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08.12.17 / Jugendliche mit Gespür für den richtigen Ton / Deutscher Schülerpreis würdigt die Wehmut um den Riss entlang der Neiße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Jugendliche mit Gespür für den richtigen Ton
Deutscher Schülerpreis würdigt die Wehmut um den Riss entlang der Neiße
Chris W. Wagner

Den Sächsischen Landespreis für Heimatforschung 2017 hat unter den Jugendlichen das Projekt „Tormersdorf – Spuren vergangener Zeiten“ erhalten. Es wurde von der Jury als für die Region „historisch wertvoll“ eingestuft.

Es passieren eben noch Wunder – auch in der Bundesrepublik Deutschland. Denn wer sich die Zeit nimmt und den 15-minütigen Film über Tormersdorf, ein verschwundenes Dorf, das heute zum niederschlesischen Penzig in der Republik Polen gehört, auf Youtube anschaut, wird überrascht sein. Überrascht von der Musik: „Kehr ich einst zu Heimat wieder“, gesungen vom Männergesangsverein Rothenburg 1845 e.V., überrascht von der gut dokumentierten Geschichte und der Wahl der Zeitzeugen, die durch ihre Erzählungen den Spannungsbogen bis zum Schluss halten und am meisten überrascht, dass diesen Film Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 18 Jahren gemacht haben. „Das Dokument ist ein Werk, dessen sich kein professionelles Fernsehteam schämen müsste. Dieser kompakte, interessante und reich bebilderte Beitrag über Tormersdorf ist durch die Zeitzeugenaussagen ehemaliger Tormersdorfer besonders wertvoll“, so Adriana Wojdak, stellvertretende Bürgermeisterin von Penzig gegenüber der Onlineseite „Alles-Lausitz.de“.

Das Team der Jugendlichen des Mehrgenerationshauses vom Martinshof Rotenburg hatte von April bis Oktober 2016 am Projekt gearbeitet. Tormersdorf wählten sie deshalb zum Thema, weil die Wüstung direkt gegenüber der Stadt Rothenburg/Oberlausitz auf der anderen Seite der Neiße liegt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Dorf verlassen, erhielt einen polnischen Namen und verschwand dennoch von der Landkarte, da es über Rothenburg an die Umwelt angeschlossen, gen Osten durch Wälder jedoch isoliert war. Von den Gebäuden findet man heute nur noch die Grundmauern.

„40 Jahre lang war die Flucht und Vertreibung bei uns im Osten Deutschlands ein Tabuthema und im Westen auch nicht gerade erwünscht. Deshalb ist es jetzt gerade wichtig, die noch lebenden Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen“, heißt es in der Einleitung der Videodokumentation. Das Projekt wurde medial vom Mitteldeutschen Rundfunk und von der Sächsischen Zeitung begleitet. Dies half den jungen Filmemachern, ein breiteres Publikum zu erreichen. Als im November 2017 bekannt wurde, dass die Schüler den mit 500 Euro dotierten Sächsischen Landespreis für Heimatforschung 2017 erhalten, gingen entsprechende Pressemitteilungen in die Welt, machten jedoch an der Staatsgrenze halt. Schade, denn eben auch auf polnischer Seite ist man offen und selbstbewusst genug, um sich mit den Schülern aus Deutschland zu freuen.

Im Bürgermeisteramt von Penzig erfuhr man von dem Preis erst durch eine journalistische Nachfrage aus Görlitz. „Es ist unsere gemeinsame Geschichte, ein gemeinsames deutsch-polnisches Erbe, denn die Lausitz ist unsere Heimat. Ohne ihre Geschichte zu kennen, wären wir um vieles ärmer. Die Lausitzer Neiße, die jahrzehntelang eine natürliche Barriere und Staatsgrenze bildete, sollte heute ein Bindeglied zwischen unseren Völkern sein. Wir bauen nun eine gemeinsame Geschichte und entsinnen uns dabei der Vergangenheit“, so Wojdak, die versicherte, dass das Videodokument ins Polnische übersetzt und im Penziger Kulturzentrum präsentiert wird.

In der Wüstung gab es bereits in der Nachwendezeit erste Annäherungen der Völker. Von 1996 bis 2007 wurden durch polnische Behörden genehmigte Heimattreffen ehemaliger Dorfbewohner durchgeführt. Im Jahre 2002 konnte erstmals durch die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr Deschka/Zentendorf die Neiße an der Stelle der früheren Brücke mit Schlauchbooten überquert werden, wodurch die Nutzung der fernen Grenzübergänge in Ludwigsdorf oder Podrosche im Rahmen der Heimattreffen nicht mehr zwingend notwendig war.

2003 stellten die ehemaligen Dorfbewohner der heutigen Wüstung Tormersdorf einen Gedenkstein mit der Inschrift auf: „Dieses Monument wurde als Gedenkstätte für die Dorfgemeinde Tormersdorf, Kreis Rothenburg, Regierungsbezirk Liegnitz zwischen dem Ostufer der Lausitzer Neiße und der Görlitzer Heide von Zeitzeugen der Stadt Rothenburg und der Brüder- und Schwesterngemeinschaft Martinshof e. V. gestiftet“. Vermutlich ist dies eines der ganz wenigen Denkmäler in der Republik Polen, das nach 1990 nur in deutscher Sprache aufgestellt wurde.