20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 02-17 vom 13. Januar 2017

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Nackte Angst vorm Wähler
Sicherheitsdebatte: Politiker überbieten sich in dramatischen Forderungen

Was eben noch „rechtspopulistische Hetze“ war, ist jetzt SPD-Forderung. Wie ehrlich ist diese bemerkenswerte Wende?

Wer führende Berliner Politiker dieser Tage reden hört, traut seinen Ohren nicht. Insbesondere die Sozialdemokraten scheint zu Beginn des Wahljahres die nackte Angst vor dem Wähler gepackt zu haben. Parteichef Sigmar Gabriel will den radikalen Islam mit einem „Kulturkampf“ vertilgen, dessen Moscheen schließen, die Gemeinden auflösen und die Prediger außer Landes werfen. Nur wenige Wochen zuvor hätte er derlei Forderungen als „rechtspopulistische Hetze“ verflucht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fordert Abschiebeeinrichtungen in Flughafennähe. 2015 verdammte die SPD solche Lager als „Abschiebe-KZs“. Davon war dieses Mal nichts zu hören. Stattdessen geriet Gabriel sichtlich ins Stottern, als ihn der TV-Interviewer auf den jüngsten Beschluss der SPD-geführten Landesregierung von Berlin ansprach. Die hatte sich gerade erst gegen Abschiebehaft an sich ausgesprochen.

Allem Anschein nach haben Meinungsforscher den Parteistrategen alarmierende Zahlen präsentiert, was das Zutrauen angeht, welches das Volk noch in die Fähigkeit der Politik setzt, die Sicherheit des Landes zu garantieren. Von einer veränderten Sicherheitslage seit dem Berliner Massaker, welche diese Wende verursacht haben könnte, kann jedenfalls keine Rede sei. Seit Paris, Brüssel oder Nizza war allen klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, wann der erste große Anschlag radikaler Moslems Deutschland heimsucht.

Dennoch blieb Berlins politische Klasse an den alten Illusionen und der harten Propaganda gegen jede Kritik kleben. Die plötzliche Wende kann also nur taktisch, nicht sachlich begründet sein. Somit ist Misstrauen angebracht, was von dem Trommelfeuer an Forderungen auch Wirklichkeit wird.

Die Frage ist zudem, ob die forschen Vorschläge die zuvor gemachten, schwersten Fehler überhaupt noch einfangen können. Die Kritik am vorsorglichen Herausselektieren von Nordafrikanern durch die Kölner Polizei am Silvesterabend mutet reichlich akademisch an. Von links wurde der Vorwurf des Rassismus laut.

Wer so redet, ahnt nicht, was sein Einwand enthüllt, wenn man ihn zu Ende denkt. Nämlich, dass die „Willkommenspolitik“ das Land in eine Lage gebracht hat, in welcher rechtsstaatliche Grundsätze wie die pauschale Unschuldsvermutung nicht mehr umsetzbar sind. Denn ohne die Kontrolle nach rassischen Merkmalen (die der Rechtsstaat eigentlich verbietet) wäre die Silvesternacht höchstwahrscheinlich weitaus schlimmer eskaliert als im Jahr zuvor.

Nun verspricht die Politik also, den selbst angerichteten Schaden in den Griff zu bekommen. Bleibt abzuwarten, ob sie es ernst meint − und wenn ja, ob diese Einsicht noch rechtzeitig kommt. Sicher ist beides nicht.                Hans Heckel


Deutschland als Panzer-Drehscheibe
US-Armee verlegt mit Unterstützung der Bundeswehr eine Kampfbrigade nach Polen

Es sind keine 5000 US-Panzer, wie an einigen Stellen zu lesen ist, die derzeit auf deutschen Straßen gen Osten rollen, aber seit Ende vergangener Woche ist ein US-Kampfverband von Bremerhaven in eben dieser Richtung unterwegs. Das 3rd Armored Brigade Combat Team der 4. Infanteriedivision aus Fort Carson, Colorado verfügt an schwerem Gerät über 446 Kettenfahrzeuge und 907 Radfahrzeuge, darunter 87 Kampfpanzer, 144 Bradley-Schützenpanzer und 18 Paladin-Haubitzen, die auf dem Seeweg nach Deutschland geschafft werden. Die 3500 Soldaten kommen auf dem Luftweg und sollen zunächst in Polen stationiert werden.

Bei der Verlegung der US-Truppen nach Osten erhalten diese maßgebliche Unterstützung durch die Bundeswehr. Wie ein Vertreter von deren Streitkräftebasis, der für logistische und Führungsunterstützung zuständige Organisa- tionsbereich, mitteilte, werde sie als „militärischer Servicepartner“ der ausländischen Streitkräfte die Verlegung in und durch Deutschland übernehmen. Sie stelle für die US-Armee „Lagerkapazität und Betriebsstoffe, Unterkunft und Verpflegung, Instandsetzung, Trans- port- und Umschlagkapazitäten, Anlagen und Einrichtungen der Bundeswehr, Feldjägerunterstützung sowie die Transportsicherung innerhalb Deutschlands bereit“. Die Streitkräftebasis unterstützt auch bei der Routenplanung einschließlich aller Freigaben und Genehmigungen beteiligter Behörden.

Nach Angaben der Bundeswehr werden etwa 900 Waggons mit militärischem Material per Eisenbahn von Bremerhaven nach Polen gebracht. Bildlich gesprochen entspräche dies einer Gesamtzuglänge von zirka zehn Kilometern. Dazu kämen ungefähr 600 Frachtstücke, die ebenfalls per Bahn nach Polen transportiert würden. Direkt über die Straße von Bremerhaven nach Polen würden lediglich 40 Fahrzeuge bewegt werden.

Die Truppenverlegung ist Teil der US-Operation „Atlantic Resolve“, die durch rotierende Kräfte der Unterstützung der Nato-Partner im Osten des Bündnisgebiets dienen soll. Sie ist aber keine Nato-Mission, sondern findet unter alleinigem Kommando der USA statt. Die Nato wird ab dem Frühjahr vier Kampfgruppen in Bataillonsstärke in Estland, Lettland, Litauen und Polen stationieren, die ebenfalls rotieren werden. Deutschland wird den Kern eines Bataillons in Litauen stellen und dafür zunächst Panzergrenadiere entsenden.            J.H.


Kontrolle ist besser
Kaum noch Illegale nach Schweden

Vor einem Jahr hat Schweden zur Eindämmung der unkontrollierten Einwanderung Ausweiskontrollen auf Fähren sowie in Bussen und Zügen eingeführt. Mit Erfolg, denn seitdem kommen kaum noch Asylsucher auf diesem Wege ins Land. Deshalb weichen die illegalen Grenzgänger auf die aus einem Tunnel und einer Brücke bestehende Öresund-Verbindung aus. Innerhalb des vergangenen Jahres hat die schwedische Polizei 160 Asylbewerber bei dem lebensgefährlichen Versuch aufgegriffen, zu Fuß auf diesem Wege von Dänemark nach Schweden zu gelangen.

Zeitgleich mit der Einführung der systematischen Kontrollen im Grenzverkehr zwischen Dänemark und Schweden hatte Dänemark mit stichprobenartigen Kontrollen an den deutsch-dänischen Grenzübergängen begonnen. Seither wurden dort über drei Millionen Menschen überprüft, von denen knapp 3000 die Einreise nach Dänemark verweigert wurde. 228 Personen wirft die dänische Polizei Menschenschmuggel vor. Die Kontrollen sind zunächst bis zum 12. Februar befristet, allerdings beabsichtigt die Regierung, sie zu verlängern.          J.H.


Jan Heitmann:
Bruchlandung

Die deutsche Luftwaffe übt Tiefflug an der russischen Grenze. Interessierte Kreise im Westen dürften das begrüßen, Moskau das dagegen als weiteren aggressiven Akt der Nato verurteilen. Die Nachricht klingt glaubhaft und Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt kommen nicht auf, denn sie wurde von der estnischen Nato-Vertretung und somit von einer vermeintlich vertrauenswürdigen Quelle per Kurznachrichtendienst Twitter bekannt gegeben. Die deutsche Nato-Vertretung und die Nato-Sprecherin griffen sie ungeprüft auf und verbreiteten sie weiter. Wie der Fachjournalist Thomas Wiegold auf Nachfrage vom Kommando Luftwaffe erfuhr, ist an der Nachricht allerdings nichts dran. Fakt ist, dass die Luftwaffe derzeit zur Luftüberwachung des Baltikums an der Nahtstelle zwischen der Nato und Russland mit fünf Jagdflugzeugen vom Typ Eurofighter präsent ist. Die aber machen im Rahmen ihres Auftrages, des sogenannten Air Policing, keine Tiefflüge und schon gar keine Luft-Boden-Angriffsübungen. Dafür wären sie auch gar nicht ausgerüstet.

Das Ganze ist also eine Falschnachricht, neudeutsch Fakenews. Eine, die weitreichende sicherheitspolitische Folgen hätte nach sich ziehen können, was von ihren Urhebern möglicherweise sogar beabsichtigt war. In die Welt gesetzt von offiziellen Stellen eines Nato-Staates. Aber leider entlarvt. Eine mediale Bruch- landung sozusagen.

Die Bundesregierung fürchtet nach eigenen Angaben „russische Cyber- und Fakenews-Angriffskampagnen mit internati- onaler Zielauswahl“. Dabei kann sich Putin doch ganz entspannt zurücklegen. Schließlich erledigen interessengeleitete Nato-Staaten sein vermeintliches Desinformations-Geschäft.


S. 2 Aktuell

Im Elsass gärt es
Ein Jahr nach Abschaffung der selbstständigen Region sind regionale Interessen bedroht

Ein Jahr nach Auflösung des Elsass als selbständiger französischer Region per Diktat aus Paris fürchten Regionalisten um weitere Einbußen bei regionalen und kulturellen Rechten der Elsässer.

Trotz des dritten Platzes und mehr als zehn Prozent der Wählerschaft war es der regionalistischen elsässischen Partei „Unser Land“ bei den Regionalwahlen nicht gelungen, in den neuen Rat der Großregion „Grand Est“ Abgeordnete zu entsenden. Entsprechend groß war auch die Enttäuschung, trotz des Wahlerfolges. Auch während des abgelaufenen Jahres mussten die regionalen Interessen zunehmend Abstriche hinnehmen. Dabei konnte die neue Großregion „Grand Est“ , die aus dem Elsaß, Lothringen und der Champagne willkürlich zusammengewürfelt wurde, unter Weglassung des einstigen elsässischen Gebietes von Belfort, bislang auch keine nennenswerte finanzielle Einsparungen einbringen – ein Argument, mit dem die Gebietsreform einst verabschiedet worden war. Viele Elsässer, weit über die Wählerschaft von „Unser Land“ hinweg, sehen jetzt ihre regionalen, kulturellen und sprachlichen Eigenarten in Gefahr. Dafür gab es im Laufe des vergangenen Jahres einige fatale Beweise.

Schon zum vorletzten Jahresende hatte Radio France seine Sendungen über Mittelwelle eingestellt. Betroffen von diesem Schritt war auch der Mittelwellensender Radio France Bleu Elsass im elsässischen Schlettstadt. Dieser Sender war der letzte, der ein komplettes Programm in elsässischer Sprache über das Radio France-Regionalstudio in Straßburg sendete. Seit 1. Januar 2016 wird das Programm ausschließlich über das Internet per Stream und Apps verbreitet. Gegen die nicht mehr terrestrisch zu empfangenen Sendungen von France Bleu Elsass lief die zumeist ältere Hörerschaft des Programms Sturm. Allerdings konnte der französische Muttersender, der seine Sendungen in bretonischer, korsischer und baskischer Sprache weiterhin terrestrisch ausstrahl,t nicht zur Rücknahme seiner „Reformmaßnahme“ veranlasst werden. Er war lediglich bereit, mit Werbekampagnen seine Hörerschaft vom Wechsel zu informieren. Dabei haben im Elsass noch 60 Prozent der Bevölkerung einen aktiven Bezug zum Elsässischen. Die letzte zweisprachige Tageszeitung, die „Dernieres Nouvelles d’Alsace“ hat vor zehn Jahren schon ihre zweisprachige Ausgabe eingestellt.

Ein für das elsässische Identitätsbewusstsein vielleicht noch weitgehender Schlag war der Wegfall der Nikolausfeiern an zwei Grundschulen der Gemeinde Hüningen im Oberelsass an der Schweizer Grenze. Dort hatten erstmals in der Geschichte des Landes zwei Schuldirektorinnen mit dem Argument der Laizität Nikolausfeiern in der Schule verboten. Dabei gilt in Elsass-Lothringen der Heilige Nikolaus als Patron der Schüler. Auch das Verbot der Bezeichnung „Christkindelmärik“ für den Weihnachtsmarkt und das Entfernen der Krippe auf dem Kleberplatz durch die Straßburger Stadtverwaltung wurden mit ähnlichen Argumenten begründet. Auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt waren dann auch bis Heiligabend viele Schilder mit der Aufschrift „Je suis Christ Kindel“ zu sehen. Die Trennung von Kirche und Staat, die in Frankreich 1905 beschlossen wurde, wurde in Elsass-Lothringen, das erst 1918 wieder zu Frankreich kam, nicht vollzogen. So gilt in diesen drei Departementen das Pronzip der Laizität überhaupt nicht.

Kein Wunder, dass immer mehr Elsass-Lothringer diese Errungenschaft der Regionalbewegung von 1922, als der Wiederstand der elsässischen Bevölkerung dazu geführt hatte, dass die französische Zentralregierung sich gezwungen sah, die bereits in Kraft gesetzte Trennung von Kirche und Staat wieder zurückzunehmen, in Gefahr sehen. Das dadurch weiterbestehende Konkordat von 1801 führt auch dazu, dass mit dem Karfreitag und dem zweiten Weihnachtstag in Elsass-Lothringen zwei Feiertage erhalten blieben, die im übrigen Frankreich bereits abgeschafft waren. 1922 hatten die elsässischen Regionalisten auch erreicht, dass viele ihrer regionalen und lokalen Sonderrechte aus der Zeit der Zugehörigkeit zum deutschen Kaiserreich erhalten blieben.

Diese Sonderrechte betreffen vor allem einige Bestimmungen aus dem Gewerberecht, dem (Kranken)-Versicherungswesen und dem Katasterwesen. In den letzten Jahren waren mehr und mehr Bestimmungen aus diesem elsässischen Lokalrecht zum Streitpunkt in gleich mehreren Verfahren vor dem obersten französischen Gericht geworden. Immer wieder betonten die Kläger vom Verein für die Verbreitung des französischen Laizismus die Einheitlichkeit der französischen Republik und die alleinige Gültigkeit der französischen Sprache. Denn einige dieser Lokalgesetze, die noch aus deutscher Zeit stammen, hatte man einfach vergessen, offiziell ins Französische zu übersetzen. Während der deutschen Zeit von 1871 bis 1918 waren Gesetze erlassen worden, die zum Teil auf der fortschrittlichen Sozialgesetzgebung von Bismarck beruhten und 1918 nicht wieder abgeschafft wurden. So übernimmt die gesetzliche Krankenkasse in Elsass-Lothringen höhere Anteile als im übrigen Frankreich. Sozialhilfe gibt es schon ab 16 statt ab 25 Jahren und die Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Abwesenheit des Arbeitnehmers ist großzügiger geregelt. Auch bei Kündigungsfristen und -bestimmungen sind elsässische Arbeitnehmer bis heute besser gestellt.

Bereits im März 2016 hatte sich mit Paul Mumbach, Bürgermeister von Dannemarie im Südelsass, ein Kandidat aus dem elsässischen Regionalisten-Milieu als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gebracht. Aber er hat bis heute die nötigen 500 Unterschriften von öffentlichen Mandatsträgern nicht gefunden. Aus diesem Grunde unterstützt „Unser Land“ den Kandidaten aller französischen Regionalisten, den Bretonen Christian Troadec beim Rennen um den Elysee-Palast im Mai 2017. Erfahrungsgemäß gehen die Kandidaten aller großen Parteien vor den Präsidentschaftswahlen auch auf die Anliegen der Regionalisten ein und versprechen die Anerkennung der Europäischen Minderheitencharta, um sie dann nach ihrem Erfolg doch nicht umzusetzen. Das ist bereits alte französische Tradition seit der Schaffung dieser Minderheitencharta, die in den 1980er Jahren von fast allen EU-Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde – mit Ausnahme von Frankreich.         Bodo Bost


Impulse aus dem Süden
Wien entwickelt sich auf wichtigen Politikfeldern immer mehr zum starken Gegenpol Berlins

Mit politischen Alleingängen wie in der Asylpolitik oder bei der Energiewende hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Europa weitgehend ins Abseits manöviert. Wie dies in der Geschichte über lange Zeit der Fall war, kommen wichtige Impulse für die europäische Politik statt aus Berlin nun immer öfter wieder aus Wien.

Insbesondere in der Frage der Zuwanderungs- und Asylpolitik kann mittlerweile sogar von einer Führungsrolle der österreichischen Regierung in der EU gesprochen werden. Ganz offensichtlich wurde dies, als es dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) Anfang des Jahres 2016 gelungen war, ein Bündnis mehrerer Staaten zusammenzubringen, das sich auf die Schließung der Balkan-Route verständigte.

Erst danach folgte der Versuch Merkels, durch ein Abkommen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wieder die Initiative in Sachen „Flüchtlingspolitik“ der EU zu gewinnen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass von der Regierung in Wien abermals ein entscheidender Kurswechsel in der Asyl- und Zuwanderungspolitik der EU ausgehen könnte. Bekannt geworden ist ein Konzept des österreichischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil (SPÖ) zur Unterbindung der illegalen Einreise nach Europa. Kernpunkte des Papiers sind die Forderung nach einer Asyl-Obergrenze für die EU und der Gedanke, dass das Stellen von Asylanträgen in Zukunft nur noch außerhalb der EU möglich sein soll. Zur Umsetzung sind in dem Konzeptpapier Punkte wie die Schaffung von „Asyl- und Migrationszentren“ in Staaten wie Niger, Jordanien oder Usbekistan vorgesehen. Dort sollen künftig Asylanträge gestellt werden können, auch die im Mittelmeer aus Seenot geretteten Asylsucher sollen in diesen Zentren untergebracht werden. Laut Medienberichten verfolgt die österreichische Regierung das Ziel, das Konzept zum Kern einer neuen „Migrationsstrategie“ der EU zu machen.

Bereits im Dezember haben Brüssel und Berlin das neue österreichische Selbstbewusstsein in einer anderen wichtigen Frage zu spüren bekommen. Auf einem Treffen der EU-Außenminister blockierte Kurz eine gemeinsame Gipfelerklärung zu den Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei. Während in der Ministerrunde Einigkeit herrschte, dass derzeit zumindest keine weiteren Beitrittskapitel eröffnet werden sollen, zielte Kurz mit seinem Veto darauf ab, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erst einmal komplett einzufrieren.

Vor allem die deutsche und die französische Regierung lehnen ein Aussetzen der Türkei-Gespräche allerdings vehement ab. Insbesondere in Bezug auf die Politik Merkels ist weiteres Konfliktpotenzial bereits absehbar. So hat Österreich mit Beginn des Jahres den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernommen. Außenminister Kurz hat angekündigt, er wolle sich dafür einsetzen, dass die Russland-Sanktionen gelockert werden: „Wir müssen wieder Vertrauen in Europa aufbauen und bei den Sanktionen weg von einem System der Bestrafung hin zu einem System des Ansporns kommen“, so Kurz gegenüber dem „Spiegel“.

Doch damit nicht genug. Nun ist auch noch das Vorhaben des österreichischen Verkehrsministers Jörg Leichtfried bekannt geworden, eine Allianz mit anderen Anrainerstaaten zu schmieden, um die Maut-Pläne der deutschen Regierung zu Fall zu bringen. Wie aus Wien berichtet wird, soll es mit den Niederlanden und Belgien in der Maut-Angelegenheit bereits Gespräche gegeben haben. Offen hält sich die österreichische Regierung auch die Option, gegen die deutschen Maut-Pläne vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu klagen. Zudem hat Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) bereits im Herbst vergangenen Jahres angekündigt, er wolle mit Unterstützung osteuropäischer Staaten eine Allianz gegen die Auswirkungen der Energiepolitik Merkels schmieden.                Norman Hanert


MELDUNGEN

Per Bus nach Breslau

Frankfurt a. M. – Das deutsche Reiseunternehmen Flixbus hat die schlesische Hauptstadt Breslau in sein Programm aufgenommen. Diese wird ohne weiteres Umsteigen von Darmstadt, Frankfurt a. M., Erfurt, Weimar, Jena, Chemnitz und Dresden aus angefahren. Die Busse sind relativ luxuriös und verfügen über kostenloses Internet. Ein Fahrschein von Frankfurt a. M. aus kostet beispielsweise je nach Buchungstermin zwischen 33 und knapp 80 Euro. Die Fahrtdauer beträgt gut 11 Stunden.               T.W.W.

 

EU droht Gasknappheit

Brüssel – Ausnahmsweise sind sich die russische und die ukrainische Regierung einmal einig: Beide warnen vor einer drohenden Gaskrise in der EU. Die Schuld daran schieben sie sich allerdings gegenseitig zu. Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow kritisiert, die Ukraine zapfe unterirdische Gasspeicher an, die eigentlich für harte Winter und die Versorgung der EU gedacht seien. Hintergrund sind die im dritten Jahr in Folge stattfindenden trilateralen Gespräche zwischen der EU, Russland und der Ukraine, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Ukraine im Winter dringend benötigtes Gas aus Russland beziehen kann. Zugleich soll damit die Versorgungssicherheit der EU-Länder gewährleistet werden. Diese hängt ebenfalls vom russischen Gas ab, das per Pipeline über die Ukraine als Transitland weitergeleitet wird. Laut Tschischow sollen die Gasspeicher in der Ukraine 19 Milliarden Kubikmeter enthalten. Die Mindestmenge, die für die Versorgung des Westens notwendig sei, liege bei 17 Milliarden Kubikmetern. Da die Ukraine stetig Gas für den eigenen Bedarf abzapfe, seien die Vorräte auf unter 14 Milliarden Kubikmeter gesunken. Die Speicher sind so gebaut, dass man sie nicht befüllen und gleichzeitig Gas abpumpen kann. Um die Vorräte aufzustocken, müsste die Ukraine also ihre eigene Versorgung unterbrechen.   J.H.

 

Bundesrat sichert Grundsteuer

Berlin – Der Bundesrat will den Kommunen mit einem Trick die Grundsteuer als verlässliche Einkommensquelle erhalten. Dazu soll das bisherige System der Einheitswerte, die zum Teil noch nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 festgestellt worden sind, durch den Kostenwert als neues Bewertungsziel ersetzt werden. „Dieser Kostenwert bildet den Investitionsaufwand für die Immobilie ab. Die Höhe des Investitionsvolumens dient als Indikator für die durch das Grundstück vermittelte Leistungsfähigkeit“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Das neue Bewertungsverfahren soll weitgehend automatisiert durchgeführt werden. Dazu sollen programmtechnische Verbindungen zu Daten anderer Behörden wie Kataster- und Grundbuchämtern geschaffen werden. Hintergrund der Initiative ist die Sorge der Kommunen, dass es zu einem Ausfall der Grundsteuer kommen könnte, wenn das Bundesverfassungsgericht aufgrund der dort anhängigen Verfahren die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung feststellen würde. Nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stellt die Grundsteuer die drittgrößte Einnahmequelle der Kommunen dar.      J.H.


S. 3 Deutschland

Generation Pfefferspray
Ein Land im Ausnahmezustand: Die Furcht wird zum Alltagsbegleiter – die Sicherheit zum knappen Gut

Angst ist zum beherrschenden Grundgefühl vieler Deutscher geworden. Sie zeigt sich in Berliner Badeanstalten ebenso wie auf Düsseldorfer Modeschauen oder in Freiburger Clubs.

Sittsam bedeckte Dekolletés, weit geschnittene Hosen, brave Blusen statt bauchfreier Tops: „Bieder ist das neue sexy“, überschreibt die „Passauer Neue Presse“ einen Artikel über aktuelle Modetrends in 2017. Nach Jahren der Freizügigkeit und der gewagten Experimente habe die Branche eine radikale Kehrtwende vollzogen, verkünden auch die Trendscouts vom Deutschen Mode-Institut in Köln und verkünden gar eine Neuausrichtung der Geschmacksnerven.

Das alles mag vielleicht nur eine nichtige Modekapriole sein, aber wer die Models bei den Schauen in Berlin oder Düsseldorf in der hochgeschlossenen Kleidung ihrer Urgroßmütter über die Laufstege traben sieht, ahnt, dass es nicht so ist. Die Designer haben ihren Job gemacht und erspürt, wonach es Frau verlangt. Sexy ist an dieser Mode nichts. Dafür bietet sie etwas anderes: Unauffälligkeit. Gierige Blicke gleiten ab. Schmutzige Gedanken kommen gar nicht erst ins Rotieren. Das Pfefferspray in der Handtasche muss nicht zum Einsatz kommen – so wohl die Hoffnung.

Es ist eine Kleidung der Ängstlichen. Die Furcht vor Terror, Kriminalität und sexuellen Attacken, das zunehmende Gefühl des Fremdseins im eigenen Land machen das Leben hässlich. Das gilt nicht nur für Tops und Beinkleider. Grau ist das neue bunt, Vorsicht das neue sexy. Ins Märchenland der hyperhumanen Willkommenskultur haben sich Horden von düsteren Schreckgestalten gedrängt. Der weibliche Teil der Generation Pfefferspray hat seine Handtaschen in Waffenkammern verwandelt. Abendliche Dates und Partygänge werden wie Kommandounternehmen auf feindlichem Gebiet geplant. Häuslebauer haben sich zu Experten im Bereich Einbruchsschutz fortgebildet, und Eltern gehen davon aus, dass Schulwege nur in der eigenen Familienkutsche sicher zurückgelegt werden können. Aufgeregte Artikel in der lokalen Presse über das plötzliche Autochaos vor den örtlichen Schulen bestätigen den Trend.

Aber was erlaubt sich die Preußische Allgemeine Zeitung hier wieder einmal! Das alles ist doch pure populistische Panikmache: Die Deutschen bleiben gelassen, meldet die Mainstreampresse mit wenigen Ausnahmen beharrlich und in den unterschiedlichsten Variationen. Sogar dem Terror treten sie angstbefreit gegenüber. Eine Umfrage im Auftrag der ARD soll es belegt haben. 1005 Leute wurden vom Berliner Meinungsforschungsinstitut infratest dimap am 2. und 3. Januar telefonisch befragt. Nur 27 Prozent der Angerufenen gestanden Furcht vor Anschlägen ein. 73 Prozent bekundeten, sich in Deutschland sicher zu fühlen. „Die Deutschen haben keine Angst vor Terroristen“, tönte es via TV und Radio aus allen regionalen und landesweiten Sendern der ARD.

Glaubwürdiger wird die Aussage auch durch ihre häufige Wiederholung nicht. Man kann sich vorstellen, wie die infratest-dimap-Leute zu ihren Ergebnissen gekommen sind. Standhaft und furchtlos werden sich die Befragten gegenüber den Anrufern im Auftrage der ARD geäußert haben. Sich nicht von den IS-Mördern verschrecken zu lassen, ist Bürgerpflicht. „Bange machen lassen, gilt nicht, denn dann haben die Terroristen schon gewonnen“, lautet die Parole der Meinungsmacher. Schön tapfer klingen diese Worte, wenn man sie nachspricht. Wie es tatsächlich in der Bürgerseele aussieht, geht dagegen niemanden so schnell etwas an.

Vielleicht hätte auch die Dortmunder Lehrerin Wiebke Glöbke einem Interviewer ähnliches gesagt, – und es sogar selbst geglaubt. Dem WDR hat sie andererseits in einer Rundfunksendung beschrieben, mit welchen Bedenken sie ihre Schulklasse auf einen Weihnachtsmarkt in Essen geführt hat. Sie habe sich vorher eingehend mit den Kollegen beraten und dann die Örtlichkeiten inspiziert, ob eventuell Lastwagen auf den Platz fahren könnten. – Sorglos klingt anders.

Die Füße verraten derzeit oft mehr über die deutschen Befindlichkeiten als die Köpfe. Sie tragen ihre Besitzer einfach nicht mehr dorthin, wo ihnen „Einzelfälle“ mit „Schutzsuchenden“ widerfahren könnten. In Berlin bleiben den  Schwimmbädern plötzlich die Besucher weg. 500000 Badegäste weniger waren es in den ersten acht Monaten von 2016 im Vergleich zum Vorjahr, meldet die Berliner Morgenpost. Frauen, Mädchen und  Jungen möchten sich anscheinend nicht mehr für den orientalischen Badespaß der speziellen Art hergeben. Auch andere Orte leeren sich: Polizisten beobachten, dass sich immer weniger Frauen auf Großveranstaltungen blicken lassen.

In der Studentenstadt Freiburg, wo „Partymachen“ einst von vielen als zumindest halboffizieller Bachelor-Studiengang angesehen wurde, sterben unterdessen die Clubs. Seit Monaten würde das nun schon so gehen, jammert das örtliche Szenemagazin „Fudder“. Zur Erinnerung: Freiburg ist die Stadt in der ein Asylsucher im Oktober die 19-jährige Maria Ladenburger vergewaltigte und ertränkte. Im linksgrünen Meinungsklima war die Willkommenskultur vorher besonders heftig zelebriert worden. Die Stadt hat die höchste Kriminalitätsrate Baden-Württembergs.

Zwei Betreiber eines Clubs nennen den wohl wichtigsten Grund für die Pleitewelle unter den Kollegen: Das Publikum sei immer aggressiver geworden. Um Schlägereien und Taschendiebstähle zu verhindern, müsse man viel mehr für die Sicherheit ausgeben als früher. Vor allem die Frauen würden trotzdem wegbleiben, ist von anderer Stelle zu hören.

Man kann sich vorstellen, dass es keineswegs Altphilologen und Zahnmediziner sind, die den aggressiven Teil im Publikum im Freiburger Nachtlebens stellen. Die Angst und ihre Verursacher zu benennen, ist in der Öffentlichkeit allerdings noch weitgehend tabu. Witze helfen das Unbehagen einen ehrlichen Augenblick lang wegzulachen. Es gibt immer mehr davon. Diesen zum Beispiel: Kommt ein Araber zum Arzt und sagt: „Herr Doktor, immer wenn ich Sex mit einer Frau habe, brennen meine Augen. Was kann ich tun?“ Die Antwort des Arztes: „Das ist ganz normal. Das ist Pfefferspray.“

Völlig spaßfrei wird die Sache, sobald der Ernstfall droht – in der nächtlichen U-Bahn, im falschen Stadtviertel, auf der falschen Straßenseite, im Gedränge einer Großveranstaltung oder in den eigenen vier Wänden, wenn der Einbruchschutz doch nicht den neuesten Techniken der rumänischen Fachkräfte von der Gegenseite entspricht. Dann ist das beklemmende Gefühl in der Magengrube sogar ein höchst nützlicher Zustand. Angst steigert die Aufmerksamkeit und die Reaktionsfähigkeit. Die Sinne werden geschärft, die Muskelspannung gesteigert. Das alles sind ziemlich nützliche Eigenschaften heutzutage.           Frank Horns


Maulkorb für Bibeltreue
Wegen Kritik an Christenverfolgung als »rechts« eingestuft

Immer mehr Pfarrer beklagen laut Helmut Matthies, Chefredakteur der evangelischen Nachrichtenagentur „idea“, dass sie ihre Meinung nicht mehr frei äußern dürften. Sie schreiben ihm, dass die evangelische Kirche nur tolerant im Blick auf liberale theologische und politisch linksgerichtete Ansichten sei. Die Pfarrer äußerten ihre Klagen meist anonym, da sie als Evangelikale schon genügend Probleme hätten.

Matthies selbst kritisiert in der Ausgabe 50/2016, dass es in vielen Synoden an einer konservativen Opposition zur linksliberalen Mehrheit fehle. Harmonie und Konsens seien gefragt, kritische Meinungen unzulässig. Selbst bei der Vergabe von Kirchensteuern fehle es an Toleranz: Während ein Genderzentrum der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) 220000 Euro jährlich aus Kirchensteuermitteln erhalte und das EKD-Magazin „Chrismon“, das als Beilage in mehreren Zeitungen erscheint vier Millionen Euro selbst für noch so unbiblische Ansichten erhalte, bekomme „idea“ lediglich einen Zuschuss von 135000 Euro jährlich. Allerdings werde Jahr für Jahr damit gedroht, wegen angeblicher „islamfeindlicher Bericht-erstattung“ diese Gelder ersatzlos zu streichen.

Auch ist „idea“ immer wieder Verbalattacken ausgeliefert. Ihr wird eine Nähe zur AfD angedichtet, weil die Partei viele Gemeinsamkeiten mit wertkonservativen Christen teile, wie ein traditionelles Familienbild ohne Homoehe, die Ablehnung von Abtreibungen sowie die Adoption für Schwule und Lesben. Der Soziologe Andreas Kemper, zu dessen Auftraggebern unter anderem die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung zählt, sieht in diesen Positionen eine Verbindung zwischen AfD und Kirche. Die EKD, hat zwar bestätigt, dass sie „idea“ finanziell untersütze, distanzierte sich aber von deren Berichterstattung. Sie nehme inhaltlich keinen Einfluss auf die von ihr unterstützten Medien.

Dem widersprechen die Aussagen namentlich nicht genannter Pfarrer und die des Chefredakteurs Matthies. Auf Druck der EKD-Synode musste er einen islamkritischen Kommentar nach den Anschlägen von Paris aus dem Netz entfernen. „idea“ nennt unter anderem die Gewalt gegen Christen in deutschen Asylbewerberheimen beim Namen. Trotz zahlreicher Mitteilungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der Polizei, der Staatsanwaltschaften und nicht zuletzt von Pfarrern, die sich dort engagieren, werde der Verfolgung von Christen kaum Beachtung geschenkt, weder seitens der Medien noch der Kirchenvertreter. In einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ sagte Matthies, er wünsche sich, dass Bischöfe nicht nur zur Stelle wären, wenn muslimische Asylbewerber in Bedrängnis gerieten, sondern dass sie sich auch um die etwa fünf Prozent Christen unter ihnen kümmerten.

Die Nachrichtenagentur „idea“ ist aus einer evangelikalen (bibeltreuen)  Bewegung der 70er Jahre hervorgegangen. Evangelikalen wird häufig der Vorwurf gemacht, zu fundamentalistisch zu sein, weil sie sich gegen die historisch-kritische Methode als alleinige Bibelauslegung, wie sie sich an den evangelischen theologischen Fakultäten durchgesetzt hat, verwehren. Für Evangelikale ist die Bibel Gottes Wort, nach dem sie sich nach wie vor richten.

                Manuela Rosenthal-Kappi


Zahlen für Leerstand
Dresden baut Erstaufnahmeeinrichtungen auf Vorrat

Auf dem Höhepunkt der Asylkrise im Spätsommer 2015 beschloss die CDU-geführte sächsische Staatsregierung, dutzende neuer Einrichtungen für die Erstaufnahme von „Flüchtlingen“ (sogenannte EAE) zu schaffen, darunter auch welche in der Landeshauptstadt Dresden. Hier wurde unter anderem die EAE am Hammerweg mit 700 Plätzen gebaut, was 37 Millionen Euro kostete.

Unweit davon – an der Stauffenbergallee und in unmittelbarer Nachbarschaft zweier Schulen – errichtete der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement ein Containerdorf für 500 Personen, wofür nochmals 12 Millionen Euro anfielen. Eine weitere EAE entstand in rund anderthalb Kilometern Entfernung in Dresden-Johannstadt auf der Brachfläche neben dem neuen jüdischen Friedhof an der Ecke Blasewitzer/Fetscherstraße. Diese brisante Standortentscheidung resultierte wohl daraus, dass der Freistaat nichts Sinnvolles mit dem Areal anzufangen wusste, welches er 2011 ebenso überstürzt wie überteuert erworben hatte. Laut Rechnungshof flossen damals rund 1,8 Millionen Euro zu viel.

