28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Preußische Allgemeine Zeitung - Aktuelle Ausgabe

© Preußische Allgemeine Zeitung Folge 22-17 vom 02. Juni 2017

S. 1 Preußische Allgemeine Zeitung

Taktisches Irrlicht
Merkels plötzliche Distanz zu den USA: Viel Wahlkampf, wenig Substanz

Donald Trumps Besuch habe Merkel zum radikalen Umdenken bewegt, heißt es. Die Wahrheit ist weitaus ernüchternder.

Die Botschaft des polternden Donald Trump an die Europäer war unmissverständlich: Seht zu, wie ihr mit euren Problemen selber fertig werdet und hofft nicht mehr auf den „großen Bruder“ in Übersee.

Es hätte ein Weckruf werden können, für Europa und ganz besonders für Deutschland − leider trafen die Worte des US-Präsidenten auf die Falschen. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen“, sagte Merkel zwar nach dem ernüchternden Besuch, und „für unser Schicksal kämpfen“.

Auf den ersten Blick eine ebenso wahre wie begrüßenswerte Schlussfolgerung. Warum erst jetzt? − dies wäre im Grunde die einzige Frage, die sich dazu aufdrängte.

Was aber hat insbesondere Merkel in ihren bald zwölf Jahren Kanzlerschaft beigetragen zur Stärkung von Deutschlands und Europas Fähigkeit zur Selbstbehauptung? Sie hat die Multikulti-Ideologie auf die Spitze getrieben, alle Warnungen zurückgewiesen. Heute wie nie zuvor spalten Parallelgesellschaften die europäischen Länder bis hin zum Terror wie zuletzt in Manchester.

Die Bundeswehr welkte unter Merkel weiter dahin und sieht sich nun auch noch einer unanständigen Kampagne ihrer Dienstherrin (siehe Beitrag unten) ausgesetzt. Im wirtschaftlichen Fundament der EU streut ein fehlgeschlagenes Währungsexperiment namens „Euro“ still und kaum noch diskutiert, dennoch unvermindert zerstörerisch, seine Metastasen.

Erinnert sei zudem an die (Nicht-) Reaktion der Kanzlerin während des NSA-Abhörskandals. Wie es damals schien, ist in Berlin eine selbstbewusste, an den eigenen Interessen orientierte Position deutscher Geheimdienste gegenüber den USA gar nicht gewollt. Stattdessen sieht man sich als williger Erfüllungsgehilfe. Ein Verdacht, den der frühere Chef des österreichischen Inlandsgeheimdienstes, Gert R. Polli, gegenüber der PAZ erst vergangene Woche erhärtet hat.

Was also bezweckt die CDU-Chefin mit ihrer plötzlichen Distanz zu Washington, nachdem sie sich bislang von niemandem an Amerika-Hörigkeit hatte überbieten lassen? Vor allem dies: Es ist Wahlkampf, und die SPD, traditionell nie ganz so „amerikanisch“ wie die Christdemokraten, könnten aus dem transatlantischen Zwist Kapital ziehen.

Da macht Merkel, was sie immer machte: Sie kapert das Thema. Und es funktioniert. Dem SPD-Kandidaten Martin Schulz bleiben beim „Trump-Bashing“ kaum mehr als Nischen. Solange aber Merkel Deutschland wie Europa mit immer weiteren Problemen überhäuft, bleibt ihr Aufruf zum „Kampf für unser Schicksal“ ein taktisches Irrlicht.                 Hans Heckel


Der Irrsinn regiert
Bundeswehr: Falsches Spiel der Ministerin – Klima der Inquisition und Denunziation

Es ist knapp einen Monat her, da trat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit ehrabschneidender Kritik an der Bundeswehr an die Öffentlichkeit. Hintergrund waren Vorfälle in der Stauffer-Kaserne in Pfullendorf, bei denen es im Rahmen der Ausbildung von Sanitätern zu Schikanen und Misshandlungen gekommen sein soll. Wie die zuständige  Staatsanwaltschaft Hechingen Mitte vergangener Woche mitteilte, seien jedoch „Tatbestände von Strafvorschriften gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder nach sonstigen Strafvorschriften nicht verwirklicht“ worden. Es habe sich somit kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten ergeben, weshalb sie ent- schieden habe, „kein Ermittlungsverfahren einzuleiten“. Diese Entscheidung fiel bereits am 15. Mai.

Damit gerät von der Leyen in Erklärungsnot, denn laut Justiz-Sprecher Markus Engel gegenüber „Spiegel Online“ wurde die Einstellungsverfügung dem Verteidigungsministerium „unmittelbar danach zur Kenntnis gebracht“. Die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt aber hat sich weiter medienwirksam als entschlossene Ausputzerin inszeniert und ist weiter über ihre Truppe hergezogen. Tatsächlich dürfte sie sogar noch viel früher gewusst haben, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Denn: „Die umfangreichen sorgfältigen internen Ermittlungen der Bundeswehr haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Lehrgangsteilnehmer im Rahmen der Kampfsanitäterausbildung zu sexuellen Handlungen genö̈tigt wurden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die praktizierten Ausbildungsmethoden den Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr wider- sprochen haben.“ So steht es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft, welche die Akten der Bundeswehr für ihre eigenen Untersuchungen beigezogen hat. Und wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsergebnis der Bundeswehr vor ihrer Entscheidung vom 15. Mai gekannt hat, muss von der Leyen es noch viel früher gekannt haben.

Von der Leyens Ministerium führt nun ein peinliches Verzögerungsgefecht. Es behauptet, die Einstellungsverfügung bestätige „die von Anfang an getroffene Einschätzung der Bundeswehr“. Zugleich beharrt es trotzig darauf, „Aussagen zur Frage, ob die praktizierten Ausbildungsmethoden sachgerecht oder schlicht pietätlos waren“, habe die Staatsanwaltschaft „ausdrücklich nicht“ getroffen. Das wäre auch überflüssig gewesen. Denn Ausbildungsmethoden, die nach eigener Einschätzung der Bundeswehr vorschriftenkonform sind, können eigentlich nicht nicht sachgerecht oder pietätlos sein. Wäre es anders, müsste von der Leyen das erklären. Und selbst wenn sie es sein sollten, waren der von ihr gegen ihre eigene Truppe geführte Großangriff in keiner Weise gerechtfertigt und die von ihr angeordneten personellen Konsequenzen weit überzogen.

Personelle Konsequenzen hat auch ein Oberstleutnant vom Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr in Euskirchen zu erwarten. Empört über das Verhalten seiner Dienstherrin, hatte er gegenüber anderen Soldaten sowie Dienstvorgesetzten bei einem Lehrgang im Ver- einte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg seinem Ärger Luft gemacht und gesagt: „Ich habe es so satt, dass 200000 Soldaten unter Generalverdacht gestellt werden, wegen zwei Verrückten. Die Ministerin ist bei mir unten durch, das muss man ansprechen oder putschen.“ Dass der kürzliche Aufruf von Generalinspekteur Volker Wieker zur Denunziation in der Truppe seine Früchte trägt, bewies der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, der diese Äußerung noch am selben Tag dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) meldete. Dieser nahm sofort die Ermittlung auf, „weil der Soldat – wenn auch im Zorn – Sympathien für einen ‚Putsch‘ erkennen ließ“, wie ein MAD-Sprecher gegenüber der „Bild“ erklärte.

Dass ein einzelner, in einem Wutausbruch unbedacht dahingeworfener Satz wie dieser mehr als eine Ermahnung zur Zurückhaltung nach sich ziehen könnte, wäre unter gewöhnlichen Umständen kaum denkbar. In Zeiten der von der Ministerin ausgerufenen Inquisition dürfte das jedoch anders sein. Für den MAD steht jedenfalls bereits fest: „Die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung rechtfertigen die operative Bearbeitung.“           Jan Heitmann


Jan Heitmann:
Es ist raus

Dass es im Leitartikel in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Ausgaben um ein und dasselbe Thema geht, ist sicherlich unüblich, in diesem Fall aber geboten. Denn die Frage, wer als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestages eröffnen wird, ist eine, welche die Leser dieser Zeitung in besonderem Maße beschäftigt. Der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg, langjähriger Herausgeber der PAZ, soll es jedenfalls nicht sein, darin sind sich die anderen Parteien einig.

Wurde in der letzten Ausgabe kritisiert, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert das parlamentarische Engagement auf kommunaler und regionaler Ebe- ne marginalisiert, um dem desig­nierten Alterspräsidenten die Eignung für dieses Amt abzuspre- chen und so seine wahre Absicht zu verschleiern, kann jetzt über genau diese berichtet werden. Offenbart hat sie eine Referentin, die wohl nicht genau über die festgelegte Sprachregelung informiert war, in einem Schreiben an einen empörten PAZ-Leser. Statt auf angeblich fehlender parlamentarischer Erfahrung herumzureiten, schreibt sie, die Debatte über von Gottberg, der „in der Vergangenheit durch indiskutable Äußerungen aufgefallen ist“, biete „einen aktuellen Anlass, über die bestehenden Regelungen nachzudenken, und zu einer Reform, die von der ganz großen Mehrheit der Mitglieder des Bundestages für richtig gehalten wird. Sichergestellt wird damit zugleich, dass zur Eröffnung des Bundestages keine Erklärung abgegeben werden kann, die den verantwortungsvollen Umgang mit der Gewaltgeschichte unseres Landes in Frage stellt und das Ansehen des Parlaments und unseres Landes in der Welt beschä- digt.“ Redefreiheit à la Lammert.


S. 2 Aktuell

Mittelmeer- statt Balkanroute
Massenauszug aus Afrika – Immer mehr Asylsucher landen in Italien auf ihrem Weg nach Deutschland

Vordergründig ist die Asylkrise aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verdrängt worden. Doch nun lassen Zahlen aus Italien wieder aufhorchen.

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums haben in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits mehr als 50000 Menschen über den Seeweg das Land erreicht. Das entspricht einem Anstieg um 45 Prozent. Um diesen Zustrom zu unterbrechen, unterzeichnete das Innenministerium in der vergangenen Woche Abkommen mit den drei afrikanischen Staaten Libyen, Tschad und Niger.

Resolute Grenzkontrollen und Internierungslager für Asylsucher sind die zentralen Punkte der Übereinkunft. Die Aufnahmezentren würden internationalen humanitären Standards entsprechen, betonen die Unterzeichner. Sowohl der Tschad als auch Niger sind wichtige Transitländer für Tausende afrikanischer Immigranten auf ihrem Weg nach Libyen, von wo aus sie über das Mittelmeer versuchen, nach Europa zu gelangen. Der italienische Innenminister Marco Minniti erklärte, dass neun von zehn Immigranten, die in Europa eintreffen, von Libyen aus in See gestochen sind.

In der italienischen Hautstadt Rom soll zudem ein Koordinationszentrum eingerichtet werden, das regelmäßig die Umsetzung des Abkommens prüfen soll. Zudem hat die italienische Politik auch finanzielle Hilfen zur Zerschlagung von Schlepperbanden und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Afrika zugesagt. Ob das Abkommen überhaupt in Kraft treten kann, steht allerdings noch in den Sternen. Denn diverse Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen haben vor allem die humanitären Zustände der Lager in Libyen kritisiert.

Wie Spiegel Online berichtete, erwäge der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sogar Ermittlungen zu Verbrechen gegen Asylsucher in dem nordafrikanischen Staat. Nach den Worten der Chefanklägerin Fatou Bensouda sind in den libyschen Gefangenenlagern „Tötungen, Vergewaltigungen und Folter mutmaßlich alltäglich“. In den dortigen Haftzentren werden 7000 bis 8000 Immigranten ohne gültige Papiere festgehalten. Insgesamt soll es um fast eine Million Menschen gehen, die mithilfe von Schleppern per Boot Richtung Europa aufbrechen wollen.

