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08.12.17 / Als die Deutschen Jerusalem räumten / Vor 100 Jahren überließen Falkenhayns Truppen die Heilige Stadt den Briten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Als die Deutschen Jerusalem räumten
Vor 100 Jahren überließen Falkenhayns Truppen die Heilige Stadt den Briten
Bodo Bost

Bis zum 9. November 1917 kontrollierte der westpreußische Offizier sowie vormalige preußische Kriegsminister und Chef des Großen Generalstabs Erich von Falkenhayn mit 15000 deutschen Soldaten vier Wochen lang die noch osmanische Stadt Jerusalem. Sein Adjutant, der spätere Reichskanzler Franz von Papen, überredete ihn schließlich zu einer kampflosen Übergabe der Heiligen Stadt.

Jerusalem war vor 100 Jahren eine Stadt von 50000 Einwohnern, jeweils ein Drittel davon waren Juden, Christen und Muslime. Die Stadt gilt zwar nach Mekka und Medina als die drittheiligste des Islam, aber aus Desinteresse an der Provinz hatten die osmanischen Autoritäten jüdische und ab 1901 auch zionistische Niederlassungen um Jerusalem herum zugelassen. Dies änderte sich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als Jerusalem, bedingt durch die feindlichen arabischen Beduinenstämme, die von den Briten unter Lawrence von Arabien gegen die Türken aufgewiegelt worden waren, zur Frontstadt wurde. Im November 1914 machte der osmanische Marineminister und Kommandeur der 4. Armee, Ahmet Dschemal, Jerusalem zu seiner Residenzstadt und rief vor dem Felsendom vor einer jubelnden Menge zum Dschihad gegen die Alliierten auf. 

Dschemal, der einer der vier Hauptverantwortlichen am armenischen Genozid war und deswegen 1922 von einem armenischen Studenten in Tiflis erschossen wurde, war auch ein erbitterter Gegner der Zionisten. Er befahl die Ausweisung aller Juden aus Palästina, die ausländische Pässe besaßen. Diese Maßnahme wurde jedoch nach Intervention des deutschen Botschafters in Konstantinopel zurückgenommen, weil damals viele der 100000 ausländischen Juden in Palästina deutsche Pässe besaßen und viele der deutschen Soldaten im Land jüdischen Glaubens waren. Unter der Herrschaft Dschemals verhungerten in Jerusalem 10000 Menschen, weitere 10000 flüchteten aus der Stadt, die dazu noch von einer Heuschreckenplage wie zu biblischen Zeiten heimgesucht wurde, was viele Menschen als Strafe Gottes verstanden. 

In Jerusalem befand sich keine größere militärische Garnison. Die Front zwischen dem Osmanischen Reich und den Alliierten, die in Ägypten ihr Hauptquartier hatten, lag im Süden Palästinas, zwischen Gaza und Beerscheba, damals kleinere Städte. Nach einigen frühen Niederlagen gegen die Briten und Beduinen am Suezkanal und in Aqaba befanden sich die osmanischen Streitkräfte ab 1915 permanent in der Defensive. In Palästina waren 1917 die Fronten in Bewegung geraten, nachdem die Alliierten im März versucht hatten, Gaza zu erobern. Der britische Oberbefehlshaber in Ägypten, Sir Archibald Murray, hatte im März die Weisung seiner Regierung erhalten, Jerusalem baldmöglichst einzunehmen. Nur mit Hilfe einiger deutscher Eliteeinheiten konnte die Front bei Gaza bis zum 8. November 1917 noch gehalten werden. Die türkische Armee war in Auflösung begriffen, die Hälfte der Soldaten war, weil es nichts mehr zu essen gab, desertiert. Deutsche Soldaten sollten sie ersetzen. 