Über die Kosten der zweiten Containersiedlung für nochmals 700 Asylsucher, an deren Errichtung unter anderem die Frauenroth Bauunternehmen GmbH aus Bretnig verdiente, schweigt sich die Staatsregierung aus; eine entsprechende Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag blieb unbeantwortet.

Das gilt auch für sämtliche nachfolgenden Auskunftsersuchen bezüglich der konkreten laufenden Aufwendungen für die Erstaufnahmeeinrichtung, wie zum Beispiel die Miete für die zahlreichen Wohn- und Sanitärcontainer. Dazu lieferte das Innenministerium folgende Begründung: Der Freistaat Sachsen habe „mit seinen Vertragspartnern Stillschweigen über die Vertragsinhalte vereinbart“, um deren „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ zu wahren.

Ursache für diese Intransparenz dürfte nicht zuletzt der Umstand sein, dass sich das Objekt – so wie auch die EAE in der Stauffenbergallee und zwei weitere, ähnlich große Einrichtungen in Dresden-Klotzsche und Dresden-Gittersee – im sogenannten „Stand-by-Modus“ befindet, also seit der Fertigstellung im Herbst 2016 komplett ungenutzt dasteht. Trotzdem fallen dabei naturgemäß Kosten an, und zwar keineswegs nur für die Miete. So musste Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf nochmaliges Nachbohren des AfD-Abgeordneten André Barth zugeben, dass allein die „Sicherung“ der EAE in der Johannstadt 60024 Euro pro Monat verschlingt (Drucksache 6/5878). Hier sind jeweils vier Wachmänner der SWD Sicherheits- und Werttransportdienste Dresden rund um die Uhr im Einsatz, um das Container-Geisterdorf zu schützen. Dazu kommen die „laufenden liegenschaftlich-baulichen Kosten“ einschließlich der Objektsicherung für das „Vorhalten“ der anderen drei leer stehenden Dresdner Erstaufnahmeeinrichtungen in Höhe von monatlich 264209 Euro.

So gibt es auch in Sachsen Gewinner der Asylkrise, während die Steuerzahler des Freistaates definitiv auf der Verliererseite stehen.   Wolfgang Kaufmann


MELDUNGEN

Auslieferung gestoppt

Berlin – Vom 1. Januar bis zum 30. November 2016 haben 5166 türkische Staatsangehörige in Deutschland einen formellen Asylantrag gestellt. Der Anteil von Kurden daran betrug 76,4 Prozent. Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 sind keine Ersuche mehr bewilligt worden, mit denen türkische Stellen um Auslieferung zur Strafverfolgung in der Türkei gebeten haben. Die Türkei hat in den Jahren 2009 bis 2016 in 358 Fällen Auslieferungsersuche an Deutschland gestellt. In 158 Fällen wurden die Anträge zur Auslieferung von Straftätern bewilligt. Dabei ging es zumeist um die mutmaßliche Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Daneben wurden auch zahlreiche andere Delikte geltend gemacht. In jedem Einzelfall wurden die rechtsstaatliche Situation und die Haftbedingungen berücksichtigt.     J.H.

 

Staatenlose in Deutschland

Berlin – Ende Oktober 2016 waren in Deutschland knapp 22000 sogenannte Staatenlose registriert. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) will darauf hinwirken, dass bis 2024 die Staatenlosigkeit als Status ganz abgeschafft wird, da es in ihr eine Verletzung der Menschenrechte sieht. Deutschland trägt zur Verringerung der Zahl der Staatenlosen im Lande bei, indem für in Deutschland geborene Staatenlose, die seit fünf Jahren rechtmäßig hier lebten, eine Einbürgerung möglich ist. Für sonstige Staatenlose gelten Einbürgerungserleichterungen. Zudem bekommen in Deutschland geborene Kinder von staatenlosen ausländischen Eltern mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat.    J.H.


S. 4 Islamversteher

Entfremdet vom eigenen Volk
Ein falsches Verständnis für den Islam ist vor allem unter Akademikern verbreitet

Nach jedem von einem Muslim begangenen Terroranschlag melden sich hierzulande Personen zu Wort, welche die sogenannte „Religion des Friedens“ in Schutz nehmen und darauf hinweisen, dass der Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Und auch sonst ist diese Klientel recht aktiv, wenn es darum geht, dem fremden Glauben in Deutschland Tür und Tor zu öffnen.

Menschen, die extremes Verständnis für den Islam aufbringen, findet man heutzutage in vielen Bereichen, ganz besonders aber in Politik, Kirchen, Justiz, Medien und Universitäten – also dort, wo viele Akademiker sitzen. Sie berufen sich auf angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse, persönliche Erlebnisse mit grundsätzlich immer vollkommen friedlichen Muslimen sowie die moralischen Werte unserer westlichen Zivilisation. Allen voran natürlich die Toleranz, die einem „Land der Dichter und Denker“ besonders gut anstünde – immerhin habe ja schon Johann Wolfgang von Goethe zu den Bewunderern des Islam gezählt. Dabei sind die Motive, von denen die Beteiligten geleitet werden, vielschichtiger als ihre doch eher eintönige Argumentation.

Da wäre zum ersten das Bedürfnis mancher Politiker, sich bei Wählergruppen mit Migrationshintergrund anzubiedern – getreu dem Brechtschen Motto, wenn die Regierung mit dem Volk unzufrieden sei, dann müsse sie sich eben ein anderes suchen. In diese Richtung geht unter anderem das Handeln des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller (SPD), der unlängst trotz heftiger Proteste eine fundamentalistische Muslimin zur Staatssekretärin kürte.

Zum zweiten zeigen einige Wissenschaftler tunnelblickartige Wahrnehmungsstörungen. Ausdruck derselben ist die Behauptung von Spezialisten für einzelne Strömungen im Islam, den Islam als solchen gebe es ja gar nicht, wonach dann mit erhobenem Zeigefinger vor „Pauschalisierungen“ gewarnt wird. Parallel hierzu geht der sogenannte Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz noch mit der Behauptung hausieren, wer die muslimische Religion kritisiere, tue das Gleiche wie die Nationalsozialisten mit den Juden.

Zum dritten agieren viele Islamophile aus einem verqueren Kulturverständnis heraus: Während sie die Errungenschaften der eigenen Zivilisation permanent kleinreden, steigern sie sich in die distanzlose Verehrung alles Orientalischen hinein und schwelgen in islamischer Mystik oder Banalitäten wie der Ornamentik und Kulinarik des Morgenlandes – allen voran das schrille grüne „Urgestein“ Claudia Roth.

Zum vierten wiederum gibt es Juristen, die andauernd neue Gründe finden, dem Islam einen Bonus zu gewähren. Der frühere rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff (SPD) hielt sogar die teilweise Einführung der Scharia für denkbar. Möglicherweise sind manche „Rechtswahrer“ aber einfach nur von der immer gewalttätiger auftretenden muslimischen Klientel eingeschüchtert.

Und zum fünften und letzten wären da noch jene, die offenbar Freude am Kniefall vor der fremden Religion haben, weil sie diesen fälschlich für ein zentrales Gebot des Christentums halten. Welche Erklärung gibt es sonst für die Lobreden auf den Islam aus dem Munde des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, und ähnlich hoher kirchlicher  Amtsträger?

Was alle diese Leute eint, ist die völlige Entfremdung von der Mehrheit des Volkes, aber letztendlich auch den Muslimen, die ihnen ihr Tun sicher kaum danken werden.          Wolfgang Kaufmann


»Sympathische Religion«
Das NS-Regime sah den Islam als natürlichen Verbündeten

Wie die Protokolle der Tischgespräche im Führerhauptquartier zeigen, bewunderte Adolf Hitler den „Mohammedanismus“ und dessen „Belohnung des Heldentums“. Ähnlich positiv war die Einstellung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg, und des SS-Chefs Heinrich Himmler: „Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion!“ Zudem sahen die Nationalsozialisten im Islam den denkbar besten und natürlichsten Verbündeten gegen das Judentum und den Bolschewismus.

Das zeigte sich auch in der Stellung der Muslime im „Dritten Reich“, von denen es 1933 bereits um die 1000 gab, davon 300 deutsche Konvertiten. Sie konnten weiter ihre Zeitschriften wie die „Moslemische Revue“ herausbringen, ohne dass die Zensur eingriff. Und im Gegensatz zu den Synagogen gab es auch keinerlei Übergriffe gegen Moscheen, von denen die in Berlin-Wilmersdorf die älteste und größte war. Ebensowenig hatte der NS-Staat etwas gegen die Gründung von Vereinen und Forschungseinrichtungen von der Art des „Islamischen Weltkongresses/Zweigstelle Berlin“ oder des „Islamischen Zentral-Instituts zu Berlin e.V.“ einzuwenden. Gleichzeitig erblühten die Islamwissenschaften an den deutschen Universitäten, was diese Disziplin bis zum Ende des 20. Jahrhunderts prägte.

Dann kam der Zweite Weltkrieg, in dessen Verlauf ein noch engerer Schulterschluss zwischen Nationalsozialismus und Islam erfolgte. Dies resultierte einerseits daraus, dass Deutschland nun auch in Nordafrika Krieg führte und die Sympathien der Araber benötigte, zum anderen erwiesen sich die muslimischen Kriegsgefangenen aus den mittelasiatischen und kaukasischen Sowjetrepubliken als höchst willige Kollaborateure. Deshalb stellten sowohl Wehrmacht als auch Waffen-SS zahlreiche „muselmanische“ Kampfverbände auf, darunter die 162. Infanterie-Division sowie „osttürkische“, kaukasische und tatarische Legionen. Um diese Truppenteile mit muslimischen Feldgeistlichen auszustatten, wurde 1944 sogar eine „Mullah-Schule“ der Waffen-SS in Dresden eröffnet.          W.K.


Erstarkt dank ministerieller Förderung

Mit Beginn des Kalten Krieges versuchte der US-Geheimdienst CIA, die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden muslimischen Emigranten aus der Sowjetunion in seine Dienste zu nehmen. Dabei erhielt er ab 1956 Konkurrenz durch das westdeutsche Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, in dem einige von Hitlers führenden Islamexperten untergekommen waren. Diese ermutigten ehemalige NS-Kollaborateure wie Veli Kajum Khan und Alichan Kantemir, den Zusammenschluss sämtlicher Muslime in der Bundesrepublik zu organisieren. Sie strebten eine Art „Staats-Islam“ unter dem „Hauptimam für die mohammedanischen Flüchtlinge“, Nureddin Namangani, an. Hiermit wollte das Ministerium in Bonn der ideologischen Offensive des Ostblocks im afro-asiatischen Raum entgegenwirken und so unter anderem zur Gewinnung neuer Handelspartner und Rohstoffquellen beitragen.

Durch diese Aktivitäten wurde aber zugleich auch der Grundstein für die Herausbildung des politischen Islam in Deutschland gelegt. Zudem erwies sich die Indienstnahme der Muslime schwieriger als gedacht. Das lag zum Teil an ihrer tiefen Zerstrittenheit aufgrund nationaler und persönlicher Differenzen, dazu kam Ende der 50er Jahre noch eine neue Klientel ins Spiel: arabische Studenten und fundamentalistische Muslimbrüder, welche aus ihren Heimatländern im Nahen Osten hatten fliehen müssen. Diese übernahmen bald die Führung und drängten die alternden, wenig glaubensstrengen Kaukasier und Turkestaner ins Abseits. Treibende Kraft war dabei der Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses, Said Ramadan, der im März 1960 gemeinsam mit dem nun bloß noch als Aushängeschild dienenden Namangani sowie mit ausdrücklicher Billigung und Unterstützung der westdeutschen Behörden in München eine „Moscheebau-Kommission“ gründete – der erste Zusammenschluss dieser Art in ganz Westeuropa, aus dem später mehrere radikalislamische Organisationen hervorgingen.    W.K.


Zeitzeugen

Winfried Kretschmann – Der grüne baden-württembergische Ministerpräsident setzte 2013 eine Änderung des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk mit Rheinland-Pfalz durch. Dadurch ging der Sitz im Rundfunkrat der Medienanstalt, der bisher den Freikirchen zugestanden hatte, an „muslimische Verbände“.

Annemarie Schimmel – Die 2003 verstorbene Orientalistin war lange Zeit die führende Vertreterin der deutschen Islamwissenschaft und erhielt unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Nach der Promotion im Jahre 1941 arbeitete sie als Übersetzerin im Auswärtigen Amt. Das schadete ihrer Karriere nach 1945 aber ebensowenig wie das später öffentlich geäußerte Verständnis für fundamentalistische Positionen im Islam.

Patrick Bahners – Im Jahre 2011 publizierte der damalige Feuilleton-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sein Buch „Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam“, welches als Replik auf Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ gedacht war. Darin behauptete er, die Islamkritiker hierzulande würden in jeder Hinsicht übertreiben. Hieraufhin feierte Thomas Steinfeld den polemischen Essay in der „Süddeutschen Zeitung“ als „Meisterwerk der Aufklärung“.

Mohammed Amin al-Husseini – Von 1941 bis 1945 lebte der Großmufti von Jerusalem und Präsident des Obersten Islamischen Rates in Deutschland, wo er vom Auswärtigen Amt mit monatlich 90000 Mark alimentiert wurde und zum SS-Gruppenführer avancierte. Er unterstützte die Waffen-SS bei der Aufstellung von muslimischen Einheiten und drängte immer wieder auf radikalste Durchführung des Holocaust.

Heinrich Bedford-Strohm – Gemeinsam mit dem früheren Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, warb der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche und bayerische Landesbischof für das umstrittene und letztlich aus finanziellen Gründen gescheiterte Großmoschee-Projekt „Münchner Forum für Islam“ des dubiosen Penzberger Imams Bajrambejamin Idriz.


S. 5 Preussen/Berlin

Wohin soll Berlin noch wachsen?
Nachverdichtung stößt an Grenzen − Idee der Gartenstadt feiert Auferstehung

In Großbritannien sollen nach dem Konzept der historischen Gartenstädte aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert komplette Ortschaften neu entstehen. Berlin beschreitet zur Linderung der Wohnungsknappheit dagegen einen Weg, der längst überwunden geglaubte Zustände wieder­belebt.

Der britische Wohnungsbauminister Gavin Barwell hat etwas geschafft, das Vertretern seines Ressorts eher selten gelingt. Seine unlängst vorgestellten Pläne zur Neuauflage der Idee von Gartenstädten sind weit über die Landesgrenzen beachtet worden. Angekündigt hat der Politiker der Konservativen Partei, dass verteilt über ganz Großbritannien 17 Gartenstädte und Dörfer mit insgesamt 200000 Häusern neu gebaut werden sollen.

Ausdrücklich erwähnt er bei der Präsentation der Pläne, dass sich die neuen Siedlungen am Vorbild der Gartenstädte des späten 19. Jahrhunderts orientieren sollen. Barwell knüpft damit an das Konzept der „Garden Cities“ an, das auf den Briten Ebenezer Howard zurückgeht. Dessen Ziel war es, die Vorteile von Stadt- und Landleben miteinander zu verbinden.

Die Gartenstädte sollten nicht nur Stadtbewohner und vor allem Arbeiter aus ihren überfüllten und dunklen Quartieren befreien, sondern auch mit großen Gärten die Möglichkeit zur Selbstversorgung bieten. Nach diesem Muster entstanden auch in Deutschland noch vor dem Ersten Weltkrieg fast 140 Gartenstädte, wohl am bekanntesten geworden ist die Siedlung Hellerau bei Dresden.

Dass auch heutzutage bei Architekten, Städteplanern und Politikern das Interesse an Gartenstädten wieder wächst, hat gute Gründe. Die Probleme, die bereits im Zuge der fortschreitenden Industriealisierung um 1900 zu beobachten waren, scheinen sich nämlich zu wiederholen. Wie damals platzen Städte wie London oder Berlin durch massiven Zuzug aus allen Nähten. Nicht zuletzt durch die Massenzuwanderung wird auch heutzutage in vielen großen Metropolen Wohnraum wieder knapp, explodieren die Mieten und Immobilienpreise.

London kann als Extremfall gesehen werden, möglicherweise aber auch nur als Vorreiter für das, was einigen deutschen Großstädten erst noch bevorsteht. Nach Daten der Londoner Stadtverwaltung gibt ein Bewohner der Stadt im Schnitt gut 60 Prozent seines Bruttoeinkommens fürs Wohnen aus. Bei einer durchschnittlichen Miethöhe von mehr als 1300 Britischen Pfund sehen sich mittlerweile selbst Gutverdiener ins Umland abgedrängt.

Noch haben die Quadratmeterpreise Londons eine andere Dimension als in Berlin. Dafür wartet die deutsche Hauptstadt mit einem ganz speziellen Problemmix auf. Zum einen wächst Berlin durch Zuzug seit einigen Jahren so stark, dass noch vor dem Jahr 2030 die Vier-Millionen-Marke bei der Einwohnerzahl überschritten werden könnte. Auffallend hoch ist zudem der Anteil von Empfängern staatlicher Transferleistungen und von Geringverdienern an der Berliner Bevölkerung.

Zur Linderung der Wohnungsnot setzt der Senat bislang neben dem Neubau einiger Wohnquartiere am Stadtrand vor allem auf Nachverdichtung der Innenstadt. Auf den ersten Blick klingt das Konzept überzeugend: Entstehen durch Aufstockungen, Dachgeschossausbauten oder Ergänzungsbauten neue Wohnungen, dann kann oft bei den Erschließungskosten gespart werden, weil  sich vorhandene Infrastruktur nutzen lässt. In Berlin werden allerdings inzwischen auch die Kehrseiten der Nachverdichtung sichtbar, wenn sie ohne Augenmaß praktiziert wird. So verliert die Hauptstadt in kleinen Schritten vielerorts den Charakter einer grünen Metropole.

Bislang sind noch mehr als 40 Prozent des Stadtgebiets Grünflächen oder freies Areal. Zudem gehören die Berliner Innenstadtbezirke bereits jetzt zu den Gebieten in Deutschland, die am dichtesten besiedelt sind. Entsprechend kritisch ist die Lage, wenn es etwa um Parkraum oder um Platz in hoffnungslos überfüllten Nahverkehrsmitteln geht. Hinzu kommen hausgemachte Probleme der Berliner Politik und der Verwaltung. Wie sich inzwischen an immer neuen Beispielen zeigt, lassen die Bauvorschriften und Ausnahmeregelungen so enge Hinterhofbebauungen zu, dass immer öfter Erinnerungen an die berüchtigten Berliner Mietskasernen im Stil des Zille-Milieus aufkommen.

Ein besonders misslungenes Beispiel einer Nachverdichtung ist in der Gubitzstraße im Prenzlauer Berg zu sehen. Dort hat ausgerechnet ein kommunales Wohnungsunternehmen durch Ergänzungsbauten nicht nur einen düsteren Hinterhof geschaffen. Es existieren nun auch Wohnungen, in denen einige Mieter den ganzen Tag überhaupt keine Sonne mehr zu sehen bekommen. Wie der Berliner Mieterverein anmerkt, sind unbesonnte Wohnungen „eigentlich seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht mehr neu gebaut worden“. Tatsächlich wird nach diesem Muster in Berlin mittlerweile nicht nur in der Innenstadt, sondern längst auch außerhalb des S-Bahnringes die Bausubstanz nachverdichtet.                Norman Hanert


Breitscheidplatz II
von Vera Lengsfeld

Nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt hatte die Politik gehofft, nach Weihnachten und Neujahr wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. Das ist aus zweierlei Gründen gescheitert. Einmal kamen mit jedem Tag neue Einzelheiten über das Komplettversagen unserer Sicherheitsorgane ans Licht. Der Attentäter war seit langem als Gefährder bekannt, plauderte sogar mit einem V-Mann über seine Absicht, einen Anschlag zu verüben, und wurde trotzdem nicht mehr überwacht.

Viel wichtiger aber war die Reaktion der Berliner und ihrer Gäste. Die wollten sich keinesfalls damit abfinden, dass über die Opfer des Terroranschlags ein Mantel des Schweigens gebreitet wird. Nicht nur am unmittelbaren Anschlagsort wurden tausende Kerzen, Blumen, Bilder und Schilder mit Forderungen an die Politik niedergelegt, auch an der Budapester Straße, am Kurfürstendamm, ja sogar am Brandenburger Tor entstanden Gedenkorte, die sich bis zum heutigen Tag stetig vergrößern.

Erst leise und verhalten, dann immer lauter wurde eine Gedenkfeier für die Opfer gefordert. Verstärkt wurden diese Forderungen, nachdem der polnische Lkw-Fahrer mit so großer Anteilnahme des ganzen Landes bestattet wurde, dass es einem Staatsbegräbnis gleichkam.

Dagegen hatte das Präsidium des Bundestages in Abwesenheit der Parlamentarier beschlossen, auf eine Gedenkfeier zu verzichten. Auch der neu gewählte Berliner Senat beschäftigte sich als erste Amtshandlung nicht mit den Toten und Verletzten des Terrors, sondern Aborten. Damit wollte der neue Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) „Hürden im Alltag beseitigen – Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden einrichten“. Behrendt, seit dem 8. Dezember auch für die Antidiskriminierung zuständig, reagierte damit auf einen Antrag der ehemaligen Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus vom 26. März 2014. Die schärfste Satire kann sich einen solchen grotesken Realitätsverlust nicht ausdenken.

Nun hat der permanente Druck der Berliner den Senat auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Senatskanzlei ließ wissen, man sei mit vielen Akteuren im Gespräch und werde das Gedenken an die Opfer angemessen gestalten und begleiten. Das passierte aber erst, als einige Qualitätsmedien in der letzten Woche das Thema, das vorher nur in den sozialen Netzwerken diskutiert wurde, aufgriffen. Nun sieht sich auch der Bundestag gezwungen, seinen ursprünglichen Beschluss zu revidieren. In der kommenden Woche sollen Gespräche zwischen den Fraktionen darüber stattfinden, in welcher Form das Parlament mit dem Anschlag am Breitscheidplatz umgehen will. Öffentlicher Druck hat Erfolg!


Fahrrad-Lobby macht Druck
Berlin: Abenteuerliche Forderungen an rot-rot-grüne Regierung

Berlins Fahrradlobbyisten erhöhen den Druck auf den rot-rot-grünen Senat und fordern ein Radfahrergesetz bis März. Der Senat habe nur einen Bruchteil ihrer Forderungen aufgegriffen, außerdem verschleppe er einen Volksentscheid, den die Aktivisten parallel zur nächsten Bundestagswahl im September abhalten wollen. Eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht gegen den Senat liegt seit Dezember vor.

Der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung plant bereits, für Radfahrer Verkehrsflächen anderer Teilnehmer zu räumen. Zugunsten von zwei Meter breiten Radwegen müssten mancherorts Autospuren weichen. „Aus Gründen der Mobilitätssicherheit“, so die Vereinbarung, „soll abschnittsweise eine physische Trennung des Radverkehrs sowohl vom Auto- als auch vom Fußverkehr erfolgen“. Konkret heißt das: Nicht nur Radfahrspuren oder Wege sollen umgestaltet, sondern mitunter ganze Straßen völlig neu geordnet werden.

Genau das schafft Probleme, weil der Platz begrenzt ist. Während Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) erste Fahrradachsen und autofreie Straßen vorstellt, fordert der „Volksentscheid Fahrrad“ mehr. Er will unter anderem jedes Jahr 50 Kilometer neue, mindestens fünf Meter breite Fahrradstraßen und zwei Meter breite „Radverkehrsanlagen an jeder Hauptstraße“. Jedes Jahr seien 75 Kreuzungen umzubauen, dazu seien 200000 Fahrradparkplätze, eine grüne Welle für Zweiräder und Radschnellwege einzurichten.

Von diesen Forderungen habe der Senat 80 Prozent nicht übernommen, so der Vorwurf. Die Lobby will ein spezielles Radfah­rergesetz, um den vermeintlichen Mangel zu beseitigen. Der Trägerverein „Netzwerk Lebenswerte Stadt“ hat binnen Monatsfrist mehr als 100000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Die erste Hürde ist damit genommen, ein Termin für das eigentliche Volksbegehren steht indes aus.

Die Lobby fordert nun vom Senat, dies nachzuholen. Die Koalition lasse sich Zeit, „Verzögerungstaktik“, so der Vorwurf. Ein Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl − was eine hohe Beteiligung sichert − ist kaum mehr realistisch. Geisels Ressort verwies auf „komplexe juristische Fragen“. Völlig offen ist zudem, was die Lobbypläne kosten, sollten sie eins zu eins umgesetzt werden müssen – es dürfte selbst Rot-Rot-Grün erschrecken.                SG


Ausgeblendet
Linksextremismus für Senat kein Thema

Berlins neuer Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat als Reaktion auf den Terroranschlag am Breitscheitplatz ein „Präventions- und Sicherheitspaket“ vorgelegt. Dort verspricht er ein schärferes Vorgehen gegen sogenannte Gefährder. Zudem will Geisel ein wissenschaftliches Kompetenznetzwerk „Deradikalisierung“ aufbauen, das unter anderem Erkenntnisse zur wirksamen Intervention bei radikalisierten Jugendlichen liefern soll.

Nur kurze Zeit vor der Präsentation des Konzepts war in der Presse über einen Vorgang berichtet worden, der nicht zum Bild vom energischen Vorgehen gegen radikale Moslems passt. Danach droht einem Projekt gegen die islamistische Radikalisierung von Jugendlichen das Aus. Laut dem Bericht sollen Teile des Präventionsprojekts im Januar nach dem Auslaufen von Zuschüssen durch die Klassenlotterie eingestellt worden sein. Auch der Rest des Programms ist bedroht, falls im März die Förderung durch das Land Berlin  nicht verlängert wird. Bislang soll sich die Senatsverwaltung mit einer Zusage zurückhalten.

Die Zahl der in Berlin lebenden Salafisten wird mittlerweile auf rund 740 geschätzt. Bemerkenswert sind vor diesem Hintergrund Recherchen der „Welt“: Danach tauchen in dem rund 250 Seiten langen Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün die Begriffe „Linksextremismus“ oder „islamistischer Terror“ kein einziges Mal auf, dafür aber Begriffe wie „rechtsterroristische Gewalt“ oder die Wendung „Terror gegenüber Andersdenkenden, Andersgläubigen und Anderslebenden“.           N.H.


»R2G« verliert an Vertrauen

Nur noch 44 Prozent der Berliner glauben laut einer Forsa-Umfrage, dass Rot-Rot-Grün („R2G“) die Stadt voranbringen werde. Allein die Anhänger der Grünen sind nach wie vor optimistisch. Während der Koalitionsverhandlungen waren noch 49 Prozent der Berliner positiv gestimmt. Das Ergebnis ist deswegen bemerkenswert, weil nach einer anderen Forsa-Umfrage die neuen Regierungsparteien bei Neuwahlen nur geringfügige Verluste zu erwarten hätten. Allerdings gäbe es Verschiebungen. Die Linkspartei käme demnach auf 17 statt 15,6 Prozent, die Grünen auf 16 statt 15,2, während die SPD von 21,6 auf 20 Prozent fiele. Da sich die Durchsetzung von Sonderinteressen der kleinen Koalitionspartner (Genderklos, Autofahrerschikanen, Schulreformen) abzeichnet, verwundert es indes nicht, dass die SPD an Zustimmung verliert. Eine rechnerisch ebenfalls mögliche Koalition mit CDU und FDP hatte die SPD gar nicht erst erwogen.  H.L.


S. 6 Ausland

Polens Griff nach Lemberg
Minderheiten fordern von der ukrainischen Regierung Autonomie – Brüssel lässt Kiew im Stich

Die polnische Gemeinde der galizischen Metropole Lemberg, heute ukrainische Stadt und Kreis, hat sich an die Regierung in Kiew gewandt und wirtschaftliche Autonomie gefordert. Das kommt dieser äußerst ungelegen.

Zum einen pflegt eine wirtschaftliche Autonomie vom dem, der sie innehat, bald als der Wegbereiter zur politischen Selbstständigkeit verstanden zu werden. Zum zweiten ist es ausgerechnet die starke polnische Minderheit, die sich hier regt, und das ruft den Gedanken an Separation wach. Denn man weiß ja, dass die Polen es als einen Irrtum der Geschichte betrachten, dass Lemberg heute ukrainisch ist. Angesichts des Kriegs im Donbass, so die Meinung in Kiew, wäre es besser, die Lemberger würden sich ruhig verhalten. Doch nein, die Lemberger Polen verlangen nicht nur die wirtschaftliche Selbstständigkeit, sondern sie unterlegen das auch noch argumentativ mit den schlimms-ten Kiewer Befürchtungen. Auf einem prominenten Forum erklärten sie, es liege ihnen daran, engere Beziehungen zu Polen aufzubauen.

Sergej Lukjanenko, der Sprecher der Lemberger Polen-Gemeinde, legte dar, dass der wirtschaftliche Rückstand der West-Ukraine gegenüber der benachbarten Region in Polen rund 50 Jahre betrage. Lemberg habe Chancen, das aufzuholen, aber diese Chancen lägen in Polen. Es sei überflüssig, dass sich die Regierung in Kiew in die Sache einmische, so Lukjanenko, während der polnische Historiker und Sejm-Abgeordnete Jan Zaryn fordert, Polen solle seinen Landsleuten in Ostgalizien entgegenkommen. Lemberg sei nach seiner Einschätzung Polen immer treu gewesen. Wer im Stande ist, über den Pulverdampf im Donbass am anderen Ende der Ukraine hinwegzublicken, wird feststellen: Als die Russen in der Ostukraine eben dieses Verlangen erhoben wie jetzt die Lemberger Polen, schickte Kiew das Militär.

Das wird diesmal wahrscheinlich nicht geschehen, und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Es gibt im Westen niemanden, der einen neuen Kiewer Feldzug unterstützen wollte, die Nato hat mit dem, woran sie in der Ukraine mitgewirkt hat, bereits genug Ärger. Doch damit ist es nicht genug. Ganz im ukrainischen Wes-ten liegt der Kreis Transkarpatien, das alte Ostruthenien mit den Städten Bergsass, Ungwar und Munkatsch, das westlich an die Slowakei angrenzt. Bereits im April 2016 hatten Abgeordnete des Rates von Transkarpatien ebenfalls Autonomie von Kiew gefordert. Die Abgeordneten des Regionalparlaments schrieben in ihrem Dokument: „Wir fordern, das Gebiet von Transkarpatien als eine besondere selbstverwaltete Einheit anzuerkennen und die erforderlichen Änderungen unverzüglich in die Verfassung des Landes aufzunehmen.“ Die Industrie des Landes liege am Boden und das Volk sei „katastrophal verarmt“, die „verantwortungslose Politik“ in Kiew habe zu einer „völligen Verödung und Ausraubung des Transkarpatengebietes“ geführt. Doch dann verließ die wackeren Ruthenen der Mut und sie machten schließlich einen Rückzieher.

Dagegen entsinnen sich die Ungarn ebenso wie die Polen ihrer Landsleute, die in der Ukraine leben, und wollen sich ihrer annehmen. In dem transkarpatischen Kreis Bergsass beispielsweise sind 70 Prozent der Einwohner Ungarn, die jedoch vergebens nach Minderheitenrechten rufen. Diese seien Theorie, klagt der Vorsitzende des Kulturvereins, Laszlo Brenzowytsch: „Die entsprechenden Gesetze gibt es, sie werden nur nicht angewandt. So sollten wir eigentlich in Regionen, wo vor allem Ungarn leben, die ungarische Sprache auch offiziell verwenden dürfen – im Rathaus, in der Schule, im Krankenhaus. Ein Gesetz über Regionalsprachen wurde noch unter dem ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch verabschiedet. Aber bisher hat der Staat kein Geld dafür bereitgestellt, um das auch zu verwirklichen – heute ebenso wenig wie unter Janukowitsch.“ Klagen solcher Art bleiben in Budapest nicht ungehört.

Damit der Kreis geschlossen wird, noch eine offene Rechnung: Rumänien erhebt Anspruch auf Stadt und Kreis Tschernowitz jenseits seiner Nordgrenze, die Hauptstadt des Buchenlandes [Bukowina]. Wenn sich also die Minderheiten der Ukraine mit ihren jeweiligen Mutterländern zusammentun, dann bekommt die ukrainische Regierung Ärger. Dass dies nicht ganz unwahrscheinlich ist, liegt an Brüssel und der EU. Dort nämlich kennt man die Pläne Polens, sich halb Osteuropa einzuverleiben. Nach der Idee von der „Großen Republik“ sollen weite Teile der West-Ukraine an Polen fallen und zwar Wolhynien, Stanislau, Lemberg, Rowno und Tarnopol. Die polnische Organisation Restitucija Kresow bereitet das dadurch vor, dass sie Eigentumsrechte von polnischen Bürgern in der Ukraine wirksam machen will. Dazu hat sie bereits weit über 1200 Klagen vorbereitet. Dabei geht es um  Vermögenswerte von polnischen Bürgern, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ukraine zurückgeblieben sind. Gerichtsstand soll Straßburg werden.

Damit kommt die EU ins Spiel. Dort weiß man von den polnischen Träumen, ein neues Großreich, möglichst wie einst von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, zu errichten, und man billigt das, weil man es als eine Schwächung Russlands betrachtet. Der Chef des Außen-Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok, ein fanatischer Atlantiker, spricht in einem Schreiben an die polnische Premierministerin Beata Szydlo von der „Motiviertheit und Rechtmäßigkeit der Forderungen“ Polens. Und er bittet sie nur, den Termin zu verschieben, an dem die Klagen eingereicht werden sollen. Von der Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa ist also keine Rede mehr, und am deutlichsten soll das die Ukraine erfahren, der korrupte Vasall, dessen Rolle jetzt offenbar zu Ende geht.

                Florian Stumfall


Ideologie statt Hilfe
Saudi-Arabien spendet lieber, als Syrer aufzunehmen

Saudi-Arabien hat eine staatliche Spendenkampagne für syrische Kriegsflüchtlinge gestartet. Die saudische Staatsführung stellte für den Spendenfonds umgerechnet 35 Millionen Euro bereit, wie die amtliche Nachrichtenagentur SPA meldete. Davon hat der König allein umgerechnet fünf  und sein Thronfolger 2,5 Millionen Euro gestiftet. Das Königreich werde Lebensmittel und Medikamente liefern und ein Lager aufbauen, in dem Verletzte behandelt werden können, hieß es in einer Erklärung des Königshauses. Saudi-Arabien gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Rebellen und Terroristen, die gegen die syrische Führung unter Präsident Baschar al-Assad kämpfen.

Die saudische Zeitung „Mekka“ veröffentlichte 2015 eine Karikatur, auf der  ein arabischer Flüchtling vor einer verschlossenen Tür mit dem Emblem der EU stand. Gleich daneben war ein Mann mit der traditionellen Kopfbedeckung der Golfaraber zu sehen, der aus seiner verschlossenen Tür brüllte: „Warum lasst ihr sie nicht herein, ihr unfreundlichen Menschen?“ Er selbst hat seine Tür sogar noch mit Stacheldraht gesichert. Die Karikatur war das Eingeständnis des Versagens der arabischen Solidarität.

In den offiziellen Statistiken des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR weisen die Staaten Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate tatsächlich null Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak auf. Dabei gehören sie zu den reichsten und gleichzeitig am wenigsten besiedelten Gebieten der Erde. Die Infrastruktur und das Geld für die Aufnahme vieler Millionen muslimischer Flüchtlinge wären also da, zumal das Königreich Saudi-Arabien ja auch am Bürgerkrieg mächtig mit gezündelt hat. Aber anstatt zu den Heiligen Stätten ihrer Religion machten im Herbst 2015 hunderttausende Syrer, Iraker und Afghanen Deutschland zu ihrem persönlichen Mekka.