Italien ist derzeit eines der europäischen Länder, das am stärksten von der Asylkrise belastet wird. Durch die Grenzschließungen in Osteuropa haben Schlepperbanden ihre Seerouten optimiert und zudem neue Landwege gefunden.

Für das gesamte laufende Jahr rechnet die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Italien mit 195000 Asylsuchern. Viele von ihnen wollen in andere Länder reisen, vor allem Deutschland ist nach wie vor ein beliebtes Ziel. Die Aufnahmelager in Italien sind erschöpft, der Staat zunehmend überfordert. Mittlerweile bietet die Regierung den Einheimischen, die Asylsucher aufnehmen, großzügige Prämien an. In dem um sich greifenden Chaos ist es kein Wunder, dass auch die Mafia kräftig mitmischt.

Vor gut zwei Wochen deckte die regionale Polizei einen Millionenbetrug um ein Asylsucherzentrum im kalabrischen Crotone auf. Unter den fast 70 verhafteten Personen befanden sich auch ein Priester und der Leiter einer Hilfsorganisation. Ihnen wird vorgeworfen, der Mafiaorganisation

’Ndrangheta 36 Millionen Euro Steuergeld verschafft zu haben. „Das Willkommenszentrum und die Hilfsgruppe Fraternita di Misericordia waren die Geldautomaten der Mafia“, sagte der Polizeigeneral Giuseppe Governale. Verwaltet wird das Asylsucherzentrum von einer katholischen Organisation, die seit zehn Jahren eng mit der Mafia kooperiert. Es seien zweistellige Millionenbeträge an Steuergeldern in kriminelle Kanäle geflossen. Der Chef der italienischen Antikorruptionsbehörde, Raffaele Cantone, sagte gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Fall in Crotone sei wohl nur „die Spitze des Eisbergs“.

In Italien droht die Stimmung nun zu kippen. Der Widerstand gegen neue Asylsuchereinrichtungen ist in den vergangenen Monaten gewachsen. In Norditalien kam es zu Straßenblockaden, um die Ankunft eines Busses mit Immigranten zu verhindern. Der Staat ist weitgehend machtlos, weil sich oftmals die betroffenen Länder nicht in der Lage sehen, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen. Im vergangenen Jahr konnten nur 12000 von insgesamt 40000 abgewiesenen Asylbewerbern tatsächlich abgeschoben werden. Auch deshalb gilt die Übereinkunft mit den drei afrikanischen Staaten als Schlüssel zur Krisenbewältigung. Man muss dabei kein Prophet sein, um vorher­zusagen, dass die Asylfrage ein zentrales Thema des aufziehenden Wahlkampfs sein wird. Die Parlamentswahlen werden vermutlich in knapp einem Jahr stattfinden. In Mailand demonstrierten kürzlich mehrere zehntausend Menschen für Solidarität mit Asylsuchern.

Unter dem Motto „Gemeinsam ohne Mauern“ gingen auch hochrangige italienische Politiker auf die Straße, unter anderem Senatspräsident Pietro Grasso und Mailands Bürgermeister Guiseppe Sala. Politiker aus dem rechten Spektrum kritisierten diese Aktion. Matteo Salvini, der Chef der in Norditalien besonders starken Lega Nord sprach von „Landesverrat“ und warf den Teilnehmern vor, sich nicht für die Belange der Italiener zu interessieren. Seine Partei suche „nach legalen oder fast legalen Wegen“, um die Asylsucherinvasion zu stoppen. „Wir denken an Initiativen, um die Landung der Flüchtlinge zu stoppen“, erklärte Salvini.              Peter Entinger


Geißel Afrikas weitet sich aus
Mit dem Terror kommen Hunger und Krankheiten – Hilfsorganisationen können die Leidenden nicht erreichen

Der Vormarsch islamischer Milizen hat in Nigeria, Somalia, dem Jemen und im Sudan Hungersnöte und Epidemien erzeugt. Jetzt blockieren die islamischen Gotteskrieger auch die dringend notwendigen Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung. Die Islamischen Milizen, die sich in vielen mehrheitlich islamischen Ländern vor allem dort gebildet haben, wo Staatszerfall, Bürgerkrieg oder Misswirtschaft und Korruption das Feld bereitet hatten, weil sich viele Menschen von diesen Kämpfern Gottes eine Besserung ihrer Lage erhofften, haben fast überall das Chaos noch verschlimmert, auch weil sich die radikalen Moslems in keiner Weise um die sozialen Verhältnisse der Bevölkerung kümmern.

Die bestehende soziale und wirtschaftliche Infrastruktur in vom Islamischen Staat (IS) beherrschten Gebieten mussten mit Beginn der Terrorherrschaft nur noch den Zwecken der Terroristen dienen. In Krankenhäusern wurden viele Ärzte gezwungen, Organe von Sklaven, Gefangenen und Geiseln zu entnehmen, die dann auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden.

Im Jemen ist nach vier Jahren Bürgerkrieg die Cholera ausgebrochen und hat bereits 250 Tote gefordert. Die gesamte Wirtschaft in den IS-Zonen wurde den militärischen Bedürfnissen der Terroristen untergeordnet. Jetzt drohen in vielen der Regionen, die vom IS, Boko Haram, al-Kaida oder der Al Shabaab beherrscht werden, Epidemien und Hungersnöte. Die Hilfsorganisationen, die von der UNO in diese Regionen geschickt werden, um Hunger und Epidemien zu bekämpfen, werden jedoch von radikalen Moslems an ihrer Arbeit gehindert. Viele Helfer begeben sich dabei in tödliche Gefahr, weil es sich bei ihnen aus IS-Sicht um „Ungläubige“ handelt. Dies haben jetzt Vertreter der UNO-Lebensmittelhilfe in Rom beklagt.

Insgesamt seien 20 Millionen Menschen in den Trockengebieten Nigerias, Somalias, des Jemen und des Sudans vom Hunger bedroht. Man erwartet eine der schlimmsten Hungerkatastrophen der letzten 50 Jahre, weil neben der Terrorherrschaft eine extrem lange Trockenheit dazugekommen ist. Die schlimmste Krise von allen würde zurzeit den Nordosten von Nigeria bedrohen, weil diese Region von allen betroffenen die am dichtesten besiedelte sei, sagte Denise Brown, Koordinatorin des Welternährungsprogramms (PAM), die im Auftrag der UNO den Hunger bekämpfen soll.

600000 hungerleidende Menschen könnten vom PAM in den Grenzgebieten Nigerias mit Niger, dem Tschad und Kamerun nicht erreicht werden, weil Boko Haram die Transporte blockiere und mit Terrorangriffen zusätzlich dafür gesorgt habe, dass Hunderttausende von Menschen auf der Flucht seien und dadurch der Hunger noch verstärkt werde.

Die Anhänger des Steinzeit­islam sind der Auffassung, dass nur ein Weg zurück in die glorreiche Zeit des Propheten Mohammed ihnen die Rettung bringen könne. Jedoch, wie man noch heute im Koran nachlesen kann, herrschte auch damals im 7. Jahrhundert vielerorts Gewalt, Hunger und Terror. Der Prophet hat diese Verhältnisse als gottgegeben angenommen, weshalb im frühen Islam eine Art Schicksalsglauben Eingang gehalten hat, der mit der Hochphase der arabischen Kultur im 10./11. Jahrhundert jedoch als überwunden gegolten hatte. Dieser Schicksalsglaube, die Geißel auch des europäischen Mittelalters, scheint jedoch im Zusammenhang mit dem Fortschreiten des islamischen Terrors in vielen betroffenen Ländern eine Art Renaissance zu erleben. Viele vom IS befreite Menschen in Mossul und in Syrien haben davon berichtet.

Die Terrorherrschaft des Islamischen Staats hat dort mit zwei bis drei Jahren zwar nicht lang genug gedauert, um die Menschen endgültig zu brechen. Das Trauma sitzt jedoch für Jahrzehnte in den vom IS-Terror betroffenen Menschen. Analysten gehen davon aus, dass die Folgeschäden und „Nebenwirkungen“ der islamischen Terrorherrschaften, zu denen die jetzt ausgebrochenen Hungersnöte und Epidemien, aber auch die Mentalitätsänderungen der vom Terror Heimgesuchten gehören, weitaus höher sein werden als die reinen Opferzahlen der brutalen Gewalt des islamischen Terrors. Bodo Bost


MELDUNGEN

Folgen von Verkehrsunfällen

München – Wenn ein Mensch bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, sind davon durchschnittlich 113 Personen betroffen: Elf Familienangehörige, vier enge Freunde, 56 Bekannte sowie 42 Einsatzkräfte wie Sanitäter, Feuerwehrkräfte oder Polizisten. Dies wurde im Auftrag der Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ auf Basis einer repräsentativen Erhebung durch infratest dimap, Kantar Public und das Sozioökonomische Panel sowie über Angaben der Deutschen Hochschule der Polizei und des Deutschen Feuerwehrverbandes ermittelt. Damit wurden erstmals quantitative Daten zu den Auswirkungen eines tödlichen Verkehrsunfalls im persönlichen und beruflichen Umfeld erhoben. Im Jahr 2016 kamen 3214 Personen im Straßenverkehr ums Leben.    J.H.

 

Milliarden für Syrien

Berlin – Das Auswärtige Amt hat seit Beginn des Syrienkonflikts im Jahre 2011 knapp 1,33 Milliarden Euro für „Maßnahmen der humanitären Hilfe“ zur Verfügung gestellt. Davon entfallen 581 Millionen Euro auf humanitäre Hilfsmaßnahmen in Syrien und 746 Millionen Euro auf humanitäre Hilfsmaßnahmen in den Flüchtlingsaufnahmeländern der Region. Zusätzlich hat das Auswärtige Amt knapp 148 Millionen Euro für „Maßnahmen der Krisenprävention und Stabilisierung“ bereitgestellt. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit wiederum hat seit Beginn des Konfliktes rund 1,385 Milliarden Euro für „strukturbildende, mittel- und langfristig orientierte Unterstützung“ bereitgestellt. Die Bundesregierung leistet nach eigenen Angaben diese humanitäre Hilfe „rein bedarfsorientiert und auf Grundlage der humanitären Prinzipien, unabhängig davon, welche Konfliktpartei in der jeweiligen Region politische oder militärische Kontrolle ausübt“.    J.H.

 

Polizisten in Auslandsmission

Berlin – Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 302 Beamte der Polizeien des Bundes und der Länder sowie der Bundeszollverwaltung in internationalen Polizeimissionen und dem bilateralen Polizeiprojekt GPPT Afghanistan eingesetzt. Das geht aus dem „Bericht über das deutsche Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Polizeimissionen 2016“ hervor. Die Bundespolizei beziehungsweise der Bundesgrenzschutz beteiligt sich seit 1989 an internationalen mandatgetragenen Einsätzen. Die ersten 50 Bundesgrenzschutzbeamten wurden unter dem Mandat der UN zur Sicherstellung freier Wahlen in Namibia eingesetzt. Nach drei weiteren Missionseinsätzen in Kambodscha, West-Sahara und auf der Donau beteiligen sich seit 1994 Beamte des Bundes (Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundeszollverwaltung) und der Bundesländer gemeinsam an Friedensmissionen. Bis heute wurden mehr als 9000 Beamte in rund 40 mandatierte Friedensmissionen in etwa 30 Länder und in das GPPT entsandt. Die deutschen Polizisten haben die Aufgabe, in fragilen Staaten und Krisenregionen einen Beitrag zum Aufbau einer funktionsfähigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Polizei zu leisten. J.H.


