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08.12.17 / Schlimmer als vor dem Euromajdan / Statt EU-Beitritt: Niedrige Löhne und bittere Armut belasten Ukraine– Poroschenkos Beliebtheitswerte sinken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Schlimmer als vor dem Euromajdan
Statt EU-Beitritt: Niedrige Löhne und bittere Armut belasten Ukraine– Poroschenkos Beliebtheitswerte sinken
Manuela Rosenthal-Kappi

Vier Jahre nach dem Euromajdan ist die Ukraine immer noch ein Land, das weit entfernt von einer Demokratie ist. Oligarchie, Korruption und ein radikaler Nationalismus sowie ein immer machtloserer Staat, wie die Befreiung Michail Saakaschwilis durch dessen Anhänger aus einem Polizeiauto gezeigt hat, behindern Reformen und Friedensbemühungen. 

Die Ukraine ist immer noch kein demokratisches Land nach westlichem Vorbild. Oligarchenherrschaft, Korruption und teils bittere Armut prägen das Leben. Seit 2014 sind viele Ukrainer verarmt. Die Staatswährung Griwna hat nur noch ein Drittel der Kaufkraft im Vergleich zu früher. Die Inflationsrate liegt bei einem Durchschnittswert von 9,1 Prozent, die Preise für Strom und Gas, sind bis zu 75 Prozent gestiegen. Die Ukrainer müssen für ihren Lebensunterhalt wesentlich mehr berappen als vor dem Euromajdan. Zudem hat die Ukraine wesentlich niedrigere Löhne als die EU. Angesichts einer solchen Entwicklung muss es vielen vorkommen, als hätten sie mit der Entmachtung des glücklosen Viktor Janukowitsch lediglich den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. 

Die Unzufriedenheit mit der Regierung des Oligarchen Petro Poroschenko wächst. Das spiegeln nicht nur die Beliebtheitswerte wider  – zwischen 15 und 20 Prozent –,  auch bei Demonstrationen zeigt sich, wie uneins das Land ist. Einigkeit herrscht nach wie vor darüber, dass die Ukraine in die EU strebt – bei neuesten Umfragen waren zwei Drittel der Befragten für einen EU-Beitritt –, dass dieser aber nur mit einschneidenden Reformen erreicht werden kann, ist offenbar schwer vermittelbar.

Gegen Präsident Poroschenko selbst werden immer wieder Korruptionsvorwürfe laut. Hanna Solomatina, die zurückgetretene Leiterin der Abteilung zur Überwachung von Finanzen und Lebenswandel bei der Nationalen Behörde für die Prävention von Korruption erhebt schwere Anschuldigungen gegen ihn. Der Präsident missbrauche die Behörde, um politische Günstlinge zu schützen und Feinde zu bekämpfen. Ähnliche Vorwürfe erhob auch das Antikorruptionszentrum (Antac), das Poroschenkos Firmenbeteiligungen  aufdeckte. Laut Antac. durchdringt die Korruption jeden Lebensbereich. Dabei beklagen die Antac-Mitarbeiter, dass sie bei ihrer Arbeit behindert würden. Sie deckten die persönliche Bereicherung des Inlandsgeheimdienst-Chefs Wassilij Hrizak auf. Antac behauptet, der SBU und die Generalstaatsanwaltschaft würden von Poroschenkos Gefolgsleuten kontrolliert. 

Eine der vom Westen geforderten Reformen betraf mehr Transparenz zur Bekämpfung der Korruption. Minister, Abgeordnete und Beamte müssen jährlich Angaben über ihr Vermögen veröffentlichen. Seit bekannt wurde, welche Reichtümer einige Spitzenpolitiker angehäuft haben, ist der Unmut in der Bevölkerung gestiegen.

Diesen machen sich Oppositionelle zunutze. Am Jahrestag des Euromajdan zogen Demonstranten in einem Fackelzug zur Präsidialverwaltung, um gegen die schleppende Aufklärung der blutigen Vorfälle auf dem Majdan zu protestieren. 