Nur einige hunderttausend Syrer haben es nach Saudi-Arabien geschafft, viele von ihnen schon vor Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 mit dem offiziellen Status als Gastarbeiter. Tausende von ihnen leben in den Elendsvierteln von Dschidda, Mekka, Medina, Riad und anderen Städten. Sie versuchen mühsam, sich als Tagelöhner über Wasser zu halten. Nur wenige erhalten staatliche Hilfen. Weil die Syrer in Saudi-Arabien keinen offiziellen Flüchtlingsstatus genießen, haben sie auch nicht die Rechte, die ihnen die Flüchtlingskonvention gewährt, wie etwa soziale Versorgung und medizinische Unterstützung. Sie sind damit von der Willkür und dem Wohlwollen der autokratischen Golfmonarchen abhängig. Diese können die Syrer jederzeit ausweisen. Da die Arbeitgeber in den Golfstaaten wissen, dass ihre syrischen Gastarbeiter auf absehbare Zeit nicht in ihre Heimat zurück­kehren können, nutzen viele Unternehmen sie kaltblütig aus. Hilfsorganisationen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten berichten, dass manche syrischen Arbeiter monatelang nicht bezahlt werden.

Die arabischen Monarchen wollen nicht, dass die Syrer nach Europa weiterreisen – das betonen sie immer wieder. Dennoch werben sie statt ihrer lieber Pakistanis oder Philippinos an, um ihre Infrastrukturprojekte zu bauen oder als Chauffeure für die Autos, die ihre Frauen nicht fahren dürfen. Die Saudis spenden lieber Geld, zumeist an obskure Stiftungen und islamische Hilfsorganisationen, die den Flüchtlingen nicht nur Essen und Obdach spenden, sondern ihnen auch die wahhabitische Islam-Interpretation Saudi-Arabiens vermitteln.  Bodo Bost          


Jenseits der Gesetze
Integration von Nordafrikanern in Frankreich gescheitert

Die Zahl der nach Deutschland eingewanderten Nordafrikaner ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Wie die „Frankfurter Rundschau“ unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) berichtet, kamen allein im Dezember fast 2300 Algerier und 3000 Marokkaner nach Deutschland. Für die Behörden ist dies ein neues Phänomen. Bisher zeigte die Erfahrung, dass Türken nach Deutschland kommen, Nordafrikaner aber Frankreich oder Spanien bevorzugen.

Der massive Zuzug aus Nordafrika nach Frankreich setzte bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein und schwoll bis 1973 stetig an. Seither um Regulierung bemüht, nimmt Frankreich jährlich nur noch etwa 100000 Ausländer insgesamt auf. Die Muslime sind die zweitstärkste Religionsgemeinschaft im Land. Rund fünf Millionen nordafrikanische Zuwanderer und ihre Kinder, die per Geburt den französischen Pass bekommen, leben in Frankreich. Viele haben die doppelte Staatsangehörigkeit. Eine wirkliche Integration ist nicht gelungen. „Im alten Einwanderungsland Frankreich ist noch keine Integration so langsam vonstatten gegangen wie die der Nordafrikaner. Polen- und Ukrainersöhne sind Innen- und Premierminister geworden (Poniatowski und Bérégovoy), es gibt Konzernchefs aus armenischen Familien (Tschuruk, Alcatel) und einen Präsidenten der Nationalversammlung, dessen Eltern arme italienische Einwanderer waren (Forni)“, schreibt die Wochenzeitung „Die Zeit“. Die französische Tageszeitung „Figaro“ berichtet von „bilateralen Existenzen“. Satelliten-TV, Skype und whatsapp hätten Brücken in die alte Heimat gelegt. Es gebe Millionen von „Neu-Franzosen, die zwischen allen Stühlen sitzen“.

Die meisten von ihnen leben in den Vorstädten der Ballungszentren. In diesen sogenannten Banlieues herrschen eigene Gesetze, der Staat scheint sie aufgegeben zu haben. Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy empfahl einst den Einsatz von Unkrautvernichtern, um der Situation Herr zu werden. Eskaliert ist die Lage im Pariser Zuwanderer-Ghetto Clichy-sous-Bois  am 27. Oktober 2005. Drei Jugendliche algerischer Herkunft  flüchteten vor der Polizei, zwei von ihnen starben. Die Folge: Wilde Krawalle der arabischen und afrikanischen Ghetto-Bewohner, die schon am gleichen Abend in Clichy ausbrachen und sich schließlich im ganzen Land ausbreiteten. „Nichts hat sich in diesen zehn Jahren in den Außenstadt-Siedlungen verändert“, kritisierte der „Figaro“ anlässlich des zehnten Jahrestages des Ereignisses mit Blick auf die regelmäßigen Schießereien in Marseille.

Die Perspektivlosigkeit ist geblieben, auch wenn der Staat sehr viel Geld in die Hand genommen hat, um die Siedlungen zu modernisieren. „Armut, Kriminalität, Schulversagen – die Bewohner der sensiblen Viertel bleiben mit den gleichen Übeln konfrontiert. Die Radikalisierung der Jugend beunruhigt“, schreibt „Le Figaro“ und das Konkurrenz-Blatt  „Le Monde“ zieht eine vernichtende Bilanz: „Die Armut verschärft sich, der Drogenhandel blüht, und die religiöse Radikalisierung beunruhigt.“ Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 50 Prozent, das Steueraufkommen in den Vorstädten liegt bei lediglich 56 Prozent des Landesdurchschnitts. „Wer eine Perspektive will, muss hier weg“, sagt ein Bezirksbürgermeister.  Peter Entinger


MELDUNGEN

Jedem Tschechen eine Waffe

Prag – Während in der EU eine Verschärfung des Waffenrechts propagiert wird, will der tschechische Innenminister Milan Chovanec den umgekehrten Weg gehen. Als Reaktion auf die Terrorakte muslimischer Täter in Europa will er, dass sich die Bürger seines Landes verteidigen können und dazu das Recht auf Schusswaffenbesitz in der tschechischen Verfassung verankert wird. In der Gesetzesvorlage heißt es, dass „aktive und rasche Verteidigung“ die Chancen von terroristischen Angreifern verringern können. Daher müsse den Bürgern per Gesetz das Recht zugestanden werden, mit Schusswaffen „Leben, Gesundheit und Eigentum“ zu verteidigen. Eine solche Verteidigungsmöglichkeit trage zur „Sicherstellung der inneren Ordnung, Sicherheit und territorialen Integrität“ des Staates bei.        J.H.

 

Bombardier baut in Breslau

Breslau – Der in Deutschland sehr aktive kanadische Bahn- und Flugzeughersteller Bombardier hat in Breslau ein Werk für die Produktion von Waggons für Hochgeschwindigkeitszüge eröffnet. Gemeinsam mit dem Partner Siemens werden hier in den nächsten Jahren zunächst 600 Waggons für die Deutsche Bahn gebaut. Bombardier hatte das schlesische Bahnbauunternehmen Adtranz-Pafawag, das auf die 1832 gegründete Maschinenbauanstalt Breslau zurückgeht und weitere Werke vor allem in Kattowitz umfasst, 2001 von Daimler als Teil der deutschen Firma Adtranz übernommen. Durch das neue Werk entstanden in Breslau 100 weitere Arbeitsplätze, wodurch sich die Zahl der Bombardier-Mitarbeiter in der schlesischen Metropole auf knapp 1000 erhöht. Die Höhe der Investitionen soll 250 Millionen Zloty (57 Millionen Euro) betragen haben.      T.W.W.


S. 7 Wirtschaft

Erster Sündenfall der EU-Bankenunion
Marode italienische Monte dei Paschi di Siena soll mit Staatsmilliarden »gerettet« werden

Die Rettung von Banken mit Steuergeldern sollte eigentlich der Vergangenheit angehören. Doch nun wird in Italien eine Sonderregelung herangezogen, damit der Staat doch wieder mit Milliarden einspringen kann.

Selbst für Kritiker der EU-Ban-kenunion stellte die im Januar 2016 eingeführte Regelung zum Umgang mit maroden Banken einen Lichtblick dar. Nicht mehr die Steuerzahler sollen herangezogen werden, wenn Banken in Schieflage geraten, sondern die Aktionäre und Gläubiger der Bank. Nun, da die Gläubigerhaftung im Fall der italienischen Krisenbank Monte dei Paschi di Siena erstmals angewendet werden könnte, sollen mit Zustimmung der EU-Kommission erneut Staatsgelder zur Bankenrettung fließen. Bereits vor Weih-nachten hat die Regierung des neuen italienischen Premiers Paolo Gentiloni einen 20 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds zur Sanierung des maroden italienischen Bankensektors aus der Taufe gehoben. Als erster profitieren soll davon die Bank Monte dei Paschi, die laut Notenbank 6,6 Milliarden Euro vom Staat benötigt. Gerechnet wird damit, dass Rom der Monte dei Paschi mit 4,6 Milliarden unmittelbar unter die Arme greifen muss, später könnte nochmals Geld fließen, um rund 40000 Privatanleger der Bank auszuzahlen.

Mit dem Segen der EU-Kommission nutzt die italienische Regierung im Fall der „Monte“ eine Sonderregelung. Diese sieht eine „vorsorgliche Rekapitalisierung“ durch den Staat unter Schonung der Gläubiger vor. Ob im Fall des Geldhauses aus der Toskana allerdings die Bedingungen erfüllt sind, ist umstritten. So muss die betreffende Bank im Kern gesund sein und eine Gefahr für das Finanzsys-tem drohen. Die Monte dei Paschi di Siena ist zwar Italiens drittgrößte Bank, allerdings hat sie wegen ihrer stark regionalen Ausrichtung nur eine begrenzte nationale Bedeutung. Zweifelhaft ist allerdings nicht nur die Systemrelevanz der Bank. Bei Monte dei Paschi gilt ein Drittel der Kredite als notleidend, so dass schwerlich von einer im Kern gesunden Bank die Rede sein kann.

Viele Beobachter sehen Roms Rettungsversuch für tatsächlich auch politisch motiviert. Die Bank hat für 4,3 Milliarden Euro Schuldscheine ausgegeben, die zur Hälfte von privaten Haushalten gezeichnet wurden. Es wird argumentiert, Rom habe mit Blick auf drohende Neuwahlen diese Anleger vor Verlusten bewahren wollen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass erneut auch Spekulanten auf Kosten der Steuerzahler hohe Renditen erzielen werden. Die massiven Probleme der Bank sind nämlich schon länger bekannt. Bereits im Jahr 2009 wurde sie vom Staat vor der Insolvenz bewahrt. Das Vertrauen darauf, erneut vom Steuerzahler rausgehauen zu werden, könnte Spekulanten veranlasst haben, ganz gezielt Papiere der angeschlagenen Bank ins Depot zu nehmen.

Auch andere Gründe sprechen dafür, die staatliche Rettung der Monte dei Paschi kritisch zu sehen. Zu befürchten ist nämlich, dass derzeit in Italien ein Präzedenzfall geschaffen wird, auf den sich demnächst auch andere Banken in Italien, aber auch in der übrigen Euro-Zone, etwa Griechenland oder Portugal, berufen werden. Vor diesem Hintergrund wirft das Agieren von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) Fragen auf. Tatsächlich gibt es nämlich Anzeichen dafür, dass EU-Kommission und EZB bei der Monte dei Paschi auf nichts anderes als auf eine Rettung mit Steuergeldern hingearbeitet haben. So hat die Regierung in Rom die Kriterien für eine Staatshilfe bis aufs Äußerste gedehnt. Brüssel hat dagegen kein Veto eingelegt, sondern die italienischen Pläne als „Liquiditätshilfen“ abgesegnet und durchgewunken. Auch die Europäische Zentralbank unter dem Italiener Mario Draghi hat im Vorfeld signalisiert, dass sie den in Rom geplanten Staatseingriff genehmigen werde. Mehr noch. Anfang Dezember hatte die Monte dei Paschi um weitere Zeit gebeten, um privates Kapital zur eigenen Rettung auftreiben zu können. Diese Anfrage wurde allerdings von der EZB-Bankenaufsicht zurückgewiesen. Die Folge war eine Zuspitzung der Situation, die nach Ansicht vieler Beobachter nur noch eine staatliche Rettung als letzten Ausweg ließ. Zudem wurde erneut die Doppelrolle der Europäischen Zentralbank deutlich, die sowohl Aufsichtsbehörde als auch Akteur ist. Im Zuge ihrer Euro-Rettungspolitik hat die EZB ganz massiv italienische Staatsanleihen angekauft, aber auch Papiere von italienischen Banken für deren Refinanzierung akzeptiert. Geraten Italien oder seine Banken in Probleme, drohen damit der EZB hohe Wertverluste.

Hinzukommt im Fall der Monte dei Paschi noch ein besonderer Aspekt: Die Schieflage der Bank wird unter anderem auch auf die Übernahme der Banca Antonveneta im Jahr 2008 zurückgeführt. Damals stand der jetzige EZB-Präsident Draghi an der Spitze der italienischen Notenbank. Medienberichten zufolge soll Draghi die Übernahmepläne von Monte dei Paschi seinerzeit befürwortet haben.              Norman Hanert


»Produziert in den USA«
Trumps Kampagne wirkt: Ford verzichtet auf Werk in Mexiko

Die scharfe Kritik des designierten US-Präsidenten Donald Trump an Unternehmen, die ihre Produktion in Niedriglohnländer wie Mexiko verlagern, bringt erste Ergebnisse. Wie Fiat-Crylser ankündigte, sollen zwei Werke in Ohio und Michigan mit einer Milliarde Dollar modernisiert werden. Mit der Investition sollen immerhin 2000 neue Arbeitsplätze in den USA entstehen. Nur kurz zuvor hatte Ford, der zweitgrößte Autobauer der USA, bekanntgegeben, dass er auf den Bau eines 1,6 Milliarden Dollar teuren Werks in Mexiko verzichten und stattdessen in eine bestehende Fabrik in den USA investieren wolle. Wie das Unternehmen mitteilte, sollen 700 Millionen Dollar in den Produktionsstandort in Flat Rock, einer Kleinstadt in Michigan, fließen. Im Wahlkampf hatte Trump den Autobauer heftig dafür kritisiert, dass er einen Teil seiner Produktion nach Mexiko verlagern will. Zudem hat er nach seinem Wahlsieg per Internetdienst Twitter mehrfach einzelne Unternehmen ganz direkt wegen Plänen zur Verlagerung von Arbeitsplätzen kritisiert. Dem US-Autobauer General Motors, der erst im November bekanntgegeben hat, 2000 Stellen in den USA streichen zu wollen, drohte Trump etwa an: „Produziert in den USA oder zahlt eine hohe Steuer an der Grenze.“ Die gleiche Botschaft ging inzwischen an den japanischen Hersteller Toyota, der sein Modell „Corolla“ in einem neuen Werk im mexikanischen Baja für den US-Markt produzieren will.

Für den Fall seines Wahlsieges hatte Trump zudem angekündigt, das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada neu auszuhandeln und Importzölle von bis zu 35 Prozent auf mexikanische Waren einzuführen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass dies keineswegs nur Wahlkampfrhetorik war. Trump hat mit Wilbur Ross einen entschiedenen Gegner des Nafta-Freihandelsabkommens zu seinem Handelsminister auserkoren. Sollte es tatsächlich zu einer Neuverhandlung des Nafta-Abkommens kommen, hätte dies auch auf mehrere deutsche Autobauer Auswirkungen. Mexiko ist mittlerweile zum weltweit siebtgrößten Produktionsland der Automobilbranche aufgestiegen. Erst vor Kurzem hat Audi in Mexiko ein neues Werk in Betrieb genommen, in dem SUV für die USA und den Weltmarkt hergestellt werden. Noch im Bau ist ein Werk, das Daimler künftig zusammen mit Renault-Nissan betreiben will. Zumindest nach den bisherigen Planungen sollen an dem Produktionsstandort in Aguascalientes bereits in diesem Jahr PKW einer Nissan-Marke, und ab 2018 Mercedes Fahrzeuge anlaufen. Bislang am wenigsten fortgeschritten ist ein Vorhaben von BMW. Erst für 2019 hat der bayrische Autobauer den Produktionsstart für den 3er BMW in Mexico vorgesehen. Der Bau des dafür vorgesehenen Werkes in San Luis Potosi liegt noch in der Anfangsphase.

Wie ernst Trumps Ankündigungen in Sachen Nafta-Nachverhandlungen an den Finanzmärkten genommen werden, wird am Kursverfall der mexikanischen Währung deutlich. Bereits vor der für den 20. Januar geplanten Amtseinführung des neuen US-Präsidenten ist der Kurs des mexikanischen Peso eingebrochen. Die Zentralbank des Landes hat Dollar-Verkäufe bestätigt, mit denen sie den Kurs der Landeswährung stützen will.  N.H.


Beamtenpensionen gefährdet
Rückstellungen und Versorgungsfonds reichen nicht aus

Am vorvergangenen Wochenende trafen sich die Funktionäre des Deutschen Beamtenbundes in Köln zu ihrer Jahrestagung. Ein zentrales Thema war die neu aufgekommene Diskussion über die Pensionen.

Laut Alterssicherungsbericht 2016 gibt es derzeit rund 1,25 Millionen Empfänger von Ruhegehalt und Witwengeld ab 65 in Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen, inklusive Richter und Soldaten. Und die Zahl wird weiter ansteigen. In den 70er und 80er Jahren wurde vor allem der Öffentliche Dienst stark ausgebaut. Dementsprechend gilt es ein Heer von Ruheständlern künftig zu finanzieren.

Der Höchstruhegehaltssatz nach 40 Dienstjahren beträgt 71,75 Prozent, die Durchschnitts-pension liegt bei stattlichen 3000 Euro. Dieses Geld muss erst einmal erwirtschaftet werden. Bund und Länder haben dafür Rücklagen gebildet, teilweise auch Gelder in Fonds investiert. Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat bereits vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass einige Länder dieses Geld nicht aus Einnahmen, sondern über Kredite auftreiben. Die im Haushalt ausgewiesenen Rückstellungen sind letztlich nichts anderes als neue Schulden. Und selbst die reichen nicht aus. „Für die vorhandene Beamtenschaft reichen die Rücklagen nicht“, sagte der Beamtenbund-Vorsitzende Klaus Dauderstädt. Dafür müssten erhebliche Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Auch Verdi-Chef Frank Bsirske brachte bei der Jahrestagung des Beamtenbundes Steuererhöhungen ins Spiel: „Die Rückstellungen und Versorgungsfonds der Länder werden nicht reichen.“ Ohne steuerfinanzierte Beiträge werde es nicht gehen.

Versorgungsverpflichtungen müssen generell in den Haushalten abgebildet werden. Beamtenbund-Vorstand Dauderstädt befürchtet, dass die Summen Begehrlichkeiten wecken könnten. „In Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind die Rücklagen schon mal verfrühstückt worden, um Haushaltslücken zu schließen“, kritisiert er. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, wünscht sich für die nächste Legislaturperiode eine Expertenkommission, die „ideologiefrei und völlig offen“ über eine grundlegende Reform des Pensionssystems nachdenkt. Nach Linnemanns Worten ärgern sich viele Bürger über die unterschiedliche Behandlung von Pensionären und Rentnern. Im Schnitt setzten sich Beamte mit dem Dreifachen dessen zur Ruhe, was Rentner von der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen.

Beamte und Ruheständler bilden eine gerade für CDU und CSU traditionell wichtige Wählergruppe. Dass man sich zu Kürzungen durchringen könnte, glaubt daher niemand. Linnemann fordert stattdessen eine Verkleinerung des Beamtenapparates. Man müsse sich gut überlegen, welche Berufsgruppen künftig den Beamtenstatus bräuchten. Auf fast eine halbe Billion Euro beliefen sich 2014 laut Bundesfinanzministerium die Rückstellungen des Bundes für Pensionen. Jahrzehntelang habe es hohe Pensionszusagen gegeben, aber lange keine Rücklagenbildung, kritisiert Wissenschaftler  Raffelhüschen. Nach seinen Berechnungen wird der Staat bis zum Jahr 2050 etwa 1,3 bis 1,4 Billionen Euro für Pensionen aufbringen müssen. P.E.


MELDUNGEN

Kein Mindestlohn für Asylanten

Berlin – Einem gemeinsamen Papier des Bundesarbeits-, des Bundesfinanz- und des Bundesbildungsministeriums zufolge sollen Asylsucher, die sich für die Anerkennung ihres ausländischen Berufsabschlusses in Deutschland nachqualifizieren, keinen Anspruch auf den Mindestlohn von 8,40 pro Stunde haben. Müsse ein Zuwanderer mit einem Ausbildungsberuf noch praktische Kenntnisse in einem Betrieb erwerben, damit sein ausländischer Abschluss als gleichwertig gilt, sei dies wie ein Pflichtpraktikum zu werten. Dies falle nicht unter die Mindestlohnpflicht.   J.H.

 

Cathay Pacific am sichersten

Hamburg – Einer Studie des Hamburger Flugunfallbüros „Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre“ zufolge war die sicherste Fluggesellschaft im vergangenen Jahr Cathay Pacific aus Hongkong, gefolgt von der Air New Zealand, Hainan Airlines und Qatar Airways. Sicherste europäische Fluggesellschaft bleibt die niederländische KLM auf Rang fünf. Lufthansa und Air Berlin erreichten lediglich die Plätze zwölf und 20. Die Billig-Gesellschaften Easy Jet und Ryanair landeten auf Platz 28 und 34 und damit noch vor der Swiss Air (Platz 35).             J.H.


S. 8 Forum

Geteilte Sicherheit
von Angelika Barbe

Es geht den politischen Entscheidern nicht nur darum, ihr politisches Versagen zu überdecken. Sie versuchen, von ihren Fehleinschätzungen abzulenken. Schlimmer noch, Beobachter behaupten, die angebliche Sorge um die Sicherheit der Bürger sei nur vorgeschoben.

In Dresden konnte man erleben, dass bereits eine Woche vor den geplanten Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit damit begonnen wurde, Sperren im gesamten Innenstadtbereich aufzustellen. Man hatte Angst, dass der Terror sich ausgerechnet gegen die versammelte Parteien-Prominenz richten könnte. Das Polizeiaufgebot war ebenfalls enorm. Umso erstaunter waren die Dresdner, dass acht Wochen später der Striezelmarkt auf dem Dresdener Altmarkt völlig ungeschützt blieb. Erst nach dem verheerenden Anschlag von Berlin karrte man die (bereits vorhandenen) Betonklötze an die Straße zum Schutz der Besucher.

Die Empörung wächst, seit  man uns einzureden versucht, man könne keinen hundertprozentigen Schutz gewährleisten. Das trifft zu, wenn es um die  Bürger geht. Dresden beweist – für die herrschende Klasse gibt es vollständigen Schutz. Dafür ist nichts zu teuer.


Sie wird scheitern
von Hermann Paul Winter

Wie in einem bösen Traum nimmt die Mehrheit der Deutschen das entrückte Denken und Handeln Angela Merkels wahr. Aber es ist kein Traum, aus dem man irgendwann aufwacht und erlöst wird. Wir sind wach. Und das festgefahrene Lamento der Kanzlerin ist bittere Realität.

Nahezu jeder weiß: Die Kanzlerin hat sich in ihrer Flüchtlingspolitik, gelinde gesagt, total verrannt. Die Bürger stehen nicht mehr hinter ihrem Vorgehen, ihre eigene Partei tut das nicht, die europäischen Staaten distanzieren sich von ihr. Unfasslich: Der Schutz vor den „Schutzsuchenden“ ist in Deutschland und in Europa längst zum Alltag geworden. Und wie dramatisch: Inzwischen säumen Leichen und Schwerverwundete den politischen Wegesrand der Kanzlerin, die die Schuldigen in einem nebulösen „Wir“ zu verorten versucht.

Wer etwas vermasselt, steht in der Kritik. Vorhaltungen und Ärger sind als Reaktionen auf Fehler bekannt. Fehler einzugestehen, ist eine hohe Kunst. Wer sie beherrscht und über einen von Wissenschaft und Vernunft geprägten Umgang mit Fehlern verfügt, der gewährleistet, dass neue Zielsetzungen und Lösungen erhalten bleiben. Wer sie nicht beherrscht, der polarisiert und verhindert, dass ihm Fehler als Informationsquelle zur Verfügung stehen und wichtiges „negatives Wissen“ beziehungsweise „Schutzwissen“ dem Lösungsspektrum erhalten werden. Wer nicht aus Fehlern lernt, scheitert. So wie Merkel.


Empörung versickert im Alltag
von Bodo Bost

Wenige Wochen, nachdem eine Gruppe von Zuwanderern aus Bulgarien in einer U-Bahn-Station in Berlin-Neukölln bundesweit für Empörung gesorgt hatte, weil sie eine zufällig eine Treppe hinunter gehende Frau in den Rücken traten und dabei wohl ihren Tod in Kauf nahmen, wollten sechs Asylsucher aus Syrien und Libyen auf der gleichen Linie einen betrunkenen Obdachlosen anzünden und wohl auch dessen  Tod in Kauf nehmen.

Bei beiden Fällen führten Videoaufnahmen von dem Geschehen und die Auslobung einer Belohnung für Hinweise auf die feigen Verbrecher zu schnellen Verhaftungen. Im ersten Fall hatte es jedoch Wochen gedauert, bis das Videomaterial an die Öffentlichkeit gelangte, Wochen in denen die Täter Zeit gehabt hätten, weitere feige Verbrechen aus der Gruppe heraus zu verüben. Im zweiten Fall, der Feuerattacke auf den Obdachlosen, ging es wesentlich schneller. Bereits nach einigen Stunden kamen die Videos an die Öffentlichkeit, wenige Stunden später stellten sich die Täter selbst der Polizei.

Aber beide Fälle haben noch mehr Gemeinsamkeiten. Sie wurden, wie auch der Silvesterterror, aus Gruppen von Asylsuchern heraus verübt. Die Opfer beider Verbrechen waren wiederum Außenseiter, Obdachlose und Frauen. Gegenüber Außenseitern fühlen sich Zuwanderer, vor allem wenn sie in Gruppen auftreten, offenbar stark und über dem Gesetz stehend.

Die Empörung über den Angriff auf die Frau und den Obdachlosen in der U-Bahn war nicht nur deshalb so groß, weil es sich bei den Opfern um Zufallsopfer handelte, sondern auch deshalb, weil es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Menschen handelt, die als Flüchtlinge oder Zuwanderer selbst auf Hilfe und Mitgefühl angewiesen sind. Dass es wegen der Massenzuwanderung zu einem Verdrängungskampf mit einheimischen Randgruppen kommen würde, haben Soziologen und Parteistrategen schon seit Langem vorhergesagt. Dass dies aber so schnell passieren und ein Kampf um Leben und Tod sein würde, zulasten der alteingesessenen Randgruppen, haben wohl nur wenige für möglich gehalten.

Gegen alle Tatverdächtigen hat die Berliner Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragt. Der Vorwurf lautet im zweiten Fall „gemeinschaftlicher versuchter Mord“. Dass die Männer sich in diesem Fall so rasch gestellt haben, führt die Polizei auf die gute Qualität der Videobilder zurück. Von Reue oder Mitleid gab es auf den Videobildern nach der Tat keinerlei Spuren. Dennoch soll, nach dem Willen des neuen rot-rot-grünen Berliner Senats, die Videoüberwachung von möglichen Tatorten heruntergefahren werden, weil dies angeblich die Kriminalszene auf weniger überwachte Zonen verlagern würde.


Gegenwind
Nach Recht und Gesetz russisch
von Florian Stumfall

Eine der offiziell so benannten Gründe für die Politik des Westens, das heißt im Wesentlichen der Nato gegenüber Russland, ist die Krim-Frage. Von ihr wird nicht die Berechtigung, nein, gar die Notwendigkeit der Sanktionen abgeleitet, und sie dient als wichtiges Mittel, Russland als im Unrecht befindlich dastehen zu lassen. Putin habe die Krim annektiert – das ist die allgemeine, auch in überraschenden Zusammenhängen übliche Formulierung, die, wann immer vorgetragen, dazu dienen soll, Russland unter Druck zu setzen. Doch so einfach, wie die Sache erscheint, ist sie nicht. Es ist angebracht, sie ein wenig näher zu untersuchen.

Die Krim war, seit sie Russland im Jahre 1783 von den Tataren befreit hatte, russisch, lange Zeit, bevor es die Ukraine als Staat überhaupt gegeben hat. Und sie blieb unangefochten russisch bis zum Jahr 1954. Damals wurde Nikita Chrustschow, ein Ukrainer, als Stalins Nachfolger Generalsekretär der KPdSU und somit Machthaber im Moskauer Kreml. Diese Stellung benutzte er dazu, die Krim seiner ukrainischen Heimat zu überschreiben. Anlass war der 300. Jahrestag des Vertrags von Perislawl.

Damals war in Kleinrussland die Vorherrschaft des Großfürstentums Polen-Litauen gebrochen worden, und in Perislawl leisteten die Kosaken, die daran entscheidenden Anteil hatten, einen Eid auf den russischen Zaren. Abgesehen davon, dass die kleinrussischen Hetmanschaften der Kosaken ein gutes Stück davon entfernt waren, einen Staat zu bilden, stellt der Vertrag von Perislawl einen Triumph der Mos­kauer Zentralgewalt dar, und jeder Versuch, ihn für die ukrainische Sache zu verwenden, ist eine schwere Geschichtsklitterung.

Dass aber Chrustschow die Krim der Ukraine zugeschlagen hat, stellt nicht nur nach russischer Lesart einen Rechtsverstoß dar, auch Mykola Asarow, von 2010 bis 2014 ukrainischer Ministerpräsident, teilt diese Meinung. Denn die Verfassung der Russischen Föderation, der weitaus größten Teilrepublik der ehemaligen Sowjetunion, verpflichtete zur Wahrung der staatlichen Integrität. Gegen diese Vorschrift hatte Chrustschow verstoßen. Darüber hinaus hätten einer solchen Entscheidung wie derjenigen der  Abtrennung der Krim von der Russischen Föderation der Oberste Sowjet in Moskau und ebenso derjenige in Kiew zustimmen müssen. Doch beides ist unterblieben. Damit war Chrustschows Maßnahme rechtlich wirkungslos, politisch allerdings nicht.

In der Ukraine gewöhnte man sich nach 1954, weil er zum eigenen Vorteil war, schnell an den Gedanken, man sei im rechtmäßigen Besitz der Krim, was sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch verfestigte. Als aber mit dem Putsch des Maidan 2014 nicht zuletzt auf Betreiben der USA in Kiew ein nationalistisches Regime eingesetzt wurde, war auf einmal der Hass auf alles Russische Teil der Staatsraison, und das Thema Krim geriet zur chauvinistischen Obsession. Ungeachtet der ukrainischen Befindlichkeit war jedenfalls die Abtretung der Krim an die Ukraine rechtlich niemals wirksam, die Krim blieb nach Recht und Gesetz russisch, auch zwischen 1954 und 2014.

Allerdings fehlt es nicht an Bemühungen, den Rechtsstatus der Ukraine in dieser Sache aufzubessern, und dazu dient den interessierten Kreisen das sogenannte Budapester Memorandum. Dieses wurde am 5. Dezember 1994 in der ungarischen Hauptstadt unterzeichnet, als dort eine Konferenz der KSZE stattfand, der Vorläufer-Organisation der heutigen OSZE. In diesem Memorandum verpflichten sich die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und Russland gegenüber den früheren Sowjetrepubliken Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine zur Achtung der bestehenden Grenzen, während diese drei Länder im Gegenzug auf die Atomwaffen verzichten, die ihnen nach dem Ende der Sowjetunion zugefallen waren. Da von den USA, Großbritannien und Russland nur Letzteres gemeinsame Grenzen mit den anderen drei Mächten hat, ist es ausschließlich Russland, das daraus Verpflichtungen ableiten muss. Den Vorteil, die drei anderen Mächte atomwaffenfrei zu haben, genießen aber alle. Abkommen solcher Art unterschrieb Russlands Präsident Boris Jelzin in den 90er Jahren viele und leichten Herzens.

Auf dieses Budapester Memorandum also bezieht sich die Argumentation, dass die Krim spätestens seit 1994 zur Ukraine gehört. Doch dem liegt ein Trugschluss zugrunde. Denn die Vereinbarung, dass die bestehenden Grenzen zu achten seien, kann sich selbstverständlich nur auf rechtlich bestehende Grenzen beziehen. Kein internationales Memorandum kann Grenzziehungen verändern. Wenn also bis 1994 gegolten hat, dass die Krim rechtlich zu Russland gehört, so hat daran auch das Budapester Memorandum nichts ändern können. Das hat einen ganz besonderen Grund, der in den Gepflogenheiten des Völkerrechts zu finden ist.

Ein Memorandum zwischen verschiedenen Staaten nämlich besitzt gegenüber internationalen Verträgen eine nur nachgeordnete rechtliche Wirksamkeit. Dies wird in einer Empfehlung des US-Außenministeriums so beschrieben, dass Vereinbarungen zwischen Staaten, die lediglich eine politische Willenserklärung darstellen, formal wie sprachlich gegenüber Verträgen gekennzeichnet sind. So soll bei Memoranden beispielsweise der Begriff „Parteien“ für die Unterzeichner vermieden werden, ebenso wie der Terminus „Vertrag“. Auch Formulierungen wie „wir werden“ oder „wir stimmen überein“ sind bei bloßen Willenserklärungen zu vermeiden. All das ist beim Budapester Memorandum berücksichtigt. So kann diesem als einer politischen Willenserklärung keinesfalls die Rechtskraft zukommen, die einen Anspruch der Ukraine auf die Krim begründen könnte.

Da aber die allgemein üblichen Merkmale zur Unterscheidung von Verträgen und politischen Willenserklärungen vom US-Außenministerium eingeführt worden sind, werden sich die USA auch im Falle des Budapester Memorandums den eigenen Vorgaben beugen müssen. So hat auch die „Treaty Law Organization“, die den Vereinten Nationen angegliedert ist, das Budapester Memorandum als nicht rechtsverbindlich eingeordnet; es beziehe vielmehr seine nachgeordnete Bindungswirkung aus dem Kontext anderer Vereinbarungen.

Blickt man also ein wenig hinter die Kulissen von Geschichte und internationaler Diplomatie, so stellt sich heraus, dass der Vorwurf, Russland habe die Krim annektiert, in sich zusammenfällt. Dennoch muss man feststellen, dass sich die Nato-Staaten aufgrund bewusst fehlerhafter rechtlicher Konstrukte scheinbare Handhaben gegen Russland verschaffen und dass die Staats- und Konzern-Medien jenseits und diesseits des Atlantik in monotoner Gleichförmigkeit dieses Geschäft besorgen. Print-Medien sowie elektronische nutzen dabei ein weitverbreitetes Unwissen, wo es doch im Gegenteil ihre Aufgabe wäre, Kenntnisse und Bewusstsein ihres Publikums zu erweitern.

So zeigt sich auch, dass der Annektions-Vorwurf an Russland nur vorgeschützt ist. Er wird von den USA erhoben, die ihrerseits das Völkerrecht gewohnheitsmäßig brechen. Allerdings wird die Zweckbestimmung im Zusammenhang mit der Krim Russland gegenüber verfehlt. Denn die Sanktionen haben Russland zu vermehrten wirtschaftlichen Anstrengungen veranlasst. Die Schäden tragen die Europäer, allen voran Deutschland. Aber es könnte freilich sein, dass diese Wirkung wohlwollend mit einkalkuliert war, als die USA ihre Strafmaßnahmen gegen Russland beschlossen.


S. 9 Kultur

Eine Sacher für sich
ZDF verfilmte mit viel Aufwand Dramen rund ums Hotel Sacher – Wiener Hollywoodregisseur lässt k. u. k.-Herrlichkeit aufblühen

Erst Adlon, jetzt Sacher: Das ZDF kehrt nur in den besten Hotels ein. War man schon 2012 mit dem Fernsehfilm über das Berliner Adlon Hotel gut gebettet, so checkt man am 16. und 18. Januar jeweils um 20.15 Uhr in die Wiener Nobelherberge Sacher ein. Für den TV-Zweiteiler holte man sich dabei sogar Unterstützung aus Hollywood.