S. 3 Deutschland

Die Politik schindet Zeit
Vor der Bundestagswahl ist keine Aufklärung des Falls Anis Amri zu erwarten

Zwei Jahre kann es dauern, bis ein Ergebnis des Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses zum Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz vom 19. Dezember vorliegt. Vor dessen Arbeitsaufnahme soll erst einmal ein Son­derermittler im Juli eine erste Zwischenbilanz ziehen.

Deutschland bleibt als Europas Einfallstor für den islamischen Terror in der Kritik. Der Manchester-Attentäter Salman Abedi reiste von Düsseldorf zur Tat nach England. Er hielt sich mindestens zwei Mal in Deutschland auf, 2015 im direkten Anschluss an seine paramilitärische Ausbildung in Syrien, so Sicherheitskreise. Britische Ermittler gehen we­gen der Komplexität des Anschlags von einer Gruppe radikaler Moslems aus und vermuten Komplizen – auch in der Bundesrepublik.

Anis Amri, der Attentäter vom Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, dem bisher schwersten islamischen Anschlag in Deutschland mit 56 Verletzten und zwölf Toten, war den Behörden lange bekannt. Beamte des Berliner Landeskriminalamts sollen nachträglich Akten verändert haben, um Versäumnisse zu vertuschen, sollen versucht haben, den mehrfach verurteilten Gewalttäter und Drogenhändler als Kleinkriminellen hinzustellen. So lauten zumindest die Vorwürfe, denen nun ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses nachgehen soll. Die Kritik an der Polizei kann kaum die politische Dimension überspielen.

Über Monate hatte eine breite Parteienkoalition den anfangs von FDP und AfD geforderten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verhindern versucht. Jetzt stimmten SPD, Linke und Grüne für die politische Aufklärung. Ergebnisse sind in diesem Wahljahr nicht mehr zu erwarten. Zu unkalkulierbar wären die politischen Folgen.

Fehleinschätzungen sind das Harmloseste, was die Politik sich vorwerfen lassen muss. Die lässt nun Berlins Polizei von 14 Son­derermittlern durchleuchten. In­nensenator Andreas Geisel (SPD) erstattete Anzeige gegen das Berliner LKA wegen möglicher Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung. Er habe Vertrauen in die Polizei, sagt der Senator: „Aber das schließt Fehlverhalten Einzelner nicht aus.“ Als einstiger Senator für Sport und Stadtentwicklung kam er im Dezember ohne Vorerfahrung an die Spitze des Innenressorts.

Wenn der vom Senat bisher für die Aufklärung berufene Sonderermittler Bruno Jost im Juli erste Einsichten preisgibt, soll der neue Untersuchungsausschuss starten. Trotz offiziellen Senatsauftrags gilt Jost mit seiner Arbeit nicht als Verfahrensbeteiligter, was seine Möglichkeiten, Behördenakten zum Fall Amri einzusehen, stark begrenzt. Er habe „keinen zuverlässigen Überblick“, so Jost. Mit dem Warten auf sein Zwischenergebnis schindet die Politik Zeit. Entsprechend lobten die Parteien Bundesanwalt Jost. Der hat kaum die Ressourcen, für sie brisante Versäumnisse offenzulegen. Davon gibt es genug.

Die Berliner wie die Bundespolitik ließen nach dem Anschlag Gesten der Anteilnahme vermissen. Keine Schweigeminute im Bundestag, stattdessen politische Aufrufe zu „Normalität“. Die Angst der Parteien vor einem Stimmungsbeben in der Bevölkerung und vor der Erkenntnis der Bürger, politisch gesteuerte Masseneinwanderung und Terror könnten zusammenhängen, lähmt den politischen Handlungswillen. Noch vor Tagen nannte der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz einen Ausschuss „Unsinn“. Die lokale und private Trauer der Hinterbliebenen fiel im Dezember mit dem Start des neuen rot-rot-grünen Senats an der Spree zusammen. Die politische Verantwortung sieht die dabei mitregierende Linke aber bei Ex-Innensenator Olaf Henkel (CDU). Der Grüne Benedikt Lux kündigt einen Landesbeauftragten an, bei dem sich Polizisten melden könnten, „wenn sie Fehler gemacht haben“.

Die politische Dimension der „Fehler“ tritt am ehesten in Nord­rhein-Westfalen zutage, wo bereits ein parlamentarischer Ausschuss zum Fall Amri läuft. Amri war bei der Ausländerbehörde in Kleve gemeldet. Das Düsseldorfer LKA beansprucht für sich, die von ihm ausgehende Terrorgefahr vorzeitig entdeckt und im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern angesprochen zu haben. Vorwürfe wie Sozialleistungsmissbrauch, Verwendung falscher Identitäten oder Diebstahl hätten aber nicht für einen Haftbefehl ausgereicht, sagte der Düsseldorfer LKA-Chef Uwe Jacob vor dem Ausschuss. Im Klartext heißt das, dass Gesetzen und Ermittlungen zum Trotz das politische Klima und die politische Führung nicht gestatteten, gegen Amri vorzugehen.

Bereits im Skandal um die Übergriffe von Zuwanderern auf der Kölner Domplatte Silvester 2016/ 2017 entzog sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger der Verantwortung, auch wenn entscheidende Vorgaben aus seinem Ressort kamen. Im Fall Amri weist Jäger erneut jede Verantwortung von sich, obwohl das LKA intern von ihm als zuständigen Minister vor dem Anschlag gefordert hatte, Amri abzuschieben. Über Jahre blockte die Politik Konsequenzen von Straftaten auf Asylverfahren ab, weichte Asylrecht und Ausländerrecht auf – Thema der Ausschüsse bleibt die Polizei.     Sverre Gutschmidt


MELDUNGEN

Immer weniger Petitionen

Berlin – Im Jahr 2016 hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages über 11000 Eingaben entgegengenommen. Damit hat sich die Gesamtzahl der Petitionen im Vergleich zum Vorjahr um knapp 2000 weiter verringert. Bei 254 Werktagen ergibt sich ein durchschnittliches Aufkommen an Petitionen von etwa 44 pro Tag. In der Rangliste der Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien liegt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit 19 Prozent der Eingaben vorn, gefolgt vom Innenministerium mit 14,5 Prozent und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit 13 Prozent. Im vergangenen Jahr fanden 23 Sitzungen des Petitionsausschusses statt, in denen insgesamt 743 Petitionen zur Einzelberatung aufgerufen wurden.        J.H.

 

Mehr Geld für Parteien

Berlin – Die Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung steigt in diesem Jahr auf gut 161,80 Millionen Euro. Laut Parteiengesetz erhöht sich das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien ausgezahlt werden darf, um den Prozentsatz, um den sich der Preisindex der „für eine Partei typischen Ausgaben“ im vorangegangenen Jahr erhöht hat, abgerundet auf ein Zehntel Prozent. Da sich dieser Parteien-Index vom Jahr 2015 auf das Jahr 2016 nach einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes um 0,83 Prozent erhöht hat, ergibt sich eine Erhöhung der Obergrenze um 0,8 Prozent. Die auch für die wählerstimmenbezogenen Förderbeträge vorgesehene Anhebung um denselben Prozentsatz führt dagegen aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Abrundung nicht zu einer tatsächlichen Anhebung, da sich jeweils nur ein rechnerischer Anstieg um weniger als 0,01 Euro ergibt.            J.H.


S. 4 Die Waffen der Zukunft

Der soldatenlose Waffengang
Der Trend geht zum Krieg der Roboter – Das Ziel ist die Reduzierung eigener Verluste

Während in der Bundeswehr immer mehr Stagnation Einzug hält, was die Entwicklung und Einführung moderner Militärtechnik betrifft, erproben andere Armeen innovative Waffensysteme für die Kriege von morgen. Dabei erlangen jetzt vor allem Roboter wachsende Bedeutung.

Um die personellen Verluste auf Seiten der eigenen Truppen zukünftig zu verringern, setzen die USA und Russland, aber auch China, Indien, Japan und Israel neuerdings nicht mehr nur auf Flugdrohnen, sondern auch auf Kampfroboter am Boden. Von denen hat sich die US-Armee inzwischen ein ganzes Arsenal zugelegt – angefangen von den mit Maschinengewehren und Granatwerfern bestückten Systemen RVM/CART und MAARS über den winzigen „Dragon Runner“ für den Häuserkampf bis hin zum weitgehend menschenähnlich gestalteten Battlefield Extraction-Assist Robot (BEAR), der Verwundete vom Schlachtfeld zu bergen vermag.

Allerdings überholt Russland die USA auf diesem Gebiet langsam, aber sicher. Verantwortlich hierfür ist ein Programm zur beschleunigten Entwicklung und Einführung von militärischen Robotern bis zum Jahre 2025. Diese sollen dann später ein Drittel aller bemannten Panzerfahrzeuge ersetzen. Bereits jetzt verfügt das russische Heer über zahlreiche solcher Geräte und kann weitere Prototypen unter realistischen Bedingungen erproben. Mehr oder weniger einsatzreif sind jetzt der „Soratnik“ und der „Nerechta“ – letzterer ist auch für „Selbstmord“-Attentate mit Sprengstoff konzipiert. Dazu kommen weitere, ebenfalls mit Kanonen sowie Panzerabwehr-Lenkraketen ausgerüstete Roboter der Typen „Tigr-M SPN“, „Uran-9“, „Argo“, „Platform-M“ und „Akazija“.

Im Moment werden diese Maschinen alle noch von Soldaten ferngesteuert, aber es wäre technisch schon jetzt möglich, sie unter der Führung von Computern ins Gefecht zu schicken. Das zeigen die Versuche mit dem System „Unikum“, das bis zu zehn Roboter gleichzeitig kommandieren kann. Dabei entscheidet die Künstliche Intelligenz eigenständig, wann und auf wen zu schießen ist.

Gegen diese Entwicklung werden naheliegenderweise diverse Bedenken vorgebracht, darunter vom International Committee for Robot Arms Control. Ungeachtet der Frage der Verantwortbarkeit des Einsatzes von autonom agierenden Waffensystemen testet Russland seine Tötungsmaschinen indes wohl bereits in Syrien. So berichtete die Nachrichtenagentur Sputnik, Baschar al-Assads Truppen hätten mit Hilfe einiger Kampfroboter Wladimir Putins – die Rede war von sechs „Platform-M“ und vier „Argo“ – strategisch wichtige Höhen bei Latakia erobert. Dies wird zwar verschiedentlich angezweifelt, aber das Bürgerkriegsland ist auf jeden Fall ein perfektes Erprobungsfeld für Kriegsgerät solcher Art. Und dass das russische Militär dort „trainiert“, gab dessen Oberbefehlshaber inzwischen offiziell zu.

Gleichzeitig setzen auf der Gegenseite auch der Islamische Staat und die Milizen Dschabhat Fatah asch-Scham (früher: al-Nusra-Front) und al-Gaisch as-Suri al-Hurr (Freie Syrische Armee) auf selbstgebastelte Robotertechnik. Schließlich verfügen die Assad-Gegner über jede Menge gut ausgebildeter Computerspezialisten (siehe PAZ Nr. 16). Damit könnte auf diesem Gebiet schneller Gleichstand eintreten, als es den Großmächten lieb sein dürfte. Zumal von den radikalen Moslems gekaperte Killermaschinen der Gegenseite ja keinerlei „Skrupel“ hätten, für ihre neuen, salafistischen Herren zu kämpfen. Wolfgang Kaufmann


Da hilft keine Tarnkappe
Das Quanten-Radar könnte die Stealth-Technik wertlos machen

Alle großen Militärmächte haben in den vergangenen Jahrzehnten Unsummen in die Tarnkappen- oder Stealth-Technik investiert, um ihre Kriegsmaschinerie für gegnerische Radargeräte „unsichtbar“ zu machen. Dieser Aufwand könnte allerdings vergebens gewesen sein, wenn das neue chinesische Quanten-Radar hält, was es verspricht.

