Kunstgeschichte ist eine verhältnismäßig junge Disziplin. Denn „erfunden“ hat sie Johann Joachim Winckelmann, der deshalb auch als „erster Kunsthistoriker“ bezeichnet wird. Doch erst im 19. Jahrhundert wurde Kunst ernsthaft in Instituten erforscht. Und wiederum waren Deutsche maßgeblich daran beteiligt. So feiert am
12. Dezember das Kunsthistorische Institut in Florenz seinen 120. Geburtstag. Es zählt zu den ältesten Forschungseinrichtungen der Kunstgeschichte weltweit.
Das Institut wurde 1897 als private Initiative durch eine Gruppe deutscher Gelehrter für die internationale Forschung gegründet. Dazu waren aber mehrere Anläufe nötig. Ein Kreis um den livländischen Kunstsammler Karl Eduard Freiherr von Liphart und dem Berliner Museumsgründer Wilhelm von Bode diskutierte lange Zeit die Idee, nach dem Vorbild des damals in Rom unter preußischer Trägerschaft stehenden Archäologischen Instituts auch eine kunsthistorische Forschungsstätte einzurichten.
Carl Ruland, der spätere Direktor des Großherzoglichen Museums in Weimar, formulierte diesen Vorschlag 1878 in einer Denkschrift an den Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Der zeigte sich zwar wohlwollend, jedoch scheiterte das Projekt an mangelnder finanzieller Unterstützung.
Zehn Jahre später griff der Breslauer Professor für Kunstgeschichte, August Schmarsow, während einer Lehrtätigkeit in Florenz die Idee auf und rief mit neun deutsche Studenten, darunter dem Hamburger Bankierssohn Aby Warburg, zur Gründung eines kunsthistorischen Instituts auf. Ein Kunsthistorikerkongress in Nürnberg beschloss dann 1893, „an der vornehmsten Stätte kunsthistorischer Studien, in Florenz“, ein Forschungsinstitut zu errichten. Vier Jahre später wurde das endlich realisiert. Sitz des Instituts war das Florentiner Privathaus des aus der Leipziger Verlegerfamilie stammenden Kunsthistorikers Heinrich Eduard Brockhaus, der dann auch bis 1912 erster Direktor des Instituts war.
100 Jahre später gehört das Kunsthistorische Institut, dessen Herzstück neben der 360000 Bände umfassenden Bibliothek die weltweit umfangreichste Photothek ist, zur Max-Planck-Gesellschaft, beschäftigt rund 70 Wissenschaftler und wird inzwischen von zwei Direktoren geleitet. Forschungen gelten seither der, wie es heißt, „Kunst- und Architekturgeschichte in globalem Horizont mit einem Schwerpunkt auf Italien, Europa und dem Mittelmeerraum.“ In Kooperation mit Museen, Universitäten und anderen Einrichtungen untersuchen die Experten die Geschichte der Künste und visuellen Kulturen vom
4. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Anlässlich des Jubiläums findet am 12. Dezember in der deutschen Forschungsstätte an der Via Giuseppe Giusti 44 in Florenz eine große Festveranstaltung mit namhaften Kunsthistorikern statt. Dabei wird auch das Foto-Buch „Appuntamento a Firenze – Ein Termin in Florenz – Appointment in Florence“ vorgestellt, in dem über das Florentiner Institut in Bildern erzählt wird.
Darüber hinaus organisiert das Florentiner Haus regelmäßig Ausstellungen, häufig in Kooperation mit anderen Einrichtungen. Aktuell läuft noch bis zum 21. Januar in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin am Kulturforum der Hauptstadt die große Schau „Wechselblicke. Zwischen China und Europa 1669 –1907“, die von Mitarbeitern des Kunsthistorischen Instituts mitentwickelt wurde. Daneben bietet das Institut auf seiner Internetseite www.khi.fi.it mit „Ramboux. Zwischen Kunst und Kunstgeschichte“ derzeit eine Online-Ausstellung seiner Photothek an. Winckelmann hätte an dieser rasanten Entwicklung „seiner“ Wissenschaftsdisziplin sicher großen Gefallen gefunden.