Es war im Hotel Sacher, als die langen Haare des Jungregisseurs Robert Dornhelm fielen. 1977 lo­gierte im Hotel Fürstin Gracia Patricia von Monaco, die Dornhelm als Erzählerin für seinen Oscar-nominierten Debütfilm „The Children of Theatre Street“ über die St. Petersburger Wa­granowa-Ballettakademie gewinnen konnte. Als der Film dem Wiener Publikum vorgestellt werden sollte, griff im Sacher die frühere Grace Kelly zur Schere, um ein für alle Mal Dornhelms wilde Mähne zu stutzen. „So kann man nicht zur Premiere gehen“, belehrte die stilbewusste Fürstin den jungen Filmrebellen.

Nach 40 Jahren ist Dornhelm – jetzt mit kurz geschnittenen er­grauten Haaren – an den Ort zu­rückgekehrt, wo sich diese Anekdote ereignet hatte. Für den Zweiteiler „Das Sacher. In bester Ge­sellschaft“ kam er eigens aus Hollywood angereist, wo er seit 38 Jahren lebt und arbeitet. Als „verlorener Sohn“ will er sich aber nicht verstanden wissen. „Obwohl ich in den USA lebe, habe ich Europa nicht offiziell verlassen. Ich bin gerne in meiner alten Heimat Österreich“, erklärt Dornhelm gegenüber der PAZ.

Mit Dornhelm als Regisseur hat das ZDF in dieser Koproduktion mit dem österreichischen Sender ORF ein Schwergewicht gewinnen können, das sich nicht nur mit dem Sacher und im Filmgeschäft bestens auskennt, sondern das als Sohn von Donauschwaben aus dem Banat, die später nach Österreich emigrierten, auch eine gehörige Portion Geschichtsbewusstsein besitzt. Die ist beim „Sacher“ unbedingt nötig, spielt der Film doch in der Hoch- und Endphase der k. u. k.-Monarchie und variiert anhand zweier Paare aus Berlin und Wien das deutsch-österreichische (Liebes-)Verhältnis, das in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs endete.

Darüber hinaus finden sich Assoziationen zur Gegenwart. Die Entführung der Tochter einer Hotelangestellten erinnert an die Natascha-Kampusch-Geschichte, nur dass hier das Opfer nicht in einem Kellerverlies hausen muss, sondern wie ein Phantom in der benachbarten Wiener Oper residiert. Überhaupt spielen sich viele Szenen außerhalb des Sa­cher ab. Es begnügt sich mit einer Nebenrolle, was wohl auch daran lag, dass man das Gebäude nicht die ganze Zeit für die Dreharbeiten unter Be­schlag nehmen konnte, ohne den laufenden Hotelbetrieb zu stören. Ein Großteil wurde daher in einem Fabrikgebäude außerhalb Wiens gedreht.

Dabei wurde bei der Besetzung, Ausstattung und den prächtigen Kostümen geklotzt. Neben einem starken Damentrio mit Ursula Strauss, welche die exzentrische Hotelerbin Anna Sacher spielt, sowie Josefine Preuß und der zuletzt in der Siegfried-Lenz-Adaption „Schweigeminute“ mitwirkenden Julia Ko­schitz sind auch solche Schauspiel-Kaliber mit von der Partie wie Peter Simonischek („Toni Erdmann“) oder Robert Palfrader („Wir sind Kaiser“), dessen Onkel einst 17 Jahre lang Direktor des Sacher war.

Die 950 Komparsen, die im Film mitwirken, waren für Regisseur Dornhelm ein Kinderspiel. Er war in Hollywood und Europa schon ganz andere Größenordnungen gewöhnt. Bei der TV-Serie „Krieg und Frieden“, die er 2007 nach Leo Tolstois Roman drehte, kamen 15000 Komparsen zum Einsatz.

Im Vergleich dazu nimmt sich „Sacher“ bescheiden aus. „Mir geht es nicht um die Größe einer Produktion, sondern nur um die Geschichte“, sagt Dornhelm. „Wenn es nur auf die Größe des Budgets ankäme, dann wären wir arm dran. Da bin ich Idealist geblieben. Ich mache auch ohne Weiteres einen winzigen Budgetfilm. Ich hatte schon Produktionen mit einem Etat von 55 Millionen Dollar und könnte als Nächstes einen Film mit einem Etat von 500000 Dollar drehen.“

Mit acht Millionen Euro Herstellungskosten nimmt sich der „Sacher“-Zweiteiler vergleichsweise bescheiden aus. Dafür muss er den Vergleich standhalten mit dem „Adlon“ Film, der pro Folge mit über acht Millionen Zuschauern für beachtliche Einschaltquoten gesorgt hat. Damals wie heute war mit Rodica Doehnert dieselbe Drehbuchautorin am Werk, die das ganze soziale Spektrum von arm bis reich abzudecken weiß. Im „Sacher“ setzt sie in erster Linie auf starke Frauen, die sich in der Männerwelt be­haupten wollen. Da ist nicht nur das selbstbewusst zigarrenrauchende Bulldoggen-Frauchen Anna Sacher, sondern auch eine unter Pseudonym schreibende junge adelige Bestsellerautorin (Preuß) sowie eine Hamburgerin (Koschitz), die im Berliner Verlag ihres Mannes die Hosen anhat.

„Die Männer brauchen uns nur, wenn es ihnen passt“, sagt eine der Damen beinahe schon programmatisch im Film. Dass so manches ganz anders besser passen könnte, wird durch ein wahlverwandtschaftliches Verhältnis des Berliner und Wiener Paares deutlich: Es entwickelt sich eine kuriose „ménage à quatre“, die von den Frauen gesteuert wird.

Was das alles mit dem Hotel Sacher zu tun hat, ist nebensächlich. Das Haus könnte massenhaft tolldreiste Bettgeschichten erzählen. Doch hier zeigen si die Filmemacher rücksichtsvoll diskret, man will das Hotel ja nicht in Verruf bringen. Die Skandalszene, als Erzherzog Otto mit einer Mätresse über die Stränge schlägt, ist da regelrecht gewagt.

War es für Dornhelm ein Wagnis, für diesen Zweiteiler nach Europa zu kommen und auf prestigeträchtigere Hollywoodproduktionen zu verzichten? Nein, sagt er: „Wenn man in Hollywood eine Filmidee hat, dauert es ewig, um diese in die Tat umzusetzen. Erst muss man das Geld dafür auftreiben, dann die Schauspieler. Wenn die endlich zusammen Zeit für die Dreharbeiten haben, ist inzwischen die Finanzierung zusammengebrochen.“

Wer denkt, Los Angeles sei ein Traum für Filmemacher, der irrt offenbar. „Für Kino habe ich die Energie im Moment nicht, weil man so lange auf die Umsetzung warten muss“, sagt selbstkritisch der Mann, der so er­folgreiche Filme wie „Echo Park“, „Der Unfisch“ mit Maria Schrader oder „Anne Frank“ mit Ben Kingsley gedreht hat. „Im Übrigen ist die Einflussnahme der Produzenten in einem europäischen Fernsehprojekt geringer als in einem Kinofilm in den USA. Das gibt mir mehr Freiheiten“, sagt er.

Für Dornhelm war die Arbeit an „Sacher“ so etwas wie eine Er­holung. Es gab ein fertiges Drehbuch, die Finanzierung stand und die Schauspielerriege war be­stellt. Da brauchte er sich nur noch auf das zu konzentrieren, was er am besten kann: Filme zu machen.

Etwas Angenehmes brachten die Dreharbeiten für das „Sacher“ für alle Beteiligte auf jeden Fall mit sich. Zwischendurch gönnte man sich eine Sachertorte. Diese Belohnung hatte man sich verdient.     Harald Tews


Ästhetik der Maden
300. Todestag der Pionierin der Insektenkunde, Maria Sibylla Merian

Ein Insekt, igittigitt. Was be­sonders bei Frauen Brechreiz auslöst, das faszinierte Maria Sibylla Merian von Kindheit an. Zu ihrer Zeit, der Barock­zeit, wurden Insekten und Spinnen als „Teufelsgetier“ verschrien. Es scherte sie nicht. Sie sah sich die Tiere unter der Lupe an, hob Maden in Schachteln auf, fütterte Raupen, wartete ihre Metamor­phose bis zum Schmetterling ab und fertigte davon Zeichnungen und kolorierte Kupferstiche an, die in der Welt der Entomologie, der Insektenkunde als revolutionär galten. Ihre Zeichnungen, welche erstmals die vollständige Metamorphose der Insekten einschließlich deren Wirtspflanzen darstellen, sollten Schule machen. Viele spätere Illustratoren nahmen bei ihren bildlichen Detaildarstellungen von Flora und Fauna die Merian zum Vorbild. Ihr Konterfei zierte sogar einst den 500 D-Mark-Schein.

Wenn sich bis heute Menschen vor Insekten ekeln, liegt das auch daran, dass man bis ins 17. Jahrhundert hinein glaubte, die Tiere entstünden aus faulendem Dreck und Schlamm. Merian machte mit diesem Irrglauben Schluss. So erzählte sie, dass sie für eine Mahlzeit eine Lerche tötete und in deren Gefieder „17 dicke Ma­den“ entdeckte: „Diese Maden hatten keine Füß, und konnten sich doch fest an den Federn halten. Den andern Tags veränderten sie sich in dergleichen ganz braune Eier. Den 26. Augusti kamen so viel schöne grüne und blaue Fliegen heraus, welche ich große Mühe hatte zu fangen, dieweil sie so hurtig waren, ich bekame nur 5 darvon, die andern entflohen mir alle.“

Ihre Beobachtungen stach sie in Kupfer und veröffentlichte sie 1697 unter dem Titel „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“. Dieses nach einem „Blumenbuch“ zweite Werk der Merian gilt als Geburtsakt der modernen Insektenkunde, wurde aber seinerzeit von der Wissenschaft ignoriert, da es auf Deutsch und nicht in der damaligen Sprachen der Gelehrten, dem Latein, verfasst war. Doch die Zeichnungen sprachen für sich.

Ihr zeichnerisches Talent hatte sie von ihrem Vater Matthäus Merian, der mit seinen in Kupfer gestochenen Stadtansichten aus der Vogelperspektive seiner Zeit ebenfalls weit voraus war. Seine 1647 in Frankfurt am Main geborenen Tochter war für die damalige Zeit enorm emanzipiert. Sie trennte sich von ihrem gewalttätigen Ehemann, zog mit ihren beiden Töchtern zu Frömmlern nach Holland und reiste als 52-Jährige von Amsderdam aus in die nie­derländische Kolonie Surinam. Ihre Zeichnungen der dortigen Insektenwelt veröffentlichte sie in dem großformatigen Band „Metamorphosis insectorum Surinamensium“, an dem sogar Zar Peter der Große Gefallen fand. Anfang 1717 schickte er seinen schottischen Leibarzt los, damit er originale Kupferstiche der Merian er­werben sollte. Doch er kam zu spät: Am 13. Januar 1717 starb die Forscherin und Künstlerin nach einem Schlaganfall in Amsterdam, wo sie in einem Armengrab bestattet wurde.    H. Tews

Zum 300. Todestag dieser Pionierin der Entomologie ist von Barbara Beuys die Biografie „Maria Sibylla Merian: Künstlerin – Forscherin – Geschäftsfrau“ erschienen (Insel Verlag, 285 Seiten, 18,95 Euro). Bei WBG gibt es für 149 Euro (ab Februar: 199 Euro) in limitierter Auflage eine Faksimile-Ausgabe des Surinam-Buchs.


Der Dicke vom Dienst
Nie ohne Laurel – Vor 125 Jahren wurde Oliver Hardy geboren

Ohne seinen Filmpartner Stan Laurel wäre Oliver Hardy nur als eine Randfigur aus der Frühzeit des US-amerikanischen Kinos in Erinnerung geblieben, was umgekehrt genauso gilt. Zusammen aber wurden sie zu Ikonen der Filmwelt.

Bevor sie ihr ulkiges Gespann bildeten, hatte Hardy bereits in 270 und Laurel in 90 Stummfilmen mitgewirkt. Ihre grotesken Filmkomödien firmieren in den englischsprachigen Ländern un­ter dem Namen Laurel & Hardy, im deutschen Fernsehen als „Dick und Doof“. Zwischen 1927 und 1951 drehten sie hauptsächlich mit dem Regisseur Hal Roach 79 Kurz- und 27 Spielfilme, von denen viele zu Klassikern und Dauerbrennern in den Kinos und später im Fernsehen wurden. Selbst noch im Video-überfluteten 21. Jahrhundert lachen Jung und Alt Tränen über die Eskapaden der beiden Grimassen schneidenden Typen. 

Am 18. Januar 1892 wurde Oliver Norvell Hardy in Harlem, US-Bundesstaat Georgia, geboren. Noch bevor er ein Jahr alt war, starb sein Vater, ein Bürgerkriegsveteran. Hardy wuchs mit vier Geschwistern in Milledgeville, Georgia, auf, wo seine Mutter ein Hotel führte. Für die Hotelgäste aus dem Showgeschäft interessierte er sich wesentlich mehr als für die Schule. Er hatte einen schönen Knabensopran und unterhielt gern das Publikum im örtlichen Kino.

Als die Familie nach Atlanta zog, ermöglichte seine Mutter ihm Gesangsstunden am Konservatorium. 1910 wurde er Filmvorführer im Kino von Milledgeville und trat als Sänger in Varietévorstellungen auf. 1913/14 erhielt er in Jacksonville, Florida, seine ersten Engagements als Schauspieler in Stummfilmen. Seinerzeit blieb der Spitzname „Babe“ an ihm hängen, weil ein vergnügter italienischer Friseur „Nice-a-Ba-bee“ sang, als er den übergewichtigen jungen Mann vor dem Rasieren einschäumte.

Ab 1919 arbeitete er als Schauspieler in den verschiedenen Filmstudios in Südkalifornien. Im Studio von Hal Roach in Culver City traf Oliver Hardy mit dem Engländer Stan Laurel zusammen. Roach und der Produzent Leo McCarey kreierten das ungleiche Paar als Lachnummer unter dem Namen „The Boys“. Bei der Konzeption neuer Filme wirkte auch Laurel mit, während Hardy in seiner Freizeit am liebsten Golf spielte oder zu Pferderennen ging. Ab 1932 drehten sie abendfüllende Spielfilme, die ihnen umgehend große Erfolge in den USA und Europa bescherten.

Ollies Markenzeichen war neben der Melone sein schmeichelndes Lächeln und das verlegene Wedeln mit der Krawatte. Stan, der Fliege trug, grinste breit, wenn er die hochtrabenden Pläne seines korpulenten Freundes mal wieder aus Versehen durchkreuzt hatte. Dann bekam Ollie einen seiner berühmten Wutanfälle und Stan kraulte sich mit stierem Blick den Haarschopf.

Nach bewährtem Muster aus der Stummfilmzeit münden die „Dick-und-Doof“-Filme üblicherweise in ein zünftiges „Tit-for-Tat“. Gemeint ist ein Schlagabtausch mit einzelnen Vergeltungsschlägen, den sich zwei Kontrahenten mit steigendem Wutpegel liefern. Immer mehr Unbeteiligte mi­schen sich ein, bis schließlich das gesamte Mobiliar einer Gaststube zu Bruch gegangen ist.

Hardy starb am 7. August 1957. Er war drei Mal verheiratet und hinterließ keine Kinder.              D.J.


S. 10 Geschichte & Preussen

Die »Hottentotten« mobilisierten die Deutschen
Rekordbeteiligung von 84,7 Prozent bei den vorgezogenen Wahlen zum zwölften Deutschen Reichstag vom 25. Januar 1907

Vor 110 Jahren fanden in Deutschland vorgezogene Reichstagswahlen statt: die sogenannten Hottentottenwahlen. Auslöser hierfür war die Weigerung der Abgeordneten von SPD und Zentrumspartei, einem Nachtragshaushalt zuzustimmen, der die Finanzierung der Niederschlagung des Aufstands der Nama in Deutsch-Südwestafrika ermöglichen sollte.

„Hottentotten“, also „Stotterer“, nannten die holländischen Siedler, die im 17. Jahrhundert im afrikanischen Süden Fuß fassten, die Angehörigen der Völkerfamilie der Khoikhoi wegen ihrer merkwürdigen Schnalz- und Klicksprache. Diesen Begriff übernahmen die Behörden im deutschen Schutzgebiet Südwestafrika für die dort lebenden Nama. Letztere kooperierten zunächst mit der Kolonialmacht, wofür Oberhäuptling Hendrik Witbooi unter anderem eine Jahresrente von 2000 Mark erhielt. Das hinderte ihn freilich nicht daran, am 3. Oktober 1904 den eigenhändig unterzeichneten Schutzvertrag zu kündigen. Hierzu ermutigte ihn zum einen, dass die kaiserliche Schutztruppe immer noch mit der Liquidierung des Herero-Aufstands beschäftigt war, zum anderen stand er wohl unter dem Einfluss des dubiosen Propheten Shepherd Stuurman, der ein rein afrikanisches Christentum ohne europäische Einflüsse predigte. Jedenfalls massakrierten die Nama tags darauf den Missionar Ludwig Holzapfel und anschließend noch weitere 40 Zivilisten, darunter mehrere Frauen und Kinder.

Damit war die Schutztruppe gezwungen, nun auch gegen die Nama militärisch vorzugehen, um deren mörderischem Treiben Einhalt zu gebieten. Allerdings kämpften die „Hottentotten“ taktisch sehr viel klüger als die Herero, mit denen sie früher endlose Scharmützel um Land und Vieh ausgetragen hatten. Infolgedessen entspann sich ein zäher Guerillakrieg. 1906 war die Niederschlagung der Rebellion noch nicht vollendet, obwohl Witbooi inzwischen eliminiert und die Schutztruppe personell aufgestockt worden war. Das zwang die Regierung in Berlin dazu, am 2. August einen Nachtragshaushalt im Reichstag in Höhe von 29 Millionen Mark zu beantragen, wobei ein Teil des Geldes in den Ausbau der strategisch, aber auch wirtschaftlichen wichtigen Eisenbahnstrecke von Lüderitzbucht nach Keetmanshoop fließen sollte.

Für die SPD bot der Antrag Anlass, die wie es hieß „unmenschliche“ Kriegführung der Schutztruppe sowie die deutsche Kolonialpolitik insgesamt anzuprangern und die „Hottentotten“ mit den germanischen Cheruskern unter Arminius zu vergleichen, die vor 1900 Jahren auf die Legionen der Römer losgegangen waren. In die gleiche Richtung lief die – wenn auch nicht ganz so schrille – Argumentation der Zentrumspartei, was auf Seiten der Sozialdemokraten lebhaften Beifall fand.

Und so kam es, wie es kommen musste. Als der Antrag der Reichsregierung am 13. Dezember 1906 zur Abstimmung gelangte, votierten 177 Abgeordnete von Zentrumspartei und SPD sowie der polnischen Fraktion gegen den Nachtragshaushalt und nur 168 aus den Reihen der Konservativen, Liberalen und sonstigen Parteien dafür, was der Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, am 22. Dezember in der „Deutschen Kolonialzeitung“ mit folgenden Worten quittierte: „Die Mehrheit der bisherigen Volksvertreter hat versagt da, wo nationale Ehre und einfachste Pflicht gegenüber unseren in harten Kämpfen ihr Blut und Leben für des Reiches Wohlfahrt opfernden südwestafrikanischen Truppen einstimmige Annahme der Regierungsvorlage erheischten … Mit dem ablehnenden Beschluss sollten unsere tapferen Krieger dort draußen gezwungen werden, vor den wilden räuberischen Hottentotten das Feld zu räumen.“

Das war aber keine Option für Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow und Kaiser Wilhelm II. Deshalb verfügte der Monarch noch am selben Tag im Einvernehmen mit Bülow die Auflösung des Reichstags und Neuwahlen. Allerdings ging es den beiden nicht nur um die Durchsetzung des Nachtragshaushalts. Vielmehr sahen sie darin gleichfalls eine günstige Gelegenheit, das schon seit einiger Zeit als „national unzuverlässig“ geltende Zentrum sowie die SPD zu schwächen und eine neue antisozialistische und antiklerikale Mehrheit zu schaffen: den sogenannten Bülow-Block. Dieser vereinte die konservativen und liberalen Kräfte – und zwar unter Einschluss der Linksliberalen, was seinerzeit als Novum galt.

Der Wahlkampf war kurz, aber hart, was offenkundig die Bürger mobilisierte. So schnellte die Wahlbeteiligung von um die 76 Prozent 1903 auf 84,7 Prozent hoch, den bis dahin höchsten Wert, der erst wieder 1912 erreicht wurde. Besonders heftig attackierten die Bülow-Unterstützer in dem vorausgegangenen Wahlkampf die Sozialdemokraten. So hieß es in einem von deren Flugblättern: „Da die Führer der Sozialdemokraten nur Hass schüren können, kümmern sie sich nicht um die Werte und die Güter, die unsere Mitbürger dort in Afrika opfern, nicht um die Gesundheit und das Leben unserer deutschen Soldaten in Afrika, nicht um die deutsche Ehre. Sie wollen der Regierung nicht die Mittel bewilligen, den Kampf fortzusetzen, und sie stellen sich mit den Hottentotten und Hereros gegen ihr Vaterland.“

Zwar errang diese Partei bei den Wahlen zum 12. Deutschen Reichstag vom 25. Januar 1907 trotzdem erneut die relative Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, doch rutschte sie gegenüber der vorangegangenen Reichstagswahl von 1903 um 2,8 Prozentpunkte auf 28,9 Prozent ab. Das reichte nur noch für 43 statt der bisherigen 81 Mandate. Somit war der seit 1887 anhaltende Aufwärtstrend der Sozialdemokraten gestoppt. Dahingegen gelang es dem Zentrum, trotz eines Verlusts von 0,3 Prozentpunkten weitere fünf Sitze hinzugewinnen. Der größte Gewinner war jedoch der Bülow-Block. Der stellte nun 220 von 397 Abgeordneten.

Angesichts dieser komfortablen Mehrheit stand der baldigen Verabschiedung des Nachtragshaushalts und der Finanzierung der endgültigen Niederschlagung der Nama-Rebellion nichts mehr im Wege. Bereits am 31. März 1907 konnte die Reichsregierung das offizielle Ende des Kriegszustandes in Deutsch-Südwestafrika proklamieren, obgleich die Banden von Jakobus Morenga, Simon Kooper und Abraham Rohlfs nach wie vor durch das Schutzgebiet marodierten und die Siedler in Angst und Schrecken versetzten. Die Ausschaltung dieser drei Terrorgruppen zog sich noch bis Anfang 1909 hin. Dann war Morenga tot – erschossen von der Polizei der britischen Kappkolonie während der Versuchs, die Grenze dorthin zu überschreiten, während Kooper in Britisch-Betschuanaland festsaß, wo er zwar Asyl erhielt, aber quasi unter Hausarrest stand. Und Rohlfs, der ebenfalls in der Nachbarkolonie unterkommen wollte, wurde von den Engländern ausgeliefert und nach kurzem Prozess gehängt.        Wolfgang Kaufmann


Erfolg in Serie
Vor 60 Jahren stellte die Bundeswehr das Mehrzweckflugzeug Dornier Do 27 in Dienst

Mit der eher unscheinbaren Dornier Do 27 begann nach dem Zweiten Weltkrieg wieder der Serienbau von Flugzeugen in Deutschland. Die erste Maschine flog am 17. Oktober 1956, und Anfang Januar 1957 übernahm die gerade gegründete Bundeswehr die ersten Flugzeuge.

Die Do 27 war als militärischer Nahaufklärer und als Kurier- und Verbindungsflugzeug entworfen worden. Sie beruht auf der von Dornier in Spanien für die spanischen Streitkräfte konstruierten Do 25. Weil die Luftfahrt in Deutschland durch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs noch stark eingeschränkt war, hatte Dornier seinen Firmensitz nach Spanien verlegt. Die erste Do 25 machte am 25. Juni 1954 in Sevilla ihren Jungfernflug und wurde von der spanischen Luftwaffe gründlich getestet. Beim spanischen Luftfahrtunternehmen CASA entstanden bis 1956 noch zwei weitere Maschinen, aber zu einem Serienbau kam es nicht. Claudius Dornier entwickelte das Flugzeug weiter zur Dornier Do 27. Die erhielt einen stärkeren, 276 PS leistenden Lycoming-Motor; außerdem wies sie einen anderen Flügel, ein vergrößertes Seitenleitwerk, andere Türen und Ruder sowie ein höheres Abfluggewicht auf. Die Do 27 zeichnete sich durch hervorragende Kurzstart- und Landeeigenschaften aus.

Im Februar 1956 bestellte die Bundeswehr 469 Flugzeuge für alle drei Teilstreitkräfte, kürzte den Auftrag allerdings im folgenden Jahr auf 428 Maschinen. Die Schweiz gab sieben Flugzeuge in Auftrag. Den weitaus größten Teil der Flugzeuge übernahmen die Heeresflieger und nutzten sie als Nahaufklärer, Trainer, Kurierflugzeug und als Bedarfstrans-porter sowie als Absetzmaschine in der Ausbildung von Fallschirmjägern. Auch fast alle fliegenden Verbände der Luftwaffe flogen den kleinen, kurzstartfähigen Hochdecker. Er flog in den Luftrettungsstaffeln und speziellen Verbindungsstaffeln, als Kurierflugzeug in den Jet- und Transportgeschwadern sowie als Schulflugzeug bei der Flugzeugführerschule „S“. Eine kleine Zahl von Do 27 diente bei den Marinefliegern als Verbindungsflugzeug. Von den 428 Bundeswehr-Maschinen wurden 322 Stück der A-Version und 106 Stück der B-Version mit Doppelsteuerung hergestellt. Die Do 27A konnte ohne Probleme mit einem Doppelsteuer ausgerüstet werden; allerdings ließ sich die Instrumentierung nicht verändern.

Bis zum Ende der Produktion 1965 verließen 627 Flugzeuge die Werkhallen bei Dornier in Oberpfaffenhofen sowie die spanische Produktionslinie bei CASA im spanischen Sevilla, wo eine kleine Serie von 50 Maschinen gefertigt worden war. In dieser Zahl sind die beiden Do 25-Prototypen und eine 1976 neu gebaute Einzelmaschine enthalten. Neben Deutschland und Spanien nutzten auch die Schweiz, Schweden und Israel die Do 27.

Die deutschen Heeresflieger verfügten zunächst über fast so viele Do 27 wie Alouette II-Hubschrauber. Aber schon in den ersten Einsatzjahren erwies sich der Hubschrauber als wesentlich geeigneter für die Aufgaben der Heeresflieger. Also zog das Heer die Flugzeuge schon ab 1964 wieder langsam aus dem Einsatz. Bis 1968 hatte sich der Bestand hal-biert. Die Luftwaffe tat sich mit den ihr zugewiesenen Maschinen von Anfang an schwer. Sie kamen in die damals neu aufgestellten Luftrettungsstaffeln, obwohl sich die Verantwortlichen von Anfang an für Hubschrauber als Einsatzmuster ausgesprochen hatten. Als dann erst Hubschrauber vom Typ Bristol „Sycamore“, dann Sikorsky H-34 zur Verfügung standen, wurden die Flugzeuge nach und nach durch Hubschrauber ersetzt. Bei der Flugzeugführerschule „S“ flogen Do 27 in einer eigenen Staffel zur Typenschulung für die gesamte Bundeswehr.

Ende der 69er Jahre begann dann die größere und zweimotorige Do 28, das kleinere Kurzstartflugzeug als Kurierflugzeug und Bedarfstransporter abzulösen. Die Do 27 blieb bei den Sportfluggruppen der Bundeswehr im Einsatz, obwohl ihre Zahl kontinuierlich abnahm. In den Sportfluggruppen konnten Bundeswehrangehörige Sportfliegerei und Fallschirmsport betreiben. Mit deren Auflösung kam auch das endgültige Aus für die Do 27. 1980 wurde das letzte Flugzeug ausgemustert.

Trotzdem blieb das robuste Flugzeug der Fliegerei erhalten. Bis heute fliegen in Deutschland und in Europa zahlreiche Do’s als Sportflugzeuge. Traurige Berühmtheit erlangte das erste Flugzeug aus der zivilen Produktion. Mit der D-ENTE in Zebrabemalung erkundeten der Tierfilmer Bernhard Grzimek und sein Sohn Michael die Wildnis Ostafrikas. So entstand der Film „Serengeti darf nicht sterben“. Bei den Filmarbeiten verunglückte Michael Grzimek am 10. Januar 1959 tödlich, als er im Flug mit einem Altweltgeier zusammenstieß und  aus 200 Metern Höhe abstürzte. Die Überreste des Flugzeugs sind heute im Deutschen Museum für Verkehr und Technik in Berlin ausgestellt.

Bei der Lufthansa Berlin-Stiftung fliegt eine Do 27 mit der Zulassung D-EDNU. Sie dient zur Umschulung von Piloten auf die auch der Lufthansa Berlin-Stiftung gehörende Ju 52 D-AQUI. Auf der Do 27 lernen Piloten, wie man ein Spornradflugzeug sicher landet, bevor sie auf die Ju 52 wechseln dürfen.            Friedrich List


S. 11 Geschichte & Preussen

»Nichtstun ist Mord – Schweigen ist Selbstmord«
Flugblätterraketen und -ballons, gefälschte Briefmarken und Unterlagen: Der illegale Widerstand in der DDR war erfindungsreich

Nur drei Jahre nach Kriegsende formierte sich Widerstand gegen das Sowjet-Regime in Deutschland. Besonders die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ ent­wickelte effektive Methoden, im Geheimen zu agieren. Die Infiltrierung mit Stasi-Spitzeln und Druck aus West-Berlin führten zur Auflösung der Gruppe.

Es waren lediglich drei Jahre nach Kriegsende vergangen, als in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands missliebige Menschen verschwanden und in teilweise dieselben KZ-Lagern wie vor 1945 verschwanden, es eine fast gleichgeschaltete Presse gab, die SED-Staatspartei nahezu alles beherrschte und unter diesen Umständen eine echte Opposition kaum noch möglich erschien. Es war die Zeit der Berliner Blockade mit all ihren Schikanen gegen den freien Teil der Hauptstadt.  Zwei Jahre später kam der Korea-Krieg, und nicht nur im geteilten Deutschland wurde Ähnliches gefürchtet.

In dieser Welt bildete sich im November 1948 die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU). Unter dem Motto „Nichtstun ist Mord – Schweigen ist Selbstmord“ war es ihr Ziel, systematisch Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ostzone zu verfolgen und in der Weltöffentlichkeit anzuprangern. Die Leiter der KgU, Rainer Hildebrandt und später Ernst Tillich, waren in der NS-Zeit inhaftiert gewesen und zogen auch hieraus die Legiti­mation, der neuen Diktatur Widerstand entgegenzusetzen. Anfangs entstand nur ein bloßer Suchdienst nach politischen Häftlingen, dessen Kartei zuletzt 130000 Schicksale umfasste. In der KgU-Zentrale in West Berlin waren zeitweilig bis zu 80 Personen hauptamtlich beschäftigt, wo bald ein besonderer Flüchtlingsdienst entstand, der jeden Geflohenen befragte und man dabei gerade Spitzel und erste Spione des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit zu enttarnen versuchte. Als dann die Kasernierte Volkspolizei die militärische Ausbildung ebenfalls mit schweren Waffen begann, schuf man auch eine Beratungsstelle für Volkspolizisten. Bis Ende 1954 waren es 10467 solcher Besucher.

Unter dem ständig wachsenden Druck des DDR-Systems bildete sich dann der illegale, also heimliche Widerstand trotz aller damit verbundenen Gefahren. Hilde­brandt sprach gegenüber dem Verfasser von 7000 Mitarbeitern. Die heute von Historikern, welche nie Kontakt zur KgU hatten, angegebene Zahl von 600 wird von dem, der den politischen Untergrund in jenen Jahren miterlebte, scharf verneint. Es waren gerade junge Menschen, die während der letzten Kriegsmonate mit ihren 14 bis 16 Jahren noch an die Front geworfen wurden und bei ihren hohen Verlusten vom „Dritten Reich“ tief enttäuscht waren, sich nunmehr nach wahrer Demokratie sehnten und jetzt eine SED-Diktatur erleben mussten. Viele suchten Kontakt zur „Kampfgruppe“. Hier forderte man die Zonen-Bevölkerung auf, überall den Buchstaben „F“ als Symbol der Freiheit zu malen. Auf der 1. Mai-Feier in Ost-Berlin 1951 flatterten tausenden kleine Flugzettel vom Himmel, welche die SED als „Stalins ergebenster Diener“ titulierte, die nur „Sorgen, Elend, Diktatur“ bringen würden. Viele Flugblätter mahnten „Tue nichts, was dem Gegner nützt! Informiere Dich selbst und bewahre damit die Fähigkeit des unabhängigen Denkens! Schlage den Gegner mit seinen eigenen Waffen, lerne seine Sprache und seine Arbeitsweise!“ Immer wieder hieß es: „Seid Träger der Wahrheit, indem Ihr westliche Nachrichten anonym weitergebt. Helft den Verfolgten. Ächtet die SED, boykottiert die östliche Propaganda.  Niemand mache sich zum Handlanger des Terrors“.

Während der späteren Jahre gab die Organisation besondere Klein-Zeitungen auf Dünndruckpapier in Doppelgröße eines normalen Briefes heraus, so etwa für die Betriebskampfgruppen „Der Kämpfer“, für die DDR-Jugend „Die junge Stimme“ und für die Intelligenz „Geist und Leben“. Die Gesamtauflage betrug 200000. Andere Schriften waren in ihren Titelseiten DDR-Veröffentlichungen nachgeahmt wie etwa „Gedichte von Heine, 1848“ und enthielt George Orwells’ „1984“. Ähnlich getarnt wurden die Geheimrede Chruschtschows mit der Verdammung Stalins sowie das Buch von Arthur Koestler „Sonnenfinsternis“ in die DDR geschleust.

Während der Anfangsjahre holten sich viele DDR-Bewohner die Flugblätter kofferweise bei der KgU-Zentrale ab und verteilten sie dann nachts in ihren Wohnorten. Oft waren es auch Briefumschläge mit gefälschten Absendern von Ministerien Ost-Berlins und deren ebenfalls nachgedruckten Dienstmarken – diese wurden praktisch nicht zensiert. Das Postwertzeichen des Staatspräsidenten Pieck trug nicht selten statt einer Krawatte einen Strick um den Hals und außerdem die Inschrift „Undeutsche Undemokratische Diktatur“. Beliebt bei großen Aufmärschen war der Einsatz von Flugblatt-Raketen, die knapp einen Meter lang und mit einer Art Zeitzünder versehen waren; nach wenigen Minuten leisen Fliegens wurde vorn eine Kapsel herausgeschleudert und in weiterer Folge – je nach Größe – 100 bis 500 Flugblätter ausgestreut.

Angesichts der immer stärker werdenden Kontrollen um West-Berlin ging die KgU 1952 zum Gebrauch großer Luftballons über: Mit Wasserstoff gefüllt und mit einem Durchmesser von rund einem Meter erreichten sie eine Höhe bis zu 3000 Metern. Mehrere Säurelunten ließen die bis zu 10000 Flugblätter zu einem in etwa bestimmbaren Zeitpunkt auslösen und dann einzeln aus den Wolken fallen. Durch genaue Erfassung der Windstärken konnte man das Gebiet des Abwurfs auf rund 15 Kilometer bestimmen. Die Zeit solcher Ballonflüge bis in die entferntesten DDR-Gebiete belief sich auf fünf Stunden. Hatten 1953 „nur“ 10,4 Millionen dieser papierenen Botschaften den Eisernen Vorhang durchbrochen, steigerte sich ihre Zahl bis 1957 auf über 100 Millionen. Nach Unterlagen der Stasi fielen ihr damals lediglich 589502 dieser „Hetzschriften“ in die Hände, also nur annähernd jedes 200. Flugblatt.