Das Ortungsinstrument basiert auf einem völlig neuen physikalischen Prinzip. Statt elektromagnetischer Wellen, die vom Ziel reflektiert werden, kommen hier Photonenströme zum Einsatz. Dabei passiert das, was Albert Einstein 1935 mit dem Begriff „spuk­hafte Fernwirkung“ beschrieb. Zunächst werden normale hochenergetische Photonen mittels von Kristallen in zwei Teilchen mit niedrigerem Energieniveau aufgespalten, von denen dann das eine in Richtung des vermuteten Ziels geschossen wird, während das andere im Gerät verbleibt. Infolge der sogenannten Quantenverschränkung zwischen den trotz der Entfernung noch „gekoppelten“ Photonen reagiert das „gefangene“ Lichtquant ganz genauso wie das ausgesendete. Das heißt, es zeigt ohne jede Zeitverzögerung an, ob sein „Zwilling“ auf ein Objekt gestoßen ist und welche Form beziehungsweise Geschwindigkeit selbiges hat.

Dies hört sich stark nach Science Fiction an, ist aber keine. Hiervon zeugt nicht zuletzt ein aufsehenerregendes Experiment des Wiener Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) unter der Leitung von Anton Zeilinger, der schon seit Längerem als Kandidat für den Physiknobelpreis gilt. Im Verlauf des Versuches gelang 2012 die Übertragung von Informationen durch „gekoppelte“ Photonen über immerhin 143 Kilometer.

Deshalb liegt es sehr wohl im Bereich des Möglichen, dass das Quanten-Radar, das von der China Electronics Technology Group Corporation (CETC) entwickelt worden sein und eine Reichweite von rund 100 Kilometern haben soll, tatsächlich funktioniert – so wie es die Nachrichtenagentur Xinhua im September 2016 meldete. In diesem Falle könnte das Reich der Mitte nun die gesamte teure Tarnkappentechnik seiner Gegner schachmatt setzen.           W.K.


Rätselhafter Raumgleiter aus dem All zurück

Am 7. Mai dieses Jahres landete der unbemannte US-Raumgleiter X-37B (Codebezeichnung: AFSPC-5) auf dem Weltraumbahnhof von Cape Canaveral in Florida. Der von Boeing Phantom Works, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des bekannten Flugzeugherstellers, gebaute Mini-Shuttle hatte fast 718 Tage im All zugebracht – und es gibt keinerlei verlässliche offizielle Information, warum. Die United States Air Force, der die kosmische Drohne gehört, sprach zwar von der Erprobung eines Ionen-Antriebs und ähnlichen Tests, doch die erklären nicht den langen Aufenthalt in der Umlaufbahn.

Wahrscheinlich trug das neun Meter lange und fünf Tonnen schwere Gerät auch Sensoren, mit denen es fremde Satelliten ausspionierte. Selbiges ließen zumindest einige Militärs gegenüber Reportern der „Daily Beast“ und „New York Times“ durchblicken. Und der renommierte Raumfahrtexperte James Oberg vermutet gar, die X-37B habe nach feindlichen Killerdrohnen Ausschau gehalten und somit quasi als „Leibwächter“ für andere militärische Raumfahrzeuge der Verei­nigten Staaten fungiert.

Möglicherweise führte der Gleiter bei seinem vierten Langzeitflug aber auch einige der legendenumwobenen „Rods from God“, also „Götterpfeile“, mit. Das sind laserbestückte Stangen aus Wolfram, Titan oder abgereichertem Uran, die in selbst erzeugten Vakuum-Tunneln aus dem All hernieder rasen und dann 11500 Kilometer pro Stunde schnell auf der Erdoberfläche einschlagen sollen. Hierbei dürften Energien freiwerden wie bei der Zündung kleinerer Kernwaffen – nur eben ohne Radioaktivität. Außerdem können die Stäbe angeblich bis zu 700 Meter in den Boden eindringen, womit fast kein Bunker der Welt vor ihnen sicher wäre.

Auf jeden Fall deutet die nun bereits seit zwölf Jahren andauernde Geheimniskrämerei um die Boeing-Drohne, die insgesamt schon bemerkenswerte 2085 Tage im All zubrachte, darauf hin, dass es sich hier um ein extrem ungewöhnliches Vehikel handelt.            W.K.


Zeitzeugen

Elmar Brok – Ungeachtet der enormen Fortschritte Russlands auf dem Gebiet der Militärtechnik sprach sich der CDU-Politiker und Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments Ende 2016 für technologische Sanktionen gegenüber Russland aus, welche die Waffenentwicklung hemmen, „wie wir das schon zu Zeiten des Kalten Krieges gemacht haben“.

Boris Simakin – Nach Ansicht des Leiters der Abteilung für Analyse und langfristige Planung des staatlichen Waffenexportunternehmens FGUP Rosoboronexport besitzen die russischen Ingenieure „alle notwendigen Kompetenzen, um moderne militärische Robotertechnik zu entwickeln, die auf dem Weltmarkt gefragt sein wird“. Moskau plant also augenscheinlich, seine neuentwickelten Killermaschinen massenhaft in Umlauf zu bringen.

Robert Work – Schon Ende 2015 warnte der stellvertretende Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten auf einer Zusammenkunft des Nationalen Sicherheitsrates, dass Russland und auch China dabei seien, die USA auf dem Gebiet der Entwicklung von Roboterwaffen zu überholen.

Andrej Grigorjew – Im Interview mit dem Nachrichtenportal Sputnik sagte der Chef des russischen Fonds für zukunftsorientierte Forschungen (FPI), der mehr als 50 geheime Projekte fördert: „Ich sehe momentan, dass die Robotisierung immer schneller vorankommt. Das wird ein Krieg der Operateure und Maschinen sein, jedoch nicht zwischen Soldaten auf einem Gefechtsfeld, die aufeinander schießen. Die militärischen Aufgaben werden so gelöst, dass die Verluste des Personalbestandes minimiert werden.“

Xiao-Song Ma – Als das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2012 die erste Langstrecken-Photonenkopplung zwischen La Palma und Teneriffa bewerkstelligte, war auch der Physiker von der Nanjing Universität an dem Experiment beteiligt. Möglicherweise ist dies der Grund dafür, dass es der China Electronics Technology Group Corporation vier Jahre später zur großen Überraschung der Fachwelt gelang, ein funktionierendes Quanten-Radar zu bauen.


S. 5 Preussen/Berlin

Rot-Rot-Grün schmiert ab
Berlins Rathaus-Koalition wird zur Belastung für den Bundestagswahlkampf der SPD

Noch vor einem Jahr galt eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei in Berlin als Probelauf für die Bundesebene. Inzwischen gerät das Dreierbündnis im Roten Rathaus immer mehr zum abschreckenden Beispiel, das die Wahlchancen der Sozialdemokraten selbst auf Bundesebene weiter verschlechtert.

Wie eine aktuelle Umfrage zeigt, ist Berlins rot-rot-grüner Senat bei den Wählern so unbeliebt wie bundesweit keine andere Landesregierung. In einer repräsentativen Studie, die Infratest Dimap für die „Berliner Morgenpost“ und den Sender RBB durchgeführt hat, erklärten 57 Prozent der befragten Hauptstädter, sie seien mit ihrer Landesregierung wenig oder gar nicht zufrieden. Lediglich 35 Prozent zeigten Zufriedenheit mit der Arbeit des Senats.

Zwar hatten die Berliner bereits der Arbeit der vorangegangenen rot-schwarzen Koalition ein ähnlich schlechtes Zeugnis ausgestellt, die Große Koalition galt allerdings als notgedrungenes Zweckbündnis auf Zeit. Im Gegensatz dazu preist das linke Lager Rot-Rot-Grün zum Teil bis heute als wegweisendes Zukunftsprojekt. Da legen die Wähler naturgemäß andere Maßstäbe an.

Die Meinungsforscher haben derweil noch eine weitere Überraschung zutage gefördert. Erstmals seit drei Jahren schneidet die CDU an der Spree besser ab als die SPD. Demnach gaben 24 Prozent der Berliner an, sie würden sich bei Wahlen für das Abgeordnetenhaus für die CDU entscheiden. Damit liegt die Union zwei Punkte vor der SPD. Erst acht Monate ist es her, dass die Union unter Frank Henkel bei den Wahlen zum Landesparlament mit 17,6 Prozent eine schwere Niederlage eingefahren hatte.

Der Aufwind für die Union wirft Fragen auf: Noch vor wenigen Wochen schien sich die Partei in einer tiefen Krise zu befinden. Im wichtigen Kreisverband Steglitz-Zehlendorf eskalierte eine Auseinandersetzung zwischen Ex-Justizsenator Thomas Heilmann und dem Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann  so weit, dass sogar der Vorwurf der Wahlfälschung laut wurde. Die neue CDU-Landeschefin Monika Grütters ist als Kulturstaatsministerin überdies sehr stark in der Bundespolitik engagiert, sodass sie bisher nur wenig als Berliner Politikerin wahrgenommen wird.

Umso überraschender wirkt die deutlich gewachsene Zustimmung für die CDU in der Hauptstadt. Den Sozialdemokraten muss diese Entwicklung so oder so zu denken geben: In Kiel und Düsseldorf sind vor Kurzem SPD-geführte Regierungen abgewählt worden, die in der Bevölkerung deutlich mehr Rückhalt hatten als der rot-rot-grüne Senat in Berlin. Zudem galt noch im vergangenen Jahr  das Dreierbündnis in der deutschen Hauptstadt als ein Modellprojekt zur Vorbereitung einer rot-rot-grünen Bundesregierung. Inzwischen hat sich längst Ernüchterung breit gemacht – in Berlin, aber auch auf der Bundesebene. Dort positionieren sich prominente Sozialdemokraten sogar sehr deutlich gegen eine Koalition mit den Grünen und der Linkspartei.

Speziell die Landtagswahl im Saarland hat gezeigt, dass mit einer allzu offenen Propagierung von Rot-Rot-Grün in den westlichen Bundesländern keine Wahlen zu gewinnen sind. So spricht der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück davon, dass der Wahlkampf  im Saarland mit der Perspektive einer rot-rot-grünen Koalition zur Niederlage der SPD geführt habe.

Auch der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, geht auf Distanz zu den Dunkelroten: „Die Linkspartei ist noch weit von der Regierungsfähigkeit entfernt“, so Oppermann gegenüber der Funke-Mediengruppe. Blickt man auf die Berliner Verhältnisse, dann lässt allerdings auch das Agieren der Grünen Zweifel an deren Regierungsfähigkeit aufkommen.

Spitzenpolitiker der Partei haben in den vergangenen Monaten oftmals den Eindruck erweckt, dass sie die Zeit an der Regierung nutzen wollen, um vor allem langgehegte Lieblingsprojekte, etwa in der „Gender“-Politik, umsetzen zu können. Wenig überzeugend wirkte auf der anderen Seite, was die Grünen bislang zu wirklich drängenden Themen wie der inneren Sicherheit präsentiert haben.

Ihre Blockadehaltung, etwa bei der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, bringt dabei nicht nur Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) in eine Zwickmühle: Geht es nach SPD-Bundespolitikern wie Sigmar Gabriel und der SPD-Generalsekretärin Katharina Barley, dann soll die SPD im Bundestagswahlkampf nämlich ausgerechnet mit dem Thema innere Sicherheit bei den Wählern punkten.

