu ist das „Problem“ mit den „NS-belasteten“ Nummernschildern hingegen nicht, nur, dass es im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert wurde und inzwischen Teil einer staatlich alimentierten Antifaschismus-Industrie ist.

Nach mehrjährigen Vorbereitungen und eingehenden Beratungen war am 1. Juli 1956 in der Bundesrepublik Deutschland das heute gültige System der Kraftfahrzeugkennzeichen eingeführt worden, das man nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 1. Januar 1991 auch für die neuen Bundesländer übernahm. Von Anfang an gab es Übereinstimmung darüber, dass Städte und Landkreise auf keinen Fall mit Buchstabenkombinationen ausgestattet werden sollten, die an NS-Organisationen erinnerten wie beispielweise SA, SS oder HJ. 

Und dennoch führten die ersten Entwürfe aus den Jahren 1950/51 in zwei Fällen zu Unmut. Für die Stadt Konstanz am Bodensee war KZ vorgesehen, was man nach Protesten dann in KN abänderte. Ebenso regte sich im norddeutschen Stade, für das die Buchstaben SD vorgesehen waren, Ärger, nachdem ein aufmerksamer Zeitgenosse daran erinnert hatte, dass dies die Abkürzung für den berüchtigten Sicherheitsdienst der SS unter Reinhard Heydrich war. So wurde aus dem SD zunächst ein ST, bei der endgültigen Zuweisung war es aber plötzlich doch wieder SD. Gleichwohl vergab die Straßenverkehrszulassungsbehörde ab dem 1. Juli 1956 diese Kombination wegen anhaltender Proteste nicht, sondern erteilte von sich aus widerrechtlich ST. Weil dieser Zustand unhaltbar war, fand man schließlich eine salomonische Lösung, die in der Buchstabenkombination STD bestand und bereits ab dem 1. August 1956 und damit nur einen Monat später Gültigkeit erlangte.

Auch für das Territorium der DDR sowie die unter polnischer und sowjetischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete hatte man zu Beginn der 1950er Jahre bereits Autokennzeichen entworfen, da die westdeutschen Planer von einer baldigen Wiedervereinigung in den Grenzen von 1937 ausgingen. Als es 1990 dann zur deutschen Teil-Wiedervereinigung kam, stieß die für das mecklenburgische Neustrelitz vorgesehene Buchstabenkombination NS dort auf Ablehnung. Deshalb wurde noch vor der Einführung der neuen Kennzeichen, nämlich im Mai 1990, NZ daraus.

Betrafen die Bedenken hinsichtlich „geschichtsbelasteter“ Kennzeichen anfangs nur die Buchstabenkombinationen der Städte und Landkreise, so wurde die Diskussion bald auch auf die mittleren Buchstaben ausgeweitet, die praktisch beliebig gewählt werden konnten. Welche Möglichkeiten es da gab, war seit der Einführung 1956 aus einer Anlagentabelle zur Straßenverkehrszulassungsordnung ersichtlich, bei der nur bestimmte Buchstaben wie B, F, G, I, O und Q wegen Verwechslungsgefahr mit ähnlichen wie R, E, C und J sowie der Ziffer 0 nicht vergeben wurden, was aber nach der Digitalisierung von Buchstaben und Ziffern aufgehoben wurde. Immer wieder einmal gab es Empfehlungen, Abkürzungen, die an nationalsozialistische Einrichtungen erinnern, nur in begründeten Einzelfällen – beispielsweise, wenn es sich um die Initialen des Fahrzeughalters handelte – auszugeben, da Fälle vorgekommen waren, in denen Besitzer von Kraftfahrzeugen, denen solche Kombinationen zugeteilt wurden, diese abgelehnt hatten. Besonders unglücklich traf es dabei einen Deutschen jüdischer Abstammung, der als ehemaliger Insasse eines Konzentrationslagers ausgerechnet durch Zufall die Buchstabenkombination KZ erhalten hatte.

Gerade noch rechtzeitig vor dem 8. Mai 1985, dem 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa, leistete das Verkehrsministerium von Nordrhein-Westfalen dann seinen eigenen Beitrag zu diesem denkwürdigen Ereignis. Per Erlass wurden alle Straßenverkehrsämter des Landes angewiesen, bei der Anmeldung von Kraftfahrzeugen keine Nummernschilder mehr auszugeben, deren mittlere Buchstabenkombination an eine nationalsozialistische Einrichtung erinnert. Darunter fielen die Kombinationen SA, SS, KZ, NS und HJ. So konnten etwa ein Siegfried Schneider oder eine Helga Jansen künftig nicht mehr, wie das häufig gewünscht wird, ihre Initialen im Kennzeichen bekommen, weil daraus eventuell falsche Schlüsse gezogen oder – vor allem bei Ausländern – unangenehme Erinnerungen wachgerufen würden. Denn genau damit wurde die Maßnahme seinerzeit begründet. Im Ausland, so teilte der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) mit, hätten die genannten Buchstabenkombinationen mancherorts Betroffenheit ausgelöst. Verwundert waren Beobachter allerdings darüber, dass dies erst 40 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus der Fall sein sollte, wo es offensichtlich bisher kaum jemanden gestört hatte.

Was zunächst nur für Nordrhein-Westfalen galt, wurde bald nach und nach auf die anderen Bundesländer ausgedehnt. So verschwand auch das lange Zeit im fränkischen Kulmbach beliebte Kennzeichen KU-SS. Doch erst die erwähnten Maßnahmen und Verbote brachten vermeintlich braune Nostalgiker auf alternative Ideen wie die eingangs beschriebene Verwendung „symbolträchtiger Ziffernkombinationen“. 

Zwei Stadträte in Coburg gingen 2012 sogar noch einen Schritt weiter als die Anordnung im Land Brandenburg. Sie wollten nämlich auch die Buchstabenkombinationen BE („Blut und Ehre“) und BH („Blood and Honour“) verbieten lassen. Die Forderung wurde jedoch – erst einmal – zurückgewiesen, und ein Zeitungsredakteur kommentierte seinerzeit zu Recht, dass man mit derselben Begründung auch Kombinationen wie JG (Joseph Goebbels), HG (Hermann Göring) oder RH (Rudolf Heß) verbieten könne.