Wohl am gefährlichsten für Ost-Berlin waren die „administrativen Störungen“: Selten erhielten SED-Funktionäre „Einladungen zu Staatspräsident Pieck“ oder einer  „sehr wichtigen Tagung“ oder auch zu einem „Erholungsurlaub auf Rügen“. Versprochen wurde stets die Erstattung der Fahrtkosten am Ankunftsort, wo man natürlich nichts wusste und auch nichts zahlte. Dann kritisierten Flugblätter eines ebenfalls gefälschten „Lenin-Zirkel der SED“    von radikal-kommunistischen Alt-Funktionären des Partei-Politbüros, welches mit seiner „ideologischen Hilflosigkeit dem verlogenen Gestammel der SPD“ entgegenkomme und so „die kommunistische Revolution verrate“. Genauso gefälscht war ein Aufruf des „Demokratischen Frauenbundes“, der vielen Funktionären Korruption vorwarf. Ostern 1951 erhielten die Filialen der HO (staatliche Läden mit Mangelwaren zu sehr erhöhten Preisen) Briefe des Ministeriums für Handel und Versorgung der DDR mit der Anordnung, neue beträchtliche Preissenkungen durchzuführen. Beigelegt waren Flugblätter der „Zentralen Leitung der HO“, die an die Be­völkerung zu verteilen seien. Alles war eine Fälschungs-Aktion der „Kampfgruppe“. Die SED aber war gezwungen, sie hinzunehmen, da man eine solche Blamage nicht eingestehen konnte. Mehrfach bekamen Haftanstalten die Anweisung vom Generalstaatsanwalt der DDR, „auf persönliche Anweisung des Staatspräsidenten der DDR“ bestimmte KgU-Häftlinge zu entlassen. Das Papier war echt, die „Anweisung“ stammte von einem Juristen aus Leipzig, der Mitarbeiter der KgU war.

Bei dem gewiss größten Schlag erhielten im April 1954 viele Firmen im Westen – von der Türkei bis Argentinien –, welche die DDR-Rüstungsindustrie belieferten,  Kündigungsschreiben der Lieferverträge. Wegen „Devisenschwierigkeiten und notwendigen Produktionsumstellungen“ könne man leider die Verpflichtungen nicht einhalten. Kopfbogen, Kennziffern, Inhalt, Stempel und Unterschriften waren gefälscht.    Nach einer von der Stasi erstellten Grafik verbreitete die KgU  1953 zirka 500, 1954 rund 2210 und 1955 etwa 3600 Fälschungen. Das SED-Zentralorgan vom 25. Dezember 1954 konnte dann auch nur allen Funktionären empfehlen, „bei Telefon­gesprächen und Schreiben sich bei den vorgesetzten Dienststellen zu vergewissern, ob und welche Anweisungen von dort tatsächlich erfolgten“. Ein eindeutiges Eingeständnis erzeugter Verwirrung.

In der Tat zählte die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ zu den härtesten Widersachern des Regimes. Übersehen darf man dabei allerdings nicht den häufigen Leichtsinn und Dilettantismus der Zentrale im Umgang mit ihren Gruppen in der DDR. Ohne praktische Anleitungen und Erfahrungen im Untergrund sowie besonders in großer Unterschätzung der Stasi und des KGB wurden bei den damals zumeist folterhaften Verhören des ersten Verdächtigten auch die Namen der anderen Mitglieder der Widerstandsgruppe bekannt und dann alle festgenommen – gleichgültig, ob tatsächlich eine Verbindung zur KgU in lockerer oder festerer Art bestand. Zudem gelang es der Stasi, einige ihrer Mitglieder in die Zentrale der KgU einzuschleusen, deren dort erworbenes Wissen zu etlichen Verhaftungen in der DDR führte. Stets wurden diese in der SED-Presse als „Saboteure“ oder „Kriminelle“ hingestellt. Äußerst drakonische Gerichtsurteile, die auch der allgemeinen Abschreckung dienen sollten, führten bis zu Todesurteilen.

Bei der Widerstandsgruppe in Werder etwa büßten acht Jugendliche mit ihrem Leben; die jüngste Verurteilte war erst 15 Jahre lat. In Moskau wurden 131 KgU-Mitglieder vom KGB erschossen. Doch selbst in den DDR-Gerichtsakten gibt es keinen einzigen Beweis dafür, dass diese irgendwelche Objekte in der DDR „gesprengt“ oder „Sabotage“ begangen hätten; stets wurde nur von einer „Planung“ oder einem „Versuch“ gesprochen, den der Staatssicherheitsdienst indes stets „verhindert“ habe. Es gab indes einige rätselhafte Fälle, die von jenen Provokateuren der Stasi innerhalb der KgU-Zentrale stammten, die „im Auftrag der KgU“ nichtsahnenden Widerstandsgruppen Sabotage abverlangten und die späterhin in der Presse als „Terror-Kriminelle“ diffamiert wurden. Selbst in West-Berlin, wo nach der Blockade der Frontstadt-Geist verschwand, konnte man sich trotz aller Erfahrungen mit der NS-Zeit nicht vorstellen, dass in der DDR Menschen aus rein politischen Motiven zum Tode verurteilt wurden. Das von Ost-Berlin massiv gezeichnete Bild einer moralisch verkommenen Terrororganisation begann zu wirken. Im Interesse der (vermeintlichen) Beendigung des Kalten Krieges und im Zeichen des Friedens und der politischen Ruhe mit dem Osten wurde die KgU im März 1959 auf Druck des West-Berliner Senats und des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen aufgelöst. Es kam, wie die SED-Propaganda es stets prophezeit hatte, indes nicht echter Frieden. Es entstand zwei Jahre später vielmehr Friedhofsruhe – in Form der Berliner Mauer. F.-W. Schlomann


S. 12 Leserforum

Leserforum

Kreuzigung im Namen Allahs

Zu: Vorsicht, Unruhestifter (Nr. 51)

Im „Wochenrückblick“ ist von der „vielfach belegten Wahrheit“ die Rede, wonach der IS gezielt Christen abschlachtet. Dieser eine Satz hat mich elektrisiert. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation „Alliance Defending Freedom“ (Allianz zur Verteidigung der Freiheit) hinweisen, welche eine ausführliche Dokumentation erarbeitet hat. In ihr fordert sie die Vereinten Nationen auf, die weltweit belegte Christenverfolgung mit allen ihren Gräueltaten als „Völkermord“ anzuerkennen und zu bezeichnen. Natürlich werden die 57 Vertreter islamischer Staaten bei der Uno alles daransetzen, um diese Bezeichnung zu verhindern.

Wenn die PAZ vom Abschlachten der Christen schreibt, so meint sie mit Sicherheit auch die gerade in den letzten Monaten erfolgten Kreuzigungen vieler Christen. Gern spricht man von den Tätern als blutrünstigen Terroristen des IS. Es muss jedoch deutlich gesagt werden, dass sie sich auf ihren Gott Allah berufen können, der in Sure 5,33 den Auftrag erteilt, Unruhestifter und Gegner Allahs zu kreuzigen sowie ihre Hände und Füße kreuzweise abzuhacken.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Kalif des Islamischen Staats, Abu Bakr al-Bagdadi, keine abartige Bestie ist, sondern ein promovierter Islamtheologe der Universität Bagdad. Augenzeugen der obengenannten „Alliance Defending Freedom“ berichteten, dass IS-Schergen ihren christlichen Opfern sagten: „Wir werden dich kreuzigen wie den Hund Jesus Christus.“

Offensichtlich forderten sie auch ihre Opfer auf, sich zu Allah zu bekehren. Da die Christen jedoch ihrem Glauben an Jesus nicht abschworen, sagten die Mörder zu ihnen: „Wenn du Jesus so liebst, wirst du auch sterben wie Jesus.“

Wilfried Puhl-Schmidt, Kehl am Rhein

 

 

USA schützen uns

Zu: Wie souverän ist Deutschland wirklich? (Nr. 52)

Ich hoffe, dass Deutschland noch nicht zu 100 Prozent souverän ist und dass die US-Stützpunkte vor der deutschen Tendenzjustiz geschützt sind. An den USA gibt es bestimmt genug zu kritisieren, aber sie haben bis jetzt mir und Zigmillionen anderen Menschen ein Leben in Frieden und Freiheit ermöglicht.

Auch bin ich der festen Überzeugung, dass es sich nicht um Drohnenmorde handelt, wie im Artikel behauptet, sondern um einen Akt der Selbstverteidigung in einem von islamischen Religionswahnsinnigen geführten Krieg gegen die gesamte nichtislamische Welt. Die Mitglieder aller bewaffneten islamischen Organisationen (IS, Hamas, Al Kaida) führen Krieg gegen den Westen und töten insbesondere Zivilisten. Es sind ausnahmslos Kriegsverbrecher.

In einem Krieg werden Feinde nun mal vernichtet und nicht verhaftet. Sollen die USA, etwa wenn sie einen Kriegsverbrecher gefunden haben, einen FBI-Agenten einfliegen und den Verbrecher dann nach Verlesen seiner Rechte festnehmen? Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Drohnenangriff auf einen Massenmörder, bei dem versehentlich Zivilisten sterben, und  einem Terrorangriff auf die Zivilbevölkerung mit Hunderten oder gar Tausenden von Toten.

Die USA tun wenigstens etwas, was unsere Regierung nicht tut: nämlich mich so gut wie möglich zu schützen.

Ralf Kulbrock, Bielefeld

 

 

Warum nicht gleich auf Englisch?

Zu: „Dem Deutschen Volke“ (Nr. 51)

Wie es zur endgültigen Textfassung des jetzt (noch?) vorhandenen Sinnspruchs auf dem Querbalken an der Westfront des Reichstagsgebäudes zunächst der Beurteilung mehrerer Vorschläge bedurfte, so wurde auch – was heute wohl weniger von Interesse ist – um die richtige Schriftart für die Auf- beziehungsweise Inschrift gestritten. Unter anderem war auch der „Ausschmückungsausschuß des Reichstages“ damit beschäftigt.

Dieser Ausschuss ist etwa vergleichbar einem Gremium des heutigen Parlaments, dem „Kunstbeirat“, der sich 1998 mit der künstlerischen Gestaltung des nördlichen Lichthofs im Reichstagsgebäude befasste. Man entschied sich 1999 für die Realisierung des Projektvorschlages „Der Bevölkerung“ des Künstlers Hans Haacke.

In einem 21 mal 7 Meter großen Kasten konnten Bundestagsabgeordnete aus ihrem Wahlkreis einen Sack voll Erde um die aus allen Etagen des Gebäudes zu lesenden Wörter „Der Bevölkerung“ verteilen. Schon auf einem Foto von 2008 ist die Schrift, durch

– gewollten? – ungepflegten Pflanzenbewuchs kaum noch zu lesen. Weil der Begriff „Volk“ bei den richtig Gebildeten schon etwas verpönt ist und Ende des vorigen Jahrhunderts um die zehn Prozent der Bewohner Deutschlands keine deutschen Staatsbürger waren, wählte Haacke bewusst „Bevölkerung“.

Aus neueren deutschen Wörterbüchern: „Volk“ – Durch gemeinsame Sprache und Kultur verbundene, größere Gemeinschaft von Menschen. „Bevölkerung“ – Gesamtheit der Einwohner (eines Gebietes). „Bevölkerungspolitik“ – Eine Politik, die die Größe und Zusam­mensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen sucht.

Letzteres war vielleicht auch bei der von unserer Bundeskanzlerin zu verantwortenden Flüchtlingsaufnahme mit im Spiel. Das wurde aber durch die professionell propagierte Willkommenskultur in den Hintergrund gestellt.

Wenn die Bewohner eines Landes oder Staates ein Durcheinander von Menschen mit verschiedenen Herkünften, Sprachen, Religionen, unterschiedlichem Rechts- und Ordnungsempfinden sind, dann sind sie kein Volk mehr, sie sind Bevölkerung.

Der Trend geht in diese Richtung, wohl auch für Deutschland. Vielleicht muss der Sinnspruch auf dem Architrav, der auf den sechs hervorstehenden Säulen am Reichstagsgebäude ruht, demnächst gegen einen der Wirklichkeit entsprechenden ausgetauscht werden. Dann bitte aber auch gleich in Englisch! Ich versuche es mal: „For the Happy Multi-Kulti People“.

Emil Wilms, Krefeld

 

 

Luftverpester

Zu: Bahn vor radikalem Sparkurs (Nr. 51)

Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel, der in dieser offenen Aussage in keinem der „gelenkten Presseorgane“ erschienen wäre. Allerdings möchte ich anmerken, dass auch die unmittelbaren Folgen der Sparmaßnahmen – man könnte es auch als „gezielte Leistungsreduzierungen bei gleichen Kosten“ nennen – deutlicher herausgearbeitet werden sollten.

Vor einem Jahr erschienen im „Tagesspiegel“ und in der „Morgenpost“ Artikel, in denen die bösen Autofahrer, darunter insbesondere die Nutzer von Dieselfahrzeugen, als potenzielle Umweltverschmutzer diffamiert wurden. Ich habe daraufhin die Verursacher der Artikel, nämlich Greenpeace, Grüne und auch das Umweltministerium angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die zunehmende Luftverschmutzung durch deutliche Reduzierungen der Bahn-Gütertransporte und deren Verlagerung auf die Straße eigentlich durch den Staat und seine Mitverantwortung in seiner Funktion als Gesellschafter der Bahn hausgemacht ist.

Geantwortet hat lediglich Greenpeace mit einem lapidaren Brief. Ich denke, dass dieses Thema noch einmal mit den aktuellen Daten (Reduzierung der Bahntransporte/Zunahme des Güterverkehrs auf der Straße) für 2015 ergänzt und im Detail beschrieben werden sollte, zumal der Staat als Miteigentümer der Bahn eine große Verantwortung trägt.

Ich wünsche Ihnen für 2017 viel Erfolg und eine weitere stetige Zunahme an Interessenten für Ihre Zeitung, die gerade in dieser Zeit der „gelenkten Meinungsbildung“ durch die linke Tagespresse an Wertigkeit gewinnt. Mit Ihrer sachlich richtigen und fundierten Berichterstattung treffen Sie den Nerv der verantwortlichen abgehobenen Politiker und spiegeln die reale „Meinung im Volk“. Für Ihren Mut und Ihr Engagement möchte ich Ihnen meinen Dank aussprechen. Macht weiter so, wir brauchen euch!

Egon Ehrle, Schöneiche


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Auf Silvesterfeier folgt Neujahrskater
Großer Weihnachtsmarkt um den Königsberger Dom – Stadt kürzt Familien und Rentnern Leistungen

Das neue Jahr hat den Menschen im Königsberger Gebiet neben den üblichen groß angelegten Feierlichkeiten auch eine Reihe von Einschränkungen beschert, die vor allem Rentner und Familien mit Kindern betreffen.

Rund um den Königsberger Dom gab es zum Jahresende für fünf Tage einen bunten Markt, der  viele Tausende Menschen angelockt hat. Am Eingang begrüßte der Nussknacker, eine bekannte Figur E.T.A. Hoffmanns, die Besucher. Auf dem Weihnachtsmarkt gab es ein reichhaltiges Sortiment an Speisen. Neben Süßigkeiten und herzhaften Fleischgerichten erfreuten sich besonders Hamburger großer Beliebtheit, die vor Ort hergestellt wurden

Erstaunlich ist, dass der Weih-nachtsmarkt bereits am 25. Dezember, wie in Deutschland, wieder geschlossen wurde, obwohl Weihnachten in Russland erst am 6. Januar beginnt. Insgesamt war auf dem Markt eine westeuropäische Atmosphäre zu spüren: Es erklangen bekannte amerikanische Weihnachtsmelodien, und den Eingang zierten die englischen Worte „Street Food“ (Straßenessen). Neben dem traditionellen Glühwein wurden dieselben Süßigkeiten und Imbisswaren wie auf jedem anderen europäischen Weihnachtsmarkt angeboten. Die Mauern des Doms verliehen dem Ganzen ein mittelalterliches Kolorit einer westeuropäischen Stadt.

Die offizielle Feier fand in Königsberg am 1. Januar statt. Der sogenannte Silvester-Marathon auf dem Hansaplatz gipfelte in einem Konzert und einer Pyrotechnikschau, welche die Polizei in diesem Jahr mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgte. Nach dem Terroranschlag kurz zuvor in Berlin wurde die Überprüfung an den Metalldetektoren an den Eingängen zum Weihnachtsmarkt besonders gründlich durchgeführt und die Polizisten waren zusätzlich mit Sicherheitstechnik ausgerüstet. Und in diesem Jahr gab es auf den Königsberger Straßen eine neue Festbeleuchtung. Besonders schön waren die Bäume und einige Tannen in der Nähe des Dramentheaters geschmückt.

Ebenso wie in Berlin, Hamburg, Brüssel oder London, sammelten sich die meisten Menschen an Speisen- und Getränkeständen. An den Glühweinbuden bildeten sich deshalb lange Schlangen.

In diesem Jahr war das litauische Team Marceliukes vertreten. Sie bewirteten die Gäste mit traditionellen Süßigkeiten wie „Schakotis“ (eine Art Baumkuchen), mit Ingwerwein, Würstchen und verschiedenen Pfannkuchen. Während sie aßen und aromatische Getränke zu sich nahmen, konnten die Wartenden zusehen, wie die Gerichte zubereitet wurden. Für Kinder war auch gesorgt: In einem Zelt konnten sie basteln und malen. Wegen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin beruhigte Bürgermeister Alexander Jaroschuk die Königsberger. Da der Weihnachtsmarkt in Königsberg auf einer Insel stattfinde, könne niemand mit einem Lkw dort eindringen, da die Brücke diesen nicht tragen und er ins Wasser stürzen würde.

Doch der erfolgreichen Feier folgte für einen Teil der Bevölkerung des Königsberger Gebiets ein böses Erwachen am Neujahrstag.

Ein umstrittenes Thema betrifft die Preiserhöhung beim öffentlichen Personennahverkehr. Das städtische Unternehmen „KaliningradGorTrans“, das derzeit das größte Streckennetz bedient, hat beim regionalen Dienst zur staatlichen Regulierung der Preise und Tarife eine Erhöhung auf umgerechnet 46 Cent (bisher 29 Cent) gefordert. Zuvor hatte Jaroschuk erklärt, dass die Einnahmen der städtischen Unternehmen die Leasingraten für die in Weißrussland gekauften Busse nicht deckten. Jaroschuk sagte, dass eine Erhöhung zwar notwendig sei, aber nur in geringem Umfang. Und er schlug vor, die vergünstigten Monatskarten für erwerbstätige Rentner abzuschaffen. Zurzeit kosten sie 4,76 Euro. Fast die Hälfte der Rentner in Königsberg arbeiten nach dem Renteneintrittsalter weiter, um ihre meist spärlichen Alterseinkünfte aufzubessern. Deshalb sind sie auf vergünstigte Fahrpreise angewiesen. Die angekündigte Erhöhung löste heftigen Protest aus. Der derzeitige Gouverneur schloss sich der Kritik der Bürger an und so bleibt ihnen der Preisvorteil vorerst erhalten.

Dafür wurden andere Vergünstigungen gestrichen. Seit dem 1. Januar wurde das Kindergeld ab dem dritten Kind gekürzt, das bisher aus dem Staatshaushalt gezahlt wurde. Die Rede ist von rund 159 Euro, die eine Familie ab dem dritten Kind drei Jahre lang monatlich an staatlicher Unterstützung erhielt. Auch der allgemeine Zuschuss für einen Kindergartenplatz entfällt. Er wird jetzt nur noch denjenigen gewährt, deren Einkommen unter dem Durchschnitt liegt. Auch die bisherige Pauschalzahlung anlässlich der Geburt eines Kindes entfällt.

Es sieht so aus, als wollten die regionalen und kommunalen Behörden das Haushaltsdefizit auf dem Rücken der Rentner und Familien mit Kleinkindern ausgleichen. Für eine pompöse Neujahrsfeier fehlte das Geld offenbar nicht.                Jurij Tschernyschew


Arbeiten an Wasserwegen
Masuren: Vertiefung des Löwentinseekanals bis Ende 2017

Im Herbst wurde mit der Vertiefung des Löwentinseekanals begonnen, während derer auch die Ufer neu befestigt werden sollen. Der Kanal soll um 1,5 Meter vertieft werden. Diese Arbeiten wurden notwendig, weil bei Niedrigwasser Boote mit einem größeren Tiefgang Schwierigkeiten bei der Durchfahrt hatten, Die Sanierung des Kanals wird zirka drei Millionen Euro kosten. Weil die Arbeiten am Kanal beträchtlich sind, wird er bis Ende 2017 für den Schiffsverkehr geschlossen bleiben. Yachtbesitzer, die vom Löwentinsee auf das Talter Gewässer fahren wollen, müssen den Lötzener Kanal nutzen. Laut dem Lötzener Bürgermeister Wojciech Iwaszkiewicz müssen die Segler vor allem im Sommer, dem Höhepunkt der Segelsaison, mehr Zeit einrechnen.

Der Kanał des Löwentinsees ist  Seeleuten als der „von Willkassen“ bekannt, weil er in der Nähe des Dorfes Willkassen (1938–1945 Wolfsee) liegt. Er ist 1,2 Kilometer lang und verbindet den Löwentinsee und das Talter Gewässer. Er geht unter der Eisenbahnbrücke und weiter unter der Straßenbrücke hindurch, die Willkassen und Lötzen verbindet. Dieser Kanal ist für kleinere Boote vorgesehen, doch manchmal ist es hier im Sommer überfüllt.

Der Lötzener Kanal fließt durch Lötzen, und über ihn gibt es eine Drehbrücke – die einzige ihrer Art in Europa. Die Brücke wird von Hand geöffnet, damit die Boote und die Schiffe unter ihr durchsegeln können. Der Lötzener Kanal ist sehr beliebt bei Seglern. Im Sommer befahren ihn jeden Tag mehrere tausend Boote. Aber auch Passagierschiffe der Masurischen Schifffahrt benutzen ihn. In rund 60 Jahren wurden mehrere Millionen Passagiere transportiert. Derzeit transportiert die Masurische Schifffahrt jährlich rund 100000 Menschen. Die Schiffe fahren zu den Großen Masurischen Seen, zu den Häfen in Lötzen, Nikolaiken, Rotwalde, Angerburg und Niedersee.

Die Reparatur des Kanals am Löwentinsee ist nicht das einzige Projekt, das in diesem Jahr in Masuren vom Regionalen Vorstand Wasserwirtschaft in Warschau geplant wird. Auch die Arbeiten auf dem Kanal von Jeglinnen in Karwik, die schon in den vergangenen Jahren begonnen worden waren, werden fortgesetzt. Diese Arbeiten umfassen sowohl die Reparatur der Ufer als auch das Durchstechen des Kanals. Es wird auch die Fortsetzung der Rekonstruktion des Wehres von Kruttinnen am Fluss Kruttinna durchgeführt.

Der Regionale Vorstand Wasserwirtschaft in Warschau plant überdies Arbeiten im Flussbett von Pisseck (1936–1945 Galinde) von der Flussmündung von Nare zum Dorf von Gehsen. Die lokalen Regierungen vom Verein der Großen Masurischen Seen und der Regionale Vorstand der Wasserwirtschaft in Warschau wollen dieses Projekt mit neuen EU-Fördermitteln realisieren. Der Wert der insgesamt geplanten Projekte wird auf fast 25 Millionen Euro geschätzt.                 Leszek Chaburski


Photovoltaik populär
300. Vertrag in Allenstein unterschrieben

Die staatlich unterstützte Photovoltaik wird im südlichen Ostpreußen immer populärer. Bereits im Herbst unterschrieb der Woiwodschafts-Umweltschutz-Fonds in Allenstein den 300. Vertrag im Rahmen des Programmes „Prosument“. Das bedeutet, dass 300 Personen des südlichen Ostpreußens Zuschüsse für das Anlegen von Installationen zur Nutzung erneuerbarer Energie-Quellen erhalten haben.

Seit etwa zwei Jahren ermöglicht Prosument es den Einwohnern der Region, einen Zuschuss und ein niedrig verzinsliches Darlehen für die Errichtung einer Photovoltaik-Anlage zu bekommen. Derzeit sind 4,5 Millionen Zloty für Zuschüsse und 7,5 Millionen Zloty für Darlehen eingeplant, das meiste für die Installation von Photovoltaik-Anlagen. Als 300. Vertragsunterzeichner wurden die Eheleute Michlewski aus der Gegend von Deutsch-Eylau bekannt gegeben.

„Bei der Installation einer Photovoltaik-Anlage geht es uns um eine Sicherheit fürs Alter. Es möge nie die Situation eintreten, dass man uns den Strom abstellt, weil wir die Stromrechnungen nicht bezahlen können“, sagte Henryk Michalewski.

Das jetzige Programm geht langsam zu Ende. Der Woiwodschafts-Umweltschutz-Fonds und die Wasserwirtschaft in Allenstein rechnen damit, dass in diesem Jahr die letzten Anträge eingereicht werden. Deshalb werden der Fonds und die Wasserwirtschaft, je nach dem erwirtschafteten Geld, noch für etwa 100 Einwohner des südlichen Ostpreußens Zuschüsse gewähren. Im nächsten Jahr werden sich die Vorschriften des Programms ändern. Private Personen, die Installationen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien anlegen wollen, erhalten keinen Zuschuss, sie können nur noch mit niedrig zu verzinsenden Darlehen rechnen. PAZ


MELDUNGEN

Angerburg wird umgestaltet

Angerburg – Die Stadtverwaltung will das Angeburger Stadtzentrum vom Schloss bis zur Ökomarina umgestalten. Angerburgs Gastronomie, Erholungsmöglichkeiten und die Kultur sollen wiederbelebt werden. Der Plan des Umbaues des Stadt-zentrums ist bereits mit dem Denkmal-Konservator und den Stadtverordneten abgestimmt worden und soll mit den Bürgern dis-kutiert werden. Gleichzeitig soll die Stadt sich zum Fluss Angerapp und zum Mauersee hin öffnen. Nach dem Umbau soll auch das Museum für die Volkskultur besser zu sehen sein als bisher. In der Begründung für die Maßnahme heißt es, dass ein Denkmal für die Unabhängigkeit Polens im Jahre 1918 entstehen soll.       PAZ

 

Bruchlandung in Powunden

Königsberg – Auf dem Königsberger Flughafen Powunden [Chrabrowo] ist es in der Nacht zum 5. Januar zu einem  Unfall gekommen. Ein Passagierflugzeug der Aeroflot war aus Mos-kau kommend mit 167 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern an Bord in dichtem Schneetreiben beim Landeanflug mehr als 150 Meter über das Ende der Rollbahn hinausgeschossen und in einem gefrorenen Feld gelandet. Alle Insassen konnten über die Notrutschen in Sicherheit gebracht werden, sechs Passagiere erlitten leichte Verletzungen und mussten ärztlich versorgt werden. Das Flugzeug selbst, ein erst gut ein Jahr alter Airbus A321, ist vermutlich stark beschädigt worden; das gesamte Fahrwerk wurde wohl schon bei der unsanften Landung zerstört, worauf der von den Fluggästen beobachtete zweifache harte Aufsatz mit anschließender Rauchentwicklung hindeutet. Die Behörden haben inzwischen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.        T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. 7: Elbing [Elblag] – Jazowa, Baustelle; Liebemühl [Miłomłyn] - Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode [Ostróda] – Hohenstein [Olsztynek], Baustelle; Bergheim [Gorki] – Schwenteinen [Swietajny], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle.

Straße Nr. 7j: Zalusken [Załuski] – Neidenburg [Nidzica], Baustelle.

Straße Nr. 15: Rheinsgut [Rynskie] – Mörlen [Morliny], Baustelle.

Straße Nr. 16: Osterode [Ostróda] – Alt Jablonken [Stare Jabłonki], Baustelle. Straße Nr. 51: Allenstein [Olsztyn] – Pagelshof [Ameryka], Baustelle.               E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

da hat aber wieder einmal ein Leser schnell geschaltet: Kaum war die Frage nach der Karl-Straße auf dem Nassen Garten in Königsberg in der letzten Folge des vergangenen Jahres erschienen, schon meldete sich Herr Peter Perry aus Neustadt und löste sie mit Wort und Bild. Er wies nämlich nicht nur darauf hin, dass die Karl-Straße, in der die mütterliche Familie von Frau Sigrid Biermann aus Schwerin zu Hause war, seit mindestens 1883 auf den Königsberger Stadtplänen verzeichnet ist sondern gab auch Hinweise, wo man sie suchen müsste: „Man darf nicht auf die unmittelbare Umgebung der Straße Nasser Garten schauen sondern muss den gleichnamigen Stadtteil insgesamt betrachten. Die Karl-Straße (heute Uslowaja ulitsa) ging von der Berliner Straße (heute ulitsa Suworowa) ab, der Reichsstraße aus Richtung Braunsberg/ Heiligenbeil/Brandenburg. Die gesuchte Straße verlief in südlicher Richtung unmittelbar westlich des Verschiebebahnhofs. An ihrem Anfang befand sich ein kleineres Siedlungsareal mit der Marienstraße. Heutzutage ist der gesamt Komplex hoch eingezäunt und wird entweder industriell oder militärisch genutzt.“ Letzteres geschah übrigens auch schon zur Kaiserzeit, denn vor über 100 Jahren lagen dort die Fuß- und Feldartillerie-Kasernen. Herr Perry gibt mit diesen Angaben die gewünschte Orientierungshilfe, zumal er auch eine aktuelle Aufnahme der Einmündung der ehemaligen Karl-Straße in die Berliner Straße übermittelt. Für Frau Biermann dürfte damit schon ein wesentlicher Teil ihres Wunsches erfüllt worden sein. Sie weiß nun, wo ihre Mutter Hildegard Groß geboren und aufgewachsen ist und hat jetzt einen festen Ausgangspunkt für weitere Nachforschungen. In der Suche nach ehemaligen Königsbergern, die ihre Mutter oder deren Eltern Ernst und Helene Groß aus der Karl-Straße Nr.2 kannten, sind wir bisher nicht weiter gekommen.

Aber was nicht ist kann ja noch werden, wenn auch nach Jahr und Tag und über lange Umwege. Den Beweis können wir heute liefern, denn was ich selber für kaum möglich gehalten hätte, ist eingetreten: Über jenen Franz Regge, der vor 62 Jahren im Ostpreußenblatt gesucht wurde, liegen nun authentische Auskünfte vor. Herr Christian Regge war im Rahmen seiner Familienforschung auf die Suchanzeige gestoßen, die im Mai 1954 erschienen war. Er wandte sich daraufhin an uns mit der Hoffnung, Näheres über den Gesuchten zu erfahren, weil er alle greifbaren Informationen über seine aus Ostpreußen stammende Familie (Regge, Rague/Raiguel) benötigt. Da ja keine Unterlagen über die damalige Suche vorhanden waren, mussten wir seine Bitte an unsere Ostpreußische Familie weiterreichen. So erschien sie als kleine Suchfrage in Folge 52/2016 – aber der Erfolg war groß, wie sich schnell herausstellte. Es meldete sich Herr Siegfried Kugies mit dieser E-Mail: „Wenn es stimmt, dass Franz Regge Ihr Verwandter ist, dann sind wir weitläufig verwandt. Meine Großmutter war Amalie Kugies geb. Regge *19.01.1877 in Rogowken, Kreis Treuburg. Franz Regge war Fahrdienstleiter bei der DB im Bahnhof Wuppertal-Elberfeld. Dies so wie ich im Bahnhof Walldorf (H). Wir haben uns sehr oft in Zugpausen über Dienstfernsprecher sprechen können. Persönlich habe ich ihn nie kennen gelernt.“ Diese ersten Angaben führen mit Sicherheit zu einem neuen Kapitel in der Chronik der Familie Regge, und das wird nicht nur für Christian Regge sondern auch für den 1926 geborenen Siegfried Kugies wichtig sein, denn wer findet schon im Alter von 90 Jahren noch einmal unverhofft Verwandte! Die Ostpreußische Familie macht´s möglich!

So wie Herr Joachim Wagner sich bemüht, seine Erinnerungen an eine glückliche Kindheit in Ostpreußen dokumentarisch zu belegen, so versucht dies auch Herr Karlheinz Zeise aus Gießen und wählt dazu den gleichen Weg – den über unsere Ostpreußische Familie. Allerdings ist Herr Zeise nicht wie Herr Wagner in Ostpreußen geboren, er kam 1933 in Duisburg zur Welt, aber er hat als Elfjähriger unbeschwerte Tage auf dem Hof seines Großonkels im Kreis Schloßberg verbracht und möchte nun wissen, was aus den Menschen und diesem Ort geworden ist, den er nie vergessen hat. Herr Zeise hat trotz vieler Bemühungen bisher kaum etwas erfahren können und bittet nun unseren Familienkreis, ihm bei der Suche zu helfen. Und da lass ich ihn selber erzählen, weil er seine Eindrücke und Erlebnisse am besten schildern kann:

„In der Angelegenheit, etwas über den Verbleib des Dorfes Dreßlershausen (Klein Wersminingken), Kreis Schloßberg (Pillkallen), zu erfahren, wende ich mich an Sie. Um Ihnen mein Interesse an diesem Dorf zu verdeutlichen, erwähne ich meinen Bezug zu meinem Aufenthalt im Jahr 1941 auf dem Hof meines Großonkels Gustav Lechner, verheiratet mit Minna Lechner geb. Zeise, jüngste Schwester meines Großvaters väterlicherseits. Ich wurde 1940 in meiner Heimatstadt Duisburg eingeschult. Wegen der Bombenangriffe auf die Städte im Ruhrgebiet beschlossen meine Eltern, mich auf den Hof meines Großonkels in Ostpreußen zu bringen, zumal mit der Ausweitung des Krieges im Osten nicht gerechnet wurde. Und so brachte mich mein Vater Anfang des Jahres 1941 über Berlin, Königsberg und Insterburg nach Rautenberg, dem nächsten Haltepunkt der Nebenbahn zu Dreßlershausen. Nach einer Stunde erschien dann mein Großonkel mit einer Pferdekutsche, begrüßte uns herzlich und los ging es zu unserem Endziel, wo uns Großtante Minna schon in der Türe des Bauernhauses empfing. Für mich ein einmaliges Erlebnis: es gab eine riesige Pfanne mit Bratkartoffeln, Eiern und Speck. Dies war der Beginn meines fast ein Jahr dauernden Wohnens in Dreßlershausen mit Schulbesuch in der einklassigen Schule, mit Freundschaft mit der Dorfjugend, Wanderungen nach Löbenauu, wo es eine Gastwirtschaft gab. Alles barfuß, wenn das Wetter es zuließ. Mein Großonkel war gelernter Schuh- und Sattlermeister, seine Werkstatt betrieb er, wenn die Landarbeit erledigt war. Zum Lederholen war ich mit ihm oft in Schloßberg. Auch für mich hat er ein Paar Schuhe gefertigt.“ Soweit einige Erinnerungen von Karlheinz Zeise an sein „Ostpreußenjahr“, das für ihn zu einem wichtigen Teil seines Lebens wurde. Und den nunmehrigen Mittachtziger zwingt, nach dem Schicksal der Menschen zu fragen, die damals mit ihm in Dreßlershausen lebten. Großonkel und Großtante gingen im letzten Kriegswinter auf die Flucht. In einer Karte aus Stettin teilten sie den Verwandten mit, dass sie hofften, zur Frühjahrsbestellung wieder zu Hause zu sein. Eine trügerische Hoffnung – das Leben schrieb eine andere Geschichte. Zu der leider auch der Gefallenentod ihres einzigen Sohnes und Hoferben gehört. Und nun hofft also Herr Zeise, dass sich ehemalige Bewohner von Dreßlershausen bei ihm melden, die noch seine Verwandten kannten oder sich vielleicht an den achtjährigen Jungen aus dem Ruhrpott erinnern, der mit ihnen die Schulbank bei Lehrer Bär drückte. Und er hätte auch gerne gewusst, was aus dem Dorf Dreßlershausen wurde, das für ihn unvergessen blieb, auch nach so langer Zeit. (Karlheinz Zeise, Wißmarer Weg 22 in 35396 Gießen /Postfach: 111524, E-Mail: h.k.esiez@t-oneline.de)

Mit dem Suchwunsch von Sigrid Biermann haben wir begonnen, und nun wollen wir mit ihm auch enden. Denn während ich die letzten Zeilen dieser Kolumne schrieb erhielt ich von ihr eine Mail, in der sie sich für die Hilfsbereitschaft der Ostpreußischen Familie bedankt. Und uns mitteilen konnte, dass sie selber zwei Briefe von „lieben Königsbergern“ erhalten hätte. „Ein Brief kam gleich nach Neujahr aus Bremen mit zwei Lagebezeichnungen in Deutsch und Russisch. Die andere Zuschrift erhielt ich aus Moritzbuch mit einer genauen Beschreibung der Häuser und Bewohner der Karl-Straße – leider ohne Bilder“. Die sie ja nun von Herrn Peter Perrey erhält, und so fügt sich mal wieder in unsere Familie ein Mosaiksteinchen an das andere. Nun kann Sigrid Biermann zum dritten Mal – und diesmal mit fundierten Unterlagen - auf dem Nassen Garten auf Spurensuche gehen, und den Termin teilt sie uns auch schon mit: Im Mai wird sie wieder nach Königsberg reisen!