Gerade die Entwicklung in Berlin aber kann die Glaubwürdigkeit dieser Wahlkampfstrategie massiv gefährden. Neue Zahlen belegen, dass die Gewaltkriminalität auf dem Berliner Alexanderplatz auch in den ersten Monaten dieses Jahres erschreckend hoch war. Selbst für Berliner Verhältnisse ungewöhnlich war auch, dass sich im Mai innerhalb von vier Tagen vier Morde in der Hauptstadt ereigneten. Obendrein mehren sich die Zeichen, dass Berlins linksextreme Szene eine Kraftprobe mit dem rot-rot-grünen Senat sucht. Maskierte Personen haben in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain inzwischen mehrfach Polizisten in einen Hinterhalt gelockt und mit Steinen beworfen.    Norman Hanert


Das Kreuz mit dem Schloss
von Vera Lengsfeld

Man sollte denken, dass sich auch der erbittertste Schlossgegner mittlerweile damit abgefunden haben müsste, dass die Kubatur des Schlosses und die Außenfassade historisch getreu wiedererstehen. Schließlich ist das Gebäude inzwischen stadtbildprägend.

Aber nein, da kommen die Schlossgegner mit immer neuen Argumenten, um wenigstens, da sie den Bau nicht mehr verhindern können, Sand ins Getriebe zu streuen (siehe Beitrag unten). Nun, da die Kuppel immer mehr Formen annimmt, hat ausgerechnet die „Stiftung Zukunft Berlin“ Einwände erhoben. Angeblich gefährde das geplante Kreuz den Dialog der Kulturen und Religionen. Unterstützung erhält die Stiftung natürlich von Grünen und der Linkspartei. Die kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, Sigrid Hupach, behauptet, das Kuppelkreuz würde den Austausch unterschiedlicher Kulturen gefährden, es bedeute eine absurde „Hierarchisierung der Kulturen und Religionen“. Das Argument mutet besonders deshalb seltsam an, weil uns vor kurzer Zeit doch von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung mitgeteilt wurde, dass es keine deutsche Kultur gäbe. Wo keine Kultur ist, kann es keine Hierarchisierung geben.

Berlins bekannteste Kodderschnauze Heinz Buschkowsky verteidigt das Kreuz vehement (siehe unten). Der Sozialdemokrat und langjährige Bezirksbürgermeister von Neukölln hält die losgetretene Debatte für „unwürdig“. Selbst unter dem historischen Kreuz blieben die Gedanken frei. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters macht sich für das Kreuz stark: „Unsere Kultur der Offenheit, Freiheit und Barmherzigkeit hat  ihre Wurzeln in unserem christlichen Menschenbild“, sagte sie der „Welt“.

Es gibt aber noch eine andere, von der „Linken“ losgetretene Debatte. Auf der Schlossfreiheit soll ein „Einheits - und Freiheitsdenkmal“ entstehen. Auch dafür gibt es einen Bundestagsbeschluss. Kultursenator Klaus  Lederer stellte den Bau wieder in Frage, da das im Volksmund „Wippe“ genannte Projekt nicht für Behinderte zugänglich und deshalb nicht realisierungsfähig sei. Da war der Senator falsch informiert und musste sich revidieren.

Ein anderes Argument wäre treffender gewesen. Bei den archäologischen Untersuchungen der Schlossfreiheit kam unerwartet das fast vollständig erhaltene historische Bodenmosaik zum Vorschein. Es wartet auf seine Wiederverwertung. Der Förderverein Berliner Schloss hat eine repräsentative Umfrage bei Infratest Dimap in Auftrag gegeben: 58 Prozent der Berliner und 43 Prozent der Bundesbürger sind gegen die „Einheitswippe“. Und auch sonst gibt es eine deutliche Mehrheit für eine historische Gestaltung des Schloss-Umfeldes.


Abzocke bei Asyl
Private Vermieter profitieren massiv − zulasten der Steuerzahler

Sein Geschäftsmodell endete für einen Wohnungsbesitzer am 10. Mai vor dem Berliner Verwaltungsgericht mit einer Niederlage. Der Vermieter wollte vom Wohnraummangel für Asylsucher profitieren. Das Urteil verbietet nun tageweise Wuchermieten. Als Signal der Wirksamkeit des politischen Zweckentfremdungsverbots von Wohnraum taugt der Fall nur bedingt. Er zeigt aber das Ausmaß dreister Geschäfte mit der Asylflut – abgezockt werden bis heute vor allem die Steuerzahler.

Bis zu 500 Euro am Tag für eine Dreizimmerwohnung mit zehn Asylbewerbern konnten private Vermieter auf dem Gipfel des Mangels von Asylunterkünften Anfang 2016 verlangen. Bezahlt wurde vom damals zuständigen Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) oder der Senatsjugendverwaltung, also vom Steuerzahler. Der damalige Senat finanzierte so die Zweck­entfremdung von Wohnraum, die er 2014 untersagt hatte.

Mehrfach beschloss Berlins Landesregierung seither, Asylsucher besser unterzubringen. Für unangemessen lange Zeit festgeschriebene oder hochpreisige private Bleiben sollte es nicht mehr geben. Der nun gerichtlich abgewiesene Eilantrag eines Vermieters betraf drei möblierte Wohnungen, die an bis zu acht Menschen vermietet wurden. Seit 2015 vergab der Eigner Wohnraum an Asylsucher – die Behörden zahlten.

In dem Fall in Charlottenburg waren Privatunterkünfte über Mietvereinbarungen für mindestens zwei Monate festgeschrieben worden. Der private Vermieter stellte den Behörden aber Tagessätze in Rechnung. Das Amt forderte ihn jetzt auf, die Zweck­entfremdung zu beenden. Das Gericht urteilte, die Wohnungsnot sei keine Rechtfertigung, weiter gegen das Zweckentfremdungsverbot zu verstoßen.

Bis zu 50 Euro pro Kopf zahlen Sozialbehörden jeden Tag je Asylsucher für eine Unterkunft. Hotelbetreiber und andere gewerbliche Vermieter haben Vorrang. Doch die private Unterbringung zu teils überhöhten Preisen geht dort, wo sie sich eingeschliffen hat, weiter. Gleichzeitig stehen einige eigens geplante Unterkünfte für Asylsucher leer. Die vom Senat für Asylsucher in Aussicht gestellte Anmietung von Sozialwohnungen läuft schleppend an. Private Wohnungsgeschäfte mit Asylsuchern machen zudem Schwarzmakler, die auch in Berlin teils Bestände landeseigener Wohnungsgesellschaften gegen Schmiergeld an Asylsucher vergeben, berichten Vereine.           SG


Streit um Kreuz
Attacken auf Pläne zur Schlosskuppel

Die Meldungen, wonach eine großzügige Spende die Rekonstruktion der historischen Kuppel des Berliner Schlosses möglich macht (PAZ 21/17), haben eine hitzige Diskussion um das Kuppelkreuz ausgelöst. So kritisierte die „Stiftung Zukunft Berlin“, ein Kreuz auf dem Schloss würde an eine christliche Leitkultur erinnern und gefährde den Dialog der Kulturen und Religionen.

Eine ähnliche Kritik kam von Sigrid Hupach, der kulturpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Gegenüber der „Welt“ sprach sie von einer „Hierarchisierung der Kulturen und Religionen“ und warnte, das Kreuz würde den Austausch unterschiedlicher Kulturen gefährden.

Die Stiftung Humboldt-Forum verteidigt hingegen die Pläne inklusive des Kreuzes. Berufen kann sich die Stiftung dabei auf den Architekten-Wettbewerb von 2008, der die Wiederherstellung der barocken Nord-, West- und Südfassaden sowie des Schlüterhofs vorsah. Im Entwurf des siegreichen Architekten Franco Stella ist nicht nur die Rekonstruktion mehrerer Innenportale, sondern eben auch der Schlosskuppel vorgesehen.

Auch der ehemalige Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, hat sich inzwischen in die Debatte eingebracht. Gegenüber der „Bild“-Zeitung sagte der SPD-Politiker: „Egal, ob aus denkmalpflegerischer Sicht oder als religiöses Symbol: Das Kreuz ist keine Barriere gegen Freiheit und Toleranz, soll andere Kulturen nicht ausgrenzen. Wir alle wollen eine friedliche Welt ohne Leid, Gewalt und Terror.“                 N.H.


Ates gründet Moschee

Ein liberaler Moschee-Verein wird ab Juni in den Räumlichkeiten einer evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Mitte tätig werden. Die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wurde von der in Istanbul geborenen kurdischen  Juristin und Frauenrechtlerin Seyran Ates gegründet. Superintendent Bertold Höcker zeigt sich begeistert: „An diesem Standort soll exemplarisch respektvolle Nachbarschaft, Dialogfähigkeit und gegenseitige Wertschätzung vorgelebt werden.“ Ates: „Wo aber Religion nur der Abgrenzung dient, stellt sie sich gegen die Demokratie.“ In der Moschee sollen Männer und Frauen gemeinsam beten und eine Imamin predigen. Fraglich ist angesichts der eindeutigen Bestimmungen des Korans, inwieweit Ates’ Aktivitäten wirklichen Einfluss entfalten. Sie hat sich immer wieder als scharfe Kritikerin einer radikalen Auslegung des Islam hervorgetan, dabei oft auch die Gegnerschaft deutscher Multi-Kulti-Anhänger auf sich gezogen              H.L.


S. 6 Ausland

In Polens Streitkräften geht es rund
Viele höhere Offiziere hat Verteidigungsminister Antoni Macierewicz gefeuert, andere quittieren den Dienst

Die polnische Armee hat seit Ende 2015 einen ähnlich gravierenden Aderlass erlebt wie die Streitkräfte der Türkei nach dem gescheiterten Putsch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die Gründe hierfür liegen in der Politik der zusammen mit Polska Razem (PR, Polen Zusammen) und Solidarna Polska (SP, Solidarisches Polen)  regierenden Prawo i Spra-wiedliwość (PiS, Partei für Recht und Gerechtigkeit).

Seit dem November 2015 haben bereits über 500 höhere Offiziere der Streitkräfte der Republik Polen den Dienst quittiert oder wurden entlassen, darunter 34 Generäle und 47 Oberste. Das führte zum Austausch von 92 Prozent der Angehörigen des Generalstabs und 82 Prozent der Kader in anderen Bereichen der Armeeführung. Zu denen, die sich frustriert verabschiedeten oder gehen mussten, gehörten auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Mirosław Rózanski, der Kommandeur der polnischen Spezialeinheiten Jerzy Gut und der Chef des Militärischen Abschirmdienstes (Słuzba Kontrwywiadu Wojskowego) Piotr Jaromir Pytel.

Ursache dieser personellen Umwälzungen ist die massive Verärgerung der Offiziere über das Vorgehen des Verteidigungsministers Antoni Macierewicz (PiS). Der strebt zwar die enge Anbindung Polens an den Westen an, um das Land vor dem angeblichen russischen Expansionismus zu schützen. Andererseits brüskiert er jedoch gerade die Militärs mit guten Verbindungen zu den US-Streitkräften und zur NATO sowie Kampferfahrungen durch Auslandseinsätze in Afghanistan und dem Irak durch personelle Fehlentscheidungen oder gar Vetternwirtschaft. So machte der Minister sei-nen politischen Ziehsohn Bar-

tłomiej Misiewicz, einen erst 27 Jahre alten Studenten ohne einschlägige Qualifikation, zum Sprecher seines Hauses. Im Anschluss daran mussten die polnischen Generäle vor Misiewicz salutieren, was der damalige Chef der Landstreitkräfte, Waldemar Skrzypczak, empört verweigerte, woraufhin ihn Macierewicz entließ.

