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15.12.17 / Beruflich Nullkommagarnix / Kreißsaal, Hörsal, Plenarsaal – Was ist dran am Politikerspott? – Ein kritischer Blick auf unsere 709 Bundestagsabgeordneten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Beruflich Nullkommagarnix
Kreißsaal, Hörsal, Plenarsaal – Was ist dran am Politikerspott? – Ein kritischer Blick auf unsere 709 Bundestagsabgeordneten
Wolfgang Kaufmann

Ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung beziehungsweise als Studienabbrecher um die 14000 Euro im Monat verdienen: unmöglich – oder?! Keineswegs! So mancher Bundestagsabgeordnete zeigt uns auch in dieser Legislaturperiode wieder, wie leicht das geht.

Derzeit sitzen 709 Volksvertreter im Berliner Parlament, um dort Gesetze zu verabschieden und die Kontrolle über die Regierung sowie alle exekutiven Organe des Bundes auszuüben. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Trotzdem verfügen 32 Abgeordnete definitiv über keinerlei beruflichen oder universitären Abschluss – also immerhin 4,5 Prozent. Zu dieser Gruppe gehört auch die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen). Dazu kommen weitere 21 Parlamentarier, bei denen der dringende Verdacht besteht, dass sie keine der üblichen Qualifikationen für den Arbeitsmarkt vorweisen können. Oftmals wird die Berufslosigkeit hier mit Formulierungen wie „Studium der ...“ kaschiert. Allerdings fehlt dann eben die Angabe des erworbenen akademischen Grades. Das Gleiche gilt analog für jedwede andere Berufsausbildung. Dabei listen Abgeordnete aber normalerweise gerne in ihrer Vita auf, was sie so alles erreicht und getan haben. Manchmal bis hin zu absoluten Petitessen, welche kaum der Erwähnung wert sind, wie kurze Auslandsaufenthalte während der Schulzeit. Somit ist die Lücke in der auf Hochglanz polierten Biografie ein äußerst starkes Indiz dafür, dass der Betreffende beruflich eigentlich Nullkommagarnichts vorzuweisen hat. Deshalb muss man wohl letztlich von mehr als sieben Prozent „Ungelernten“ unter den Bundestagsabgeordneten ausgehen.

Personen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt heute nur sehr schwer vermittelbar wären, finden sich dabei in sämtlichen Fraktionen – jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. An der Spitze stehen unangefochten die Grünen: Acht von deren 67 Abgeordneten verfügen nachweislich über keinerlei Abschluss, und in weiteren vier Fällen legen die lückenhaften Angaben der Betreffenden dasselbe nahe. Weshalb die Abbrecher-Quote bei den Grünen also höchstwahrscheinlich 18 Prozent beträgt, was weit über dem Durchschnitt liegt. Den zweiten Platz belegt Die Linke mit insgesamt neun Parlamentariern ohne nachgewiesene berufliche Qualifikation, womit sie auf 13 Prozent kommt. An dritter Stelle rangiert die AfD-Fraktion: Dieser gehören fünf Abgeordnete mit eindeutig fehlender Berufsausbildung an. Dazu kommen zwei weitere ziemlich klare Fälle. Das macht summa summarum 7,6 Prozent. Ein Prozentpunkt nied­riger liegt die Abbruchquote bei den Volksvertretern mit SPD-Parteibuch – insgesamt liegt deren Zahl bei sieben (mit Sicherheit kein Abschluss) beziehungsweise drei (vermutlich ohne regulär beendete Ausbildung). An fünfter Stelle rangiert die FDP mit zwei beziehungsweise fünf Abgeordneten der fraglichen Art – damit erreichen die Liberalen 6,25 Prozent und folgen ganz dicht auf die Sozialdemokraten. Die CDU/CSU-Fraktion wiederum bildet das Schlusslicht dieser Statistik: Von ihren 246 Mitgliedern haben nur fünf weder ein erfolgreich beendetes Studium noch eine Berufsausbildung vorzuweisen, bei weiteren fünf deuten die gemachten Angaben darauf hin. Was dann insgesamt vier Prozent ergibt.