Als korrupt bezeichnet auch der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili seinen ehemaligen Freund Poroschenko. Am 3. Dezember forderten 2500 bis 3000 seiner Anhänger die Absetzung Poroschenkos wegen nicht eingehaltener Versprechen.  Saakaschwili fordert eine „Diktatur der Mittelklasse“ für die Ukraine. Innenminister Arsen Awakow fiel Poroschenko bei einem Forum „Ukraine – Streben nach Gleichgewicht“ in den Rücken. Er erklärte, das Minsker Abkommen sei „gestorben“ und deshalb müsse die Ukraine sich auch nicht daran halten. Dem anwesenden Vertreter des US-Außenministeriums in der Ukraine, Kurt Volker. missfiel diese Aussage. Er erinnerte daran, dass die Ukraine sich an getroffene Vereinbarungen zu halten habe.

Beim Brüsseler Gipfel „Östliche Partnerschaft“ wurde einmal mehr deutlich, wie unzufrieden die EU mit der Ukraine ist. Zwar ist das Assoziierungsabkommen vollständig in Kraft und Ukrainer können visafrei in die EU einreisen, Hoffnungen auf einen baldigen EU-Beitritt wurden Poroschenko jedoch genommen. Weil die Ukraine vier der mit einer Finanzhilfe geknüpften Bedingungen nicht erfüllt hat, verschiebt die EU die Auszahlung der anstehenden Tranche von 600 Millionen Euro. Zwischen 2014 und 2017 flossen elf Milliarden Euro aus Brüssel in Richtung Kiew. Einen vom Internationalen Währungsfonds geforderten unabhängigen Sondergerichtshof in der Ukraine gibt es bis heute nicht. Kritiker sagen, dass  Poroschenko dessen Gründung verschleppe.

Der Präsident befindet sich in einer ähnlich misslichen Situation wie sein Vorgänger Janukowitsch. Da Poroschenkos Regierung von Gönnern im Westen abhängig ist, hat er nur eine eingeschränkte Autorität. Anders als Janukowitsch laviert er nicht zwischen den Mächten Russland und transatlantischem Bündnis, sondern bekennt sich eindeutig zu seinem Westkurs. Bislang hat das seinem Land wenig Positives gebracht:  Im geopolitischen Konflikt zwischen Russland und dem Westen wurde die Ukraine in einen Krieg getrieben, dessen Ende nicht absehbar ist. Die Spaltung des Landes wird sich kaum ohne weitere Kriege rückgängig machen lassen. An einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zu Russland haben Poroschenkos Mentoren aber wenig Interesse angesichts der Erfahrung, dass der eingeschlagene Weg der Sanktionspolitik nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Einen bewaffneten Konflikt werden sie kaum riskieren wollen.

Statt das Minsker Abkommen zügig umzusetzen, schürt Kiew das Feuer, indem die Regierung alles Russische in der Ukraine ausmerzen will. Dazu zählt die Beschneidung der Rechte von Minderheiten, was auch zu Spannungen mit Polen und Ungarn führte (siehe PAZ Nr. 45, Seite 6). Anstelle von Demokratie bricht sich ein radikaler Nationalismus seine Bahn. Jeder, der sich verdächtig macht, Sympathien für Russland zu hegen. wird stigmatisiert. Straßen- und Städtenamen, die an sowjetische Funktionäre erinnern, wurden geändert, die Kommunistische Partei sowie das Tragen kommunistischer Symbole sind verboten. Bei solchen Maßnahmen bleibt unberück-sichtigt, dass 34 Prozent der Ukrainer Russisch sprechen. 

Andersdenkende fühlen sich in der Ukraine verfolgt. Besonders betroffen sind Journalisten, die über Missstände berichten oder aber als russlandfreundlich gelten, wie der Sender „NewsOne“, den mehrere Dutzend Radikale vor wenigen Tagen blockierten. Mehrere Fälle wurden bekannt, in denen kritische Journalisten verhaftet wurden. Im Juli 2016 war der westlich orientierte Journalist Pawel Scheremet ermordet worden. Er hatte Korruptionsfälle in der Ukraine aufgedeckt. Im Sommer traf es „Strana.ua“, ein Internetportal, das die Partei des Präsidenten „Block Petro Poroschenko“ der Korruption beschuldigt hatte. EU-Parlament und OSZE-Vertreter haben die Beschneidung der Pressefreiheit mehrfach kritisiert.

Indessen geht der Krieg im Osten der Ukraine weiter, das Minsker Abkommen droht zu scheitern, und der Streit um die Krim ist verloren.