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15.12.17 / Goslars ganzer Schatz / Seit 25 Jahren ist der Rammelsberg im Harz UNESCO-Welterbe – »Unterirdischer« Weihnachtsmarkt am 3. Advent im Bergwerk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-17 vom 15. Dezember 2017

Goslars ganzer Schatz
Seit 25 Jahren ist der Rammelsberg im Harz UNESCO-Welterbe – »Unterirdischer« Weihnachtsmarkt am 3. Advent im Bergwerk
Helga Schnehagen

Der Harzer Bergbau war einst richtungweisend für ganz Europa. Heute sind die Stollen stillgelegt oder dienen als Industriedenkmal. Die über 200 Quadratkilometer große über- und unterirdische Kulturlandschaft um Goslar und den Rammelsberg ist sogar seit 25 Jahren Weltkulturerbe.

Kaum jemand weiß, dass der Harz zu den ältesten und historisch bedeutendsten Industrielandschaften Europas zählt. Bis etwa 1980 galt das Jahr 968 n. Chr. als Anfangsdatum des Harzer Bergbaus. In diesem Jahr wurde erstmalig die Entdeckung einer Silberader am Rammelsberg historisch festgehalten. Nach jüngeren Forschungen jedoch soll hier möglicherweise schon in der Bronzezeit Silber, Kupfer und Blei gefördert worden sein.

Gesichert ist, dass der Rammelsberg nicht nur das einst größte zusammenhängende Kupfer-, Blei- und Zinkerzlager der Welt besaß, sondern auch als einziges Bergwerk der Welt über 1000 Jahre kontinuierlich in Betrieb war. Die Gesamtförderung betrug fast 30 Millionen Tonnen. 

Die zentrale kulturhistorische Ausstellung im ehemaligen Magazingebäude zeigt auf drei Etagen an seinem Beispiel den Einfluss der täglichen Arbeit der Bergleute auf ihr Leben, die allumfassende Durchdringung der Arbeit auf soziale, wirtschaftliche und technische Gegebenheiten sowie Zeugnisse aus Kultur- und Kunstgeschichte, der Religiosität oder der Fest- und Freizeitkultur.

Der Reichtum des Rammelsbergs an Silber- und vor allem Kupfererz war Anfang des 11. Jahrhunderts Ursache dafür, dass Heinrich II., schon bevor er Ottonen-Kaiser wurde, seine Pfalz von Werla nach Goslar verlegte. Seine Nachfolger, die Salier Konrad II. und Heinrich III., machten daraus nach den Worten des Chronisten Lampert von Hersfeld den „be­rühmtesten Wohnsitz des Reiches“. Nach dem Anschluss des Königreichs Hannover an das Königreich Preußen kamen 1866 sogar die Hohenzollern in ihren Besitz, bis die Preussag 1924 den Betrieb der Oberharzer Bergwerke übernahm. Das Reiterstandbild Wilhelms I. vor der Kaiserpfalz erinnert an diese letzte Ära fürstlicher Grubenherren. 

100000 Besucher zählt das 1988 stillgelegte Bergwerk pro Jahr. Als erstes Zeugnis deutscher Industriekultur wurde der Rammelsberg zusammen mit Goslars durch ihn geprägte Altstadt 1992 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. 2010 wurde die Stätte um die Anlagen der Oberharzer Wasserwirtschaft erwei­tert. Sie war vom Mittelalter bis zur Industriezeit der einzige Energielieferant für den Oberharzer Bergbau. 

Zisterziensermönche des Klosters Walkenried hatten im frühen 13. Jahrhundert erste Teich- und Grabensysteme konstruiert, welche die Bergleute über die Jahrhunderte weiter ausbauten. Die Energie des Wassers trieb Entwässerungs-Pumpen in Bergwerken an, half Erze zu verhütten und Material zu transportieren. Insgesamt wurden rund 120 Teiche, mehr als 500 Kilometer Gräben und etwa 30 Kilometer unterirdische Wasserläufe erstellt, wovon man heute noch 65 Teiche, 70 Kilometer Gräben und 20 Kilometer Wasserläufe aktiv unterhält. Die Zahlen schwanken. Dieses geniale künstliche Wasserleitsystem beeinflusste maßgeblich die Bergbautechnik in ganz Europa.

