25.04.2024

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15.12.17 / Unanständiges Schweigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Unanständiges Schweigen
Bodo Bost

Nicht nur Psychologen wissen, dass nur Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang mit Verbrechen den Opfern eines Verbrechens helfen kann, über ihre traumatisierenden Erfahrungen hinweg zu kommen. Zu dieser Offenheit gehört auch, alle Umstände im Umgang mit einem Verbrechen aufzudecken und nicht unter den Teppich zu kehren, was nicht hätte sein dürfen. Das war nach dem islamischen Terrorangriff vor einem Jahr auf dem Breitscheidplatz in Berlin nicht der Fall. Fast jeden Monat kommen neue Ermittlungspannen, Vertuschungsversuche und Fehler im Vorfeld des Attentats bei der Überwachung des stadtbekannten radikalen Moslem Anis Amri durch die Sicherheitsbehörden ans Licht. Auch im Umgang mit dem Gedenken an den Anschlag haben Bundes- und Landesregierung von Anfang an keine klare Konturen gezeigt, an was überhaupt erinnert und wie daran erinnert werden soll. Für die Planung eines Denkmals war Sawsan Chebli, Staatssekretärin in Berlin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales, zuständig. Das Denkmal, das am Jahrestag offiziell eingeweiht werden soll, soll einen Riss zeigen, der durch die Gesellschaft geht, aber nicht, warum er dies tut. Es entsteht der Eindruck, als sollte auch noch durch das Erinnern etwas verdeckt oder verdrängt werden, was Regierungsvertreter wie Chebli nicht wagen, einzugestehen.

Während man nach der Aufdeckung der sogenannten NSU-Mordserie schnell mit dem Etikett „faschistisch“ zur Stelle war, wollte man die politisch-religiösen Hintergründe des Terroraktes am Breitscheidplatz gar nicht offen beim Namen nennen, aus Angst eine angebliche Religion zu verunglimpfen. Dies war wohl auch der Grund, weshalb die Breitscheidplatz-Opferangehörigen, anders als die NSU-Opferangehörigen, von der Bundeskanzlerin noch zu keinem Gespräch eingeladen wurden. Bereits im März hatten sich die Hinterbliebenen der Opfer um ein Gespräch mit Angela Merkel bemüht, dies war jedoch von ihr verweigert worden. Auch während des Wahlkampfes wurde für die Sendung  „Klartext Frau Merkel“ eine bereits eingeladene Sprecherin der Angehörigengruppe kurzfristig vom ZDF wieder ausgeladen, wohl aus Angst, sie könnte mit einer Frage Merkel in Verlegenheit bringen.

Jetzt ist den Familien der Opfer vom Breitscheidplatz der Kragen geplatzt. Sie klagen Merkel in einem offenen Brief an und werfen ihr Untätigkeit und Regierungsversagen vor. Der Anschlag sei auch „eine tragische Folge Ihrer politischen Untätigkeit“, heißt es. Die Opferangehörigen, von denen einige EU-Ausländer sind, beklagen auch „eklatante Missstände“ in den Sicherheitsbehörden, welche die Kanzlerin mit zu verantworten habe. Sie habe es versäumt, in einer Zeit, in der die Bedrohung durch radikale Moslems zugenommen habe, die Reform der „wirren behördlichen Strukturen“ rechtzeitig voranzutreiben.

Auch persönlich klagen die Opferangehörigen Merkel an. Sie habe „auch fast ein Jahr nach dem Anschlag den Angehörigen weder persönlich noch schriftlich kondoliert“, obwohl dies „eine Frage des Respekts, des Anstands und eigentlich eine Selbstverständlichkeit“ sei. Und schließlich heißt es in dem Schreiben unmissverständlich: „Wir sind der Auffassung, dass Sie damit Ihrem Amt nicht gerecht werden.“