Ebenso lehnen viele hochrangige Offiziere die Pläne der Regierung bezüglich des Aufbaus einer Armee zur Territorialverteidigung (WOT, Wojska obrony terytorialnej) ab, die nicht dem Oberkommando der Streitkräfte unterstehen soll. Sie soll am Ende 53000 Freiwillige umfassen und im Kriegsfall an der Seite der regulären Truppen kämpfen. Dass die neue paramilitärische Miliz dem Verteidigungsministerium unterstehen soll, quittierte der Oppositionspo-litiker Mirosław Suchon von der Partei Nowoczesna (Die Moderne) mit dem Vorwurf, Macierewicz wolle sich hier eine Art Privatarmee schaffen.

Die USA unterstützen die Bildung der WOT – ganz im Einklang mit dem Strategiepapier „Aufrüstung zur Abschreckung“ (Arming for Deterrence) der höchst einflussreichen Denkfabrik Atlantic Council vom 19. Juli 2016, in dem gefordert wird, Polen aufzurüsten und in ein Bollwerk gegen Russland zu verwandeln.

Damit sind die prowestlichen Militärs Polens in dem Dilemma gefangen, dass sie einerseits loyal zu den USA und zum Nordatlantikpakt stehen wollen, dem ihr Land seit 1999 angehört, aber andererseits bei der Personalpolitik von Macierewicz immer mehr auf der Strecke bleiben. Als Konsequenz hieraus wandten sich die zurückgetretenen Generäle mit drastischen Äußerungen an die Öffentlichkeit. So warnte der frühere Inspekteur der Landstreitkräfte Generalmajor a.D. Janusz Bronowicz vor Kurzem, wenn der Verteidigungsminister weiterhin Offiziere ohne Erfahrung und

Rückgrat mit wichtigen Kommandos betraue, erwarte Polen irgendwann eine ähnliche Niederlage wie 1939. Noch weiter ging Rózanski, der im Interview mit der zweitgrößten polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ an den Militärputsch von Marschall Józef Pił-sudski vom Mai 1926 erinnerte – also quasi mit einem Staatsstreich drohte. Was übrigens nicht nur bei vielen Offizieren, sondern auch bei vielen der 20000 organisierten Reservisten auf unverhohlene Begeisterung stieß.

Aufgrund der Entwicklung der letzten Monate ist das Vertrauen der NATO-Führung in die polnische Armee deutlich gesunken. Deshalb werden sicherheitsrelevante Informationen jetzt nur noch sehr spärlich an die Bündnispartner im Osten weitergegeben. Mittlerweile fürchtet man nämlich seitens des Bündnisses eine regelrechte Welle des Geheimnisverrats durch all die Unzufriedenen innerhalb der Streitkräfte Warschaus. Zumal es bereits deutliche Hinweise auf undichte Stellen gibt, von denen nach Lage der Dinge vor allem die russischen und chinesischen Geheimdienste profitieren dürften.      

                Wolfgang Kaufmann


Venezuela schreckt ab
Vielen in Kolumbien erscheint ihr Friedensprozess alternativlos

Die durch den Friedensnobelpreis für Staatschef Juan Manuel Santos ausgelöste Euphorie in Kolumbien hat sich mittlerweile gelegt. Die Hoffnung, dass bei der Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla der FARC die Opfer des Gewaltkonflikts im Mittelpunkt stehen würden, ist bisher nicht in Erfüllung gegangen.

Das liegt daran, dass die konkrete Umsetzung der im Friedensabkommen getroffenen Abmachungen nur äußerst schwerfällig vorankommt. Vor allem fehlt es an der politischen Durchsetzungskraft der Regierung, die sich nach der so überraschend gescheiterten Volksabstimmung mit dem wachsenden Widerstand der bewaffneten Oppositionskräfte auseinandersetzen muss.

Aber auch auf Seiten der ehemaligen FARC-Guerilla ist es keineswegs klar, wie lange die Basis und die örtlichen Kommandanten angesichts der nur äußerst schleppend erfolgenden Vertragserfüllung von Seiten der Regierung die nötige Geduld aufbringen werden, auch wenn die Führungsspitze sich nach wie vor fest entschlossen zeigt, die Abmachungen des Friedensvertrags einzuhalten und ihre Truppen in den Lagern der Übergangszonen zusammenziehen. Dort sollte in einem Zeitraum von sechs Monaten die Übergabe der Waffen an die Vertreter der UNO stattfinden. Diese ursprüngliche Frist wäre im Mai abgelaufen und wurde um drei bis vier Monate verlängert, je nach Aussage der Regierung oder der FARC.

Viele der von den Truppen der FARC verlassenen Gebiete sind jetzt heiß umkämpft. Sowohl die Kämpfer der marxistisch orientierten Guerillabewegung Ejército de Liberación Nacional (ELN, Nationale Befreiungsarmee), deren Friedenverhandlungen mit der Regierung vor Kurzem erst in Ecuador begonnen haben, als auch die sogenannten Neo-Paramilitärs sind auf dem Vormarsch, um ihre Einflusszonen auszudehnen. Die Regierung schaut dem Agieren der paramilitärischen Verbände, wie gehabt, weitgehend tatenlos zu. Infolgedessen sind vor allem in der Pazifikregion bereits wieder ganze Dörfer der Afrokolumbianer und der Indigenen auf der Flucht.

Viele Menschen machen sich bezüglich der Friedensverhandlungen, die nun schon fast fünf Jahre andauern, keine allzu großen Illusionen mehr. Sehr bezeichnend für die enormen Schwierigkeiten, denen sich der Friedensprozess ausgesetzt sieht, sind die unterschiedlichen Positionen der bisherigen Kriegsparteien. Da gibt es zum einen die Beschwerden der im Hochsicherheitsgefängnis „La Picota“ in Bogotá einsitzenden Guerilleros, die eigentlich schon seit Monaten das Recht hätten, sich zusammen mit ihren demobilisierten Kampfgenossen in den Übergangslagern aufzuhalten, aber bisher gegen alle Abmachungen im Gefängnis festgehalten werden. Dagegen erklärten die Repräsentanten der äußerst einflussreichen Organisation der Militärs im Ruhestand den ganzen Friedensprozess für illegal und bezeichneten sich selbst als die größten Opfer des kolumbianischen Konflikts.

Die Landbevölkerung ist zwischen Hoffnung und neuen Ängsten hin und her gerissen. Aber immer mehr setzt sich angesichts der sich zuspitzenden Lage im Nachbarland Venezuela die Gewissheit durch, dass der Frieden die einzige Chance für Kolumbien ist.            Bodo Bost


Lohn für moderaten Kurs
Bei Irans Präsidentenwahl schneidet Rohani noch besser ab als 2013

Hassan Rohani hat die Präsidentschaftswahlen im Iran mit 58 Prozent gewonnen und damit noch deutlicher als vor vier Jahren, als er knapp 51 Prozent erreichte. Damit belohnen die Iraner den moderaten Kurs des amtierenden Präsidenten, dessen größte Leistung 2015 das Atomabkommen mit den USA war. Rohanis schärfster Konkurrent war der erzkonservative Ibrahim Raisi, ein Jurist und Theologe sowie enger Vertrauter des obersten geistlichen und politischen Führers, Ajatollah Ali Chamenei, des eigentlich starken Mannes des Iran, der die Politik des Landes bestimmt, aber nicht vom Volk gewählt wird, sondern von einem Gremium, auf dessen Zusammensetzung das Volk keinen Einfluss hat.

Die Wahl vom 20. Mai war die erste in der Islamischen Republik Iran seit dem internationalen Atomabkommen von 2015. Die Wahl galt deshalb auch als eine Art Referendum über Rohanis Politik der Öffnung gegenüber dem We­sten. Sie soll den Iranern mehr Freiheit und wirtschaftliche Erholung bringen. Mit seiner Wiederwahl hat der iranische Präsident nun mehr Zeit bekommen, die Früchte des Atomabkommens zu ernten. Rohani versprach, dass die Öffnung des Landes und Investitionen aus dem Ausland Arbeitsplätze bringen würden. Mit dem Ausgang der Wahl haben die Iraner ihm diese Chance nun gewährt. Rohani verdankt seinen Sieg auch den Iranern, die im Ausland an mehr als 300 Orten abstimmen konnten, darunter zahlreiche in den USA, wo mehr als eine Million Iraner leben. In Thailand zündete sich ein Iraner aus Protest vor der Botschaft seines Landes in Bangkok an.

Für viele Iraner war die jetzige Wahl nur eine zwischen einem schlechten und einem katastrophalen Kandidaten, weil die beiden einzigen wahren Reformer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, welche die Wahl gegen Rohanis Vorgänger, Mahmud Ahmadinedschad, 2009 nur wegen massiver Wahlfälschungen verloren hatten, seit 2011 unter Hausarrest stehen und keinen Kontakt mehr zur Öffentlichkeit haben. Rohani hat die Situation der beiden sehr beliebten Politiker nicht verbessert, obwohl dies auch während des Wahlkampfes von vielen Iranern gefordert worden ist.

Viele Bewohner des Landes haben von Vorteilen des Atomabkommens bislang noch wenig gespürt. Im Zuge des Abkommens wurden zwar die Sanktionen zurückgefahren, und der Iran durfte erstmals seit Jahren wieder Erdöl exportieren, allerdings konnte das Land in Folge des niedrigen Ölpreises davon kaum profitieren. Im Gegenzug hatte sich der Iran bereiterklärt, sein Atomprogramm zu beschränken. Der Iran ist als Führer des schiitischen Blocks an den Bürgerkriegen in Syrien, dem Irak und dem Jemen auf Seiten der Schiiten beteiligt, diese Interventionen waren allerdings im Wahlkampf kein Thema. Der neue, alte Staatspräsident wird jetzt neben dem Obersten Religionsführer, der laut Artikel 5 der iranischen Verfassung von 1979 das höchste Staatsamt bekleidet, bis 2021 über die Geschicke des Landes maßgeblich bestimmen.

Es war die zwölfte Präsidentenwahl seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979, bei welcher der pro-westliche und autokratisch herrschende Schah von hauptsächlich linken Demonstranten gestürzt wurde. Diese hatten später ihre Macht an die schiitische Geistlichkeit unter Führung von Ayatollah Khomeini verloren, welche aus dem Land die heutige, schiitisch geprägte Islamische Republik Iran gemacht hat.           B.B.


MELDUNGEN

Verbindung der Superlative

Moskau – Der Brückenbau zwischen der Halbinsel Krim und dem russischen Mutterland macht rasche Fortschritte. Die im Februar 2016 begonnene Konstruktion, mit deren Hilfe ein ungehinderter Personen- und Warenverkehr vom Kubangebiet zu den nach einem Volksentscheid an Russland angeschlossenen beiden Krimregionen ermöglicht werden soll, ist als parallele Straßen- und Bahnbrücke mit jeweils über 19 Kilometern Brückenanteil angelegt und damit die längste Brücke Europas. Laut neuestem Stand soll sie für Pkw und Lkw ab Dezember 2018 und für Bahnen ab Dezember 2019 nutzbar sein.    T.W.W.

 

Botschafter gegen »Flüchtlinge«

Warschau – Ein Mann mit politisch „unkorrekten“ Ansichten ist zum polnischen Botschafter in Kasachstan ernannt worden. Wie die meisten der Lipka- beziehungsweise Litauischen Tataren, die zurzeit von nationalen wie von internationalen Medien nach ihrer Haltung zur Asylkrise befragt werden, hat Selim Mirza-Juszenski Daniar Beg Chazbijewicz, ehemals Mufti von Danzig und jetzt Professor an der Universität von Allenstein, keine gute Meinung von den Zuwanderern. Diese seien keine Kriegsflüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten, aber als solche nicht zu gebrauchen, da sie das Arbeiten nicht erfunden hätten. Gerade Araber würden sich in Europa nie integrieren lassen und dürften daher unter keinen Umständen hierher gelassen werden. Die Lipka-Tataren sind überwiegend zum Christentum übergetreten und haben sich in die Gesellschaften Ostmitteleuropas weitgehend eingegliedert. So haben sie beispielsweise sogar ihren Wochenfeiertag auf den Sonntag verlegt.               T.W.W.


