28.03.2024

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01.12.17 / Kühne Fels-Safari / Selbst in Bulgarien gibt es ein Stonehenge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-17 vom 01. Dezember 2017

Kühne Fels-Safari
Selbst in Bulgarien gibt es ein Stonehenge
Helga Schnehagen

Rums geht es die Böschung in das ausgetrocknete Flussbett hinunter, rums geht es wieder hinauf. Man kann es kaum glauben, aber der alte Geländewagen aus Sowjetzeiten hält den Strapazen stand. Er hüpft und holpert über Stock und Stein, schlingert im Sand und windet sich auf wurzelreichen Waldwegen durch die Ausläufer des Strandscha-Gebirges, ohne liegen zu bleiben. Nur die Fahrertür springt immer wieder auf. Mit geübtem Griff zieht der Fahrer sie mit der linken Hand wieder heran, ohne mit der rechten die Kontrolle über das Lenkrad zu verlieren. Achterbahnfahren auf Bulgarisch!

Jeepsafaris gehören zu den be­liebtesten Touristenattraktionen an Bulgariens Schwarzmeerküste. Sie führen weg vom Badetrubel ins waldreiche Hinterland, mitten hinein ins ge­schützte Naturreservat. Startet man in Primorsko an Bulgariens südlicher Schwarzmeerküste, geht es zuerst auf das nördlich ins Meer ragende Kap. Auf einer Lichtung mitten im Wald, etwa sechs Kilometer vom Ortszentrum entfernt, befindet sich Bulgariens bedeutendes Felsenheiligtum. 

Kaum zu glauben, dass dieses Stonehenge am Schwarzen Meer  erst 2003 von der Wissenschaft entdeckt wurde. Die Erklärung: Das gesamte Territorium war Sperrgebiet. Es gehörte zur Jagd­residenz von Todor Schiwkow, Bulgariens letztem kommunistischen Staatschef, der das Balkanland 35 Jahre lang, von 1954 bis 1989, regierte. Davor hatte sich niemand für den 0,6 Hektar großen „Steinhaufen“ interessiert.

Dafür ist die Deutung der vor rund 3500 Jahren von den Thrakern aufgestellten Felsbrocken heute umso genauer. Ein bisschen überrascht fragt man sich, woher sie kommen. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es nicht. 

Hinter dem kreisförmigen Kultplatz von 56 Metern Durchmesser lag an der Mündung des Ropotamo ins Schwarze Meer die antike Hafenstadt Ranuli. Auch ihre Reste verstecken sich im Wald. Wo immer der Blick auf Bulgariens frühe Ge­schichte fällt, trifft man auf die Thraker, eines der ältesten und größten indogermanischen Völker. 

Zur Abhaltung verschiedener Rituale wurden nachgewiesenermaßen Honig, Olivenöl, Wein und Milch über den heiligen Bo­den gekippt. 14 Schilder erklären die Bedeutung der Felsgebilde: Auf dem Brautbett fand die Hochzeitsnacht statt. Das Labyrinth zu bezwingen gleicht noch heute einer Bewährungsprobe. In der „Heiligen Höhle“ brachte die Göttin-Mutter ihren Sohn-Sonne zur Welt. Am Rand hinterließ sie ihren Fußabdruck, in den die Besucher Münzen werfen. Auch die Sonnenuhr und das Haus des Orakels fehlen nicht. 

Unter den großen herzförmigen Stein mit dem mysteriösen Na­mensschild „Apistol Tash“ legte man angeblich zu Neujahr, einst gleich nach der Sonnenwende, die Neugeborenen. Heute krabbeln mit Vorliebe Touristen fürs Erinnerungs-Foto unter den markanten Felsen. Bleibt die Frage: Wer saß einst auf dem Stein mit der Nummer 4, dem sogenannten Thron?