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22.12.17 / Hoffnungsschimmer für Pendler / Endlich aufgewacht? Berlin und Brandenburg nehmen schlechte Infrastruktur ins Visier

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-17 vom 22. Dezember 2017

Hoffnungsschimmer für Pendler
Endlich aufgewacht? Berlin und Brandenburg nehmen schlechte Infrastruktur ins Visier
Norman Hanert

Weder in München noch in Frankfurt am Main hat die Zahl der Berufspendler in jüngster Zeit so stark zugelegt wie in der Region Berlin. Wer dabei auf die Bahn angewiesen ist, muss seit Jahren überfüllte Züge und schlechte Verbindungen in Kauf nehmen. Eine schnelle Besserung wird es aus mehreren Gründen allerdings nicht geben.

Eine erstmals abgehaltene Mobilitätskonferenz der Länder Berlin und Brandenburg konnte zumindest keine Hoffnungen auf eine schnelle Änderung wecken. Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) wies darauf hin, es gehe um die Entwicklung der Region in den nächsten 20 Jahren. Sie warnte nach der Konferenz: „Alle sagen: Umsetzung möglichst sofort. Wir brauchen es gleich. Aber das wird nicht gehen.“ Auch Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) dämpfte die Hoffnungen, indem sie von einer Durststrecke von fünf bis sieben Jahren sprach. 

Die Ministerin aus Brandenburg wies in diesem Zusammenhang auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung der benötigten Schienenfahrzeuge hin, diese seien Mangelware auf dem deutschen Markt. Immerhin haben sich die beiden Landesregierungen nun grundsätzlich auf Verbesserungen geeinigt: Geplant sind sowohl dichtere Takte als auch längere Züge und sogar ein Ausbau von Schienenverbindungen. 

Inzwischen fast vergessen ist, dass der Bund nach der deutschen Vereinigung Berlin und Brandenburg angeboten hatte, den Wiederaufbau von Schienenverbindungen zu bezahlen, wenn diese durch den Mauerbau von 1961 gekappt worden waren. Aus heutiger Sicht kaum zu fassen: Die Länder schlugen dieses Angebot aus. Andernfalls wäre sowohl die Stammbahn zwischen Berlin und Potsdam als auch die sogenannte Friedhofsbahn zwischen Berlin-Wannsee und dem brandenburgischen Stahnsdorf schon lange wieder in Betrieb. 

Das Umdenken der Politik zum Schienenverkehr in der Hauptstadtregion kommt spät und wird der Entwicklung vermutlich auch weiterhin nur hinterherhinken. Schon jetzt kommen jeden Tag hunderttausende Pendler aus dem Umland nach Berlin. Auch umgekehrt fahren viele Berliner zum Arbeiten in den Speckgürtel der Millionenmetropole. Im deutschlandweiten Vergleich liegen  zwar München und Frankfurt am Main mit jeweils rund 350000 Pendlern vorn, allerdings hat nirgendwo sonst die Zahl der Pendler so stark zugelegt wie in Berlin. 

Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung stieg die Zahl der Pendler aus dem Umland nach Berlin seit dem Jahr 2000 um 53 Prozent. Für das vergangene Jahr ermittelte das Bundesinstitut die Zahl von 274000 Menschen, die zur Arbeit nach Berlin pendelten. Diese Entwick­lung führt zu völlig überfüllten S-Bahnen und Regionalzügen. Der wirtschaftliche Aufschwung des Speckgürtels und steigende Mieten in Berlin werden die Pendlerzahlen vermutlich weiterhin rasant steigen lassen. 

Hinzu kommt ein großer Nachholbedarf. Gerade Brandenburg war bislang ziemlich knausrig bei den Investitionen. Hans Leister, ehemals Regionalchef der Deutschen Bahn für Brandenburg und Berlin, wies unlängst auf eine eklatante Fehlentwicklung in der Vergangenheit hin: „Ausgerechnet das Land mit den relativ meisten Pendlern verwendet aktuell den geringsten Anteil von den Bundeszuwendungen für den Schienenpersonennahverkehr. Seit 2000 hat sich die Fehlverwendung von Bundesmitteln in Brandenburg auf weit über eine Milliarde Euro summiert.“ 

Leister wurde im Potsdamer Landtag als Experte angehört. Laut dem Bahnexperten erhielt Brandenburg im vergangenen Jahr vom Bund 481 Millionen Euro an sogenannten Regionalisierungsmitteln. Das Land gab davon 324,5 Millionen für die Bestellung von Verkehrsleistungen im Zugverkehr aus, aber wendete offenbar nur 3,7 Millionen für Investitionen in diesem Bereich auf. 

Unterdessen zeichnet sich in Potsdam wenigsten ein Umdenken ab. Bereits im Herbst haben Verkehrsministerin Schneider, ihre Berliner Amtskollegin Günther und Bahnvorstandsmitglied Ronald Pofalla eine Rahmenvereinbarung „Entwicklungskonzept 2030“ unterzeichnet. Ins Auge gefasst haben die drei Partner dabei acht Verkehrskorridore, für die zunächst einmal mögliche Varianten untersucht werden sollen. 

Zu den Schienenwegen, die modernisiert oder sogar komplett neu aufgebaut werden sollen, zählen die Verbindung Berlin–Spandau–Nauen, der Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn, der Prignitz-Express/Velten, die Nordbahn/Heidekrautbahn, die Verbindung RE1 von Frankfurt an der Oder über Berlin nach Magdeburg, die Verbindung Berlin-Dresden/Rangsdorf und die Strecke Berlin-Cottbus. 

Beide Länder wollen für die Verbindungen erste Planungsschritte vorfinanzieren, um so eine schnelle Umsetzung zu erreichen. Allerdings lässt schon die Bezeichnung „Entwick­lungskonzept 2030“ erahnen, dass die hundertausenden Berufspendler nicht mit kurzfristigen Verbesserungen rechnen können.