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22.12.17 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Der verrückte Gabriel / Wie Wien zum Albtraum wird, wie der Außenminister seine Partei schockiert, und wie wir heute unser Vertrauen ausdrücken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-17 vom 22. Dezember 2017

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Der verrückte Gabriel / Wie Wien zum Albtraum wird, wie der Außenminister seine Partei schockiert, und wie wir heute unser Vertrauen ausdrücken

Dürfen die das überhaupt? Und warum tut denn keiner was dagegen? Die Regierungsbildung aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ in Österreich hat hierzulande teils heftige Ausschläge hervorgerufen. „Mit Kanzler Kurz, Burschenschafter Strache und Brandstifter Orbán geht’s im Dreivierteltakt nach rechts“, warnt SPD-Fraktionsvize Achim Post die Welt vor dem Menetekel von Wien und bringt das Entsetzliche auf die Formel: „Österreich-Ungarn ist wieder da!“

Abgesehen davon, dass die Albträumerei von der Wiederkehr der alten Donaumonarchie natürlich Kokolores ist: Was wäre so schlimm daran, wenn der alte Doppelstaat zurückkehrte? Was hat der denn Schlimmes angerichtet?

Achim Post hätte sich die Antwort bei seinem Alpengenossen und legendären österreichischen Kanzler Bruno Kreisky abholen können, der, es muss in den 70ern gewesen sein, einmal spottete: „Das haben’s jetzt davon, dass sie sich gegen Habsburg erhoben haben. Sitzen alle in der kommunistischen Sch ...“ Tatsächlich sind nahezu sämtliche Völker, die sich 1918 vom Hause Österreich „befreit“ hatten, eine Generation später im roten Meer versunken, aus dem sie sich erst vor einem guten Vierteljahrhundert wieder erheben sollten. Aber woher soll Post das wissen?

Zum grimmigen Erstaunen über das „beängstigende Experiment“ („Taz“) von Wien gesellt sich die Enttäuschung, dass kaum einer dagegen vorgeht. Als die Ösis im Jahre 2000 schon einmal die Frechheit besaßen, eine Regierung aus ÖVP und FPÖ zu bilden, spie die EU Bannflüche aus und schickte sogar eine „Expertenkommission“ an die Donau, die genau überprüfen sollte, ob die Alpenrepublik überhaupt noch eine richtige Demokratie sei, wenn dort auch die Falschen an die Regierung gewählt werden können. Nach Wien strömten zudem aus ganz Europa 300000 Demonstranten, weshalb die Koalitionäre unterirdisch zu ihrer Vereidigung in die Hofburg schleichen mussten, um heil dort anzukommen.

Und heute? Brüssel sagt im Grunde gar nichts und zur Demo fanden sich klägliche 6000 Nasen gegen die „Nazischweine“ zusammen. Geht dem Kampf gegen Rechts die Puste aus? Immerhin vergeht sich die Wiener Koalition zielsicher ausgerechnet am Kronjuwel unserer fortschrittlichen Politik, den offenen Grenzen. 

Was uns am meisten wurmt, ist der dreiste historische Rollentausch zwischen Wien und Berlin. Seit Friedrich dem Großen waren wir hier doch erst die feschen Aufsteiger und dann der große dynamische Bruder, der seinen eingerosteten Verwandten hinter sich her zog. Nun hat Sebastian Kurz erst seine Partei runderneuert und schickt sich nun an, das mit seinem ganzen Land zu machen, während wir an der Spree immer noch nicht wissen, „was wir anders hätten machen sollen“.

Oder doch? Ausgerechnet einer, von dem wir das kaum erwartet hätten, trägt den gefährlichen Keim des Zweifels in unsere bislang so wohlzementierte Meinungsfront. Sigmar Gabriel hat Unerhörtes hören lassen: Das Hochjubeln grünlinker Nischen­themen gehe an der Masse der Menschen vorbei, deshalb liefen sie der SPD davon. Der Ex-Parteichef lässt in einem Beitrag für den „Spiegel“ eine Lawine von             Ogottogott-Vokabeln auf seine konsternierten Genossen niedergehen. Heimat, Identität, Leitkultur, Sicherheit und Orientierung vermissten die einfachen Leute, nicht noch mehr „Visionen“ zu linken Lieblingsprojekten. 

Der Chef der NRW-SPD, Michael Groschek, findet Gabriels Beitrag sogar gut. Sonst aber wechseln die Reaktionen aus der SPD zwischen erschrecktem bis giftigem Widerspruch und atemlosem Schweigen. Wie weit sich Gabriel damit vom guten Ton seiner Partei entfernt hat, beleuchtet die fast zeitgleich erhobene Forderung der Berliner Jusos, ARD und ZDF sollten „feministische Pornos“ in ihre Mediathek aufnehmen.