Auch für Frau Edelgard Hesse aus Crivitz hat sich die Befragung der Ostpreußischen Familie gelohnt, die sie in Folge 49/16 stellte: „Gibt es unter der weiten Lesergemeinschaft jemanden, der mir beim Übertragen mittelalterlicher Texte ins Hochdeutsche helfen kann?“ Es gibt sie, diese Helfer, und Frau Hesse konnte uns zu Jahresbeginn – „verbunden mit den besten Wünschen für unsere Ostpreußische Familie, mit der bei vielen Menschen so viel Freude ins Haus kommt“ – diese gute Nachricht mitteilen: „Betreffs der Suche nach Kennern der Deutschen Schrift hatte ich sehr nette Gespräche. Ich bin sicher, dass diese Nuss geknackt wird! Alles weitere später.“

Eure Ruth Geede


Historische Weichenstellungen
In Gleiwitz wurde die dritte größere Modelleisenbahnschau in der Republik Polen eröffnet

Im Gleiwitzer Einkaufszentrum „Europa Centralna“ ist die dritte große Modelleisenbahnschau in der Republik Polen eröffnet worden. Sie liefert viele Hinweise auf das Verständnis der deutschen Ostgebiete im öffentlichen Bewusstsein Polens.

Während fast jeder deutsche Mann einmal von einer eigenen Modelleisenbahn geträumt hat, wird die neue Attraktion auf der Internetseite des Einkaufszentrums am Stadtrand fast irreführend unter der Rubrik „für Kinder“ angepriesen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass Polen lange Zeit ein ausgesprochen dünnes Eisenbahnnetz hatte und erst der umfangreiche Gewinn preußischen Gebietes die Eisenbahn zur Alltagserfahrung machte. Ähnlich wie der Wald, zu dem die Deutschen traditionell eine romantische Beziehung pflegen, der den Polen oft nur ein Reservoir für die Pilzsuche ist, ist die Bahn vielen Polen nur eine lästige Episode der Mobilitätsgeschichte. In den Regalen des Buchhandels sucht man Eisenbahnliteratur fast vergebens, während die Regale mit Werken über Kampfflugzeuge oder Panzer fast bersten.

Vor diesem Hintergrund ist vielleicht verständlich, dass mit „Kolejkowo“ im Freiburger Bahnhof von Breslau und „Makieta Borowiec“ in Waldau bei Posen bereits die ersten beiden größeren Modellbahnanlagen in einst preußischen Gebieten ihre Pforten öffneten. Die nun in Gleiwitz eröffnete dritte größere Anlage ist ein Ableger jener erstgenannten in Breslau. Allerdings sind die Modellbaumeister vor Ort dann doch andere – mit Folgen.

In Breslau gelang die Symbiose aus Neuschöpfung und Suche nach historischen Anknüpfungspunkten im Lehmann-Garten-Bahn-Maßstab 1:22,5 hervorragend. Dort ist der Bahnhof von Krummhübel [Karpacz] zu Füßen der Schneekoppe nachgebildet, deren Gipfelbaude über allem thront. Neben dem Bahnhof findet man das 2011 eingeweihte Museum „Karkonoskie Tajemnice“ (Geheimnisse des Riesengebirges), vor dem Rübezahl in der Gestalt steht, wie ihn Martin Helwig auf der ersten genauen Landkarte Schlesiens von 1561 abbildete. Unterwegs mit der Bahn geht es an dem von König Friedrich Wilhelms III. Bruder Wilhelm von Preußen in Auftrag gegebenen Schweizerhaus in Fischbach [Karpniki] vorbei. Das Gebäude des Freiburger Bahnhofs selbst findet sich auf einem anderen Diorama. Für die Deutschen symbolisiert dieser Bahnhof nicht zuletzt den Abschied. Wenige Fotos existieren aus der Zeit der Vertreibung – ein in der Literatur häufig reproduziertes zeigt einen Bahnsteig des Freiburger Bahnhofs, auf dem sich Menschen mit ihren Habseligkeiten zur Zwangsaussiedlung bereits unter einem polnischen Bahnsteigschild drängen.

Die neue Gleiwitzer Anlage ist mit der gleichen detailgetreuen Akribie gestaltet. Der Gleiwitzer Ring und der Hauptbahnhof mit seiner neuen gläsernen Gleishalle sind liebevoll nachempfunden. Doch neben einer zweiten Westerneisenbahn soll in Gleiwitz bald noch eine Anlage mit der Burg Bedzin gestaltet werden, die im eisenbahnarmen Kleinpolen liegt und nur als Witz der Geschichte auf dem Gebiet der Woiwodschaft Schlesien liegt. Und auch eine weitere Nebenanlage im kleineren Maßstab scheint inkonsequent. Wegen der Übermacht deutscher Modellbahnfirmen tuckern hier DB-Loks an einem Aldi-Supermarkt vorbei und an einer typisch deutschen Burg, über deren Zugbrücke in Gleiwitz jedoch ein polnischer Adler thront.

Da haben die Breslauer Bauherren von „Kolejkowo“ mehr Esprit. Sie planen den Bau der Dominsel mit Ausflugsschiffen und ein Diorama des kriegszerstörten Breslaus mit der innerstädtischen Startbahn für Gauleiter Karl Hanke. Edmund Pander


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 102. GEBURTSTAG

Winkler, Edith, geb. Wedel, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 15. Januar

ZUM 97. GEBURTSTAG

Fellbrich, Günther, aus Langendorf, Kreis Wehlau, am 16. Januar

ZUM 96. GEBURTSTAG

Lachenwitzer, Ursula, geb. Mex, aus Treuburg, am 16. Januar

Mauritz, Gertrud, aus Schönhofen, Kreis Treuburg, am 13. Januar

ZUM 95. GEBURTSTAG

Ruhstein, Elli, geb. Wippich, aus Saberau, Kreis Neidenburg, am 16. Januar

Ruschinzik, Eva, geb. Meinke, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 19. Januar

Stankewitz, Ernst, aus Klein Lasken, Kreis Lyck, am 15. Januar

Witt, Frieda, geb. Quednau, aus Lyck, Yorkstraße 1, am 14. Januar

ZUM 94. GEBURTSTAG

Drebot, Gertrud, geb. Seidler, aus Bieberswalde, Kreis Wehlau, am 16. Januar

Gerewitz, Emma, geb. Schuran, aus Saiden, Kreis Treuburg, am 18. Januar

Kallweit, Elisabeth, geb. Wallis, aus Ittau, Kreis Neidenburg, am 18. Januar

Knorr, Meta, aus Grünhayn, Kreis Wehlau, am 16. Januar

Kröhnert, Gerda, aus Schwanensee, Kreis Elchniederung, am 15. Januar

Ludwig, Erna, geb. Hankel, aus Seerappen, Kreis Samland, am 17. Januar

Müller, Edith, geb. Hildebrandt, aus Groß Degesen, Kreis Ebenrode, am 15. Januar

Sasse, Erna, geb. Kriese, aus Mühlengarten, Kreis Ebenrode, am 16. Januar

Scheller, Hildegard, geb. Kühn, aus Hennenberg, Kreis Lyck, am 16. Januar

Sembach, Ruth, geb. Pilchowski, aus Lyck, Blücherstraße 2, am 13. Januar

ZUM 93. GEBURTSTAG

Abendroth, Christel, geb. Torner, aus Lyck, Thorner Straße 1, am 15. Januar

Bartuleit, Ernst, aus Perkuhnen, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Brosowske, Erich, aus Prostken, Kreis Lyck, am 15. Januar

Gatzke, Helene, geb. Deckmann, aus Argemünde, Kreis Elchniederung, am 14. Januar

Jurkschat, Rudolf, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Lehmann, Alfred, aus Gindwillen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 15. Januar

Plaga, Gerhard, aus Lyck, am 16. Januar

Rottschalk, Margarete, geb. Werner, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 14. Januar

Truskowski, Gertrud, geb. Czerwonka, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 17. Januar

ZUM 92. GEBURTSTAG

Altmeyer, Heinz, aus Lyck, am 14. Januar

Faerber, Anna-Elise, geb. Possekel, aus Ebenrode, am 18. Januar

Girth, Walter, aus Ruß, Kreis Heydekrug, am 13. Januar

Hertrampf, Gertrud, geb. Passargus, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 18. Januar

Klietz, Margarete, aus Goldenau, Kreis Lyck, am 19. Januar

Lüders, Dr. Albrecht, aus Braunschweig, am 18. Januar

Raupach, Elisabeth, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 17. Januar

Seiffert, Lieselotte, geb. Kanschat, aus Treuburg, am 14. Januar

Stengel, Grete, geb. Blaurock, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 14. Januar

Wamprecht, Hedwig, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 17. Januar

Wiese, Irmgard, geb. Launus, aus Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 15. Januar

ZUM 91. GEBURTSTAG

Bartholomay, Gerda, geb. Olschewski, aus Krauleiden, Kreis Elchniederung, und Wilkendorf, Kreis Rastenburg, am 15. Januar

Biesenthal, Edith, geb. Müller, aus Heiligenkreutz, Kreis Samland, am 14. Januar

Borbe, Ursula, geb. Gröck, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 18. Januar

Dreipelcher, Dr. med. Horst, aus Lyck, am 19. Januar

Ismer, Hildegard, geb. Krafzel, aus Neumalken, Kreis Lyck, am 15. Januar

Karrasch, Elisabeth, geb. Hasler, aus Lyck, am 15. Januar

Kühnel, Brunhilde, geb. Renz, aus Wehlau, am 19. Januar

Labrenz, Helmut, aus Königsberg, am 16. Januar

Lemke, Christel, geb. Fischer, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 14. Januar

Pfeiffer, Irene, aus Taulensee, Kreis Osterode, am 19. Januar

Pukies, Egon, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 18. Januar

Rohde, Kurt, aus Vierbrücken, Kreis Lyck, am 19. Januar

Rönfeldt, Christel, geb. Wolff, aus Krupinnen, Kreis Treuburg, am 13. Januar

Schaub, Elisabeth, geb. Scharfschwerdt, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, am 19. Januar

Schiweck, Paul, aus Prostken, Kreis Lyck, am 18. Januar

Sohn, Hertha, geb. Luick, aus Groß Kuhren, Kreis Samland, am 13. Januar

Trakowski, Gretchen, geb. Pape, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 14. Januar

ZUM 90. GEBURTSTAG

Bandilla, Rosemarie, geb. Rompel, aus Langheide, Kreis Lyck, am 13. Januar

Ehlert, Ruth, geb. Baumgardt, aus Pillau, Kreis Samland, am 13. Januar

Flückiger, Irene, geb. Barzewski, aus Lyck, am 16. Januar

Gell, Ursula, aus Eydtkau, Kreis Ebenrode, am 17. Januar

Henseleit, Hellmuth, aus Windberge, Kreis Ebenrode, am 18. Januar

Horn, Otto, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 14. Januar

Kurrek, Günter, aus Herzogshöhe, Kreis Treuburg, am 19. Januar

Lengyel, Irmgard, geb. Kude, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 13. Januar

Mairwöger, Ursula, geb. Buttgereit, aus Lötzen, am 15. Januar

Raphael, Betty, geb. Pollehn, aus Herrnbach, Kreis Lyck, am 15. Januar

Rehberg, Liesbeth, geb. Knaut, aus Zeysen, Kreis Lyck, am 17. Januar

Reiche, Hilda, geb. Mikoteit, aus Finkenhagen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 15. Januar

Rogalla, Edith, aus Kornau, Kreis Ortelsburg, am 13. Januar

Senkel, Frieda, geb. Kraschewski, aus Groß Sakrau, Kreis Neidenburg, am 15. Januar

Szech, Martha, geb. Solinski, aus Davidshof, Kreis Ortelsburg, am 15. Januar

Walleit, Günter, aus Königsberg, Sackheimer Mittelstraße 23, am 14. Dezember

Winter, Doris, geb. Nebel, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

ZUM 85. GEBURTSTAG

Berg, Gerhard, aus Eisselbitten, Kreis Samland, am 17. Januar

Henke, Eva-Maria, geb. Frohner, aus Nickelsdorf, Kreis Wehlau, am 13. Januar

Janz, Gerhard, aus Stobingen, Kreis Elchniederung, am 16. Januar

Kiko, Ursula, geb. Wehmeier, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 13. Januar

Kiy, Erich, aus Rohrdorf, Kreis Ortelsburg, am 14. Januar

Lascheit, Arno, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Leidigkeit, Heinz, aus Kastaunen, Kreis Elchniederung, am 18. Januar

Lork, Max, aus Seenwalde, Kreis Ortelsburg, am 16. Januar

Meier, Ruth, geb. Neumann, aus Zimmerbude, Kreis Samland, am 13. Januar

Mombrei, Helmut, aus Moterau, Kreis Wehlau, am 15. Januar

Müller, Ingeborg, geb. Scheffler, aus Wehlau, am 17. Januar

Neumann, Ilse, geb. Noetzel, aus Kuckerneese, Kreis Elchniederung, am 13. Januar

Reichardt, Irmgard, geb. Rogait, aus Rehwalde, Kreis Elchniederung, am 17. Januar

Rohrmoser, Ingrid, geb. Bernard, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 15. Januar

Rudolph, Loni, geb. Mathis, aus Neukuhren, Kreis Samland, am 18. Januar

Scharmberg, Käthe, geb. Lappe, Halldorf, Kreis Treuburg, am 18. Januar

Sandau, Reinhard, aus Mühlmeistern, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Tenzler, Inge, geb. Radek, aus Markshöfen, Kreis Ortelsburg, am 18. Januar

Volkmann, Franz, aus Thegsten, Kreis Heiligenbeil und Rossen, Kreis Heiligenbeil, am 16. Januar

Vollkämmer, Eitel, aus Albrechtswalde, Kreis Mohrungen, am 13. Januar

Walter, Ilse, aus Lötzen, am 15. Januar

Wickert, Renate, geb. Buchholz, aus Pobethen, Kreis Samland, am 17. Januar

Wiemann, Elfriede, aus Neidenburg, am 18. Januar

ZUM 80. GEBURTSTAG

Armgardt, Ursel, geb. Wieczorrek, aus Reinkental, Kreis Treuburg, am 16. Januar

Baginski, Walter, aus Reuschwerder, Kreis Neidenburg, am 18. Januar

Blonsky, Manfred, aus Lenzendorf, Kreis Lyck, am 16. Januar

Borchers, Edith, geb. Tobe, aus Tölteninken, Kreis Wehlau, am 17. Januar

Böttcher, Walter, aus Malga, Kurkau, und Klein Kosel, Kreis Neidenburg, am 19. Januar

Brookmann, Edith, geb. Scherotzki, aus Kelchendorf, Kreis Lyck, am 13. Januar

Christiansen, Renate, geb. Fehlau, aus Groß Friedrichsdorf, Kreis Elchniederung, am 15. Januar

Gebauer, Hildegard, geb. Bachler, aus Schloßbach, Kreis Ebenrode, am 16. Januar

Denda, Gernot, aus Ortelsburg, am 18. Januar

Gaede, Helga, geb. Chrost, aus Ortelsburg, am 14. Januar

Gallwitz, Horst, aus Großalbrechtsort, Kreis Ortelsburg, am 16. Januar

Gehlhar, Waltraud, geb. Grow, aus Kumehnen, Kreis Samland, am 19. Januar

Heyden, Christel, geb. Polixa, aus Rodenau, Kreis Lötzen, am 18. Januar

Kays, Horst, aus Wallendorf, Kreis Neidenburg, am 17. Januar

Krüger, Klaus, aus Lyck, am 13. Januar

Lehmann, Arno, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 18. Januar

Mahnke, Heinz, aus Neidenburg, am 17. Januar

Menzel, Hartmut, aus Gundau, Kreis Wehlau, am 14. Januar

Nikutta, Horst, aus Schützendorf, Kreis Ortelsburg, am 18. Januar

Olschinski, Hans-Georg, aus Wilhelmshof, Kreis Ortelsburg, am 19. Januar

Ramp, Traute, geb. Tamkus, aus Finkenhof, Kreis Elchniederung, am 16. Januar

Rebuschat, Rosemarie, geb. Agurski, aus Kreuzingen, Kreis Elchniederung, am 13. Januar

Reuter, Manfred, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 19. Januar

Riemann, Peter, aus Groß Blumenau, Kreis Samland, am 15. Januar

Schnelle, Gisela, geb. Thiel, aus Sangnitten, Kreis Preußisch Eylau, am 7. Januar

Steinbiß, Hartmut, aus Puschdorf, Kreis Wehlau, am 14. Januar

ten Cate, Irmgard, geb. Semmling, aus Neufelde, Kreis Elchniederung, am 15. Januar

Thies, Hanna, geb. Pusch, aus Elchdorf, Kreis Samland, am 13. Januar

Veuhoff, Edith, geb. Grohsmann, aus Wappendorf, Kreis Ortelsburg, am 19. Januar

Zander, Bernhard, aus Schwengels, OT Dothen, Kreis Heiligenbeil, am 19. Januar

ZUM 75. GEBURTSTAG

Balzereit, Jürgen, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 19. Januar

Martischewski, Erich, aus Borken, Kreis Treuburg, am 18. Januar

Müller, Regina, geb. Roehr, aus Neukirch, Kreis Elchniederung, am 16. Januar

Ruzewicz, Barbara, geb. Siegner, aus Lötzen, am 18. Januar

Stolzenwald, Sigrid, aus Quehnen, Kreis Preußisch Eylau, am 15. Januar


S. 16 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

ANGERBURG

Kreisvertreter: Kurt-Werner Sadowski. Kreisgemeinschaft Angerburg e.V., Landkreis Rotenburg (Wümme), Postfach 1440, 27344 Rotenburg (Wümme), Landkreis: Telefon (04261) 9833100, Fax (04261) 9833101.

Gemeinsam mit Ihnen wollen wir das Jahr 2017 bei unserer traditionellen heimatpolitischen Tagung am 18. und 19. Februar in 27356 Rotenburg (Wümme) einleiten. Zu dieser Auftaktveranstaltung in der Theodor-Heuss-Schule (Gerberstraße 16, neben dem Ratsgymnasium) laden der Landkreis Rotenburg als Patenschaftsträger und die Kreisgemeinschaft Angerburg alle geschichtlich und kulturell Interessierten aus nah und fern herzlich ein. Für die Tagung konnten wir erneut herausragende Referenten gewinnen.

Am Sonnabend, 18. Februar, ist die Mensa der Schule ab 14 Uhr geöffnet und es wird Kaffee, Tee und Kuchen angeboten. Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer um 15 Uhr wird Professor Udo Arnold die Tagung mit seinem Vortrag „Vom Ordensland zum Herzogtum Preußen als erstes protestantisches Fürstentum“ eröffnen. Danach wird Oberstudiendirektor a.D. Hans-Jürgen Kämpfert referieren. Sein Thema: „Nicolaus Copernicus aus Thorn an der Weichsel. – Leben und Werk als Domherr in Frauenburg, als Arzt, Diplomat und weitbekannter Astronom.“ Im Anschluss an die Vorträge besteht jeweils Gelegenheit für Fragen an die Referenten beziehungsweise für eigene Einschätzungen. Mit einem gemeinsamen Abendessen (Elchbraten) gegen 19 Uhr und anregenden Gesprächen mit interessanten Gästen lassen wir den Tag ausklingen.

Am folgenden Sonntag, 19. Februar, setzen wir die Tagung um 9.30 Uhr in der Schule fort. Oberstudiendirektor a.D. Dr. Walter Jarecki wird über die „Reformation in Norddeutschland“ referieren. Im Jahr des Reformationsgedenkens werden den Tagungsteilnehmern auch neue Sichtweisen im Gedächtnis bleiben. Gegen 12 Uhr wird die Tagung mit dem Gesang des Ostpreußenliedes „Land der dunklen Wälder“ beendet.

Verbindliche Anmeldungen, auch für das Elchbratenessen zum Preis von 26 Euro pro Person einschließlich Dessert und Mitteilung von Übernachtungswünschen, werden bis zum 10. Februar (Posteingang) an Brigitte Junker, Sachsenweg 15, 22455 Hamburg, erbeten. Ein Tagungsbeitrag wird nicht erhoben. Eine schriftliche Anmeldebestätigung wird nicht erteilt.

 

ELCH-NIEDERUNG

Kreisvertreter: Manfred Romeike, Anselm-Feuerbach-Str. 6, 52146 Würselen, Telefon/Fax (02405) 73810. Geschäftsstelle: Barbara Dawideit, Telefon (034203) 33567, Am Ring 9, 04442 Zwenkau.

Seit vielen Jahren treffen sich die Vertreter der Kreisgemeinschaft Elchniederung und Tilsit-Ragnit sowie die Stadtgemeinschaft Tilsit zu einem Nachbarschaftsgespräch. Die Orte wechseln – ebenfalls die Ausrichter. Die teilnehmenden Personen sind die Vorsitzenden, stellvertretenden Vorsitzenden, Geschäftsführer und Schatzmeister der jeweiligen Kreise und unser Versammlungsleiter.

In diesem Jahr ist die Elchniederung mit der Durchführung beauftragt. Wir treffen uns am Sonnabend, dem 22. April weit im Westen der Republik bei Aachen im Hotel-Restaurant Mennicken, Jülicher Straße 80, in 52 146 Wuerselen.

Es wird eine Reihe von Punkten besprochen, die von gemeinsamem Interesse sind zum Beispiel das Jahrestreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Neuss am 13. Mai und das Treffen der LO-Landesgruppe Nordrhein-Westfahlen  auf Schloss Burg am 2. Juli sowie weitere Themen und Termine.       Manfred Romeike,

                Kreisvertreter

                 Elchniederung

Begleiter mit Heimweh, Fernweh oder einfach nur Entdeckerlust sucht Dieter Wenskat für seine beiden zehntägigen Flugreisen nach Ostpreußen. Danzig, Königsberg, Elchniederung und die Kurische Nehrung stehen unter anderem auf dem Programm. Die erste Reise findet vom 3. bis zum 12. Juni statt, die zweite vom 9. bis 18. September. Hier das Programm beider Reisen:

1. Tag: Am Vormittag Linienflug mit LOT Polish Airlines wahlweise ab Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg oder München mit Umstieg in Warschau und gemeinsamem Weiterflug nach Danzig, Ankunft am frühen Nachmittag. In Danzig werden Sie von Ihrer polnischen Reiseleitung empfangen, anschließend Transfer zum Hotel „Novotel Centrum Gdansk“, das auf einer Mottlau-Insel unmittelbar an der Danziger Altstadt liegt. Am Nachmittag erwartet Sie Ihre Reiseleitung zu einem geführten Rundgang. Die mehr als 1000-jährige Hansestadt hat viel zu bieten. Die prächtig restaurierte Altstadt beeindruckt mit erhabenen Patrizierhäusern, hübschen kleinen Gassen mit Boutiquen und Cafés, alles wird überragt von der mächtigen Marienkirche, einem der größten Backstein-Sakralbauten Europas. Anschließend bleibt noch genügend Zeit für eigene Unternehmungen. Die Danziger Altstadt hat auch ein quirliges Nachtleben mit kleinen Bars, urigen Kneipen und trendigen Musikclubs zu bieten. Abendessen und Übernachtung in Danzig.

2. Tag: Heute holt Sie Ihre russische Reiseleitung am Hotel in Danzig ab. Busfahrt nach Norden über den polnisch-russischen Grenzübergang und weiter bis nach Königsberg. Nach dem Zimmerbezug im zentral zwischen Ober- und Schlossteich gelegenen Hotel „Dohna“ unternehmen Sie eine Stadtrundfahrt. Dabei besuchen Sie die erhaltenen Sehenswürdigkeiten wie den wiedererrichteten Königsberger Dom, die Luisenkirche oder den früheren Hansa-Platz mit dem ehemaligen Nordbahnhof und die erhaltenen Stadttore und Befestigungsanlagen. Darüber hinaus erleben Sie eine aufstrebende russische Großstadt im Umbruch und voller Kontraste. Ein weiterer Höhepunkt der Reise ist der Besuch des Königsberger Doms mit einem Anspiel der Orgel zu einem kleinen Konzert. Abendessen und Übernachtung in Königsberg.

3. Tag: Nach dem Frühstück unternehmen Sie vom neuen Fischdorf am Pregel aus eine zirka dreistündige Schiffsfahrt durch den Hafen und auf dem Königsberger Seekanal entlang Richtung Ostsee bis nach Pillau. Die Hafenstadt hatte eine besondere Bedeutung für viele Ostpreußen im Winter 1945, als tausende Menschen von hier aus ihre Heimat für immer verlassen mussten. Heute gibt es in Pillau neben den historischen Bauten, Befestigungsanlagen und dem bekannten Leuchtturm eine große Kriegsgräbergedenkstätte. Auf der Rückfahrt nach Königsberg durch das Samland besuchen Sie noch Palmnicken – hier wird im Tagebau der für Ostpreußen typische Bernstein gewonnen.  Abendessen und Übernachtung in Königsberg.

4. Tag: Weiterreise nach Osten vorbei an Labiau. Im früheren Dorf Waldwinkel besuchen Sie ein liebevoll eingerichtetes und mit vielen Exponaten aus deutscher Zeit ausgestattetes Museum in der früheren deutschen Schule. Sie fühlen sich in die Kindheit in Ostpreußen zurückversetzt. Anschließend erleben Sie das Naturparadies Ostpreußen pur. Sie unternehmen einen Ausflug in das Große Moosbruch am Rande des Elchwaldes und besuchen bei Lauknen das Moosbruchhaus, ein mit deutschen Mitteln unterstütztes Naturschutz- und Begegnungszentrum. Hier ist auch der Tisch zum gemeinsamen Mittagessen gedeckt. Am Nachmittag erreichen Sie Tilsit. Bei der Stadtführung durch Deutschlands einst östlichste große Stadt besuchen Sie den Park Jakobsruh mit dem wiedererstellten Denkmal der Königin Luise. Beim anschließenden Spaziergang durch die Hohe Straße lässt sich die einstige Schönheit der Stadt an der Memel erahnen. Abendessen und Übernachtung in Tilsit.

5. Tag: Rundfahrt mit Besichtigungsstopps durch die Elchniederung. Am Vormittag geht es in die Gebiete nördlich der Gilge mit Besuch von Sköpen, Kuckerneese, Herdenau, Karkeln, Inse und einem Stopp am Jagdschloss Pait. Am Nachmittag geht es durch den südlichen Teil der Elchniederung mit Besuch von Heinrichswalde, Gerhardsweide, Seckenburg, Groß Friedrichsdorf und Kreuzingen. Übernachtung in Tilsit.

6. Tag: Ihr heutiger Ausflug führt in den Südosten des nördlichen Ostpreußens. Nach einem kleinen Stopp in Gumbinnen besuchen Sie Trakehnen mit der einst weltberühmten Gestütsanlage. Leider gibt es dort heute keine Pferde mehr. Anschließend erreichen Sie die einzigartige Rominter Heide: Eine Urwaldlandschaft mit kleinen Bächen und Biberbauten. Am Rande dieses Waldmassivs betreibt die russische Familie Sajac im ehemaligen Forsthaus Warnen ein kleines Gästehaus, hier werden Sie zur Mittagseinkehr erwartet. Übernachtung in Tilsit.

7. Tag: Heute verlassen Sie Ihr Hotel in Tilsit und passieren auf der Luisenbrücke die Grenze nach Litauen. Weiterfahrt in das Memelland mit Besichtigung der Kirche in Heydekrug. Anschließend Fahrt in das Memeldelta, wo in Kintai schon der Tisch zu einem leckeren Picknick gedeckt ist. Danach erwartet Sie am Anleger Ihr Kapitän zu einer Schiffsfahrt über die Minge, durch das Memeldelta und weiter über das Kurische Haff. Am Nachmittag erreichen Sie Nidden von der Wasserseite aus und erleben das beeindruckende Panorama der Wanderdünen auf der Kurischen Nehrung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

8. Tag: Nach dem Frühstück steht eine Ortsbesichtigung in Nidden zu Fuß auf dem Programm. Das ehemalige Fischerdorf am Kurischen Haff ist heute der wohl bekannteste Ferienort Litauens. Die einzigartige Natur zog in der Vergangenheit viele Künstler an. Einer der prominentesten Besucher war Thomas Mann, der sich hier ein Ferienhaus errichten ließ. Am Nachmittag bleibt Zeit zur freien Verfügung. Abendessen und Übernachtung in Nidden.

9. Tag: Weiterreise nach Süden über die Kurische Nehrung, Sie passieren die litauisch-russische Grenze. Im russischen Teil der Kurischen Nehrung besuchen Sie die berühmte Vogelwarte von Professor Thienemann, einst die erste ornithologische Beobachtungsstation der Welt. Unterwegs unternehmen Sie einen Spaziergang auf die Epha-Düne, eine der größten noch frei wandernden Sandflächen der Kurischen Nehrung. Am Abend erreichen Sie das frühere Seebad Cranz zur Übernachtung.

10. Tag: Nach dem Frühstück treten Sie die Rückreise zum Flughafen nach Danzig an. Von hier aus am Nachmittag gemeinsamer Flug mit LOT Polish Airlines nach Warschau und von Warschau aus Weiterflug in die jeweiligen Abreiseorte, Rückankunft je nach Flughafen gegen 22. Uhr. Programmänderungen bleiben vorbehalten, dies gilt insbesondere auch für Veränderungen der Flugzeiten durch die Airline.

Anmeldung bei Dieter Wenskat, Horstheider Weg 17, 25365 Sparrieshoop, Telefon (04121) 85501.

 

INSTERBURG −Stadt und Land

Vorsitzender Stadt & Land: Reiner Buslaps, Am Berg 4, 35510 Butzbach-Kirch-Göns, Tel.: (06033) 66228, Fax (03222) 3721953, E-Mail: R.Buslaps@t-online.de. Kreisgemeinschaft Insterburg Stadt & Land e. V.,  Geschäftsstelle, Am Marktplatz 10, 47829 Krefeld, Postfach 111 208, 47813 Krefeld, Tel.: (02151) 48991, Fax (02151) 491141, E-Mail: info@insterburger.de, Internet: www.insterburger.de, Bürozeiten: Montag – Freitag von 8 bis 12 Uhr.

Zur Frühjahrsversanstaltung im Mai/Juni erfolgen die Einladungen schriftlich. Veranstaltungsort ist die Matthias-Claudius-Kirche, Alte Dorfstraße 53, in Kiel-Suchsdorf. Im September oder Oktober wird es eine Neuauflage des „Ostpreußischen Nachmittags“  mit einem entsprechendem Thema geben. Weitere Monatstreffen finden bei Bedarf nach Ankündigung in der Kieler Presse und der PAZ statt, Nähere Informationen bei Hellmut Jucknat, Telefon (0431) 311972.

 

PREUSSISCH EYLAU

Kreisvertreterin: Evelyn v. Borries, Tucherweg 80, 40724 Hilden, Telefon (02103) 64759, Fax: (02103) 23068, E-Mail: evborries@gmx.net. Kartei, Buchversand und Preußisch Eylauer-Heimatmuseum im Kreishaus Verden/Aller Lindhooper Straße 67, 27283 Verden/Aller,  E-Mail: preussisch-eylau@landkreis-verden.de, Internet: www.preussisch-eylau.de. Unser Büro in Verden ist nur noch unregelmäßig besetzt. Bitte wenden Sie sich direkt an die Kreisvertreterin Evelyn v. Borries, Telefon: (02103) 64759 oder Fax: (02103) 23068, E-Mail: evborries@gmx.net

Liebe Kreis-Preußisch-Eylauer! In der heutigen, unruhig gewordenen Zeit gehen die Gedanken zurück in die Vergangenheit. Die plötzliche Vorstellung einer Überfremdung führt zur Frage nach der eigenen Identität. Viele Städte und Gemeinden greifen mit dem Thema „Erinnerungskultur“  die bislang mit großer Vorsicht behandelte deutsche Geschichte auf. Ein anschauliches Medium, nun auch von unserer Partnerstadt Verden geplant, ist dabei die Befragung von Zeitzeugen. Ihre Erinnerungen an den Krieg und die Nachkriegszeit werden mit Video- und Audio-Technik festgehalten und der jungen und mittleren Generation nahegebracht. Es ist klar, dass  hier gerade auch die ostdeutschen Gruppierungen gefordert sind. Unsere Kreisgemeinschaft stellt sich der Aufgabe. Dazu gehört, dass sich möglichst viele Landsleute, die im weiteren Umkreis von Verden wohnen, zum Mitwirken bereit sind. Bitte melden Sie sich bei der Kreisvertreterin (Adresse s. o.)!

Gleichzeitig darf die ständige Rettung von Zeitdokumenten nicht vergessen werden. Bei den Familientreffen zu den Feiertagen ist sicher manches Erinnerungsstück aufgetaucht. Vieles davon wird leichthin für banal gehalten, kann aber doch für Historiker, die einmal die Lebensverhältnisse in einer bestimmten Zeit und Region erforschen, hoch interessant sein, wie z. B. ein Impfpass (siehe das Foto). Was nicht im Familienarchiv bleiben soll, ist im Original, ansonsten als archivgerechte Kopie an die Kreisgemeinschaft zu senden (Adresse s. o.). Wir wiederholen hier besonders den Hinweis auf gerettete Briefpost – nicht nur Feldpost – aus den Epochen vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg und danach. Sie enthält oft, auch indirekt, Informationen über die jeweilige Lage und Stimmung, die auf anderem Weg nicht zu gewinnen sind. M. L.


S. 17-18 Heimatarbeit

Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Buchen – Über 80 Besucher konnte die Vorsitzende der Kreisgruppe der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern, Rosemarie Sieglinde Winkler, zur diesjährigen Weihnachtsfeier willkommen heißen. Nach ihrer Begrüßungsansprache in dem weih-nachtlich-festlich geschmückten Saal mit großer Tanne trug Christa Nuß ein Gedicht über heutige Weihnachtsgedanken vor. Anschließend stellte sich eine junge Blaskapelle aus Buchen vor, die den festlichen Nachmittag mit weihnachtlichen Weisen, auch aus den deutschen Ostgebieten, gestaltete.

Ingeborg Fronc vermochte mit der von ihr vorgelesenen besinnlichen Geschichte zum Nachdenken anzuregen. In die tief verschneiten, nächtlichen, geheimnisumwitterten Wälder Ostpreußens entrückte Kurt Hirschner die Besucher, als er eine winterliche Novelle von Ernst Wiechert vorlas. Eine Überraschung gab es noch bei der Grabbelsack-Päck-chen-Verteilung: Die Anwesenden staunten nicht schlecht, als zwei wunderschöne Engel in langen Gewändern mit goldenen Flügeln und Goldreif im Haar die Päckchen austeilten, was einen Sonderapplaus auslöste! Mit dem Lied „O Du fröhliche“ und guten Wünschen für das neue Jahr klang die Weihnachtsfeier aus.“

Ludwigsburg – Dienstag 17. Januar, 15 Uhr, Krauthof, Beihinger Straße 27: Stammtisch.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Bamberg – Mittwoch, 18. Januar,  15 Uhr, Hotel Wilde Rose: Jahreshauptversammlung.

