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08.12.17 / Petersburger Dialog politisch aufgewertet / Forum tagte erstmals in Berlin – Ronald Pofalla kritisiert russisches Agentengesetz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Petersburger Dialog politisch aufgewertet
Forum tagte erstmals in Berlin – Ronald Pofalla kritisiert russisches Agentengesetz
Jurij Tschernyschew

Das diesjährige Forum „Petersburger Dialog“ stand unter dem Motto „Gesellschaftliche Teilhabe als Chance zur deutsch-russischen Verständigung“. Erstmals fand die Gesprächsrunde in der deutschen Hauptstadt statt. Über 300 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und gesellschaftlichen Organisationen beider Länder nahmen teil.  

Bei seiner Auftaktrede im Roten Rathaus kritsierte der deutsche Vorsitzende des deutsch-russischen Gesprächsforums Ronald Pofalla (CDU), ehemaliger Kanzleramtsminister und heute Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG, die Verschärfung des Gesetzes für Nichtregierungsorganisationen in Russland. Pofalla zeigte sich aber zufrieden damit, dass „russische und deutsche Teilnehmer allmählich, lernen zu argumentieren“ und ihre Sicht der Dinge zu verteidigen, ohne zu streiten und auf ihren Position zu verharren, und versuchten, den Gegner zu überzeugen unter Berücksichtigung von dessen Ansicht.

Sein russischer Amtskollege, der ehemalige Ministerpräsident Viktor Subkow, heute Vorstandsvorsitzender bei Gazprom, bedauerte bei seiner Eröffnungsrede den Wegfall zwischenstaatlicher Beratungen sowie die Nichtteilnahme hoher Staatsvertreter. Dies trage „nicht zur Entwicklung unserer politischen, wirtschaftliche, kulturellen und sonstigen Beziehungen“ bei. Er äußerte die Hoffnung, dass das Forum im kommenden Jahr zum alten Format zurückkehre. 

Berlins Bürgermeister Michael Müller drückte sein Bedauern darüber aus, dass nun schon seit einigen Jahren zwischen den Oberhäuptern der Hauptstädte Berlin und Moskau so gut wie keine Kontakte mehr bestünden.

Dennoch gibt es Hoffnung: Erstmals seit fünf Jahren waren mit der geschäftsführenden Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und dem stellvertretenden russischen Wirtschaftsminister wieder Regierungsmitglieder beider Länder anwesend.

Der Petersburger Dialog wurde 2001 von Wladimir Putin und Gerhard Schröder ins Leben gerufen. Seitdem findet er abwechselnd in Deutschland und in Russland statt. Doch 2014, als Russland wieder an der Reihe war, wurde das Treffen wegen der Krim-Annexion von deutscher Seite abgesagt. 2015 wurde der Petersburger Dialog zwar in Potsdam wiederbelebt, doch ohne deutsch-russische Regierungskonsultationen, die immer parallel zum Forum stattfanden. 

Wie sich im Verlauf des diesjährigen Forums zeigte, fallen die Ansichten der deutschen und russischen Teilnehmer in einer Reihe von Fragen doch zusammen. Insbesondere die Bewertung des Auftritts des russischen Schülers Nikolaj Desjatnitchenko im Bundestag fiel einstimmig und insgesamt positiv aus.

Der Petersburger Dialog ist im Grunde seit einigen Jahren die einzige repräsentative Plattform für offene Diskussionen zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft in beiden Ländern.

Am zweiten Tag trafen sich Arbeitsgruppen, welche die Themen Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bildung und Wissenschaft, Kultur, Massenmedien, Kirchen in Europa, ökologische Modernisierung sowie Gesundheitswesen behandelten. Daneben gibt es die Arbeitsgruppe mit dem Titel „Zukunftswerkstatt“. Sie ist interdisziplinär und beschäftigt sich mit  Entwicklungsaussichten der beiden Länder und der internationalen Gemeinschaft als Ganzes. In der Sitzung dieser Arbeitsgruppe wurden die Themen „Grundwerte in Russland und Deutschland, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die jüngere Generation, Migrations- und demografische Probleme“ behandelt.

Höhepunkt des zweitägigen Forums war die Verleihung des Peter-Boenisch-Preises. Preisträger waren junge russische und deutsche Journalisten für Arbeiten zu verschiedenen Aspekten der deutsch-russischen Beziehungen und zur Förderung eines besseren Verständnisses für die Lebensweise der beiden Länder. Den Preis erhielt Yannick Dillinger, Journalist der „Schwäbischen Zeitung“ für seine multimediale  Reportage „Schmerz“ über die Flugzeugkollision von Überlingen am 1. Juli 2002, bei dem alle Passagiere des Flugzeugs der „Bashkirian Airlines“ ums Leben kamen, einschließlich 52 Kinder. Zwei Jahre später erstach Vitalij Kalojew, dessen Frau und zwei kleine Kinder beim Absturz starben, den Schweizer Fluglotsen Peter Nielsen (der eine Frau und drei Kinder hatte), weil er glaubte, dass dessen Fehler ursächlich für den Tod seiner Familie gewesen sei. Die Tragödie fand große Resonanz in Russland und in Europa. In diesem Jahr kam der amerikanische Film „Aftermath“ mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle in die Kinos, der auf Motiven dieser Geschichte fußt. Dem Journalisten Dillinger und seinen Kollegen ist es gelungen, dem heutigen Betrachter die Tragödie unter Verwendung der klassischen Reportage und moderner Informationstechnologie zu präsentieren, was es ermöglicht, den Inhalt besonders emotional und abwechslungsreich zum Ausdruck zu bringen. 

Im Ergebnis verlief der Petersburger Dialog 2017 in einer warmen Atmosphäre im Herzen von Berlin ohne gegenseitige Verunglimpfungen, Vorwürfe und Anschuldigungen, sondern im Rahmen einer guten Diskussion zwischen Menschen, von denen sich viele seit Jahren gut kennen.