Ja, diese Forderung dürfte die Mehrheit der Deutschen tatsächlich ebenso elektrisieren wie die Neuaufführung eines hundert Jahre alten dadaistischen Drei-Akters im staatlich subventionierten Experimental-Theater ohne Zuschauer.

Aber Gabriel schneidet noch tiefer ins Fleisch der grünlinken Eingeweide: „Die offenen Grenzen von 2015 stehen in Deutschland für nicht wenige Menschen als Sinnbild für die Extremform von Multikulti, Diversität und den Verlust jeglicher Ordnung.“ Da dürfe man sich nicht wundern, so der amtierende Außenminister sinngemäß, wenn viele von diesen „nicht wenigen Menschen“ lieber AfD als SPD gewählt hätten. Auch sei der SPD „Klimaschutz“ manchmal wichtiger „als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze“, womit man bei Industriearbeitern nicht immer punkten dürfte.

Na und?, fragt Juso-Chef Kevin Kühnert. Von „progressiven Menschen“ könne man „in Zeiten des Rechtsrucks“ erwarten, dass sie eine Gegenkultur anbieten. Anders gesagt: Wenn die Proleten in den darbenden Industriezentren feministische Pornos und „Multikulti über alles“ nicht wichtiger finden als ihre piefigen sogenannten „Alltagssorgen“, dann sollen die uns mal kennenlernen!

Für diesen Kampfaufruf dürfte Kühnert in der SPD viel Beifall einstreichen, anders als der offenbar verrückt gewordene Gabriel. Denn dort geben schließlich Leute wie er, der Politikwissenschaft studiert, oder auch Achim Post den roten Ton an. Post ist studierter Diplomsoziologe mit dem Schwerpunkt Öffentliche Verwaltung. Von dieser noblen Warte aus betrachtet haben „Normalbürger“ ihre zugewiesene Rolle als Betreuungs- und Belehrungsobjekt zu spielen, Steuern zu zahlen und ansonsten den Rand zu halten.

Die Belehrung darf nie aufhören, weil andernfalls der populistische Ungeist in den niederen Kreisen wie von selbst gedeiht. Um dem vorzubeugen, ist die  Marketingabteilung der Stadt Krefeld auf eine kreative Idee gekommen. Wir kennen mittlerweile ja alle diese Betonpoller-Reihen, durch die wir auf unsere Weihnachtsmärkte schlüpfen. Populisten nennen sie „Merkelsteine“ und murmeln im Vorbeigehen spöttisch Kanzlerinnen-Zitate wie „Wir können die Grenzen nicht schließen“ oder das legendäre „Nun sind sie halt da“.

Diesem dumpfen Falschdenken ist Krefeld mit magentafarbenen Bannern begegnet, die um die zylinderförmigen Poller gewickelt wurden. Darauf stehen lauter nette Ermahnungen an das einfache Volk wie „Gleichheit“, „Frieden“, „Verständnis“, „Toleranz“, „Respekt“, „Achtung“, „Würde“ und, besonders bewegend, „Vertrauen“.

Tatsächlich: „Vertrauen“ als Losung einer Sperre, die aus nackter Angst vor einem mörderischen Lastwagen-Angriff eines radikal-islamischen Attentäters errichtet wurde – nennt man das nicht eher „Misstrauen“? 

Offenbar nicht, und Krefeld „vertraut“ sogar überdurchschnittlich intensiv. Bei einem Test der Prüfgesellschaft Dekra, die mobile Sperren unter die Lupe nahm und etliche davon durchfallen ließ, schnitt das Krefelder Modell besonders gut ab. Die Poller sind nämlich auf eine Betonplatte montiert, wodurch sie viel schwerer wegzuschieben sind als andere „Merkelsteine“, die nur lose herumstehen – fast schon richtige Panzersperren!

Andernorts haben sie die eigentlich ja eher hässlichen Betonklötze in hübsches Geschenkpapier verpackt, samt Schleifchen oben drauf. Sie werden schon sehen: Es wird nicht lange dauern, dann gehören die Betonsperren zur vorweihnachtlichen Besinnlichkeit wie die geschmückte Tanne, der Glühwein und der Verkaufsstand mit Dresdner Stollen. Dann können wir uns die Poller gar nicht wegdenken von unseren heiter besinnlichen Adventsmärkten. Und dann wollen wir uns auch gar nicht mehr vorstellen, wie wir die Märkte jemals „anders hätten machen“ können als im gemütvollen Schatten der geschmackvoll verhüllten Vertrauenssteine.