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15.12.17 / Feige oder respektwürdig? / Der Kroate Slobodan Praljak reagierte auf den Richterspruch von Den Haag mit Suizid

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Feige oder respektwürdig?
Der Kroate Slobodan Praljak reagierte auf den Richterspruch von Den Haag mit Suizid
Dirk Pelster

Die Bilder gingen um die Welt. Ähnlich wie einst Hermann Göring entzog sich Slobodan Praljak dem Vollzug des gegen ihn verhängten Urteils durch die Selbstentleibung mittels Gift. An der Beurteilung dieser Tat scheiden sich die Geister.

Ein kleines Fläschchen Gift war es, mit dem sich Slobodan Praljak vor den Augen der Weltöffentlichkeit im Großen Saal des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag am 29. November das Leben nahm. Kurz nachdem die Kammer gegen ihn und zwei weitere Angeklagte einen Schuldspruch aus dem Jahr 2013 bestätigt hatte, unterbrach er den Vorsitzenden Richter und wies das Urteil unter Protest zurück. Mit weit aufgerissenen Augen stürzte er dann den tödlichen Trunk hinab und brach nur wenige Sekunden später hinter der Anklagebank zusammen. Die herbeigeeilten Ärzte vermochten sein Leben nicht mehr zu retten. Er verstarb wenig später in einem Krankenhaus. 

In den etablierten Medien gab man sich schnell den üblichen Deutungsmustern für solche Fälle hin. Die „Bild“-Zeitung schrieb gar von einem Kriegsverbrecher, der aus Feigheit seiner gerechten Strafe zu entgehen suchte. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich eine solche Charakterisierung nicht nur als oberflächlich, sondern als völlig unangemessen. 

Slobodan Praljak wurde 1945 in einer Kleinstadt in der Herzegowina in eine kroatische Familie hineingeboren. Nach seinem Wehrdienst studierte er Elektrotechnik, Sozialwissenschaften und Theaterdramaturgie. Alle drei Studiengänge konnte er erfolgreich mit einem Abschluss beenden. Er arbeitete für das Theater und produzierte viele Filme. 

Nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens 1991 schloss er sich mit anderen Intellektuellen zu einem Freiwilligenverband zusammen, um die noch junge Republik vor der Intervention der jugoslawischen Armee zu schützen. Später arbeitete er ganz offiziell für die regulären kroatischen Streitkräfte und wurde schließlich Chef des Generalstabes. Aufgrund eines Zerwürfnisses mit Mladen Naletilic, einem anderen Offizier, wurde Praljak im November 1993 aus dem Dienst entlassen. 

Einige Monate zuvor hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Schaffung eines Kriegsverbrechertribunals beschlossen. Hierbei handelte es sich um ein sogenanntes Ad-hoc-Gericht, das ausschließlich für die seit 1991 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangenen Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht zuständig sein sollte. Die Rechtsgrundlage für dieses Gremium ist äußerst dürftig. Sie stützt sich auf Kapitel VII der UN-Charta. Dort wird der Sicherheitsrat allgemein ermächtigt, im Bedarfsfall „besondere Maßnahmen“ zu ergreifen, um den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Die Einrichtung von Gerichten ist hier hingegen nicht ausdrück­lich erwähnt und dürfte auch kein taugliches Mittel sein, den genannten Zweck zu erreichen. Hinzu kommt, dass sowohl Kroatien als auch Bosnien-Herzegowina erst 1992 Mitglieder der Vereinten Nationen geworden sind und es damit aufgrund des Rückwirkungsverbotes zumindest fraglich erscheint, ob die bis zu diesem Beitritt auf ihrem Staatsgebiet begangenen Taten überhaupt der Jurisdiktion jenes zweifelhaften Tribunals unterliegen. An den Verfahren des Gerichtshofes gibt es immer wieder Kritik. Da es außer dem Sicherheitsratsbeschluss keine weiteren Regelungen gibt, gestaltet das Gremium seine Arbeitsweise weitestgehend selbst und ohne Kontrolle. Finanziell wird es nicht nur von den Vereinten Nationen, sondern auch von der EU und privaten Spendern getragen wie etwa dem Open Society Institute von George Soros. Kritiker bemängeln daher eine politische Einflussnahme. 

Seinen ersten Kontakt mit dem Gericht hatte Praljak im Jahre 2002. Damals sagte er noch als Zeuge für seinen ehemaligen Rivalen Naletilic aus. Erst 2004 wurde er selbst angeklagt. In der derzeitigen Berichterstattung wird gerne unterschlagen, dass Praljak sich freiwillig dem Tribunal stellte. Er sah es als seine Pflicht an, die gegen ihn und seine Kameraden erhobenen Vorwürfe vor der Weltöffentlichkeit zu widerlegen. Während der Haftzeit schrieb er hierzu mehrere Bücher. 2013 wurde er zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. 

Zur Last gelegt wurde ihm dabei, dass ihm unterstellte Soldaten bei der Eroberung des Dorfes Stupni Do sechs Kriegsgefangene und 31 Zivilisten getötet hätten. Weiterhin unterstanden ihm mehrere Kriegsgefangenenlager, in denen es zu Übergriffen durch Wachsoldaten gekommen war. Zudem wurde ihm die Zerstörung der historischen Brücke von Mostar vorgeworfen, obwohl es sich bei ihr um ein militärisch bedeutsames Ziel handelte und er zum Zeitpunkt der Sprengung bereits seines Kommandos enthoben war. Die explizite Anordnung von Straftaten konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Stattdessen haben seine Ankläger vornehmlich über die ihm obliegende Befehlsgewalt eine entsprechende Verantwortung konstruiert. 

Vor diesem Hintergrund kann Praljaks Freitod nur mit sehr viel bösem Willen als ein feiges Hinausstehlen aus der Verantwortung abgetan werden, zumal er den größten Teil seiner Haftstrafe ohnehin bereits abgesessen hatte. Vielmehr setzt die freiwillige Aufgabe des eigenen Lebens selbst bei todkranken Menschen immer einen mutigen Entschluss voraus. Wird dieses Opfer um der persönlichen Ehre Willen erbracht, so lässt sich dieser Entscheidung der Respekt kaum versagen.