S. 7 Wirtschaft

Ist der Absturz vorhersehbar?
Jahrelang wurde die Digitalwährung Bitcoin belächelt – Nun erlebt sie einen Höhenflug

Ungeachtet ihres derzeitigen Höhenflugs sagen Experten einen Absturz der Digitalwährung Bitcoin voraus.

Jährlich feiern Anhänger am 22. Mai den „Bitcoin Pizza Day“. Vor sieben Jahren schrieb Laszlo Hanyecz, ein Programmierer aus Florida, in einem Internetforum, er biete 10000 Bitcoins, wenn ihm jemand zwei Pizzen liefern lasse. Die Legende besagt, dass dieses Geschäft tatsächlich zustande gekommen ist. Es soll der erste Transfer mit der digitalen Währung gewesen sein. Die 10000 Bitcoins von damals hatten einen Gegenwert von 25 US-Dollar, heute wären sie mehr als 20 Millionen Dollar wert. Der Preis eines Bitcoin ist kürzlich erstmals über 2000 Dollar gestiegen. Damit ist ein einzelner Bitcoin derzeit wertvoller als eine Feinunze Gold, die gut 1250 Dollar kostet.

Die Digitalwährung wird in komplizierten Rechenprozessen erzeugt und auf Plattformen im Internet gegen klassische Währungen gehandelt. Um Bitcoins zu kaufen, müssen sich Interessierte auf virtuellen-Marktplätzen wie bitcoin.de oder MtGox.com anmelden. Dann erhält man eine Art Online-Postfach, in dem man die gekauften „Devisen“ aufbewahrt. Auf diesen Marktplätzen des weltweiten Netzes kann man die Devisen auch wieder verkaufen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Währungen unterliegt der Bitcoin keiner Kontrolle durch Staaten oder Notenbanken. Wie bei Aktien wird auch der Kurs von Bitcoins stark von der Aktualität bestimmt. Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, sind derzeit wohl zwei Faktoren für den Aufschwung verantwortlich. Zum einen habe Japan Bitcoins kürzlich zum offiziellen Zahlungsmittel erklärt. Das Land gilt weltweit als zweitwichtigster Markt für Bitcoins. Anleger hoffen nun, dass weitere Staaten dem Vorbild Japans folgen und Bitcoins und andere Digitalwährungen als Zahlungsmittel einführen. Zum anderen könnte es bald einen Fonds geben, mit dem Anleger auf den Bitcoin-Kurs spekulieren können.

Es gibt allerdings auch Risiken. In den vergangenen Jahren ist der Kurs der Währung mehrfach stark eingebrochen, was meist die Folge von Hackerangriffen auf große sogenannte Krypto-Tauschbörsen wie MtGox oder auch BitFinex war. Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele warnt daher vor einer zu großen Euphorie. Der Bitcoin sei „kein geeignetes Medium“, um Werte aufzubewahren. „Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Spekulationsobjekt, dessen Wert sich rapide verändert“, sagte er gegenüber dem Internetportal der „Tagesschau“. Hinter der Währung stehe praktisch nichts. Alleine der Glaube, dass sie eine Zukunft habe, rechtfertige eine Aufwertung. Den starken Preisschwankungen zum Trotz hat das Zahlungsmittel aus dem Netz für Millionen Menschen eine gewisse Attraktivität. Und mehrere Krisen hat die Währung auch schon überstanden. Am Alltag der allermeisten Menschen rollt der Rubel allerdings vorbei. Die Europäische Bankenaufsicht prüft seit Jahren, in welcher Form die virtuellen Währungen reguliert und beaufsichtigt werden sollten. Bisher aber ohne wirklichen Durchgriff. Gleichzeitig fordert die Aufsichtsbehörde Nutzer des immer populärer werdenden Internetgeldes eindringlich auf, sich mit den damit verbundenen Risiken vertraut zu machen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) plädierte bereits im vergangenen Herbst für eine scharfe Regulierung von sogenannten Kryptogeldern. Starke Kursschwankungen, Geldwäsche-Gefahr durch anonyme Geldflüsse sowie mögliche Nutzung zur Terrorfinanzierung sind dabei die Hauptargumente. Die EZB fürchtet aber auch, dass eine verstärkte Nutzung solcher Währungssysteme die Macht der Zentralbanken untergrabe, Geldmengen zu steuern und Preisstabilität herzustellen. Die aktuelle Nutzung lasse ein solches Szenario allerdings erst einmal nicht befürchten. Besonders stark nachgefragt wird die Digitalwährung aktuell aus China. Dort umgehen Anleger Kapitalverkehrskontrollen durch Investments in die staatlich nicht kontrollierte Bitcoin-Währung.

Laut dem Branchenportal „btc-echo“ gibt es in der Bundesrepublik Deutschland dagegen bislang nur etwas über 100 Unternehmen, die den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. In Österreich und der Schweiz sind es zusammengerechnet knapp 20 Firmen. Kritiker führen außerdem an, dass die Digitalwährung wegen der schwer nachvollziehbaren Zahlungswege auch für kriminelle Zwecke verwendet werden kann. Die Entstehung der Onlinewährung erinnert schließlich auch ein bisschen an eine Räuberpistole. Als Urheber des Konzepts gilt eine Figur namens Satoshi Nakamoto. Wer sich dahinter verbirgt, ist weiterhin nicht abschließend geklärt. Spekulationen gab es viele. Laszlo Hanyecz hat seine Kontakte aus der Gründerzeit der Bitcoin-Szene bis heute nicht offengelegt. Im vergangenen Jahr hatte der australische Geschäftsmann Craig Steven Wright behauptet, er habe die virtuelle Währung erfunden und unter dem japanischen Pseudonym vertrieben. Wright hatte englischen Medien Daten vorgelegt, die ausschließlich ein entsprechendes Insider-Wissen bestätigten. Allerdings mehrten sich anschließend Zweifel an dieser Darstellung. Pizza-Besteller Lazlo Hanyecz hat sich bisher nie dazu geäußert, ob er die Identität seiner damaligen Bezugsquelle kenne. Peter Entinger


China glaubt an Durchbruch
Energie der Zukunft: Erfolgreicher Testabbau von Methanhydrat

Jiang Daming, der chinesische Minister für Ressourcen, verkündete kürzlich, dass seinem beim Abbau von „brennendem Eis“ ein Durchbruch gelunden sei, der „zu einer weltweiten Energierevolution führen könnte“.

Die Rede ist von Methanhydrat, einem fossilen Brennstoff, der in den Tiefen des Meeres vorkommt. Methanhydrate sind in Wassermolekülen eingeschlossene Gasmoleküle, eine Verbindung von Wasser und Erdgas, die unter hohem Druck und niedrigen Temperaturen zu einer kristallinen Substanz werden, im Aussehen Eisklumpen ähnlich, die leicht entzündbar sind. Daher die Bezeichnung „brennendes Eis“. Methanhydrate wurden erstmals 1971 im Schwarzen Meer entdeckt, inzwischen weiß man aber, dass es große Vorkommen des fossilen Brennstoffs praktisch in allen Weltmeeren gibt, wenn auch nur in Küstennähe. Mit aus Methanhydraten gewonnenem Gas könnte die Menschheit ihren Energiebedarf für 1000 Jahre decken.

Diese Erkenntnis fördert Begehrlichkeiten. Seit Ende März bohren die Chinesen im Südchinesischen Meer in einer Tiefe von 1266 Metern und haben angeblich bei Tests durchschnittlich 16000 Kubikmeter Gas täglich wonnen. Eine große Menge, berücksichtigt man, dass ein Kubikmeter Methanhydrat in etwa 160 Kubikmetern Erdgas entsprechen. Zum Vergleich: Mit 100 Litern Gas kann ein Auto 300 Kilometer fahren, mit 100 Litern Methangas käme es 50000 Kilometer weit. Neben China setzen auch Japan, Indien und Südkorea große Hoffnungen auf Methanhydrat als neue, vielversprechende Quelle zur Gewinnung von Erdgas. Japan hatte 2013 bereits Erdgas aus Methanhydrat gewonnen, allerdings ist noch kein kommerzieller Abbau erfolgt. Entsprechende Forschungsprojekte unternahmen auch Kanada, Norwegen und Russland. Bislang gibt es weltweit nur eine einzige industriell-kommerzielle Anlage für Methanhydrat-Verarbeitung im sibirischen Krasnojarsk.

China will aufholen. Das Problem ist, dass ein kontrollierter Abbau des Brennstoffs gefährlich und teuer ist. Methangas ist wie in einem Käfig aus Wassermolekülen eingeschlossen. Stabilität am Meeresboden entsteht aus hohem Druck und kalten Temperaturen. Um das Gas freizusetzen, werden Löcher in die Hydrat-Schichten am Meeresgrund gebohrt, wobei Pumpen den Druck senken, damit das Gas entweichen kann. Damit ist ein Abbau noch nicht wirtschaftlich. Methanhydrat gilt deshalb eher als Energieträger der Zukunft, um den sich heute schon ein Nachbarschaftsstreit im Südchinesischen Meer entfesselt hat. China beansprucht die gesamte Region samt der Rohstoffe für sich.

Weil sich Methanhydrat in höheren Wasserschichten bei geringerem Druck und höherer Temperatur zersetzt und dadruch große Mengen des gasförmigen Methans entweichen, ist der Abbau nicht nur schwierig, sondern birgt auch Gefahren für die Umwelt. Tritt das Gas unkontrolliert aus, kann es zu Erdrutschen und Tsunamis kommen.

Umweltschützer schlagen bereits Alarm. Zum einen befürchten sie, dass die Klimaerwärmung weiter vorangetrieben wird, zum anderen steht die Erschließung neuer fossiler Energiequellen dem Ziel entgegen, sogenannte erneuerbare Energien schneller voranzubringen. Manuela Rosenthal-Kappi


Autos aus der Oberlausitz
Chinesen wollen in Rothenburg E-Fahrzeuge produzieren

Der Osten des Bundeslandes Sachsen wird möglicherweise Standort eines neuen Automobilwerkes. Laut einem Onlinebericht des Fachmagazins „Automobil-Industrie“ hat das chinesische Unternehmen „Beijing WKW Automotive Parts Co., Ltd.“ mit dem Land Sachsen eine Grundsatzvereinbarung über den Ankauf eines Grundstücks in Rothenburg in der Oberlausitz abgeschlossen. Wie unter anderem der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtet, besteht die Absicht, auf dem Gelände des dortigen ehemaligen Militärflughafens ein Werk für Elektrofahrzeuge zu errichten. Demzufolge will das chinesische Unternehmen insgesamt 1,139 Mil­liarden Euro investieren und über eine Tochtergesellschaft ein Werk in Rothenburg eröffnen. In der Oberlausitz sollen E-Fahrzeuge für den europäischen Markt produziert werden. In Rothenburg könnten damit mehr als 1000 Arbeitsplätze entstehen.

Beijing WKW Automotive Parts ist 2002 von dem Automobilzulieferer Walter Klein GmbH (WKW) und dem chinesischen Beteiligungsunternehmen Beijing Zhonghuan Investment Management Co., Ltd gegründet worden. Das Unternehmen produziert für nahezu alle Autobauer, die in China auf dem Markt sind. Zu den Kunden gehören Audi, Volkswagen und BMW.

