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08.12.17 / Masse statt Klasse / 79 Regisseure meutern gegen Berlinale-Chef Dieter Kosslick

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Masse statt Klasse
79 Regisseure meutern gegen Berlinale-Chef Dieter Kosslick
Harald Tews

Hinter dem glamourösen Schein der Berlinale brodelte es schon lange. Jetzt haben 79 Regisseure mit einem offenen Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Kessel zum Kochen gebracht. Sie fordern einen Neuanfang des Kinofesti­vals mit einer Neubesetzung der Leitung, „die in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig zu führen“.

Das klingt nach Meuterei gegen den Festivalleiter Dieter Kosslick, der die Berlinale schon seit 2001 leitet und dessen Vertrag 2019 ausläuft. Deswegen bringen sich jetzt diejenigen in Stellung, die in der Diskussion um eine mögliche Nachfolge mitreden wollen. Ministerin Grütters favorisiert eine weibliche Kandidaten-Lösung. Ihr schwebt Kirsten Niehuus vor, die Leiterin der Filmförderung im Medienboard Berlin-Brandenburg. Dass eine Frau aus dem Förderbereich, die zwar bundes-, aber eben nicht weltweit vernetzt ist, die Berlinale „auf Augenhöhe“ mit den konkurrierenden Festivals bringen kann, bezweifeln die Unterzeichner des Briefes, darunter Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta oder die Berlinale- Gewinner Maren Ade, Fatih Akin und Christian Petzold.

Dabei richtet sich die „Meuterei“ der Regisseure nicht direkt gegen die Person Kosslicks. Der 69-Jährige genießt in der Branche viele Sympathien. Ihm wird hoch angerechnet, dass er die Berlinale zum größten Publikumsfestival der Welt aufgebaut hat. In den zwei Festivalwochen im Februar verzeichnet man eine halbe Million Kinobesucher. Cannes und Venedig können da nicht mithalten. Allerdings gibt es dort auch weniger Filme, dafür aber bessere Qualität. Bei den 400 Filmen, die auf der Berlinale gezeigt werden, stellt sich oft viel Langeweile ein. Diese minderwertige Masse, so die zuletzt häufig geäußerte Kritik, macht das Festival kaputt.

Die Berlinale hat in den Kosslick-Jahren reichlich Speck angesetzt. Wer einen Neuanfang starten will, steht vor einem Dilemma: Eine Diätkur mit weniger Filmen, bedeutet weniger Besucher und damit auch weniger Einnahmen, auf die das 24 Millionen Euro teure Festival aber angewiesen ist. Andererseits könnte starbesetztes Qualitätskino die Kluft zu Cannes und Venedig verringern. Für den Auftakt der kommenden Berlinale hat Kosslick schon mal nach Hollywood gegriffen: Am 15. Februar eröffnet der Animationsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“ des Regisseurs Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) die Festspiele.