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01.12.17 / Bedrohung durch das Verhältniswahlrecht? / Neues Kommunalwahlrecht in Polen richtet sich auch gegen die Deutsche Minderheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Bedrohung durch das Verhältniswahlrecht?
Neues Kommunalwahlrecht in Polen richtet sich auch gegen die Deutsche Minderheit
Chris W. Wagner

Anfang November hat die polnische Regierung Änderungsvorschläge zur Arbeitsweise der Kommunalverwaltungen im Sejm in Warschau eingebraucht. Der Gesetzentwurf soll dazu beitragen, dass sich Bürger besser in den Kommunalverwaltungen einbringen können.

Die polnische Regierung möchte es Bürgern ermöglichen, künftig mit sogenannten Interpellationen und Anfragen an die kommunalen Gebietskörperschaften Einfluss auf deren gewählte Parlamente zu nehmen. Etwa dadurch, dass jedes Jahr ein vom jeweiligen Gemeinderat, Kreistag beziehungsweise Sejmik (Woiwodschaftsparlament) vorgelegter Bericht debattiert und anschließend über ein Vertrauensvotum zur Abstimmung gebracht werden kann, wie das „Wochenblatt.pl“, die Zeitung der deutschen Minderheit in Polen, berichtet. Der Gesetzentwurf der Regierung sei jedoch ein direkter Schlag gegen die deutsche Minderheit, denn, es ist eine Abkehr von Ein-Mandat-Wahlbezirken hin zu Verhältniswahlen. In Zukunft soll es demnach nur in Gemeinden mit weniger als 20000 Einwohnern Ein-Mandat-Wahlbezirke geben. „Diese Regelung beeinträchtigt unmittelbar die Deutsche Minderheit, denn es werden dann größere kommunale Wahlkomitees beispielsweise solche von politischen Parteien bevorzugt. Kleinere, darunter kommunal organisierte bürgerliche Wahlkomitees, könnten schon deshalb viel verlieren und es ist auch für uns daher ein Grund zur Besorgnis”, so der Parlamentsabgeordnete der deutschen Minderheit in Polen, Ryszard Galla, im „Wochenblatt“.

Zum Verständnis des in Deutschland unbekannten Systems: Bei den sogenannten Ein-Mandats-Wahlbezirken kann ein aufgestellter Kandidat je nach seinem Stimmenanteil letztlich in ganz unterschiedlichen Ebenen sein Mandat finden, ob nun in einem Ortsrat, Gemeinderat oder gar im Kreistag.

Bislang erfolgte die Einteilung in Wahlbezirke durch den Gemeinderat auf Vorschlag des Gemeindevorstehers, wie der Bürgermeister kleinerer Orte in Polen heißt. Diese Kompetenz soll den Gemeinderäten durch die Gesetzesnovellierung entzogen werden und die Einteilung in Wahlbezirke auf Vorschlag des Kreiswahlkommissars erfolgen. Für Galla heißt dies, man wolle damit dem Gemeinderat und damit den Menschen vor Ort ihre Kompetenzen absprechen und diese an Beamte der Woiwodschaftsebene – eben an die Woiwodschaftswahlkommissare – abgeben. Galla befürchtet, dass die vorgeschlagene Novellierung eine Manipulationsgefahr in sich birgt. Bislang konnte man einzelne Landkreise zu einem Wahlbezirk erst dann zusammenfassen, wenn die Zahl der Ratsmitglieder kleiner als fünf war. Nach dem neuen Vorschlag der Regierung soll diese Zahl auf drei gewählte Vertreter verringert werden. Galla meint, dass man sich in Warschau auf diese Weise die Möglichkeit schaffe, Wahlbezirke nach eigenem Gutdünken zu bilden.

Nach dem alten Wahlrecht konnte man einen Landkreis zudem in zwei oder mehr Wahlbezirke nur dann aufteilen, wenn die Zahl der Ratsmitglieder pro Landkreis größer als 15 war. „Nun will die Regierungspartei PiS diese Zahl auf sieben reduzieren, weil das für sie bequemer ist, denn man kann dann Wahlbezirke leichter zusammenschließen oder bei Bedarf auch teilen. „Wie man sieht, manipulieren die Regierenden so mit den Limits, dass es für sie bequemer wird, ihre Ziele zu verwirklichen”, interpretiert der eigentlich für eher weiche Worte bekannte deutsche Abgeordnete Galla hier streng.

Was jedoch vorerst nicht geändert werden soll ist der Passus, dass „bei einer Sejmik-Wahl – also auf Woiwodschaftsebene – die sozialen Bindungen von Wählern in den jeweils zusammenzuschließenden Wahlbezirken, die einer nationalen oder ethnischen Minderheit angehören, nicht verletzt werden dürfen“.

Dafür begrenzt der Gesetzentwurf die Legislaturperioden der Gewählten auf zwei Amtszeiten. Wer also zum Beispiel zwei Mal Gemeindevorsteher (Bürgermeister) war, darf laut Gesetzesänderung ein drittes Mal nicht mehr aufgestellt werden. Diese Regelung soll ab 2018 gelten. Des Weiteren darf ein Bewerber auf das Bürgermeisteramt zum Beispiel nicht mehr gleichzeitig für den Kreistag und für den Woiwodschafts-Sejmik kandidieren. Und für die Bestimmung der Woiwodschaftswahlkommissare sind nur 60 Tage vorgesehen. „Das ist wenig, denn in dieser Zeit wird man fast 400 Kommissare ernennen müssen. Wie findet man aber so viele, die dieses Fach wirklich verstehen?

Es darf daher vermutet werden, dass dann nicht zuletzt treue Soldaten der Regierungspartei ernannt werden. Und obwohl sich die Staatliche Wahlkommission dann vorerst nicht ganz in den Händen der PiS befinden wird, könnte diese Gefahr in zwei Jahren zutage treten, nachdem sich diese Kommission konstituiert hat“, befürchtet das „Wochenblatt.pl“.