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15.12.17 / »Mit gutem Steinpflaster und Trottoir« / Allensteins erster Oberbürgermeister setzte als Verwaltungschef der ostpreußischen Kreisstadt Maßstäbe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

»Mit gutem Steinpflaster und Trottoir«
Allensteins erster Oberbürgermeister setzte als Verwaltungschef der ostpreußischen Kreisstadt Maßstäbe
E. Muche / G. Hufenbach

Oskar Belians Tätigkeit als Bürgermeister von Allenstein war derart herausragend, dass er 1903 schließlich als erster überhaupt zum Oberbürgermeister der damaligen Kreisstadt ernannt wurde. Dieses Jahr jährte sich der Beginn seiner erfolgreichen Amtstätigkeit zum 140. Mal. Am 10. Oktober 1877 wurde Belian nach Bestätigung durch den Kommissar des Regierungspräsidenten von Königsberg in sein Amt eingeführt. Die Stadt Allenstein zählte damals kaum 6000 Einwohner, hatte nur wenige und dazu noch mangelhaft gepflasterte Straßen und war erst seit drei Jahren durch die Thorn-Insterburger Eisenbahn an den überörtlichen Verkehr angeschlossen. 

Eine seiner ersten Amtshandlungen, schrieb Belian später, war die Eröffnung des von der Stadt errichteten Pro-Gymnasiums, das am 1. Oktober 1881 als Vollanstalt anerkannt und am 10. April 1885 dem Königlich Preußischen Provinzialschulkollegium als Staatsanstalt übergeben wurde, aber nur, weil sich die Stadt zum Bau eines neuen Anstaltsgebäudes und Zahlung eines Unter­hal­tungs­zu­schusses von 15000 Mark verpflichtet hatte. Durch die Errichtung dieser höheren Lehranstalt wurde der Grundstein für ein schnelles Wachstum der ostpreußischen Landstadt gelegt. Dies zeigte sich schon bald bei der Wahl Allensteins zum Sitz eines Land- und Amtsgerichts im Jahre 1879. Da in der Stadt „bereits ein Gymnasium bestand“, fiel die Entscheidung nicht zugunsten des Mitbewerbers Osterode aus. Ein Ergebnis der Weitsicht des begabten Verwaltungschefs von Allenstein.

Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts wurden von Allenstein aus die Zweigbahnen nach Marienburg, Ortelsburg, Soldau und Königsberg gebaut. In der Folge wurde die Stadt zum Eisenbahnknotenpunkt und Sitz eines Eisenbahnbetriebsamtes. Außer durch Eisenbahnen schaffte man auch im Laufe der Jahre durch die Anlegung neuer Kreis-Chausseen bessere Verbindungen zu den Nachbarstädten und entfernteren Kreisteilen. 

Im Jahre 1884 erhielt Allenstein die erste Garnison durch die Verlegung des Jäger-Bataillons „Graf York von Wartenberg“ (Ostpreußisches) Nr. 1 von Bromberg/Westpreußen hierher, dem 1886 das Dragoner-Regiment „König Albert von Sachsen“ (Ostpreußisches) Nr. 10 folgte. Am 1. Oktober 1889 erhielten das Grenadier-Regiment „König Friedrich der Große“ (3. Ostpreußisches) Nr. 4 und eine Abteilung des Westpreußischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 16 Allenstein als Garnisonstadt, nachdem das Jäger-Bataillon nach Osterode verlegt worden war. Gleichzeitig wurde der Stab der 3. Infanterie-Brigade hierher verlegt. Durch die Verlagerung des Grenadier-Regiments Nr. 4 nach Rastenburg erhielten nun die Infanterie-Regimenter Nr. 150 und 151 mit dem Stab der 75. Infanterie-Brigade die Stadt Allenstein im Jahre 1898 als Garnison. Zudem wurde hier nun an Stelle der Artillerie-Abteilung das Feld-Artillerie-Regiment Nr. 73 neu gebildet und der Stab der 37. Kavallerie-Brigade und bald darauf auch der Stab der 37. Division hierher verlegt, sodass Allenstein nach Königsberg in der Provinz die größte Garnison besaß. Mit Ausnahme von zwei Bataillonen des Infanterie-Regiments Nr. 151, die „in Privatkasernen“ lagen, wurden in dieser Zeit für sämtliche Truppenteile Kasernen erbaut.

