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15.12.17 / Gegenwind / Die Sehnsucht des Neureichen nach Prestige

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Gegenwind
Die Sehnsucht des Neureichen nach Prestige
Florian Stumfall

Der Kauf eines dem Renaissance-Genie Leonardo da Vinci zugeschriebenen Bildes eines segnenden Christus mit dem Namen „Salvator Mundi“ hat vor Kurzem groß Schlagzeilen gemacht, und das lag nicht nur daran, dass es um eine im Kunsthandel bisher unerhörte Summe ging, sondern auch daran, dass der Kauf ganz verschiedene Aspekte aufweist.

Da sind zunächst einmal die Summen, die der Kunstmarkt bewegt. Auch hier gilt die Regel, dass die Nachfrage den Preis bestimmt. Doch wie soll sich beim Käufer eine Vorstellung davon entwickeln, was er ausgeben mag, wenn er vom Objekt seiner Begierde nicht viel versteht? Und das ist gerade beim Segment der allerteuersten Objekte sehr oft der Fall. Diesem Problem begegnet man durch Manipulation, etwa dadurch, dass in den Medien irgendein Schwefel zum höchsten Ausdruck künstlerischen Schaffens hochgejubelt wird – insbesondere die Gegenwartskunst bietet hier reichlich Möglichkeiten.

Denn die Werte, um die es dabei geht, sind fiktive Werte. Wer am Hafen einen Hering kaufen und heimtragen will, braucht Zeitungspapier, keine Blaue Mauritius. Wer für einen Segel-Törn Lebensmittel einpackt, wird keine weißen Trüffel auswählen, und von der Welt-Diamanten-Produktion kann man nur einen Bruchteil sachlich in der Industrie verwenden – das meiste geht in den Milliarden-Markt der Eitelkeit, dessen Preisbildung oft wenig rationale Aspekte aufweist. Fiktive Werte eben – und die reizen zur Manipulation oder machen sie sogar nötig.

Wo es sich freilich um einen Namen wie Leonardo handelt, ist der Begriff der Manipulation zu grobschlächtig. Derlei behandelt man wissenschaftlich, und dabei stellt sich heraus, dass die Zweifel an der Urheberschaft des Toskaners an dem Bild „Salvator Mundi“ überaus berechtigt erscheinen. Das Bild ist nur unzureichend nachgewiesen, und es gibt Monografien über Leonardo, gründliche, seriöse Biografien, in denen es nicht aufscheint. Das ist umso erstaunlicher, als er in seinem überreichen Schaffen verhältnismäßig wenig Ölbilder hervorgebracht hat, sodass kaum Anlass besteht, davon auch noch ein angeblich zentrales Werk zu unterschlagen.

Dem Käufer, einem Anonymus oder aber mehreren aus Abu Dhabi, dürfte die Frage nach der Authentizität des Gemäldes nachrangig sein. Den Wüstensöhnen geht es ums Prestige – ist der Leonardo nicht echt, so offenbar die Überlegung, so haben wir doch gezeigt, dass wir mehr Geld für ein Bild ausgeben können als sonst jemand auf der Welt. Dieses Feilschen um Anerkennung, mit dem sich die reich gewordenen Araber den Ruch des Erdöls aus dem Burnus herauswaschen wollen, ist es auch, der in Abu Dhabi ein Museum hat erstehen lassen, für welches sie alles an europäischen Kunstwerken zusammenkaufen, dessen sie habhaft werden können.

Doch während den Emiren in Abu Dhabi als Fundus für Neuerwerbungen der gesamte internationale Kunstmarkt offensteht, befleißigen sie sich bei der Namensgebung großer Exklusivität, dem Anspruch ihres Museums angemessen. Dieses heißt „Louvre Abu Dhabi“, und die Franzosen, in deren Hauptstadt Paris der eigentliche Louvre steht, haben sich ihre Zustimmung für die Benutzung des Namens abkaufen lassen. Für eine Milliarde US-Dollar verhökerten sie die Namensrechte in die Wüste.

