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08.12.17 / Exilheimat für Sinterklaas / Potsdams bunte weihnachtliche Vielfalt – Adventsmärkte auf Holländisch, Russisch, Böhmisch und Polnisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-17 vom 08. Dezember 2017

Exilheimat für Sinterklaas
Potsdams bunte weihnachtliche Vielfalt – Adventsmärkte auf Holländisch, Russisch, Böhmisch und Polnisch
Barbara Eising

Potsdam ist bereits ganz auf Weihnachten eingestellt. Bei abendlichen Spaziergängen werden die Besucher zu den vielen Adventsmärkten der Brandenburger Landeshauptstadt geführt.

Holländisches Handwerk, böhmische Spezialitäten, russische Märchen, polnische Folklore – Potsdam besinnt sich in der Adventszeit einmal mehr auf Traditionen, die nicht nur von prachtvollen Schlössern und Gärten geprägt sind. Beeindruckende Zeugnisse der Geschichte sind auch das Holländische Viertel, die Webersiedlung und die russische Kolonie Alexandrowka im Norden der Stadt. Besucher sind eingeladen auf einen weihnachtlichen Spaziergang durch die brandenburgische Landeshauptstadt, wo man die ganz besondere Potsdamer Geschichte und be­sonders skurrile Ge­schichten erleben kann.

Friedrich Wilhelm I., besser bekannt als Soldatenkönig, wollte für die Erweiterung seiner Garnisonsstadt unbedingt holländische Handwerker anwerben. Geschuldet war das zum einen seiner Vorliebe für holländische Kultur und Architektur, zum anderen galten holländische Handwerker als sehr fleißig und erfahren. Und so kam ihm die Idee, in Potsdam eigens für die Handwerker ein Wohnviertel im holländischen Stil zu bauen. Damit, so glaubte der König, könne er die Stadt den Holländern schmackhaft machen.

Als einer der ersten kam Zimmerermeister Jan Bouman, der die Pläne des Königs ab 1732 umsetzte. Unter seiner Leitung entstanden innerhalb von zehn Jahren 134 Häuser. Doch der große Zuzug holländischer Handwerker blieb aus. Nur wenige ließen sich aus dem wohlhabenden und fortschrittlichen Holland ins provinzielle Potsdam locken. Und so zogen mit den Jahren Handelsvertreter, Künstler, Gewerbetreibende und Soldaten mit ihren Familien in die Holländerhäuser.

Heute schmückt sich die sanierte und denkmalgeschützte Siedlung, die liebevoll auch „Klein-Amsterdam“ genannt wird, mit Galerien und Ateliers, Restaurants und Cafés. Und jedes Jahr zur Weihnachtszeit wird ein besonderer holländischer Gast erwartet: der in seiner Heimat wegen seines dunkelhäutigen Gehilfen, dem „Zwarten Piet“, in der jüngsten Vergangeheit vom politisch korrekten Zeitgeist als kolonialer Ausbeuter verfemte Sinterklaas.

Am 9. Dezember ankert Sinterklaas mit seinem Gefolge im Potsdamer Hafen und zieht von dort aus auf einem Schimmel und begleitet von seinen Helfern, den – weißen! – Pieten, ins Holländische Viertel, wo er sich wie im alten Holland fühlen kann. Inmitten der ziegelroten Backsteingebäude duftet es nach Poffertjes, Genever und Zimtlikör. Handwerker zeigen, wie die berühmten Holzklompen entstehen, flechten Körbe und backen Kniepertjes. 

Friedrich der Große wiederum lockte während seiner Regierungszeit protestantische Weber aus Böhmen nach Potsdam. Er versprach ihnen neben Steuer- und Religionsfreiheit auch ein Haus und ein kleines Stück Land. So entstand ab 1750 in Babelsberg das Weberviertel mit rund 200 kleinen Häusern und einer Kirche, die nach Plänen Boumans erbaut wurde, der es vom holländischen Zimmerermeister zum königlich-preußischen Oberbaudirektor geschafft hatte. 

