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01.12.17 / Ein Großfürstentum wird unabhängig und Republik / Vor 100 Jahren erlangte das bis dahin zum russischen Zarenreich gehörende Finnland die Souveränität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Ein Großfürstentum wird unabhängig und Republik
Vor 100 Jahren erlangte das bis dahin zum russischen Zarenreich gehörende Finnland die Souveränität
Uta Buhr

Der Nikolaustag war von jeher ein besonderer Tag im Leben eines jeden Finnen. 2017 aber wird dieses Datum mit großem Pomp gefeiert, denn vor genau 100 Jahren erlangte das heute 340000 Quadratkilometer große, aber nur fünfeinhalb Millionen Einwohner zählende „Land der tausend Seen“ im nördlichsten Teil Europas seine Unabhängigkeit. 

In den Wirren der Oktoberrevolution ergriff das Land die Gelegenheit beim Schopfe, sich vom zaristischen Russland loszusagen. Unter der Führung von Senatspräsident Evind Svinhufvud unterzeichnete das Parlament mit einer knappen Mehrheit von 100 zu 88 Stimmen die Unabhängigkeitserklärung, die am 31. Dezember 1917 von der neuen sowjetrussischen Regierung anerkannt wurde. Noch heute ist die Bevölkerung Suomis – so der offizielle Name in der Landessprache – stolz auf diese Tat. 

Es ist jedoch nicht so, dass die Finnen, als sie noch als Großfürstentum zum Zarenreich gehört hatten, durchgehend nur gelitten hätten. So gilt die Regierungszeit des sogenannten Befreier-Zaren oder Zar-Befreiers (Oswoboditel), des russischen Zaren und finnischen Großfürsten Alexander II., von 1855 bis 1881 als eine in jeder Hinsicht recht glückliche für das Land. „Dieser russische Großfürst war uns Finnen wohlgesonnen. Unter ihm gediehen Architektur und schöne Künste“, bekennen selbst finnische Patrioten. Im Zentrum des weitläufigen Senatsplatzes im Herzen Helsinkis erhebt sich Alexanders monumentales Denkmal. Rund um den Platz entstand später ein vom deutschen Architekten Carl Ludwig Engel entworfenes Ensemble klassizistischer Bauwerke. Ein viel bewundertes Gesamtkunstwerk, über dem der prachtvolle Dom thront. 

Mit dem Tod Alexanders II., der 1881 einem Attentat zum Opfer fiel, veränderte sich das Leben der Finnen jedoch dramatisch. Sein Nachfolger, Zar Nikolaus II., schürte 1899 mit seinem die Rechte der Finnen beschneidenden Februar­manifest den Volkszorn. Der passive Widerstand gegen das repressive Regime wuchs von Tag zu Tag. Er mündete 1905 in einen Generalstreik und führte schließlich zur Wiederherstellung der finnischen Autonomie. 

Nachdem Finnland ein knappes Dreivierteljahr nach dem Thronverzicht Nikolaus II. seine Unabhängigkeit erreicht hatte, trat der linksradikale Flügel der Sozialdemokratischen Partei für eine Revolution nach russischem Vorbild ein. In einem Bürgerkrieg bekämpften sich „Rote“ und „Weiße“. 

Im Gegensatz zu Russland trugen in Finnland die „Weißen“ den Sieg davon. Und im Gegensatz zu Russland wurden in Finnland die „Weißen“ vom Deutschen Reich unterstützt. So verwundert es nicht, dass mit Karl von Hessen ein Prinz aus Deutschland zum König von Finnland gewählt wurde. Der Hesse lehnte jedoch die angetragene Krone ab, und Finnland wurde – in diesem Fall wie Russland – Republik. 

Zwischen den Weltkriegen erlebte das skandinavische Land eine Zeit des Friedens. Dann aber trat Russland erneut auf den Plan und stellte Gebietsansprüche. Finnland weigerte sich jedoch, die geforderten Gebietsabtretungen vorzunehmen, und die Sowjetunion zwang daraufhin ihrem skandinavischen Nachbarn den sogenannten Winterkrieg von 1939/40 auf. Die Finnen schlugen sich tapfer, hatten aber aufgrund der Kräfteverhältnisse keine Chance. Finnland verlor den Krieg und als dessen Folge Teile Kareliens und den Westen der Fischerhalbinsel. Der Versuch, während des deutsch-sowjetischen Krieges im sogenannten Fortsetzungskrieg das Ergebnis des Winterkrieges zu revidieren, führte Finnland 1944 an den Rand des Abgrunds. 

Trotz aller den Finnen bekundeten Sympathien versuchten die Westmächte es noch nicht einmal zu verhindern, dass die UdSSR Finnland 1946 in Paris einen harten Frieden diktierte. Aufgrund dieses Friedensvertrages und des vorangegangenen Waffenstillstands sah der Kriegsverlierer sich gezwungen, im Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion die Seite zu wechseln, dem russischen Nachbarn weiteres Territorium abzutreten und hohe Reparationen zu zahlen sowie auf eine sowjetkritische Außenpolitik zu verzichten. Andererseits blieb das Land souverän und unbesetzt, und eine Sowjetisierung und Integration in den Ostblock blieb ihm auch erspart. Ebenso nahmen die Finnen die Inhaftierung ihres von den Sowjets als Kriegsverbrecher verurteilten vormaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Väinö Tanner nicht widerspruchslos hin. Vielmehr verlangten sie seine sofortige Freilassung. Diese Forderung wurde von der sowjetischen Nachrichtenagentur Tass als „russlandfeindliche Verleumdungen faschistisch gesinnter Professoren in Turku“ gegeißelt. 

In der Nachkriegszeit erholte sich Finnland angesichts der Härte des Friedens unerwartet schnell und stieg zu einer weltweit geachteten Nation auf. Bereits 1952 richtete sie eine bis ins Detail durchorganisierte Olympiade aus. 1973 war sie Gastgeberin der ersten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Und 1975 wurde die Schlussakte von Helsinki, wie der Name schon sagt, in Finnlands Hauptstadt unterschrieben. Ungeachtet der Rück­schläge von Nokia gilt Finnland heute als Hochtechnologie- und Designstandort. Als Reiseland ist Finnland allerdings immer noch ein Geheimtipp, obwohl die herrlichen Naturschutzgebiete zu vielen Sportarten wie Wandern, Rad- und Kanufahren sowie im Winter zum Skilaufen einladen. Wer sich darüber informieren will, hatte und hat noch dazu – gerade in diesem Jubiläumsjahr – auch außerhalb Finnlands mannigfache Gelegenheit. Nähere Informationen erteilt die Botschaft von Finnland, Rauchstraße 1, 10787 Berlin, Telefon (030) 505030, E-Mail: info.

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