Nun hat auch die ehemalige Bergbauregion Oberschlesien ihre UNESCO-Auszeichnung. 2017 wurde das Silber-, Blei- und Zinkbergwerk Tarnowitz [Tarnowskie Góry] mit seiner Wasserhaltung (das Abpumpen der in tief gelegenen Grubenbauen zufließenden Wässer) in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Das Bergwerk ist eines der ältesten und wichtigsten Kulturdenkmäler Oberschlesiens und ein sogenannter Ankerpunkt der „Europäischen Route der Industriekultur“. Als Anlaufpunkt an der „Straße der technischen Kulturdenkmäler in der Woiwodschaft Schlesien“ ist die ehemalige Silbergrube schon jahrelang ein Publikumsmagnet.
Etwa vier Fünftel des neuen Weltkulturerbes liegen unter der Erde, ein Fünftel der 1700 Hektar sind oberirdische Flächen mit Bauwerken. Bereits seit 1976 gewinnen Besucher hier über Tage und unter Tage Einblicke in die lange Bergbaugeschichte der Region. Im Freilichtmuseum sind Dampfmaschinen, Fördertürme, Pumpen und dampfgetriebene Maschinen zu besichtigen.
Bereits im 13. Jahrhundert wurde in der Gegend nach dem bleireichen Erz gegraben, das man knapp unter der Oberfläche fand, seit 1500 auch nach Zink und Silber. Später verlagerte sich der Abbau immer weiter in die Tiefe. 1526 erhielt die Freie Bergstadt Tarnowitz vom Oppelner Herzog Johann II. und Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach die erste oberschlesische Bergordnung. Der Dreißigjährige Krieg bewirkte das Ende des Bergbaus in der Region. Mitte des 18. Jahrhunderts dann geriet Oberschlesien, das seit den Schlesischen Kriegen größtenteils Preußen angehörte, in das Zentrum der preußischen Wirtschaftspolitik. Dem erfolgreichen Bergbaudirektor Friedrich Wilhelm von Reden gelang es, den Blei- und Silbererzbergbau vor Ort wieder aufzunehmen. 1784 wurde die nach dem preußischen König benannte Friedrichsgrube in Betrieb genommen, 1786 die Friedrichshütte zur Verhüttung von Bleierzen.
1787 kam in Tarnowitz eine aus England eingeführte Dampfmaschine zum Einsatz, die zweite im Königreich Preußen. Sie diente dem Betrieb der weit verzweigten, unterirdisch angelegten Wasserhaltung der Erzbergwerke. Zuvor hatten die sogenannten Pferdegöpel, in diesem Fall Antriebe mit 84 Pferden, die lange Kette der Wasserbehälter, die wie im Paternoster hinauf- und hinab fuhren, in Gang gehalten. Damit gelang es, die enormen Wassermengen abzuschöpfen, welche durch die Förderung der Erze in die Stollen eingedrungen waren und die Menschen gefährdeten.
Der Silberabbau in der Friedrichsgrube führte 1790 Johann Wolfgang von Goethe und seinen Dienstherrn, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach, nach Tarnowitz. Der Direktor des Oberbergamts, von Reden, erklärte den prominenten Besuchern die Funktion der „Feuermaschine“. Eine erhebliche Verbesserung der Wasserhaltung erbrachte im 19. Jahrhundert ein 4570 Meter langer Hauptentwässerungsstollen. 1834 in Betrieb genommen, ersetzte der Tiefe Friedrichsstollen acht Dampfmaschinen. Bis 1912 wurde in Tarnowitz Silber- und Bleierz gefördert.
Zum UNESCO-Welterbe gehören auch die aus den ehemaligen Bergbauhalden entstandenen Landschaften. In der Stadt trifft man ebenfalls auf die Spuren des Bergbaus. Im Holzturm vor der Peter-und-Paul-Kirche hängt noch die Glocke, die den Bergmännern einst den Beginn und das Ende einer Schicht verkündete.
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Die UNESCO hat Anfang Dezember auch den Orgelbau und die Orgelmusik zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Initiiert wurde der Antrag von Baden aus. Im Südwesten Deutschlands gibt es mit bis zu 8000 Instrumenten die größte Orgeldichte. Bundesweit existieren in Kirchen und Konzertsälen etwa 50000 Orgeln, wobei jedes Instrument individuell für den jeweiligen Raum angepasst wird. Es ist daher meistens der teuerste Ausstattungsgegenstand. Erfunden wurde die Orgel vor mehr als 2000 Jahren im hellenistischen Ägypten und seit dem Mittelalter vor allem in Deutschland differenziert weiterentwickelt. Orgeln aus Deutschland finden sich überall auf der Welt, deutsche Organisten konzertieren auf allen Kontinenten.H. Tews