Dieser eigenartige Kulturtransfer wirft einige Fragen auf. Der multikulturell bewegte Mitteleuropäer wird ihn pflichtschuldigst gutheißen und als erfreuliches Beispiel des Multikulturalismus begrüßen. Wenn schon die durchschnittlichen europäischen Museumsbesucher nicht durchweg die Kenntnis der griechischen Sagenwelt besitzt, die ihnen in jeder Galerie begegnet, so gewinnen sie doch durch die Tradition abendländischer Ästhetik, in der sie aufgewachsen sind, den Zugang zu einem Werk, wenigstens in Form eines optischen Genusses. Doch was macht der arabische Besucher? Europäische Gemälde geben typische Objekte wieder, die man grob einteilen kann in Landschaftsbilder, Porträts und Genres. Soweit geht das ganz gut, auch wenn solche Bilder in eine andere Kultur transferiert werden – der Besucher wird sie leidlich verstehen. Doch ein anderes Problem tut sich auf, jedenfalls bei Porträts. Sollte der Wüstensohn auch im Museum seinem Glauben und dem Wort des Propheten anhängen, was wir dringend hoffen, so sieht er sich mit etwas konfrontiert, was ihm als Sünde gelten muss: Hier werden Menschen abgebildet, was jedoch Mohammed ausdrücklich untersagt hat.

Wenn es sich um Gegenstände aus der Geschichte, der Mythologie und dem großen Bereich der christlichen Tradition handelt, wird es noch schwieriger. Hier betritt man ein Feld, auf dem umfassend und grundsätzlich sichtbar wird, dass zwischen den verschiedenen Kulturen Unterschiede bestehen, die nur unter größten Mühen und auch dann nicht dauerhaft zu überbrücken sind.

Beim Araber, um beim Beispiel zu bleiben, erhebt sich bereits eine weitere Hürde. Griechische Götter sind gerne nackt, die Göttinnen nicht minder. Aber wehe – der Prophet, der ja die Abbildung sogar eines bekleideten Menschen verboten hat, wird durch die Darstellung der Nacktheit eines Menschen zusätzlich beleidigt, auch wenn es sich bei diesem Menschen um einen Gott handelt. Mehr noch: Hier muss er den höhnischen Trotz der Ungläubigen erleben, die ihm innerhalb seiner eigenen arabischen Glaubenswelt heidnische wie christliche Gloriolen vorführen, die ihm ein Greuel sein müssen.

Hier stellt sich tatsächlich die Frage nach der Vernunft und ob man ihr folgt, wenn man eine Kreuzigung Christi nach Arabien schafft, um sie dort bestaunen zu lassen. Gut – die Scheichs, die das alles finanziert haben und sich dessen brüsten in ihrem Hochmut, sind ihrem Glauben gegenüber sehr flexibel und neigen dazu, sich persönlich Ausnahmen zu genehmigen. Und dennoch trinken sie ihren Whisky aus der eigenen Destille in Schottland lieber dort als unter arabischer Sonne. Aber europäische Museen? Prestige, die Sehnsucht des Neureichen nach Prestige. 

Keine Frage, dass eine solcherart verrottete Elite eines Tages fortgejagt wird, nicht zuletzt auch wegen des sozialen Gefälles, das sie mit ihren Abermilliarden errichtet hat. Die derzeitige Entwicklung im Nahen Osten lässt ohnehin nichts Gutes erwarten.

Und was geschieht dann? Dann werden die Radikalen die Macht an sich reißen, ob sie nun Islamischer Staat oder al-Kaida oder sonst irgendwie heißen, Leute jedenfalls, die tatsächlich keinen Whisky trinken und an gemalten nackten Körpern Anstoß nehmen. Und diese Leute werden außer den Palästen auch die Museen stürmen, in denen die sündhaften Bilder hängen, und sie werden diese auf einen Stapel häufen und verbrennen. Der Preis spielt dabei keine Rolle.

In Europa wird man dann neben Bedauern die Versicherung vernehmen, dass das alles mit dem Islam nichts zu tun habe und dass man weiter an einer multikulturellen Welt bauen müsse.