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08.12.17 / Atelier in den Wolken / Karlsruhe präsentiert »Metamorphosen« des Paul Cézanne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Atelier in den Wolken
Karlsruhe präsentiert »Metamorphosen« des Paul Cézanne
Veit-Mario Thiede

Ein merkwürdiges Aquarell: Die auf den Stuhl geworfene Jacke kann man für eine Regenwolke oder ein Bergmassiv halten. Wegen dieser Mehrdeutigkeit erklärt Kurator Alexander Eiling das Blatt zum Schlüsselwerk seiner Paul Cézanne (1839–1906) gewidmeten Schau: „Kaum ein Werk fasst die Idee der Metamorphose und das Mo­tiv des Verschleifens unterschiedlicher Gattungen in Cézannes Werk so konzentriert zu­sammen wie das Aquarell ,Jacke auf einem Stuhl‘.“

Die in der Kunsthalle Karlsruhe ausgestellten 100 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen eröffnen einen frischen Blick auf Cézannes Schaffen. So wird aus dem wegen seiner Formvereinfachungen gern zu ei­nem der Väter der Abstraktion erklärten Maler unversehens ein Verwandlungskünstler. Ei­ling zeigt Arbeiten mit unterschiedlichen Motiven und aus verschiedenen Schaffensphasen nebeneinander, um die inneren Zusammenhänge von Cézannes Gesamtwerk aufzuzeigen. Die bestehen in der „Metamorphose“ ge­nannten Wanderung, Abwandlung und Mehrdeutigkeit der Motive. Im Gemälde „Felsen bei L’Estaque“ etwa er­innert eine Bergformation mit ihren organisch anmutenden Rundungen an eine auf der Seite liegende Rückenfigur. Verwandte Rundungen zeigen Bleistiftzeichnungen des „Ruhenden Herkules“, die Cézanne nach Pierre Pugets Skulptur des Herkules (1661/62) anfertigte. Neben dem Naturstudium hatte das Kopieren als vorbildlich erachteter Kunstwerke für Cézanne große Bedeutung. Er erklärte: „Vor den großen Meistern lernt der Künstler denken, vor der Natur lernt er sehen.“

Das eigentümlichste Werk der Schau heißt „Das Ewigweibliche“ (um 1877). Es ist eines der meistdiskutierten Gemälde des Künstlers und bleibt doch rätselhaft. In der Bildmitte liegt auf weißem Laken eine entblößte Frau mit blutroten Augenhöhlen. Männer umdrängen sie. Rechts oben steht ein Maler an der Staffelei. Stellt sich Cézanne hier selbst dar? Er war jedenfalls ein eifriger Selbstporträtist. Ausgestellt ist sein „Selbstbildnis mit Palette“. Die Rückwand des Ateliers mutet wie ein Wolkenhimmel an. Cézanne „verschanzt“ sich hinter Staffelei und Palette. Eine geheimnisvolle Erscheinung mit ausdruckslosen Gesichtszügen.

Höhepunkt der Ausstellung ist das Ölbild „Mardi Gras“ von 1888. Es zeigt Cézannes Sohn Paul junior und dessen Freund Louis Guillaume in Rollenporträts. Paul gibt den hochmütigen Harlekin, Louis den gedankenverlorenen Pierrot. Das Gemälde ist einzigartig in Cézannes Schaffen. Und doch kann man auch in ihm die für den Künstler typische Motivwanderung entdecken. Paul und Louis treten durch einen Vorhang mit Blattmuster vor ihr Bildpublikum. Das Stoffmuster findet sich auf dem „Stillleben mit Teekanne“ wieder. 


„Cézanne. Metamorphosen“, bis 11. Februar, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Eintritt: 12 Euro, www.kunsthalle-karlsruhe.de