Während Goslar mit seinen schmalen Gassen, schieferverkleideten Fachwerkhäusern und nostalgischem Flair auch ohne viele Worte sofort verzaubert, ist der Zugang zum Industriedenkmal Rammelsberg sperriger, aber nicht weniger faszinierend. Das in seiner Vollständigkeit einzigartige Ensemble an über- und untertägigen Sachzeugen bewahrt in einer Art Momentaufnahme den Stand moderner Montankultur vor 30 Jahren, als das Bergwerk schloss.

Dabei fällt der Blick zuerst auf die weitläufigen Übertageanlagen aus den 30er Jahren des 20. Jahrhundert. Unter konsequenter Ausnutzung der Hanglage sind sie im Rahmen der zeitgenössischen Architektur eine Meisterleistung für sich.

Aber es gibt auch eindrucksvolle Zeugen aus früherer Zeit: Die Abraumhalden des 10. Jahrhunderts zählen zu den ältesten Denkmälern des deutschen Bergbaus überhaupt. Der Rathstiefsten-Stollen mit seinen farbenprächtigen Vitriolen aus dem 

12. Jahrhundert ist einer der ältesten und zugleich besterhaltenen Stollen des deutschen Bergbaus. Das Feuergezäher Gewölbe aus dem 13. Jahrhundert bewahrt den ältesten ausgemauerten Grubenraum Mit­teleuropas. Der Maltermeisterturm des 15. Jahrhunderts ist das älteste Tagesgebäude des deutschen Bergbaus.

Ein Höhepunkt ist der 200 Jahre alte Roeder-Stollen mit dem am besten erhaltenen und weitläufigsten Wasserkraftsystem Deutschlands. Seine beiden ge­waltigen originalen Wasserräder zählen zu den bedeutendsten Denkmälern des europäischen Bergbaus. Zu besonderen Ehren kommt er am 3. Advent, wenn der Rammelsberg zum traditionellen Lichterfest einlädt und das von hunderten Kerzen und Lichterketten festlich illuminierte Stollen-System zum Weihnachtsmarkt unter Tage mutiert. Ein Weih­nachtsmarkt mit altem Handwerk und Leckereien, der sich über Tage mit zahleichen weiteren Buden und Ständen in Teilen der Erzaufbereitungsanlage und der Werkstraße fortsetzt. 

Kinofreunden sei verraten: Selbst Hollywood hat den Rammelsberg schon entdeckt. Im Roeder-Stollen wurde ein Teil des Films „Monuments Men“ mit George Clooney gedreht.

Was die Frühzeit angeht, hielt man den Harz für unbewohnbar. Bis Forscher in der Lichtensteinhöhle bei Osterode 1980 menschliche Knochen aus der späten Bronzezeit fanden. Eine Sensation! Nach weiteren Funden und mittels DNA-Analysen wie man nach, dass es sich um mindestens fünf Generationen desselben Clans handelt. Ihr Verwandtschaftsverhältnis ließ sich bis zu heutigen Bewohnern der Region bestätigen: über 3000 Jahre oder mehr als 120 Generationen! Da­mit wohnt im Harz die „älteste“ Familie der Welt – mit nachgewiesenem Stammbaum. 

Die für Touristen unzugängliche, nur 40 Quadratmeter große Höhle wurde rekonstruiert und ist jetzt Teil des 1000 Quadratmeter großen Höhlen-Erlebnis-Zentrums am Iberg in Bad Grund, das die Iberger Tropfsteinhöhle im Berg mit einschließt. Die bronzezeitliche Besiedlung macht auch frühen Bergbau im Harz wahrscheinlich.


Infos: Weihnachtlicher Rammelsberg am 16. und 17. Dezember von 11 bis 17 Uhr, www.rammelsberg.de. Weih­nachtsmarkt und Weihnachtswald bis 30. De­zember, www.goslar.de. www. hoehlen-erlebnis-zentrum.de