Nach dem Fall der Mauer wurde das Weberviertel des „Alten Fritz“ grundlegend saniert und zieht heute mit Restaurants, kleinen Geschäften, Floh-, Bauernmärkten und mit einem böhmischen Weihnachtsmarkt die Besucher an. 

Auf dem Weberplatz an der Friedenskirche präsentieren sich am zweiten Adventswochenende Handwerker, Händler, Künstler, Gastwirte, Musikkapellen und auch eine böhmische Kristallfee (siehe auch die Informationen dazu im Artikel unten). Und wer nach dem weihnachtlichen Trubel etwas Ruhe sucht – vom Weberviertel ist es nur ein Katzensprung zum romantischen Park Babelsberg, der von den Gartenkünstlern Peter Joseph Lenné und Fürst Hermann von Pückler-Muskau gestaltet wurde.

Mit ihren Holzhäusern mutet sie an wie ein typisch russisches Dorf – die Siedlung Alexandrowka im Norden der Stadt. Dort wird es am zweiten Adventswochenende erstmals einen Weihnachtsmarkt geben – mit Lagerfeuer, russischen Märchen, Pelmeni (mit Fleisch gefüllte Teigtaschen), Blini (fladenförmige Eierkuchen) und Tee aus dem Samowar. Ganz russisch eben. 

Denn die Siedlung hat eine russische Geschichte: König Fried­rich Wilhelm III. von Preußen ließ sie 1826/1827 zum Gedenken an seinen Freund, den Zaren Alexander I., bauen, mit dem er siegreich gegen Napoleon gekämpft hatte. Und so entstanden nach dem Vorbild des Dorfes Glasowo im Park von Pawlowsk Blockhäuser mit großen Obstgärten für zwölf russische Soldaten eines Sängerchors. Allerdings durften die Gehöfte weder verpachtet, verpfändet oder verkauft und nur an männliche Nachkommen vererbt werden. 

Eigens für die Kolonisten wurde auf dem nahen Kapellenberg auch eine Kirche gebaut, die seither als orthodoxes Gotteshaus genutzt wird. Sie gilt als die älteste russisch-orthodoxe Kirche in Westeuropa und gehört wie die Siedlung Alexandrowka zum Weltkulturerbe. Der letzte Sängernachfahre starb übrigens 2008. Heute sind die meisten Häuser in Privatbesitz. Haus 1 ist ein Re­staurant, Haus 2 ein Museum. 

An der orthodoxen Alexander-Newski-Kapelle vorbei führt ein Weg hinauf zum Schlossensemble Belvedere. König Friedrich Wilhelm IV., ein großer Freund Italiens, hat die Anlage bauen lassen. Vorbild für das pompöse Bauwerk auf dem Pfingstberg sind unter anderem die Villa Medici in Rom, die Villa d’Este in Tivoli und das Casino der Villa Farnese in Caprarola. 

Am ersten Adventswochenende verwandelte sich auch das Belvedere zum ersten Mal in einen Weihnachtsmarkt. Die Arkaden wurden beleuchtet, Händler boten hochwertiges Kunsthandwerk an, und Musiker sorgten für festliche Stimmung. 

Wenn am Heiligabend der erste Stern am Himmel leuchtet, so heißt es, dann beginnt in Polen das Weihnachtsfest. Und getreu dieser Tradition veranstaltet Brandenburgs Nachbarland in Potsdam einen Sternenmarkt auf dem Kutschstallhof am Neuen Markt 

– mit polnischen Künstlern und Kunsthandwerkern, Thorner Lebkuchen und schlesischem Mohnkuchen. 

In der historischen Gewölbehalle präsentieren sich deutsch-polnische Vereine und touristische Regionen Polens. Der Kutschstall, der zum Potsdamer Stadtschloss gehörte und in dem einst die Pferde für die königlichen Kutschen untergebracht waren, beherbergt heute das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Vom 15. De­zember bis zum 1. Januar werden dort unter dem Motto „Weih­nachtswald im Kutschstall“ Weihnachtsbäume zu sehen sein, die von Potsdamer Schülern, Fußballerinnen und Wissenschaftlern geschmückt worden sind. 


Mehr Infos über das weihnachtliche Potsdam im Internet unter: www.potsdamtourismus.de