Nürnberg – Dienstag, 24. Januar, 17, 15 Uhr, Haus der Heimat, Nürnberg-Langwasser, Imbuschstraße 1, (Endstation U1 gegenüber): Die Entstehung des Ostpreußenliedes ist das Thema des Treffens. Gäste sind herzlich willkommen.

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg – Freitag, 20. Januar, 14 Uhr, Johann – Georg – Stuben, Johann-Georg-Straße 10, 10709 Berlin: Treffen. Anfragen: Elfi Fortange, Telefon 4944404

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

Landesgruppe – Mittwoch, 18. Januar, 14 bis 16 Uhr, Deutsche Heimatstunde, Haus der Heimat, Teilfeld 8, (unweit der S-Bahnstation Stadthausbrücke, U-Bahnstation Rödingsmarkt oder Haltestelle der Buslinien 6 und 37). Es wird der Film Ostpreußische Landschaften´ vorgestellt. Eintritt frei.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Darmstadt/Dieburg – Sonnabend, 14. Januar, 14:30 Uhr, Luise-Büchner-Haus Grundweg 10, Darmstadt-Kranichstein: An diesem Tag heißt das Thema „Nord-Ostpreußen auf eigene Faust“ – Hanna Schink und ihre Tochter Kerstin Hoffmann berichten von ihrer Reise. Wir freuen uns auf einen schönen Nachmittag und auf ein Wiedersehen. Auch Nichtmitglieder und Gäste sind bei uns immer gerne gesehen. Bitten beachten sie die geänderte Anfangszeit.

Wiesbaden – Sonnabend, 21. Januar, 15 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Friedrichstraße 35: Das erste Monatstreffen in 2017 ist unserer Heimat gewidmet. Sie hören Nachdenkliches und Lustiges von früher und heute. Zudem erfahren Sie etwas über das derzeitige Geschehen in Ost- und Westpreußen. Wer zu diesem Heimatnachmittag etwas beitragen möchte, melde sich bitte gleich bei Dieter Schetat, Telefon (06122) 15358 oder einem anderen Vorstandsmitglied. Gäste und Freunde sind herzlich willkommen! Zuvor gibt es Kaffee und Kuchen.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Osnabrück – Freitag, 20. Januar, 15 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe. – Donnerstag, 26. Januar, 14 Uhr, Gaststätte Bürgerbräu, Blumehaller Weg 43: Literaturkreis.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Telefon (02964) 1037, Fax (02964) 945459, E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Landesgruppe – Sonnabend, den 18. Februar, 19.30 Uhr, im Maritim-Hotel, Godesberger Allee, 53175 Bonn: 10. Ostdeutscher Winterball mit Livemusik, den Oberschlesischen Jazzboys, Tombola und anderen Showeinlagen. Es wird ein reichhaltiges Buffet mit ostdeutschen Spezialitäten geben. Der Eintritt kostet 50 Euro. Kartenreservierungen: landsmannschaft@schlesien-bonn.de oder Manfred Ruhnau, Telefon (02241) 311395.

Bonn – Dienstag, 24. Januar, 14 Uhr, Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49: Treffen des Frauenkreises.

Düsseldorf – Jeden Mittwoch, 18.30 Uhr, Eichendorffsaal, Gerhart-Hauptmann-Haus (GHH), Bismarckstraße 90: Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland unter der Leitung von Radostina Hristova. – Freitag, 13. Januar, 18 Uhr, Restaurant Laurens, Bismarckstraße 62: Stammtisch. – Mittwoch, 18. Januar, 15 Uhr, GHH: „Vor der Morgenröte“ – Film von 2016 über die letzten Lebensjahre Stefan Zweigs in Brasilien. – Mittwoch, 18, Januar, 10.40 Uhr bis 19 Uhr: Exkursion zur Bundeskunsthalle, Besichtigung der Ausstellung „Der Rhein, eine europäische Flussbiographie“. – Donnerstag, 19. Januar, Raum 412 GHH: Offenes Singen mit Marion Cals. – Mittwoch, 1. Februar, 15 Uhr, Raum 311, GHH: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt.

Köln – Dienstag, 17. Januar, 14.30 Uhr, Bürgerzentrum Köln-Deutz, Tempelstraße 41–43: Ostpreußenrunden. Dazu Günter Donder: „Haben Sie, verehrte, in und bei Köln wohnende ostpreußische Landsleute, Lust, an unseren Versammlungen teilzunehmen, dann möchten wir Sie herzlich einladen, die monatlich an jedem dritten Dienstag stattfindenden Treffen zu besuchen. Wir wollen Lesungen oder Gedichten unser Ohr schenken, Lieder singen oder auch persönlichen Erlebnissen aus eigener Vergangenheit zuhören. Kommen Sie vorbei, auch wenn es zum ersten Mal sein sollte. Bereichern Sie zusätzlich die Erinnerung an unsere ostpreußische Heimat. Unser kleiner aber gemütlicher Raum wartet auf Ihren Besuch.“

Witten – Montag, 16. Januar 14,30 Uhr, Versammlungsraum, Evangelisch-Lutherische Kreuzgemeinde, Lutherstraße 6-10: Erörterung des Jahresprogramms.

 

RHEINLAND-PFALZ

Vors.: Dr. Wolfgang Thüne, Wormser Straße 22, 55276 Oppenheim.

Mainz – Jeden Freitag, 13 Uhr, Café Oase, Schönbornstraße 16: Gelegenheit zum Kartenspielen.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Limbach-Oberfrohna – Sonnabend, 28. Januar, 14 Uhr, Eschemuseum, Sachsenstraße 3: Nachmittag zum Thema „Trachten aus den Vertreibungsgebieten“.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner, Julius-Wichmann-Weg 19, 23769 Burg auf Fehmarn, Telefon (04371) 8888939, E-Mail: birgit@kreil.info

Bad Schwartau – Donnerstag, 12. Januar, 17 Uhr, Neue Mensa, Schulstraße 8–10: Traditionelles Fleckessen (alternativ Gulaschsuppe). Durch den Nachmittag begleitet der Entertainer Erwin Haase – ein Bad Schwartauer Ostpreuße, der weiß, was Ostpreußen bei solchen Gelegenheiten gern hören und singen. Unterstützt wird er von Jochen Gawehns, dem Vorsitzenden der Landsmannschaft der Ostpreußen/Westpreußen und Danziger in Fehmarn, der mit ostpreußischen Späßchen die Lachmuskeln trainiert. Mit 10 Euro inklusive Musik, Späßchen und Pillkaller sind die Besucher dabei. Gäste sind wie immer herzlich willkommen, Weitere Informationen: Regina Gronau (0451) 26706.

Flensburg – Freitag, 20. Januar, 15 Uhr AWO-Stadtteilcafe: Erst Kaffeetafel, dann der Vortrag „Das Nordertor in den Jahrhunderten“, Referent ist Dr. Broder Schwensen, Flensburger Stadtgeschichte.

Kiel – Sonntag, 22. Januar, 10 Uhr, Haus der Heimat: Preußentag. Auf dem Programm stehen die Vorträge: „E.T.A. Hoffmann, ein Universalgenie“ von Edmund Ferner und „Kenner und Hüter der ostdeutschen Mundart – Dr. Alfred Lau“ von Gisela Harder.


»Grüß Gott, grüß Gott mit hellem Klang«
Ostpreußens Chöre hatten einen guten Ruf und waren recht stimmgewaltig – Gisela Hannig kann sozusagen ein Lied davon singen

Ein PAZ-Artikel im Kulturteil der Ausgabe 52 des letzten Jahres regte unsere langjährige Leserin Gisela Hannig (91) an, ihre eigene erlebnisreiche Zeit unter Chören und Gesangsfreunden in Ostpreußen zu schildern. Gisela Hannig stammt aus Balga im Kreis Heiligenbeil. Sie lebt heute in Friedrichshafen. PAZ-Leser kennen sie aus einem Artikel über ihre ehrenamtliche Arbeit beim Archiv des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte (PAZ 31, 2016).

Zu dem so aufschlussreichen Artikel „Sängerherzen schlagen länger“ möchte ich einiges hinzuzufügen. Meine ganze Familie gehörte jahrzehntelang mit großer Begeisterung der ostpreußischen Sängerschar an. Die Eltern lernten sich im Kirchenchor und im gemischten Chor in Heiligenbeil kennen und heirateten bald darauf in den zwanziger Jahren. Als ich später geboren wurde stand eine große Annonce in der Zeitung: „Sangesschwester angekommen!“ So etwas verpflichtet natürlich lebenslang.

Mein Vater fuhr von Balga mit dem Fahrrad zu den Gesangsstunden am Freitagabend nach Heiligenbeil und da soll es vorgekommen sein, dass die Gesangsstunden drei Tage lang dauerten. „Dä hebbe doch wohl e langes Lied to singe“ war die Antwort meines immer originellen Großvaters auf die besorgte Frage eines Nachbarn, dessen Sohn auch noch nicht wieder zu Hause war.

Jedenfalls wurden mit dem gemischten Chor auch Theaterstücke geprobt und aufgeführt wie „Das Schwarzwaldmädel“ und „Ein Walzertraum“. Singspiele mit Liedern „Aus dem kleinen Rosengarten“ waren ebenfalls beliebt, wie zum Beispiel „Und der Hans schleicht umher, trübe Augen, blasse Wangen“. Glanzvolle Feste gab es im Winter, an denen noch Quadrille getanzt wurde.

Unvergesslich bleiben aber die Sängerfeste, die in der Breslauer Jahrhunderthalle gefeiert wurden. Der Sängerbund Ostpreußen reiste mit dem Nachtzug über Berlin an. Als die Sänger am Anhalter Bahnhof morgens um sieben Uhr ankamen, stand dort der Berliner Sängerbund auf dem Bahnhof und sang ihnen zur Begrüßung den deutschen Sängergruß „Grüß Gott, Grüß Gott mit hellem Klang, heil deutschem Wort und Sang.“ Man war zu Tränen gerührt, erzählte mein Vater noch Jahre danach, weil auch die Akustik in der hohen Bahnhofshalle beeindruckend gewesen wäre.

Als er nach der Flucht und Vertreibung in Bochum gelandet war, ist sein erster Gang zum Arbeitsamt sofort mit Erfolg gekrönt worden, nachdem er zuerst die Frage stellte: „Gibt es hier einen Gesangsverein?“ Als gelernter Kaufmann war er dann für Im- und Export bei einer Firma zuständig.

Im Elternhaus meiner Mutter in Heiligenbeil konnte ich noch unvergessliche Weihnachten erleben. Mein Großvater sang erster Tenor, meine Onkels zweiter Tenor, meine Mutter Sopran und meine Tante hatte eine volle Altstimme. Als dann die Lichter am hohen Tannenbaum brannten, wurde mit der Stimmgabel angestimmt zu Beethovens stimmungsvollen Choral „Heilige Nacht, oh gieße du, Himmelstränen in dies Herz“. Das hat meine Großmutter immer besonders berührt. Zum Geburtstag meines Großvaters im Januar wurde ein Transparent über der Eingangstür angebracht mit der Aufschrift „Willkommen frohe Sängerschar“, denn es wurde ihm immer ein Ständchen gebracht – ihm, dem langjährigen Sänger und Oberwerkmeister der Ostdeutschen Maschinenfabrik. Er selber sang sich selber am frühen Sonntagmorgen ein Liedchen, wenn er sich am großen Spiegel die Stulpenknöpfe schloss. Meistens „Oh singt und schenkt die Perle ein“.

Aber auch in Balga lotste uns der Lehrer und Kantor in die Burgkirche, gleich neben der Schule und stimmte beim brausenden Orgelspiel das schöne Lied an: „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit...“. Dort wurde wohl auch zuerst das Seemannslied „Wo des Haffes Wellen trecken an den Strand“ gesungen. , Später im Westen wurde es zu den „Nordseewellen“. Es ist aber am Kurischen Haff von einem Lehrer gedichtet und komponiert worden.

Zwischen den Jahren fuhren wir fast immer mit dem Theaterzug in die Oper und Königsberg, zunächst in die Märchenopern und den Abendsegen aus „Hänsel und Gretel“ musste ich als Siebenjährige schon singen können.

Wie es nicht anders sein konnte, landete ich während meiner Oberschulzeit in der Spielschar. Wir führten Sketche auf, fuhren mit dem Lkw über die Dörfer und sangen auch Lieder. Eines davon trugen wir auch einmal im Reichssender Königsberg vor. Das Lied soll aus der Elchniederung stammen und war besonders anrührend. Die letzte Strophe wurde vom Chor gesummt und eine Stimme sang einen halben Ton höher nochmals die 1. Strophe (oft auch ich): „Oh käm das Morgenrot herauf / oh, ging die Sonne doch schon auf / seh ich herreiten meinen / Geliebten über das Feld.“

Auch im Arbeitsdienst, den wir nach der Schule alle zu leisten hatten, haben wir dieses Lied in Tilsit gesungen zu einem Sommerfest. In Willkischken war für ein halbes Jahr unser RAD-Lager. In der dortigen Kirche waren wir zu einer Hochzeit auf der Empore engagiert. Eine Maid aus Ludwigshafen konnte wunderbar Orgel spielen und ich sang Solo von Friedemann Bach dazu „Mit Lieb bin ich umfangen...“.

Jahre später, verheiratet, schon zwei Kinder und in Bonn wohnhaft, hatte ich mir angewöhnt, jeden Abend den Kindern zum Einschlafen ein Lied vorzusingen. „Wenn ihr schön brav seid, dann sing ich euch noch ein Liedchen“. Darauf meine vierjährige liebe Tochter: „Nein, dann wollen wir lieber gleich einschlafen!“ Jedenfalls hat uns dieser fromme Wunsch doch nicht daran gehindert, auch im Auto lauthals „Mein Vater war ein Wandersmann“ zu schmettern.

Viele Jahre später konnten wir einer Einladung nach Kanada Folge leisten zu den Verwandten bis an die Pazifikküste nach Vancouver. Eine Schwester meiner Mutter hatte in den zwanziger Jahren tatsächlich dorthin geheiratet. Sie war in Ostpreußen Hauslehrerin auf verschiedenen Gütern gewesen. Natürlich hat sie das Liedgut mitgenommen und spielte auch gut Klavier. Für meinen Mann und mich war es eine besonders eindrucksvolle Reise – sogar mit Wasserflugzeug Richtung Alaska. Zu unserem Abschied gaben uns meine beiden Cousins mit ihren Kindern eine tolle Abschiedsparty mit Gesang von alten deutschen Liedern. Nun waren alle Verwandten schon in Kanada geboren, aber meine liebe Tante hatte ihnen viele deutsche Lieder beigebracht. Für uns hatten sie zum Mitsingen die Texte abgedruckt, denn wir konnten sie leider nicht mehr auswendig, wie zum Beispiel „Mädel ruck, ruck, ruck an meine grüne Seite“, alle Verse und vieles mehr. Zum Abschluss sangen sie uns das Deutschlandlied und zwar die erste Strophe und schenkten uns dazu eine Elchtrophäe. So ein Riesenkopf mit Fell und traurigen Augen, von dem ich befürchten musste, ihn beim Rückflug auf dem Schoß halten zu müssen. Zu unserer Beruhigung wurde er uns per Fracht nachgeschickt. Hier haben wir seinetwegen ein Zimmer neu eingerichtet als Jagdzimmer. Als Dank sangen wir den Neukanadiern dafür das Ostpreußenlied vor.

Bis zum Anfang des Krieges gab es vor allem in Manitoba Zusammenkünfte der Deutschen mit vielen Familien auf den Farmen, wo immer das alte Liedgut gepflegt wurde. Natürlich spielte bei der älteren Generation das Heimweh auch eine Rolle. Bis zuletzt wurden sie von der alten Heimat mit Texten und Noten versorgt und wir konnten uns an den zugesandten Fotos erfreuen. Bei Todesfällen wurde oft noch das deutsche Lied gewünscht „Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus... da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus... starb ich in fremder Erde...“


S. 19 Heimatarbeit

Sensationsfotos in Ellingen
Das Kulturzentrum Ostpreußen zeigt einmalige Ostpreußen-Bilder

Ein kleine Sensation waren Walter Engelhards Fotos als sie kurz vor der Wende 1989 aus der DDR in den Westen gelangten. Engelhardt (1903 – 1970) war in den 1930er Jahren Lehrer für Deutsch und Kunsterziehung an der Herzog-Albrecht-Schule in Tilsit gewesen. Der gebürtige Thüringer hatte sich in die Region und ein Tilsiter Mädchen verliebt – und er fotografierte mit Leidenschaft. Wann immer er Zeit hatte, unternahm er Ausflüge ins Memelland, besuchte die Dörfer beiderseits des Stroms, die Kurische Nehrung, die Moorkolonien, er beobachtete das Leben der Bauern und Fischer. Und immer wieder Tilsits quirligen Wochenmarkt. Auch wenn im Frühjahr die Eisschollen gegen die Pfeiler der Luisenbrücke knallten und Kinder „Schollche fahren“ spielten, war er mit der Kamera dabei. Buchstäblich im letzten Moment hielt er diese ländliche Welt fest – wenige Jahre später war sie untergangen, wie viele Regionen des deutschen Ostens hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden.

Engelhardt veröffentlichte seine Aufnahmen schon in den 1930er Jahren in einem Bilderbuch, das den Alltag der Menschen vor der einzigartigen Naturkulisse des Memellandes dokumentiert. Oft entstanden die Fotos während oder nach Gesprächen mit den Einwohnern. Bei seinen Landschaftsaufnahmen wählte er die totale Perspektive, in der die Menschen gegenüber der Weite des Landes klein wirken. Dass die Fotos noch erhalten sind, ist der Familie des Fotografen zu verdanken. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges überführten sie die Sammlung nach Saalfeld, wohin auch Engelhardt selbst nach der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Bis heute leistet die Sammlung einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Menschen des Memellandes.

Die Ausstellung kann bis zum 31. März im 1. Obergeschoß des Kulturzentrums Ostpreußen in  Ellingen besichtigt werden. Sie ist täglich, außer montags, von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen: Kulturzentrum Ostpreußen, Schloßstraße 9, 91792 Ellingen, Telefon (09141) 86440, Fax (09141) 864414, Internet: www.kulturzentrum-ostpreussen.de, E-Mail: info@kulturzentrum-ostpreussen.de.        PAZ


Heimatlich gewandet
In ostpreußischer Tracht besuchte Jörn Pekrul den Königsberger Dom

Nach Schnittmustern und den speziellen Stoff für eine echte Ostpreußenweste hatte Jörn Pekrul in der Landsmannschaft Ostpreussen angefragt. „Mein ostpreußischer Vater wird in diesem Jahr 80. Ich würde ihn gerne mit einer solchen Tracht überraschen. Die Tracht soll dann auch für künftige festliche Gelegenheiten im Familienkreise Verwendung finden“, hatte er geschrieben.

Nachdem das Gewünschte angekommen war, nahm sich eine Schneiderin aus seiner Frankfurter Kirchengemeinde der Sache an. Ein so guter Stoff komme ihr selten vor die Nadel, lobte sie die Rohware. „Die übrigen Bestandteile der Tracht, also Hose, Hemd, Strümpfe und Jostenband, waren schon besorgt“, erläutert Pekrul.

Das Endergebnis kann sich, wie man sieht, sehen lassen. Als fleißiger Ostpreußenreisender hat Pekrul das feine Gewand in passender Umgebung zu Schau getragen. Sein Kommentar: „Da es Ihnen vielleicht Freude bereiten würde, das fertige Ergebnis in der Heimat getragen zu sehen. So habe ich ein paar Fotos am und im Königsberger Dom anfertigen lassen.“

Pekrul weiter: „Die Tracht erregte beim Fotografieren einige Aufmerksamkeit. Sogar eine kleine Gruppe russischer Geschäftsleute erkundigte sich. Die Weste wurde besonders gelobt, insbesondere der feine Stoff und die geschickte Webart. Die russischen Frauen haben das sofort erkannt und bewundert. Es war eine schöne Gelegenheit, über die altpreussischen Traditionen zu sprechen und insbesondere über das Rautenmuster. Meine Aufforderung: ‚Gehen Sie offenen Auges durch die Stadt. Schauen Sie, an wie vie len Gebäuden Sie dieses Rautenmuster wiederfinden: Postamt am Hauptbahnhof, Arbeiterwohnhaus am Sackheimer Tor, Burgschule- um nur einige Beispiele zu nennen.‘ Es ergaben sich sehr nette Gespräche und sympathische Begegnungen daraus. Auch mich berührte es zu sehen, welch ein Interesse an Heimatkunde ausgelöst wird, trifft man nur das Zauberwort. Menschen müssen miteinander sprechen – es geht nur gemeinsam“ PAZ


S. 20 Heimatarbeit

„Ja, ich bin wieder zuhause“
1945 vertrieben, 1991 zurückgekehrt und Ehrenbürgerin geworden – ein ungewöhnlicher Lebensweg

Eine Tagung des Frauenverbandes des BdV in Bad Kissingen: Dora Mross (geborene Kunz), am 3. Februar 1936 in Dünhöfen (Przybyłowo) im Kreis Elbing geboren, tritt an das Rednerpult und schafft es, die Zuhörer schon mit den ersten Sätzen zu fesseln. Sie erzählt: „Ja, ich bin wieder zu Hause und wohne in meinem Elternhaus in meiner Heimat. Ich konnte hier meinen 80. Geburtstag begehen, was nicht vielen Vertriebenen vergönnt ist. Ein langer Lebensweg liegt hinter mir und vieles, was ich mir erträumt habe, ist in Erfüllung gegangen.“

Ein ereignisreiches, unvergessliches Jahr 2016 hat sicherlich seinen Teil zu dieser positiven Aussage beigetragen. Dora Mross feierte nicht nur ihren 80. Geburtstag „zu Hause“, sondern wurde für ihr Engagement zur Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen mehrfach geehrt. Sie erhielt das Silberne Ehrenzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen, wurde von der Landsmannschaft Westpreußen ausgezeichnet und trägt seit September 2016 den Titel „Ehrenbürgerin der Stadt Tolkemit (Tolkmicko). In der Gemeinde Tolkemit liegt auch Dünhöfen (Przybyłow). Dora Kunz erwarb hier 1991 ihr früheres Elternhaus und zog aus dem Rheinland dahin zurück. Sie betreibt Landwirtschaft und bietet Gästen Urlaub auf dem Bauernhof an. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell: Die Ostseeküste ist mit dem Auto in rund einer Viertelstunde zu erreichen. Die Natur rund um Dünhöfen ist ursprünglich und weitegehend naturbelassen. Außerdem genießt die Ostpreußin den Ruf einer zuvorkommenden und freundlichen Gastgeberin.

Ein langer Lebensweg liegt mittlerweile hinter ihr, einschließlich der bitteren Erfahrung, aus der Heimat vertrieben zu werden. Nach einer glück-lichen Kindheit musste sie mit ihren Eltern und drei Schwestern im Jahr 1945 ihr Haus verlassen. Sie erinnerte sich später daran, dass die Flucht ein schreckliches Erlebnis war, mit dem sie sich nie abfinden konnte. Trotzdem entwickelten Dora und ihr aus Sensburg stammender Ehemann Kurt Mross gute Beziehungen zu der polnischen Familie, die nach dem Krieg in das Haus zog. Die ersten Besuche in die alte Heimat erfolgten in den 1970er Jahren.

Es war immer der Wunsch von Dora Mross, irgendwann wieder in ihr Elternhaus einziehen zu können. 1991 war es dann so weit. Sie und ihr Ehemann kauften das Haus von den Besitzern zurück und wagten den abenteuerlichen Schritt. Zunächst bauten sie das Haus mit Fremdenzimmern aus, später betrieben sie auch Landwirtschaft. Stolz ist Dora Mross auf ihre pommerschen, rauwolligen Landschafe und vor allem auf die Skuddenschafe, eine traditionsreiche ostpreußische Rasse. Ihr jüngster Sohn Joachim hat in Deutschland auch mit Landwirtschaft zu tun. Er ist an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn für Versuchsfelder verantwortlich. In Dünhöfen jedoch sind die Schafe seine große Leidenschaft.

Des Öfteren berichtete die Heimkehrerin bei der Tagung in Bad Kissingen auch über das gute Verhältnis zu ihren polnischen Nachbarn sowie von Begegnungen mit Schülern, denen sie die Beweggründe schilderte, die sie zum Zurückkommen bewegt haben. Sie nahm auch Kontakt zur deutschen Minderheit in Elbing auf und ist seit 1997 Mitglied dieser Gesellschaft. Mittlerweile ist die ältere deutschsprachige Generation geschrumpft. Das Vereinsleben ist trotzdem lebendig.

Dora Mross genießt es heute, wenn sich ihre ganze Familie von nah und fern in ihrem Hause trifft und sie Gelegenheit hat, Geheimnisse der ost- und westpreußischen Lebensart an die nachkommende Generation weiterzugeben. Ihre drei Kinder leben in Deutschland und kommen gerne zu Besuch. Sie überrascht ihre Gäste mit typisch ost- und westpreußischen Spezialitäten wie Marzipan-Kartoffeln und anderen Leckereien. Und noch ein großer Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Im März 2016 wurde ihr zweites Enkelkind, der Sohn von Joachim und Schwiegertochter Soraya, geboren.

Gerne beteiligte sie sich mit ihrer Familie auch an Fernsehaufnahmen deutscher TV-Sender, die sich der Fortführung ostpreußischer Traditionen – unter anderem zur Weihnachtszeit – widmeten. Auf die Frage eines Reporters, ob sie den Schritt der Rückkehr nochmal wiederholen würde, antwortete sie mit einem deutlichen „Ja“. Sie fühle sich in ihrem Elternhaus auf der Elbinger Höhe zu Hause, werde im Dorf von den Bewohnern respektiert und schätze die gute Nachbarschaft. Schließlich lebe man heute in Europa und wer nicht bereit sei, mit anderen in Frieden zu leben, sollte so einen Schritt nicht machen.“

                Dieter Göllner


M wie  marmelig und molsch

2300 Wörter und Redensarten, damit nicht ganz vergessen wird, wie man in Ostpreußen schabbern konnte“, heißt das Büchlein, dass der aus Gumbinnen stammende Pfarrer Felix Arndt (1908–1999) in fleißiger Kleinarbeit zusammenstellte. Die PAZ bringt in loser Folge Auszüge. An dieser Stelle geht es mit Folge 36 weiter:

M

mang, mittenmang = inmitten unter, zwischen

mängelieren = vermischen

Mannche = vertrauliche Anrede für Mann

Manschetten haben = ängstlich sein

Marjekaul = Müllgrube

Marjell. Marjellchen = harte Anrede beziehungsweise Kosename für ein Mädchen

marmelig = gesprenkelt

Maschin’ = eiserner Kochherd

Maschkuppie = Geschäftsgemeinschaft

Masel haben = Glück haben

Mehlklimper = Mehlklößchen

meinje = Schreckensruf (von mein Jesus!)

Meiran = Majoran

Menkenke machen = Schwierigkeiten machen

das Mensch = resolute aber etwas primitive Frau, mit der man nicht so leicht fertig wird

Meschkinnes = Bärenfang (Likör aus Honig und Alkohol)

Mistkrät = kräftiges Schimpfwort

Molltwurm = Maulwurf

molsch = müde, zu weich, fast angefault

molschen = faulenzen, auch: ohne Regeln Fußball spielen

mucks = widersetzlich

munklig, munkig = nicht mehr frisch schmeckend, muffig, barsch


S. 21 Lebensstil

Der maßgeschneiderte Hund
Nicht bellen, nicht haaren, nicht jaulen – Durch besondere Kreuzungen werden unsere Vierbeiner großstadttauglich gemacht

Schäferhund, Dackel oder Spitz haben als Haustiere ausgedient. Heutzutage sind sogenannte De­signerhunde mit sozialverträglichen Eigenschaften gefragt.

Früher hätte man einen Hund mit der Abstammung vom Spitz und Dalmatiner eine Promenadenmischung genannt. Heute wird ein Produkt der Anpaarung  Jack Russell Terrier und Mops keineswegs als Mischling, sondern als Jackmo bezeichnet. Ein sogenannter Designerhund ist entstanden, ein Hybrid. Wie der Aussiedoodle (Australian Shephard und Pudel), der Labradoodle (Labrador und Pudel) oder der Puggle (Mops und Beagle).

Kennzeichnend für die Hunde dieser Art ist, dass zwei Tiere bestimmter Rassen gekreuzt werden. Den Welpen werden vorteilhafte Eigenschaften zugesprochen. So soll der Labradoodle nicht haaren und daher beson­ders gut für Allergiker geeignet sein. Wenn es um die Vermarktung der Kreuzungsprodukte geht, ist das ein hervorragender Vorteil für einen Hund.

Wer einen Welpen dieser Genese erwerben möchte, darf schon mal die Euros zählen. Für diesen Hybrid müssen in der Regel 1000 bis 1500 Euro hingelegt werden. Der Aussiedoodle punktet in Sachen Marketing mit der besonders kinder- und familienfreundlichen Art. Der Jackmo bringt – wenn es gut läuft – weniger Jagdtrieb mit als der reinrassige Jack Russell Terrier. Puggle sind einfach nur schick. Die beiden letztgenannten Rassen bringen jedoch einen für Tierfreunde sehr gut nachvollziehbaren Vorteil mit: Die Hunde haben in den meisten Fällen verglichen mit dem reinrassigen Mops eine deutlich ausgeprägte Nase. Da gerade bei der Reinzucht der Möpse immer wieder kritisiert wird, dass die Atmung nicht optimal sei, kann bei der Kreuzung eine bauliche Verbesserung des Hybrid-Hundes angeführt werden.

Hundehalter, die diese modernen Kreuzungen bewusst erzeugen, haben einen lukrativen Job. Denn die Designerhunde sind keine Rasse. Kreuzt man die gemixte Welpengeneration mit anderen Hunden dieser Kreuzung, kommt eine wilde Mi­schung heraus. Mal zeigt sich eine Entwicklung zurück zur einen Rasse, mal zur anderen. Das Zuchtprodukt ist keineswegs zu­verlässig. Daher gilt: Die Hybrid-Hunde müssen stets aufs Neue als Kreuzung erzeugt werden. Der Designerhund ist eben doch nur ein Mischling.

Da stellt sich die Frage, ob der Wirbel, der um Designhunde gemacht wird, nicht einfach nur eine Mode ist, die auch schnell wieder vorbei sein wird. Eine Mode, die sich im wahrsten Sinne des Wortes „ausmendelt“, also durch die Vererbungsregeln des „Vaters der Genetik“, Gregor Mendel, ins Nichts laufen.

Leider steht zu befürchten, dass die derzeitige Entwick­lung erst der Auftakt für eine große Welle an Design-Zuchtversuchen ist, auch weil Hundezüchter finanzielle Interessen verfolgen und dabei ihre ideelle Überzeugung verraten. Zum anderen wird seit einigen Jahren mit Hundeflüstern, Clickertraining und Leberwurst aus der Tube versucht, Hunde zu einem Verhalten zu formen, das dem modernen Großstadtmenschen angenehm ist.

Das gelingt aber nur, wenn Herrchen und Frauchen sich der Aufgabe, die sie mit der Haltung des Hundes übernommen haben, auch bewusst sind und sie dem Hund und seinem Wesen gerecht werden wollen und können. Jagd- und Hütehunde benötigen Beschäftigung, Training und Aufgaben. Leider werden Hunde immer wieder lediglich aufgrund des Aussehens angeschafft. Rassetypische, spezifische Eigenschaften wie Jagd- oder Hütetrieb entwickeln sich, wenn sie nicht bei der Haltung und im Training berücksichtigt werden, zu unangenehmen Eigenschaften. Unkontrollierbare Hunde, die ausreißen, andere Hunde angehen oder sich selbstständig das Schutzobjekt auswählen und verteidigen, sind die Folge. Das daraus resultierende Verhalten ist dem Hundebesitzer unangenehm. Doch nur selten wird erkannt, woher es rührt.

Gefragt sind heute vor allem Hunde, die lieb und freundlich sind, nette Spielgefährten fürs Kind, die mit einem Minimum an Aufwand erzogen und fit gehalten werden können. Tiere, die sozialverträglich und ohne zu bellen und zu jaulen in der Mietwohnung gehalten werden können, ohne Schmutz zu verursachen. Kreuzungen, die keine Haare verlieren, nur leise oder gar keine Töne von sich geben, stehen hoch im Kurs. Der moderne Hundefreund zuckt nicht mal mit der Wimper, wenn er Spezialfutter zu horrenden Preisen kauft oder regelmäßig teure Seminare mit Fiffi besucht, damit der junge Hund Befehle wie „Sitz“, „Platz“, „Fuß“ oder „Bleib“ lernt. Wer will bei diesem edlen Einsatz des Hundehalters noch erwarten, dass er regelmäßig niedere Arbeiten wie putzen und saugen verrichtet, weil der Hund mit schmutzigen Pfoten durchs Haus gelaufen ist und einen Berg Haare auf dem Sofa hinterlassen hat?

Klar, dass ein Hybrid-Hund mit schmutzabweisendem Fell und sich selbst reinigenden Pfoten einen Vorteil bietet. Der berufstätige Mensch will den Hund schließlich zu seinem Vergnügen anschaffen und nicht, um noch mehr Arbeit zu haben. Solange diese Einstellung vorherrscht, steht den Designhunden die Welt offen. Stephanie Sieckmann


Früh geschlüpft
Je wärmer, desto eiliger haben es Echsen, aus dem Ei zu kommen

Bei vielen Arten bestimmen nicht die Gene der Eltern, sondern die Bruttemperatur darüber, mit welchem Ge­schlecht Echsen auf die Welt kommen. Unter Krokodilen gilt die Regel: Konstante Bruttemperaturen unter 30 Grad Celsius garantieren ausschließlich weibliche Nachkommen, ab 34 Grad bilden sich nur Männchen aus. Australische Forscher haben nun nachgewiesen, dass eine höhere Bruttemperatur Schildkröten sogar bis zu drei Wochen früher ausschlüpfen lässt und die Abfolge beeinflusst, in der sich innere und äußere Organe der Echsen entwickeln.

Die Forscher der Universität in Penrith im australischen Bun­desstaat Neu-Süd-Wales untersuchten 43 verschiedene Körpermerkmale von Em­bryonen der Breitrand-Spitzkopfschildkröte (Emydura macquarii) aus der Familie der Schlangenhalsschildkröten.  Zunächst hatte das Team um James Van Dyke trächtige Weibchen in der Wildnis gefangen und deren Eier nach der Ablage künstlich bebrütet – einen Teil bei 26 Grad Celsius, den anderen bei 30 Grad. Im Wochentakt entnahmen die Wissenschaftler einzelne Embryonen den Eiern und sezierten sie.

Die Untersuchungen zeigten: Die bei 30 Grad ausgebrüteten Embryonen wuchsen schneller, bildeten früher ihr Geschlecht aus und schlüpften eher. Die bei 26 Grad inkubierten Keimlinge legten bei der Bildung einiger wichtiger Organe in der zweiten bis vierten Woche Wachstumspausen ein. Nicht davon betroffen waren Rückenpanzer und Kopf, dafür aber unter anderem Herz, Leber und Lunge.

Den Forschern fiel auch auf, dass die „30-Grad-Brüter“ umgehend schlüpften, sobald alle Körpermerkmale vollständig ausgebildet waren, während sich die „26-Grad-Brüter“ trotz fertig ausgebildeter Embryonen noch zwei Wochen Zeit ließen, bis sie mit ihren Eizähnen die Schale aufpickten. In der Körperlänge unterschieden sich die Schildkröten nicht. Bislang war nicht geklärt, ob eine Veränderung der Bruttemperatur und damit der Brutdauer in die biologischen Wachstumsprozesse der Organbildung eingreifen kann. Die Forscher zeigen mit ihrem Befund, dass diese Abläufe ihr synchrones Tempo verändern können, wenn andere Brutbedingungen ge­schaffen werden.