Werden die Betreffenden mit dem Umstand konfrontiert, dass sie über keinerlei arbeitsmarkttypische Qualifikation verfügen, dann fällt die Reaktion recht unterschiedlich aus. Die „Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen, die ihr Jura-Studium abbrach und ansonsten nur das Abitur vorzuweisen hat, äußerte ebenso entschuldigend wie offenherzig: „Das Büffeln, das Argumentieren nach Schema F“, liege ihr einfach nicht.

Andere hingegen vergleichen das Scheitern in Studium oder Lehre mit dem Sitzenbleiben während der Schule – und das könne doch schon mal vorkommen. Dergestalt äußerte sich der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe aus Castrop-Rauxel. Manchmal werden Anfragen zum Thema Abbruch der Ausbildung aber auch völlig abgeblockt. So praktizieren es unter anderem Annette Widmann-Mauz, Rüdiger Kruse und Thomas Jarzombek von der CDU.

Einigen Politikern scheinen die fehlenden Abschlüsse also durchaus peinlich zu sein, während andere da keinen Makel sehen, sondern ihre trotzdem gemachten Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt oder in der Wirtschaft hervorheben. Frei nach dem Motto: Außerhalb von Universitäten könne man am Ende sowieso viel mehr fürs Leben lernen. Ein Beispiel hierfür ist Omid Nouripour von den Grünen, der zugleich meint, die Volksvertreter sollten mit ihrem Abbrechertum nicht so verschämt umgehen – eine späte Konsequenz aus seinem eigenen Täuschungsversuch, welcher vor Jahren medienwirksam aufflog (siehe Kasten).

Doch liegen die „Ungelernten“ damit richtig? Nun, tatsächlich macht es den Abgeordneten XYZ nicht unbedingt zum besseren Parlamentarier, dass er sein Studium mit einer erfolgreich verteidigten soziologischen Doktorarbeit beenden konnte. Jedoch musste der Betreffende ja über bestimmte Eigenschaften verfügen, um dieses akademische Ziel zu erreichen. Gemeint sind die sogenannten „Sekundärtugenden“ Fleiß, Durchhaltevermögen, Pflichtbewusstsein und Disziplin, die Politikern ebenso gut zu Gesicht stehen wie solide fachliche Kenntnisse, welche man in der Regel nur im Rahmen einer abgeschlossenen Berufs- oder Universitätsausbildung zu erwerben pflegt.

Und genau diese Sekundärtugenden fehlen dann wohl Abgeordneten wie Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) und Norbert Müller (Die Linke). Warum würden die beiden sonst seit nunmehr zwölf beziehungsweise 13 Jahren Politikwissenschaft (Brugger) und Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (Müller) studieren, ohne zu einem Ende zu kommen?

Ansonsten dürfte der Politikstil eines Abgeordneten, der nach dem Verlust seines Mandates kaum eine Chance auf dem freien Arbeitsmarkt hätte, auch durch besonders angepasstes Verhalten geprägt sein. Schließlich muss er sich ja des Wohlwollens der Parteioberen erfreuen, um bei der nächsten Wahl wieder einen der begehrten oberen Listenplätze zu ergattern.





Der »Angeber im Bundestag«

Der spätere Grünen-Politiker Omid Nouripour „flüchtete“ 1988 gemeinsam mit seiner Familie aus dem Iran in die Bundesrepublik. Das hinderte ihn freilich nicht daran, die Staatsbürgerschaft des Mullah-Regimes auch dann weiterzubehalten, als er 2002 in Deutschland eingebürgert wurde. 

Nouripour begann 1996 ein Studium der Deutschen Philologie mit den Nebenfächern Politikwissenschaft und Jura. Dazu kamen später noch Soziologie, Philosophie und Volkswirtschaftslehre –sicher zur großen Freunde seiner akademisch gebildeten Eltern. Allerdings vermochte er es bis zum Studienabbruch im Jahre 2004 nicht, einen universitären Abschluss zu erwerben. Trotzdem gab sich der Deutsch-Iraner aber als Doktorand der Germanistik aus, nachdem er 2006 für den scheidenden Abgeordneten Joschka Fischer über die hessische Landesliste ins Berliner Parlament eingezogen war. Deshalb kürte die „Bild“-Zeitung Nouripour am 21. November 2008 zum „Verlierer des Tages“ und nannte ihn „Angeber im Bundestag.“

Heute ist Nouripur außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.