Nachdem der osmanische Oberbefehlshaber Kemal Pascha, der spätere Staatsgründer Atatürk, als Oberbefehlshaber hatte abdanken müssen, übernahm der aus dem Kreis Thorn in Westpreußen stammende preußische General Erich von Falkenhayn Ende September 1917 den Oberbefehl über die osmanisch-deutschen Truppen in Palästina. Auf britischer Seite hatte im Juni General Edmond Henry Allenby das Oberkommando übernommen und mit einer grundlegenden Umstrukturierung der Truppen begonnen. 

Am 5. November schlug Falkenhayn in der Augusta-Viktoria-Stiftung auf dem Ölberg sein Hauptquartier auf. Für knapp vier Wochen beherrschten seine Truppen die Heilige Stadt. Unter den Soldaten war auch der spätere Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß. Die deutschen Soldaten fühlten sich in Jerusalem wie zu Hause. Dank sieben deutscher Schulen war Deutsch nach Türkisch die zweitwichtigste Sprache unter der Jugend in Jerusalem. Das Transportwesen ganz Palästinas war in der Hand von 2200 württembergischen Templern, die im deutschen Stadtviertel von Jerusalem die Wiederkunft des Messias erwarteten. Auch im Gesundheitsbereich waren die zehn reichsdeutschen und österreichischen Stiftungen in Jerusalem dominierend. Seit dem Besuch von Kaiser Wilhelm II. in Jerusalem 1898 gab es sogar eine deutsche Post und eine deutsche Bank, die den deutschen Soldaten den Eindruck vermittelten, eigentlich zu Hause zu sein. 

Am 2. November 1917 hatte der britische Außenminister, Arthur James Balfour, den Juden versprochen, in Palästina eine Heimstätte für sie zu errichten. Dies motivierte insbesondere die jüdischen Legion, fünf Bataillone aus jüdischen Freiwilligen, die als Bataillon Nr. 38 bis 42 der Königlichen Füsiliere (Royal Fusiliers) der British Army kämpften. Nach der Eroberung von Gaza gelang es den Briten am 9. November 1917, im Handstreich das osmanisch-deutsche Hauptquartier bei Et-Tine in der Nähe des heutigen Beit Schemesch zu nehmen. Im Durcheinander nahm eine türkische Batterie sogar das eigene Hauptquartier unter Feuer. Dies sorgte für Panik unter den türkisch-deutschen Truppen. Falkenhayn befehligte am 12. November einen erfolglosen Gegenangriff Richtung Et-Tine von Jerusalem aus, ein letzter Entlastungsangriff für Jerusalem scheiterte am 27. November.

Unter den deutschen Verteidigern von Jerusalem brach eine Dis­kussion aus über die Sinnhaftigkeit einer Verteidigung der Heiligen Stadt. Falkenhayn, der Erfinder der „Blutmühle von Verdun“, wollte die prestigeträchtige Stadt „auf die die ganz Welt mit höchstem Interesse schaut“, mit allen Mitteln verteidigen. Hingegen plädierte Papen für eine freiwillige kampflose Räumung. Der politisch versierte vormalige Militärattaché in Wa­shington überzeugte seinen Vorgesetzten. Am 9. Dezember räumten die Deutschen Jerusalem und verlagerten ihr Hauptquartier nach Nazareth. Damit gingen 400 Jahre osmanischer Herrschaft zu Ende. 

Der 9. Dezember war ein Feiertag für die Juden in Palästina, das Freudenlied „Hava Nagila“ entstand an diesem Tag. Am 11. Dezember zog Allenby, auf Weisung aus London zu Fuß, an der Spitze einer internationalen Truppe, die aus vier Kontinenten stammte, am Jaffator in Jerusalem ein. Er hatte sein Ziel, noch vor Weihnachten in der Heiligen Stadt zu sein, erreicht. Allerdings kam die Offensive Allenbys im judäischen Bergland für fast ein Jahr ins Stocken. Erst im Oktober 1918 erreichten die Alliierten Syrien, was zur Kapitulation und zum Untergang des Osmanischen Reiches führte.