Inwieweit eine globale Erderwärmung sich darauf auswirkt, ob Echsen mehr männlichen oder weiblichen Nachwuchs zeugen, bleibt mit Blick auf die Studie offen. Das Geschlecht von Breitrand-Spitzkopfschildkröten ist genetisch vorherbestimmt. Hö­here Bruttemperaturen bieten laut den Forschern aber eine evolutionäre Chance.

„Wenn sich die Abfolge ändert, in der sich bei verschiedenen Temperaturen die Körpermerkmale entwickeln, kann das unerwartete selektive Vorteile haben“, schreiben die Forscher. Die Überlebenschancen des Nachwuchses könnten sich also unter unterschiedlichen Brutbedingungen maximieren.             Kai Althoetmar


Die absolute Null
Zeit, sich warm anzuziehen – Es kann ziemlich kalt werden

Der Winter hat uns Anfang Januar seine kalte Schulter gezeigt. In einigen Regionen Deutschlands erreichten die Temperaturen bis zu minus 20 Grad. Das ist geradezu warm im Vergleich zu jenen minus 89 Grad, die 1983 in der Wostok-Station in der Antarktis gemessen wurden und die den Tiefstrekord der an ei­ner Wetterstation ge­messenen Temperatur hält.

Doch es kann noch weit tiefer mit der  Temperatur heruntergehen. So liegt der „absolute Nullpunkt“ bei minus 273,15 Grad Celsius. Kälter kann es aus physikalischen Gründen nicht werden. An diesem untersten Grenzwert kommen alle Bewegungen zum Stillstand. So etwas wie minus 1000 Grad kann es daher nicht geben.

Doch auf der Erde sind solche  Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt nur im Labor zu erzeugen. Kühlt man Stoffe herunter, verändern sie ihre Eigenschaften. Ein Gas wie Helium wird dann plötzlich flüssig. Und ganz besonders auffällig: Es „kriecht“ in diesem Zustand die Wände eines Gefäßes hoch.

2003 entdeckte das Weltraumteleskop Hubble im Weltall ein Objekt, den Bumerang-Nebel im Sternbild Zentaur. Es stellte sich heraus, dass dieser fast so kalt ist wie der absolute Nullpunkt, nämlich Minus 272 Grad Celsius. Im All sind diese extremen Temperaturen also möglich. Den absoluten Nullpunkt nennt man auch Null Kelvin. Der irisch-schottische Physiker Lord William Thomson Kelvin führte im 19. Jahrhundert die absolute Temperaturskala ein.

Reines Wasser gefriert bekanntlich bei null Grad Celsius. Enthält das Wasser Stoffe wie Salz, sinkt der Gefrierpunkt. Dann gefriert es erst bei Minusgraden. Daher streut man im Winter oft Salz auf das Glatteis. So bringt man es zum Auftauen. Doch Salz schadet der Umwelt, da es das Wurzelwachstum der Pflanzen stört. So können Bäume nicht mehr genügend Nährstoffe aufnehmen. Auch für Tierpfoten ist das Salz schädlich. Besser ist es, Granulate oder Sand zum Streuen zu nehmen.

Richtig rutschig möchten wir es jedoch dort haben, wo wir mit den Schlittschuhen gleiten können. Dass man mit Kufen überhaupt auf dem Eis gleiten kann, liegt daran, dass normales Eis mit einer dünnen Wasserschicht überzogen ist. Tritt man mit dem Schlittschuh darauf, vertieft sich die Wasserschicht, denn der hohe Druck lässt weiteres Eis schmelzen. Wasser dient also als eine Art Schmiermittel für die Kufen. Hätten wir eine Temperatur von unter minus 30 Grad, könnte niemand mehr Schlittschuhlaufen, da es keinen Wasserfilm mehr gäbe.   

Der sibirische Ort Oimjakon gilt übrigens als Kältepol auf der Nordhalbkugel. Auf einem Denkmal sind dort minus 71,2 Grad angegeben. Da diese Temperatur 1926 nicht gemessen, sondern rechnerisch ermittelt wurde, wird dieser Rekord nicht anerkannt. Trotzdem darf sich Oimjakon mit dem nahen Werchojansk offiziell den Rekord von minus 67,8 Grad teilen, der dort 1933 gemessen wurde. Silvia Friedrich/H. Tews


S. 22 Neue Bücher

Gute Absichten
Kurzsichtigkeit der Autoren erzielt das Gegenteil

Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem die Flucht einer syrischen Familie vor dem „Islamischen Staat“ geschildert werden und die in Mecklenburg-Vorpommern wieder zusammenfindet. Was die „Schleuser“ betrifft, so lautet ihr Urteil: „Für sie waren wir keine Menschen, sondern einfach nur Waren, mit denen sie viel Geld machen konnten.“

Die Konzeption zu diesem Buch stammt von Marc Engelhardt, der das Netzwerk „Die Weltreporter“ deutschsprachiger Reporter mit 45 Korrespondenten betreibt, die aus 160 Ländern berichten. Für das Buch hat er 26 Reporter gewinnen können, die alle aus persönlicher Sicht rührende Geschichten beigetragen haben, die eine hohe emotionale Wirkung erzielen, aber durch die enge Fokussierung auf Einzelschicksale das eigentliche Problem aus dem Auge verlieren. Dies betrifft vor allem die Ursachen. Diese extrem individualistische Sicht verleitet zu der egoistischen Annahme, dass jeder Mensch, der mit seiner Situation unzufrieden ist und ein besseres Leben anstrebt, das Recht habe, sich überall in der Welt niederzulassen.

Das Buch ist zusammengestellt aus 27 einzelnen Geschichten aus vielen Ländern, die den Eindruck einer „Völkerwanderung“ und die Stimmung einer „Flüchtlingsrevolution“ erzeugen wollen und sollen. Doch allein die Zahl von 65 Millionen Flüchtlingen ist im Vergleich zur Erdbevölkerung von über sieben Milliarden Menschen wenig überzeugend. Dafür ist auch der Begriff „Flüchtling“ zu schwammig, zumal die geschilderten Schicksale keine Flüchtlinge im Sinne der Weltflüchtlingskonvention sind. In der Mehrheit handelt es sich um reine Armutsmigranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind und sich bei ihrer Suche auf „wohlhabende“ Staaten mit einem günstigen Sozialsystem konzentrieren. Die „Flucht in die Gewinnländer der globalisierten Wirtschaft“ wird mit Karl Marx begründet: „Die marginalisierte Mehrheit vor allem im globalisierten Süden“ entspricht somit der „unterdrückten Arbeiterklasse, deren wirtschaftliche und soziale Verhältnisse“ mit neidvollem Blick auf den „herrschenden globalen Norden“ mit seinem „fantastischen Reichtum“ revolutionär ausgeglichen werden müssen.

Fehlen darf auch nicht Tuvalu, ein Atoll-Staat in der Südsee, der von der industriell ausgelösten „Sintflut“ bedroht, dem Untergang geweiht sei und von besorgten Öko-Touristen heimgesucht werde. Deren Ziel sei die Lagune Tepuka Savilivili, „eine gräuliche Erhebung im Wasser“, auf der vor der „Klimakatastrophe“ einst Palmen wuchsen. Doch dann ist von Tiden-Zyklen und der natürlichen Erosion zu lesen, wie man sie auch auf Rügen und entlang der Ostseeküste kennt. Irgendwie schleicht sich der Satz ein: „Drei Zyklonen, tropische Wirbelstürme, machten im Jahr 1997 die Vegetation zunichte, nicht der ansteigende Meeresspiegel. Die ,sinkende Insel‘ war streng genommen keine.“ Dann das Bekenntnis eines Älteren: „Niemand hier fühlt sich akut bedroht – das ist Unsinn.“ Die „Coca-Cola-Kolonialisierung“ habe auf die unmittelbare Lebensqualität der Tuvulaner eine schädlichere Auswirkung als jeder CO2-Ausstoß.

Anke Richter, die dies schrieb, bedauerte, dass bisher nur 17 Menschen versucht haben, „in Australien und Neuseeland einen Antrag als Klimawandel-Flüchtling zu stellen.“ Das Tuvalu-Kapitel endet mit der Frage „Volk statt Flüchtlinge?“. Da werden künstlich fiktive Szenarien konstruiert, um alle „Rechtspopulisten“ in den Niederlanden, Dänemark, Finnland, Deutschland, Polen, USA, Südafrika als „völkisch“ und nationalistisch, als antipluralistisch zu diffamieren, weil sie der bedingungslosen totalen Reise- und Niederlassungsfreiheit von Armuts- und Wirtschaftsmigranten  Grenzen setzen wollen, denn alle Staaten haben aus ihrer demokratischen Verantwortung für das Wohl des eigenen Volkes zu sorgen. In der Tier- und Pflanzenwelt gibt es für alle Ökosysteme eine ganz natürliche sich selbst regulierende Populationsdichte.

Wer seinen Blick auf Einzelschicksale konzentriert, verliert leicht das Gesamte aus den Augen und verursacht langfristig mehr Schaden als Nutzen. Auch mit Migrationen kann man „die soziale Ungleichheit in der globalisierten Wirtschaftswelt“ nicht beseitigen. Und „globale Klimagerechtigkeit“ kann man erst recht nicht schaffen! Es ist diese Kurzsichtigkeit der Autoren, die ihre gute Absicht zunichte macht. Der Rezensent kann das Buch daher nicht empfehlen.

                Wolfgang Thüne

Marc Engelhardt: „Die Flüchtlingsrevolution – Wie die neue Völkerwanderung die ganze Welt verändert“, Pantheon Verlag, München 2016, broschiert, 351 Seiten, 16,99 Euro


Elbe erradeln
Bildband mit vielen Tipps

Einer der beliebtesten Radwege Deutschlands führt an der Elbe entlang,  häufig beidseitig an den Ufern des Flusses. Radler müssen häufig über Brücken und Stege die Seite wechseln. Zum zehnten Mal wurde der Elberadweg zum beliebtesten Radfernweg gewählt. Und das zu Recht, denn er führt über 840 Kilometer an Unesco-Welterbestätten vorbei, durch die Elbtalaue, an Dresden, wo Radtouristen den berühmten Canaletto-Blick auf die Elbmetropole genießen können, bis an die tschechische Grenze. Im Norden kann der Radler Hamburg einen Besuch abstatten, bevor es weiter an die Nordsee geht.

Die Hamburger Journalistin Christine Lendt und der österreichische Fotograf Hans Zaglitsch haben es sich zur Aufgabe gemacht, in einem großzügig aufgemachten Bildband den Elberadweg von Tschechien bis zur Nordsee vorzustellen. Die Reise geht durch sieben Bundesländer.

Da der Elberadweg gut ausgebaut ist, kann er gut von Familien mit Kindern befahren werden. Das Buch liefert wertvolle Anregungen, wobei auf Streckenvorgaben verzichtet wurde. Dafür beschreibt die Autorin die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Orte längs der Route, gibt touristische Informationen mit Kontaktadressen. Auch Tipps zu Übernachtungsmöglichkeiten und gastronomischen Betrieben fehlen nicht. Zahlreiche Hotels, Pensionen und Gaststätten haben sich entlang des Radfernwegs auf die Bedürfnisse ihrer radelnden Gäste eingestellt. Es sind teilweise sehr abgelegene Einkehrmöglichkeiten, die man als Autotourist nicht kennenlernt.     MRK

Christine Lendt: „Zeit für den Elbe-Radweg. 840 Kilometer Kultur, Natur und Genuss zwischen Sächsischer Schweiz und Nordseeküste“, Bruckmann Verlag, München 2017, gebunden, 160 Seiten, 29,99 Euro


Faszination Eis
Bizarre Welten in Fotos

Riesige Eis-Gewölbe, zerklüftete Spalten, bizarre Gebirge – all diese seltsamen Gebilde entstehen, wenn Wasser zu Eis gefriert. Welche ästhetischen Wunder dieser Aggregatzustand des Wassers hervorbringt und welche Bedeutung er für das Leben hat, zeigt der Autor und Fotograf Volker Hofer in seinem Buch „Das kalte Blau. 140 Aufnahmen unter Null“ anhand gestochen scharfer Bilder.

Der 1941 in Königsberg geborene Professor für Fotografie hat die Faszination des Eises nicht nur im Kleinen, anhand norwegischer Gletscher, oder im Großen, etwa der grönländischen Eisberge festgehalten, sondern es sind auch surreal wirkende Eis-Kathedralen isländischer Gletscher sowie auf einen schwarzen Lavastrand fließendes Wasser des Nordatlantiks, das auf formvollendete Eisskulpturen trifft, zu sehen.

Die Fotografien Hofers, der von 1980 bis 2002 an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim lehrte, sind in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Außerdem veröffentlicht der Professor seine Arbeiten in Fachzeitschriften, Bildbänden und Kalendern. Das vorliegende Buch enthält atemberaubende Aufnahmen in bester Q            ualität zu einem günstigen Preis.              MRK

Volkhard Hofer: „Das kalte Blau. 140 Aufnahmen unter Null“, Tecklenburg Verlag, Steinfurt 2016, gebunden, 192 Seiten, 34,50 Euro


Islam, politisch korrekt gesehen
ARD-Sonderkorrespondent berichtet über Alltag in arabischen Ländern

Besser als mit den Worten „Allah ist groß, die Hoffnung klein“, kann man die Situation und Mentalität der Menschen im Nahen Osten kaum in einem Satz beschreiben. Deshalb trägt das Buch des ARD-Sonderkorrespondenten für die arabische Welt, Thomas Aders, auch genau diesen Titel. Mit seiner Publikation will der Vertreter der Mainstream-Medien zeigen, welche Geschichten sich hinter den Nachrichtenmeldungen über die explosivste Region der Welt verbergen, die tagtäglich auf uns einströmen. Dabei führt Aders seine Leser nach Syrien und in den Irak, nach Ägypten, Saudi-Arabien und Kurdistan sowie in den Jemen und den Sudan. Die volkspädagogische Absicht des Ganzen ist unverkennbar: Es gilt die 350 Millionen Muslime in den 22 arabischen Ländern vom Generalverdacht des Fundamentalismus und Terrorismus reinzuwaschen. Neben der bekannten Ikone des ebenso verlotterten wie brutalen IS-Kämpfers sollen alternative, friedlichere Vertreter des Islam in den Köpfen der Deutschen Platz finden – um die „Parolen“ von Pegida und anderen zu neutralisieren, so Aders.

Trotzdem kann man sein Buch mit einigem Gewinn lesen. Der Fernsehmann ist Profi genug, um den Bogen nicht zu überspannen. Deshalb bietet er tatsächlich glaubhafte Hintergrundinformationen: Allerdings verändert sich das Bild hierdurch kaum so, wie Aders und dessen Dienstherr ARD es wohl gerne hätten. Beispiel: „Der Alltag eines Arabers, wo immer er lebt, ist gedanklich meist durchdrungen von Zitaten der Selbstaufopferung in einem Krieg gegen die Feinde des Islam.“ Eben! Und genau deshalb kommt die Region auch nicht zur Ruhe, weil „Feinde des Islam“ sehr wohl andere Muslime sein können, wenn sie Ansichten vertreten, die von denen der Fundamentalisten abweichen.

Das schafft jede Menge Leid, das Aders ausführlich am Beispiel massakrierter Kinder in Bagdad, Kurdistan und Damaskus sowie verhungerter Menschen in den Bürgerkriegsgebieten des Jemen und Sudan darstellt. Nur – was können wir dafür? Wieso schon wieder diese unterschwelligen Botschaften, welche uns suggerieren sollen, dass da vor allem die Hilfe des Westens vonnöten sei? Wie wäre es, wenn sich die Vertreter der „Religion des Friedens“ selbst einmal die Mühe machten, für Ruhe in Nahost zu sorgen? Angefangen mit den Wohlhabenden in Saudi-Arabien und den Golfstaaten, welche sogar die heiligen Stätten von Mekka und Medina mit  Konsumtempeln zupflastern.

                Wolfgang Kaufmann

Thomas Aders: „Allah ist groß, die Hoffnung klein. Begegnungen im Nahen Osten“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2016, gebunden 256 Seiten, 20 Euro


Gewese um Nichts
Autorin sucht Argumente für »arme Kriegsenkel«

Ingrid Meyer-Legrand verbirgt ihr Geburtsjahr, vernebelt ihre Berufe bis zur Unkenntlichkeit, ebenso wie ihre Tätigkeiten bezüglich des „Coachings von KünstlerInnen“. Ihre Dramatis Personae, die „Kriegsenkel“, hat sie nicht „erfunden“, aber gern aufgegriffen. Im Buchtitel braucht sie knapp 100 Seiten bis zur Erklärung, was diese ausmacht: Sie seien Glied „der transgenerationellen Weitergabe und Übertragung von Erfahrungen“.

Meyer-Legrand ist nicht die einzige, die dieses Feld beackert, aber die zerfahrenste. In Artikeln und Vorträgen präsentiert sie die  „Kriegsenkel“ als Generation von „Frieden und Wohlstand“, die aber mehr als andere von „Altersarmut“ betroffen sei, und mit solchem Wirrwarr ist sie ziemlich allein. Geistesgenossen wie Andreas Poldrack wissen besser, dass nur ein „recht kleiner Teil“ in die Schuld- und Trauma-Schablone passt, da „jüngere Generationen leicht genervt reagieren“ auf das, was ihnen da untergeschoben wird.

Bei Meyer-Legrand reicht das bis zur Manipulation: Sie lässt ihre Kundinnen erzählen und biegt die Erzählungen zurecht mit ihren Eigenbau-Instrumenten „Genogramm“ und „Life Storyboard“. Das sind nur andere Wörter für „Ahnenforschung“ und „tabellarischer Lebenslauf“, und was als „biografische Selbstreflexion“ herauskommt, wird in automatischer Hochrechnung auf „viele“ andere übertragen. Die forschen Befunde der Autorin resultieren auch aus ihren politisch-literarischen Kenntnislücken.

Fazit ist, dass die Autorin wohl weiß oder spürt, dass an dem Gewese um „Kriegskinder, -enkel,

-urenkel“ nichts dran ist. Es gibt diese armen „Opfer“ nicht. Weil sie aber keine andere Gebetsmühle zu drehen hat, denkt sie sich immer verkrampftere „Argumente“ für sie aus: „Ich möchte (…) die Kriegsenkel als eine Art Botschafter verstehen, die dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft auch in Zukunft eine demokratische bleibt.“

                 Wolf Oschlies

Ingrid Meyer-Legrand: „Die Kraft der Kriegsenkel. Wie Kriegsenkel heute ihr biografisches Erbe erkennen und nutzen“, Europa Verlag München 2016, gebunden, 256 Seiten, 18,99 Euro


Porträt einer Partei
Torben Lütjen über die US-Republikaner

Gegenstand des Buches „Partei der Extreme: Die Republikaner“ des Politologen Torben Lütjen ist der amerikanische Konservatismus als intellektuelle und soziale Bewegung. Da sich die Republikaner als Partei des Konservatismus verstehen, mag man beides für synonym halten, jedoch sei die Republikanische Partei ursprünglich eine breite Sammlungspartei mit verschiedenen Elementen gewesen. Das sei so geblieben, bis die „Grand Old Party“ von konservativen Intellektuellen und Politikern für ihre Zwecke gekapert wurde.

Erschienen ist das Werk kurz vor der US-Wahl. Obwohl der Autor noch die Ansicht vertritt, dass außerordentlich wenig dafür spräche, dass Donald Trump 2017 den Amtseid als neuer Präsident der Vereinigten Staaten ablegen würde, sollte Lütjen dennoch recht behalten in seiner Annahme, dass der Milliardär Trump eine große Zahl neuer Wähler aktivieren müsste, um zu gewinnen. Genau das ist geschehen. Wie das passieren konnte, zeigt Lütjen in seiner Abhandlung mit dem Untertitel „Über die Implosion des Amerikanischen Konservatismus“.

Er beschreibt die Geschichte des amerikanischen Konservatismus als die Geschichte eines Kontrollverlustes. Ein wenig ähnele die „Grand Old Party“ des Jahres 2016 Goethes Zauberlehrling, der die einmal entfesselten Kräfte nicht mehr kontrollieren konnte. Die Partei habe sich im Laufe der letzten Jahrzehnte so andauernd als Anti-Establishment-Partei inszeniert und so permanent gegen ein vermeintliches Elitenkartell agitiert, dass sich diese Erzählung am Ende verselbstständigt habe und schließlich gegen ihre Urheber richtete. Das Buch fragt nach der Zukunft einer Partei und eines zerrissenen Landes. Hintergründig und informativ erweitert der Autor den Horizont des europäischen Lesers, dem die amerikanische Mischung aus radikalem Individualismus, tiefer Religiosität und Hyperpatriotismus in weiten Teilen fremd ist.               Silvia Friedrich

Torben Lütjen: „Partei der Extreme: Die Republikaner. Über die Implosion des amerikanischen Konservativismus“, Transcript Verlag, Bielefeld 2016, broschiert, 138 Seiten, 14,99 Euro


S. 23 Anzeige Rautenberg Buchhandlung

Anzeige Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
»Volksverräter« enttarnt! / Wie uns eine Jury versteckte Botschaften schickt, warum die Grünen zur Brechtüte greifen, und was Merkel hinter ihren Wolken treibt

Wer erfahren will, wo den Tonangebern im Land der Schuh drückt, der muss abwarten, bis das „Unwort des Jahres“ gewählt wurde. Eine kleine Gruppe mit Sitz in Darmstadt, im Kern vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist, sucht das Wort aus, und die Medien verbreiten deren Wahl wie die Entscheidung eines Kronrates, der bestimmt, was wir künftig nicht mehr sagen sollen.

Sie geben vor, die Debatte versachlichen und von Unflätigkeiten reinigen zu wollen. Doch das ist ein Märchen für die geneigte Öffentlichkeit. Die Wahrheit dagegen ist alarmierend, und wir (wer sonst?) sind ihr auf die Schliche gekommen. Gucken Sie sich mal an, was wir herausgefunden haben. Sie werden staunen!

Das Unwort von 2013 lautete „Sozialtourismus“. Im Jahr zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Asylanten nicht wesentlich schlechter gestellt werden dürften als einheimische Hartz-IV-Empfänger. Das war ein unwiderstehliches Angebot an Millionen von Erdenbürgern. Ein Vergleich der deutschen Hartz-IV-Leistungen mit den Sozialhilfesätzen im Rest der Welt oder der Einkommenssituation von mindestens einem Drittel der Menschheit machte schon damals erwartbar, dass wir bald mit einem Massenansturm rechnen müssten. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das ärmste Drittel der Menschheit die Offerte entdecken und einlösen würde, fürchteten Skeptiker und warnten vor − genau: Sozialtourismus.

Was geschah? Seit 2014 überrollt uns die gewaltigste Welle von „Wirtschaftsflüchtlingen“, welche Deutschland je sah.

In jenem Jahr verunglimpften die Staats- und Konzernmedien alles und jeden als Nazi, der sich gegen die (mit der Welle einhergehende) Ausbreitung eines zunehmend aggressiven und fundamentalistischen Islam in Europa wendete. Der Vorwurf war in fast allen Fällen eine Lüge der Medien, denn die Bürger waren ernsthaft besorgt und keineswegs kleine Hitler-Anhänger − prompt wählten die Darmstädter die Parole „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014.

2015 jubelten Politiker, Manager und einfache Bürger über eine Million Menschen aus den gefährlichsten Regionen des Planeten, die unkontrolliert nach Deutschland fluteten. Die Jubler kamen sich dabei unbeschreiblich barmherzig vor und dachten gar nicht daran, die Gefahren in den Blick zu nehmen, welche der ungeprüfte Ansturm mit sich bringen könnte. Mehr noch: Wer auf Risiken hinzuweisen wagte, ward mit aller Schärfe geächtet als rechter Populist, der diffuse, unbegründete Ängste schüre und die Gesellschaft spalte.

Für die Gescholtenen waren diejenigen, die da besinnungslos jubelten und schönredeten, bloß selbstgerechte „Gutmenschen“. Damit ist nicht etwa ein guter Mensch gemeint, sondern einer, der sich aus Borniertheit oder Berechnung bloß als der „Bessere“ inszeniert, ohne die Folgen seiner scheinbar guten Taten verantworten zu wollen. Dieser Vorwurf saß recht gut, weshalb „Gutmensch“ zum Unwort des Jahres 2015 erhoben wurde.

Wir sehen also: Das „Unwort des Jahres“ trifft stets einen Sachverhalt, über den wir nicht reden sollen, weil dies den Mächtigen nicht in den Kram passt. Damit ist die Wahl vor allem eines: Ein zuverlässiger Kompass, der den Deutschen zielgenau anzeigt, aus welcher Richtung gerade Unheil auf sie zurollt. Die Darmstädter tun nur so, als prangerten sie ein „Unwort“ an. In Wahrheit wollen sie uns versteckt mitteilen, was die jeweils größte Ungeheuerlichkeit der Saison darstellt.

Was kommt als nächstes? Als Unwort des Jahres 2016 wurde diese Woche „Volksverräter“ bekannt gegeben, mit dem Politiker wie Merkel oder Gabriel belegt worden sind.

Das ist starker Tobak, fürwahr. Die Vokabel unterstellt schließlich, dass uns die Besagten nicht aus reiner Dummheit in diese, mittlerweile buchstäblich mörderische Lage gebracht haben, sondern mit Absicht. Ist es das, was uns die Jury mit ihrer düsteren Wahl zuraunen will?

Damit hätte ein Vorwurf das politische Festland erreicht, der bislang in den nebligen Sümpfen der Verschwörungstheorie gefangen war. Das kann ja heiter werden dieses Jahr. Wir hatten ohnehin kein gutes Gefühl, was uns 2017 auftischen würde. Nun aber heißt es: Anschnallen und Rückenlehne senkrecht stellen, wir werden hart landen in einer Realität, die sich möglicherweise selbst Pessimisten nicht ruppig genug vorgestellt haben. Man sieht bereits, wie die eben noch gut vertäuten politischen Positionen plötzlich herumwirbeln wie herausgerissene Gepäckstücke durch die Kabine eines heftig schlingernden Flugzeugs kurz vor dem Aufprall.

SPD-Chef Gabriel führt sich auf, als sei er neulich Nacht in die AfD-Zentrale eingebrochen. Wo sonst soll er die Forderung nach einem „Kulturkampf“ gegen den radikalen Islam (siehe           Seite 1) gefunden haben? Nun stellt er die Beute provokant bei sich ins Fenster, damit die Leute bis zur Bundestagwahl im September vergessen mögen, was sie da kürzlich noch für einen Multikulti-Kitsch erblicken mussten. Schlägt sich da einer in die Büsche, der nicht will, dass sich die Deutschen an das erinnern, was uns die Darmstädter Jury durch die Blume als „Volksverrat“ enthüllt haben will?

Die Grünen können angesichts  solcher Turbulenzen kaum noch ausmachen, wo oben und unten ist und greifen verständlicherweise zur Brechtüte. Für die Avantgarde der Einwanderungs-Verherrlicher sind dies anstrengende Tage. Und es sieht nicht danach aus, dass bald bessere kommen.

Einen Trost gibt es. Wenigstens auf ihre heimliche Ehrenvorsitzende können sich die Grünen nämlich noch verlassen: Angela Merkel behält einen kühlen Kopf, was wir daran sehen, dass sie tut, was sie immer tut: Reden, reden, reden und fast nichts sagen. Der schreckliche Anschlag von Berlin mahne uns, so die Kanzlerin bei einer Rede diese Woche vor dem Beamtenbund, „hier schnell zu handeln, hier richtig zu handeln, nicht nur in Ankündigungen steckenzubleiben, sondern auch wirklich Flagge zu zeigen“. Es bedürfe einer „nationalen Kraftanstrengung“, „gemeinsamer Lösungen in der Großen Koalition“ und so weiter.

Klingt gut, nicht wahr? Was aber hat sie damit konkret gesagt? Eben: Nichts − wie üblich. Das heißt, an einer Stelle wurde Merkel beinahe greifbar, um uns dann jedoch gleich wieder zu entgleiten. Das macht sie so: Wer keinen Schutzstatus habe, der müsse „unser Land wieder verlassen“. Das sei in der Vergangenheit „nicht so ernsthaft verfolgt“ worden, räumt sie ein, um listig anzufügen: Dies zu ändern, sei eine „Aufgabe für alle“.

Für alle? Also für Sie und mich ebenso wie für die Regierung und deren Organe? Das ist natürlich Käse, wie auch Merkel weiß. Sie operiert hier nach der alten Weisheit: Wo alle zusammen die Verantwortung tragen, da trägt sie in Wahrheit keiner.

Wenn sich in ein paar Monaten − sagen wir: so einige Wochen vor der Wahl − herausstellen sollte, dass es mit der Abschiebung immer noch nicht vorangeht, und böse Zungen die Kanzlerin dafür zur Verantwortung ziehen wollen, dann wird Merkel mit Unschuldsmine erwidern: „Ich habe ja schon im Januar gesagt, und ich sage das hier noch einmal ganz deutlich: Dies ist eine Aufgabe für alle!“ Ergo sind „alle“ − sprich: keiner, und schon gar nicht ich! − dafür verantwortlich, dass wieder nichts geklappt hat.

Einen kurzen Moment erlaubt uns Merkel einen Blick auf das, was sie hinter dem Gewölk ihrer Reden wirklich betreibt. „Wir wollen einen offen Staat“, ließ sie wissen. Zur Erinnerung: Merkel hatte die Balkanstaaten wegen deren Grenzschließung öffentlich angeprangert und postuliert, dass man „nicht kontrollieren“ könne, „wer zu uns kommt“. Was sie da mit „offenem Staat“ meint, muss nicht erst geraten werden. Vermutlich will die CDU-Chefin nur Zeit gewinnen, bis sie nach der Wahl weitermachen kann wie bisher.


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Frauen haben mehr Angst

Berlin – Laut einer Emnid-Umfrage der „Welt am Sonntag“ glauben 58 Prozent der Frauen, dass der öffentliche Raum für sie unsicherer geworden sei, fast die Hälfte meidet laut einer Umfrage der „Bild“-Zeitung bestimmte Orte, 16 Prozent tragen demnach Pfefferspray bei sich. Der „Focus“ hatte seine Leserinnen ebenfalls um Stellungnahmen gebeten. Eine Frau gab hier an, ihr blondes Haar aus Furcht vor sexuellen Übergriffen zu verhüllen.        H.H.

 

Schlägerei in Polizeischule

Berlin – Nach einem Bericht des „Berliner Kurier“ ist es in einer Ausbildungsstätte der Polizei in Berlin-Charlottenburg zu einer Schlägerei zwischen einem türkisch- und einem arabischstämmigen Polizeischüler gekommen. Wie das Blatt erfahren haben will, komme es immer wieder zu Konflikten zwischen beiden Volksgruppen beim Polizei-Nachwuchs. Die Politik strebt einen höheren Immigranten-Anteil im öffentlichen Dienst an. H.H.

 

Assads Ohr bei Nato und EU

Für kurze Zeit sah es so aus, als ob die Tatarin Sevil Shhaideh (52) die erste muslimische Ministerpräsidentin Rumäniens werden würde, doch der christlich-orthodoxe Staatspräsident Klaus Johannis lehnte ihre Ernennung – offiziell ohne Angabe von Gründen − ab. Künftig regiert die sozialdemokratische PSD mit der kleinen liberalen Partei ALDE, mit der zusammen sie die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament besitzt. Nun wird Shhaideh stellvertretende Ministerpräsidentin und Landwirtschafsministerin.

Die politisch unerfahrene Shhaideh ist mit dem Syrer Akram Shhaideh verheiratet. Dieser hatte Syrien zu Beginn des Bürgerkrieges 2011 verlassen und kurz darauf die rumänische Beamtin geheiratet. Vermittelt hatte diese Beziehung der wegen Korruptionsvorwürfen hochumstrittene PDS-Parteichef Livio Dragnea, der seinem syrischen Busenfreund sehr schnell auch eine Anstellung als Berater im rumänischen Ministerium für Landwirtschaft verschafft hatte. Bereits im Jahre 2015 erhielt Akram Shhaideh die rumänische Staatsbürgerschaft. Seine Ehefrau Sevil, die bislang noch niemand kannte, schaffte es in der sozialdemokratischen Regierungsmannschaft im Spätjahr 2015 für fünf Monate auf den Posten der Ministerin für Entwicklung, ein extra für sie geschaffenes Ministerium.

Für ihre Berufung zur ersten muslimischen Regierungschefin eines EU- und Nato-Landes hätte sie eine besondere Sicherheitsüberprüfung bestehen müssen, um Zugang zu Angelegenheiten auch der höchsten Geheimhaltungsstufe zu bekommen. Aber auch in ihrem Amt als Vizeregierungschefin kann Shhaideh ihren Ehemann, der zum engen Vertrautenkreis des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gehört, mit vielen nützlichen Informationen versorgen.                B.B./J.H.


MEINUNGEN

Alice Schwarzer sieht in der „FAZ“ (5. Januar) einen sehr wohl politischen Hintergrund bei den Silvesterexzessen von Nordafrikanern in den Jahren 2015 und 2016:

„Es ging 2015 darum, es den westlichen ‚Schlampen‘ und deren Männern, diesen europäischen ,Schlappschwänzen‘, mal richtig zu zeigen ...  Diese Typen wollten wieder Trouble. Wir haben es hier mit einer Art Terrorismus zu tun. Nur in diesem Fall nicht mit der Kalaschnikow oder einem Lastwagen, sondern mit Händen und Fäusten.“

 

 

Im Netzmagazin „Geolitico“ (6. Januar)  wirft Nadine Hoffmann der politischen Linken vor, mit dem Kampf für Multikulti das Geschäft eines entfesselten, globalen Großkapitals zu betreiben:

„Die Linken sind, ergriffen von der eigenen Ideologie und mit Schaum vor dem Mund, die Steigbügelhalter der global agierenden Industriekonzerne und die Kumpanen der weltweiten Kapitalmärkte. Sie sind die heimlichen Helfershelfer der von ihnen verhassten Wirtschaftsriesen, ... die sich aus der massenhaften Migration in gewachsene (europäische) Sozial- und Wertesysteme milliardenschwere Profite durch Millionen neuer (eingewanderter) Konsumenten versprechen.“

 

 

Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gibt in der „Bild“-Zeitung (9. Januar) Tatsachen zu, die von den etablierten Parteien, darunter besonders von SPD, Grünen und Linkspartei, lange empört geleugnet wurden:

„Ein massenhafter weitgehend unkontrollierter Zustrom von Migranten führt unweigerlich zu Sicherheitsproblemen, einschließlich einer erhöhten Terrorgefahr ... Zuwanderung bedarf der Steuerung. Fehlt es an der Steuerung, ergeben sich erfahrungsgemäß erhebliche Sicherheitsprobleme.“

 

 

Tübingens Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) zeigt sich auf „Facebook“ (8. Januar) genervt von der Forderung aus seiner Partei, Pflegebedürftigen und Behinderten sexuelle Dienstleistungen mit öffentlichen Mitteln zu bezahlen:

„Kann man denn als Bundestagsabgeordnete gut gemeinte Ideen nicht einfach mal im Koffer lassen, wenn sie so offensichtlich dazu dienen können, uns als weltfremde Spinner abzustempeln? Dieser Jahresanfang ist zum Haare raufen.“

 

 

Der gewaltsame Tod eines 15-jährigen syrischen Asylbewerbers löste keinerlei öffentlich bekundete Bestürzung aus. Warum? Weil die Täter ebenfalls Ausländer waren? Das fragt Peter Grimm auf seinem Blog „Sitzplatz“ (8. Januar):

„Der moderne, weltoffene Deutsche zeigt offenbar nur Mitgefühl gegenüber Opfern von deutschen Tätern. Interessant ist nur die Frage, warum Fremdenfeindlichkeit den deutschen Ermittlungsbehörden als deutsches Privileg gilt und als Motiv auszuschließen ist, nur weil die Täter keine Einheimischen sind? ...  Sehr fremd sind viele Asylbewerber von ihrer Herkunft her aber untereinander und können – die Reihe von Gewalttaten in Asylbewerberunterkünften bestätigt dies – gegenseitig höchst fremdenfeindlich sein.“