Doch nicht nur durch die Ansiedlung von Militär schaffte Bürgermeister Belian in Allenstein „Arbeit und Brot“, auch sorgte er durch Errichtung von Wohlfahrtseinrichtungen im Laufe der Jahre für ein Aufblühen dieser alten ostdeutschen Stadt. Als Beispiele seien genannt: die Errichtung einer Provinzial-Irren- und Pflegeanstalt (Kortau) für 1000 Personen, die Errichtung des katholischen Krankenhauses St. Marien, das später wiederholt bedeutend erweitert wurde, der Bau eines Garnisons-Lazaretts, die Errichtung der Lungen-Heilstätte „Frauenwohl“ im Stadtwald, der Bau des jüdischen Altersheimes nebst Siechenhaus sowie der Neubau der für die Gottesdienste vorgesehenen Gebäude der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche (Herz-Jesu-Kirche) und der Allensteiner Synagoge für die Bürger jüdischen Glauben.

An Schulanstalten errichtete die Stadt Allenstein unter Belians Regie außer dem bereits erwähnten Gymnasium noch eine Oberrealschule, eine höhere Mädchenschule (Luisenschule) mit Lehrerinnen-Seminar sowie eine gewerbliche und eine kaufmännische Fortbildungsschule.

Die einst simultan geführten Volksschulen der Stadt wurden am 1. April 1890 in zwei katholische und eine evangelische Schule umgewandelt und im Laufe der Jahre von 20 Klassen mit etwa 900 Schülern beiderlei Geschlechts auf 60 Klassen mit zirka 3250 Absolventen beiderlei Geschlechts erweitert. Für alle diese Schulanstalten erbaute man seitens der Stadt unter Bürgermeister Belians Führung neue zweckentsprechende Gebäude. Dass im Zuge des wirtschaftlichen Aufblühens kommunale Einrichtungen wie Schlachthof, Gasanstalt, Wasserleitung, Kanalisation, Elektrizitätswerk mit Wasserkraftantrieb und Straßenbahn ebenfalls entstanden, soll der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben. Auch sämtliche städtischen Straßen wurden während Belians Tätigkeit „mit gutem Steinpflaster und Trottoir“ versehen, die Hauptstraßen mit Unterpflaster und „schwedischen Kopfsteinen“. In verschiedenen Stadtteilen legte man größere Schmuck­plätze an, und der unmittelbar in der Stadt gelegene Teil des Stadtwaldes wurde mit Promenadenwegen versehen, die der Bevölkerung zur Erholung dienten. Auf dem Gartenplatz vor dem Königlichen Gymnasium in der Kaiserstraße errichtete man ein Standbild Kaiser Wilhelms I. und in der Guttstädter Straße ein Kriegerdenkmal.

Die Schaffung des dritten ostpreußischen Regierungsbezirks Allenstein aus Teilen der Regierungsbezirke Königsberg und Gum­bin­nen mit Wirkung vom 1. November 1905, die unter anderem der kulturellen und wirtschaftlichen Föderung Masurens dienen sollte, machte Allenstein, das nun Sitz eines Regierungspräsidenten war, zum Mittelpunkt des südlichen Teils der Provinz Ostpreußen. Auch äußerlich beeinflusste die segensreiche kommunale Tätigkeit Belians im Laufe seiner mehr als 30-jährigen Tätigkeit die Stadt. Die Gebäude in den älteren Stadtteilen wurden fast durchweg durch neue ersetzt, ohne dass dadurch der historische Charakter der Stadt gelitten hätte. An den größtenteils von Baumreihen gesäumten Straßen in den neueren Ortsteilen entstanden nach modernen Prinzipien und Bebauungsplänen Wohngebäude, die in der Regel ansprechende Fassaden und schmucke Vorgärten besaßen. Die industriellen Anlagen in der Stadt wurden während Belians Tätigkeit durch eine große Anzahl von Dampfschneidemühlen und Tischlereien, mehrere Ziegel- und Maschinenfabriken, Brauereien sowie Möbel-, Zündholz- und ähnliche Fabriken vermehrt, was später in ähnlicher Weise unter der Ägide von Oskar Belians Sohn Alfred Belian in Eilenburg ebenso geschah.

Was für einen begnadeten Bürgermeister die Stadt Allenstein in Ostpreußen mit Belian besessen hat, geht auch daraus hervor, wie er selbst später seinen Abschied vom Dienst formulierte: „Da ich nach Genesung von längerer Krankheit fühlte, dass ich nicht mehr mit voller Kraft meines Amtes walten konnte, beantragte ich meine Versetzung in den Ruhestand zum 1. Nov. 1908, die mir auch von den städtischen Vertretungen nach Vollendung meines 76. Lebensjahres (!!) und nach 31-jähriger Tätigkeit unter Verleihung des Ehrenbürgerrechts genehmigt wurde.“