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08.12.17 / Der Autodidakt entdeckte nicht nur den Sauerstoff / Die von ihm begründete Gasanalyse erschloss dem vor 275 Jahen geborenen Apotheker und Chemiker Carl Wilhelm Scheele neue Welten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Der Autodidakt entdeckte nicht nur den Sauerstoff
Die von ihm begründete Gasanalyse erschloss dem vor 275 Jahen geborenen Apotheker und Chemiker Carl Wilhelm Scheele neue Welten
Martin Stolzenau

Carl Wilhelm Scheele stammte aus dem seinerzeit schwedischen Stralsund, absolvierte weder ein Gymnasium noch eine Universität, blieb ohne Promotion wie Habilitation und wurde von den etablierten Akademikern lange Zeit ignoriert, ehe er in Schweden als Pharmazeut sowie Chemiker mit seinen Erkenntnissen europäische Bedeutung erlangte. Königliche Akademien und Wissenschaftliche Gesellschaften in ganz Europa beriefen ihn zu ihrem Mitglied. In Mecklenburg-Vorpommern und in Schweden wird er bis heute als einer der bedeutendsten Forscher der Pharmazie- und Chemiegeschichte verehrt. 

Scheele werden 15000 bis 20000 chemische Experimente nachgesagt. Die Entdeckung des Sauerstoffs gilt als seine größte Leistung. Sie begründete eine neue chemische Theorie. Mittlerweile tragen der Mondkrater Scheele, das Mineral Scheelit, der seit 1961 von der schwedischen pharmazeutischen Gesellschaft für Leistungen in der Pharmazie vergebene Scheele-Preis und die Scheele-Gesellschaft, die mecklenburg-vorpommersche Landesgruppe der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, seinen Namen. Sein restauriertes Stralsunder Geburtshaus ist heute eine Kulturstätte mit einer Gedenktafel, die an seine Verdienste erinnert.

Scheele entstammte einer Familie, die bereits vorher zahlreiche Ratsherren, Bürgermeister, Geistliche, Militärs und Universitätsgelehrte hervorgebracht hatte. Sein Vater wirkte als Brauer und Kornhändler in Stralsund, wo Sohn Carl Wilhelm am 9. Dezember 1742 als das siebente von elf Kindern seiner Eltern geboren wurde. Doch drei Jahre später ging das elterliche Geschäft in Konkurs. Das repräsentative Elternhaus in der Fährstraße kam in fremde Hände und die kinderreiche Familie bei Verwandten unter, bis der Vater als Makler eine neue Existenz aufbauen konnte. 

Trotz aller Sparzwänge konnte Carl Wilhelm einige Jahre eine heimische Privatschule besuchen, ehe er eine Apothekerlehre begann. Dazu wechselte er als 15-Jähriger in die Göteborger Apotheke „Zum Einhorn“, wo zuvor bereits sein älterer Bruder gelernt hatte. Sein Lehrherr Martin Andreas Bauch förderte die experimentellen Fähigkeiten seines Schützlings. Zudem las der Stralsunder sämtliche Fachbücher, derer er habhaft werden konnte. Viele Anregungen entnahm er den Schriften des deutschen Chemikers und Apothekers Caspar Neumann. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche ging Scheele nach acht Jahren nach Malmö, wo er beim neuen Dienst­herrn Peter Magnus Kjellström seine auto­di­dak­ti­schen Studien fortsetzte, weiter experimentierte und erfolglos Anschluss an gelehrte akademische Kreise suchte. Seine ersten Aufsätze mit den Erkenntnissen aus seiner intensiven experimentellen Laborarbeit wurden ignoriert. Für die akademische Hierarchie war der Apothekergeselle ein Niemand. Allein Anders Jahan Netzius, ein Chemiedozent der Universität Lund, erkannte die Begabung Scheeles. Daraus entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit und Freundschaft.

1768 wechselte der aufstrebende Apotheker nach Stockholm. Doch die mit der Hauptstadt verbundenen Erwartungen wurden nicht erfüllt. Deshalb kam es zum erneuten Wechsel nach Uppsala, wo er die Bekanntschaft einiger Universitäts-Professoren wie Thorbjörn Bergman und Carl von Linne machte. Beide waren vom Kenntnisstand und der Experimentierfreude Scheeles beeindruckt. Es kam zu einer gegenseitig befruchtenden Zusammenarbeit. Der bisherige Niemand avancierte zur respektierten Größe. Seine Veröffentlichungen wurden gelesen und diskutiert, zumal er immer wieder und erfolgreich wissenschaftliches Neuland betrat. Das trug ihm 1775 die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften im Beisein des Königs ein. Der inzwischen 32-jährige Autodidakt wurde als erster Nichtakademiker in diesen geistigen Olymp Schwedens berufen. Er hatte es geschafft. 

Scheele holte nun das Apothe­kerexamen nach, machte sich in Köping selbstständig, experimentierte weiter, veröffentlichte seine Erkenntnisse und erregte nun europaweit Aufsehen. Wissenschaftliche Gremien in Paris, Berlin, Erfurt und Turin ernannten ihn zum Mitglied. In seinem Buch „Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer“ stellte er die Entdeckung des Sauerstoffs vor. Aber ihm waren nur wenige Jahre des Höhenfluges vergönnt. Scheele, der zuvor nie krank gewesen war, kränkelte ab 1785 im wachsenden Maße. Sara Margaretha Pohl, seine getreue Haushälterin, pflegte ihn. Er heiratete sie, setzte sie als Universalerbin ein und starb am 21. Mai 1786 in Köping. Da war Scheele erst 43 Jahre alt und eigentlich noch am Anfang seiner Wissenschaftler-Karriere. Trotzdem hatte er bereits zur Entdeckung mehrerer Elemente beigetragen, insbesondere der des Sauerstoffs.