Wie Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) in Hoyerswerda mitteilte, hat sich der chinesische Automobilzulieferer auch andere potenzielle Standorte in Deutschland angesehen, ehe die Wahl auf die Lausitz fiel. Der Standort unweit von Görlitz weist vor allem verkehrstechnisch Pluspunkte auf. Die Deutsche Bahn modernisiert derzeit die sogenannte Niederschlesische Magistrale. Langfristiges Ziel der Bauarbeiten ist es, eine schnelle Verbindung für Güterzüge von der Nordsee bis in die Ukraine zu schaffen. Östlich der Neiße wird zudem die Autobahn zwischen Forst und Breslau abschnittsweise modernisiert. Laut dem MDR hat die sächsische Staatsregierung dem chinesischen Investor auch zugesagt, die Anbindung von Rothenburg an die A4 und die A14 zu verbessern. Ein wichtiger Faktor für die Chinesen soll zudem das verfügbare Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften gewesen sein.

Auch andere Unternehmen sind bereits auf die Lausitz-Region aufmerksam geworden. Bereits im Jahr 2010 hat die Deutsche Accumotive, eine 100-prozentigen Daimler-Tochtergesellschaft, in Kamenz in der Oberlausitz eine Batteriefabrik errichtet. Im Beisein von Sachsens Ministerpräsident Tillich (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel und Daimler-Chef Dieter Zetsche wurde vor Kurzem der Grundstein für eine zweite Akkufabrik gelegt. Diese soll bereits 2018 in Betrieb gehen und zum führenden Standort im weltweiten Produktionsverbund für Lithium-Ionen-Batterien entwickel werden. Allein am Standort Kamenz will Daimler eine halbe Milliarde Euro in seine Batterieproduktion investieren. Schon in drei Jahren will Accumotive in Kamenz mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Investition in die Batterieherstellung ist ein wichtiger Teil der neuen Unternehmensstrategie bei Daimler. Schon bis zum Jahr 2022 will der Autobauer im Pkw-Segment mehr als zehn Elektromodelle anbieten.

                Norman Hanert


MELDUNGEN

Bürokratiekosten gesunken

Berlin – Die Kosten für den Bürokratieaufwand der Wirtschaft haben sich in den Jahren 2015 und 2016 im Saldo durch Gesetze und Neuregelungen um etwa 1,5 Milliarden Euro verringert. Der Bürokratiekostenindex (BKI), der zeigt, wie sich die Kosten der Unternehmen aus Informationspflichten in Deutschland verändern, ging auf 99 Punkte zurück. Dabei standen Entlastungen in Höhe von 322 Millionen Euro belastende Regelungen mit einem Volumen von 126 Millionen Euro gegenüber. Ausgangspunkt bei der Ermittlung des BKI sind die Bürokratiekosten der Wirtschaft mit Stand vom 1. Januar 2012, die einem BKI von 100 entsprechen. J.H.

 

Ein Drittel in Leiharbeit

Nürnberg – Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat im vergangenen Jahr rund 87000 Personen in Leiharbeit vermittelt. Das entspricht einem Anteil von 33 Prozent an allen von der BA im Jahr 2016 vermittelten Arbeitssuchenden. Insgesamt vermittelte die BA rund 266000 Personen in Arbeit. 65 Prozent der in Leiharbeit Vermittelten hatten vorher Arbeitslosengeld und 35 Prozent Arbeitslosengeld II bezogen.   J.H.


S. 8 Forum

So geht Metropole
von Thomas W. Wyrwoll

Wer täglich als Pendler mit der U-Bahn unterwegs ist, kann über die Slogans vom komfortablen Personennahverkehr nur lachen. Moskau zeigt, dass es anders geht. Die russische Hauptstadt hat eine neue Klasse von U-Bahn-Zügen in Betrieb genommen, die man mit Fug und Recht als beste Stadtbahn der Welt bezeichnen kann.

Das harte Ruckeln und die enormen Fliehkräfte, für welche die Moskauer U-Bahn bisher berüchtigt war, gehören der Vergangenheit an. Alles ist auf Sanftheit angelegt. Der Fahrgast wandelt auf weichen Korkböden, wird morgens mit härterem Licht aufgemuntert und abends mit warmem Licht entspannt. Wer sein Mobiltelefon oder seinen Rechner mit Strom versorgen möchte, findet dazu Steckdosen und USB-Ladeanschlüsse. Kostenfreies mobiles Internet ist in der Moskauer U-Bahn ohnehin schon lange eine Selbstverständlichkeit. Wer keinen Rechner dabei hat, kann sich über per Berührung steuerbare Bildschirme seine Verbindung anzeigen lassen oder fernsehen. Der Übertragung von Krankheiten durch die Luft wirkt ein Luftdesinfektionssystem entgegen.

Moskau macht der Welt vor, wie man das Wort „Metropole“ mit Leben erfüllt.


Warum wohl?
von Norbert Voll

Ralf Stegner, SPD-Chef in Schleswig-Holstein, hätte nach dem Absturz seiner Partei bei der Landtagswahl von seinen Ämtern zurücktreten müssen.

Inzwischen erntete Stegner auch aus den eigenen Reihen Kritik: Er wirke unsympathisch und griesgrämig, dürfe nicht an seinem Stuhl kleben. Prompt rechnete er mit seinen innerparteilichen Kritikern schroff ab: Opportunisten und Berufszyniker seien sie.

Entgleisungen dieser Art kennen wir von „Ralle“ zu genüge. Er verglich die Facebook-Chefin Sheryl Sandberg mit Beate Zschäpe, rief zu Attacken auf AfD-Personal auf, zieh die „Welt“ der Unverschämtheit, als diese das Wirtschaftsprogramm der AfD für linker als das der SPD befand, und lässt keine Gelegenheit aus, sich und die Seinen als die Guten, alle anderen als die Bösen darzustellen.

Auch zur linken Doppelmoral greift Stegner umstandslos. Typisch: Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtmarkt tönte er, „die AfD und andere rechte Scharfmacher“ weideten die Tat auf ekelhafte Art aus. Genau dies aber hatte er nach dem Angriff auf die Kölner Oberbürgermeisterin Reker selbst getan: „Pegida hat in Köln mitgestochen“, so sein wirres Credo.

Die SPD wäre gut beraten, ihren Genossen rechtzeitig vor der Bundestagswahl aufs Abstellgleis zu befördern. Der Zug ihres heldenhaften Spitzenkandidaten könnte andernfalls noch mehr an Fahrt verlieren.

Derweil muntert die politische Konkurrenz die SPD auf, sie möge doch bitte an Stegner festhalten. Warum wohl?


Der Dammbruch des 2. Juni
von Hans Heckel

Der 2. Juni 1967 hat die politische Kultur der Bundesrepublik tiefer getroffen, als dies vor 50 Jahren irgendjemand ahnen konnte. Der Schatten dieses Datums fällt bis in unsere Zeit und verdunkelt das Land unvermindert.

An jenem Tag erschoss der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien. Erst 2009 stellte sich heraus, dass Kurras Stasi-Agent und SED-Genosse war. Doch an den verheerenden zeitgeschichtlichen Folgen der Tat konnte diese Entdeckung nichts mehr ändern. Sie hatten sich längst eingebrannt in die Republik.

Für die radikale Linke war der Todesschuss der Auftakt zur Terrorwelle, Mördergruppen wie die RAF oder die „Bewegung 2. Juni“ rechtfertigten ihren Blutrausch damit, dass der Staat, siehe Kurras, „als erster geschossen“ habe. Von nun an schien ihnen alles erlaubt zu sein, fühlten sie sich befreit von allen Skrupeln.

Zwar liegt die blutigste Phase des linken Terrors hinter uns, doch der Wahn, dass im Kampf gegen den politischen Gegner dessen Menschen- und Bürgerrechte in den Boden gestampft werden dürfen, der hat überlebt und prägt heute die Grundhaltung nicht allein des harten Kerns der „Antifa“. Die Wurzeln dieses Abwegs in die politische Barbarei liegen in dem, was Teile der linksextremen Szene aus der Erschießung von Benno Ohnesorg geschlossen haben. Es war die totalitäre Selbstermächtigung zur Bekämpfung des „Feindes“ bis hin zu dessen gesellschaftlicher oder gar physischer Vernichtung.

Wie tief dieser moralische Absturz geraten konnte, bewies der Terrorist Wilfried Böse, Mitbegründer der „Revolutionären Zellen“ (RZ), die mit RAF und „2. Juni“ verbunden waren. Gemeinsam mit palästinensischen Komplizen hatten die RZ 1976 eine Air-France-Maschine mit zahlreichen jüdischen Passagieren nach Uganda entführt. Ausgerechnet der Deutsche Böse übernahm die Aufgabe, die Juden heraus zu selektieren, mutmaßlich zu deren späterer Tötung, die aber von israelischen Spezialkräften verhindert wurde. Als ein Passagier Böse seine eintätowierte KZ-Nummer zeigte, redete sich der Linksterrorist heraus, er bekämpfe schließlich das von „Nazis“ durchsetzte BRD-Regime.

Hier schloss sich ein Kreis auf düster-bizarre Weise. Nicht von ungefähr sehen sich auch heute kritische Zeitgenossen angesichts der Gewalt-, Spitzel- und Denunziationsexzesse der „Antifa“ an NS-Praktiken erinnert. Die Inanspruchnahme des 2. Juni 1967 durch die extreme Linke war ein Dammbruch, der bis in unsere Zeit nicht geflickt ist. Sie löste eine Enthemmung aus, die sich derzeit sogar wieder zu verschlimmern scheint.


Gegenwind
Die USA bestimmen, aber die Europäer zahlen
von Florian Stumfall

Seit dem Krieg gegen Jugoslawien im Jahr 1999 ist es ständige Übung der NATO geworden, an allen Plätzen der Welt und gegen jedes Land, wo es kein militärisches Risiko darstellt, zu intervenieren, Friedenseinsätze durchzuführen oder die Menschenrechte zu verteidigen oder wie die Ausreden alle heißen, tatsächlich also ihre Interessen mit Bomben und Granaten durchzusetzen. Das hindert die System-Medien indes nicht daran, nach wie vor von einem „Verteidigungsbündnis“ zu sprechen, ganz so, wie es der einstige Minister Peter Struck plakativ darstellte, als er meinte, Deutschlands Freiheit müsse am Hindukusch verteidigt werden.

Was immer dort am Hindukusch verteidigt wird, das deutsche Grundgesetz kann es jedenfalls nicht sein, denn das steht kriegerischen Unternehmungen solcher Art entgegen, obwohl sich diese immer mehr häufen. Doch als ob es damit nicht schon zu viel des Guten wäre, arbeiten Bundeskanzleramt und Verteidigungs­ministerium an der Schaffung einer europäischen Armee unter deutscher Führung. Das jedenfalls schreibt das renommierte US-Magazin „Foreign Policy“, das auf Außen- und Verteidigungspolitik spezialisiert ist.

„Deutschland baut heimlich eine europäische Armee unter seiner Kontrolle auf“, so wörtlich. Dies geschieht zunächst im Rahmen des „Framework Nation Concept“ (FNC), das im vergangenen Jahr anlässlich der NATO-Sitzung in Warschau beschlossen worden ist. In einer offiziellen Verlautbarung des Auswärtigen Amtes heißt es: „Ziel ist ein schrittweises sicherheitspolitisches und militärisches Zusammenwachsen Europas. Mit inzwischen 16 teilnehmenden Nationen sind zwei Drittel der europäischen NATO-Mitgliedsstaaten unter dem FNC-Dach vereint, wodurch der europäische Pfeiler in der Allianz gestärkt wird. Im Juni 2016 wurde vereinbart, die Kooperation im Rahmen des FNC auch für relevante Partnerstaaten und Organisationen außerhalb der NATO zu öffnen.“

Ohnehin gibt es seit 2003 den EU-NATO-Pakt, der für eine „strategische Partnerschaft“ den Grund gelegt hat. Diese Vereinbarung ermöglicht es der EU, Zugriff auf die verschiedensten Möglichkeiten der NATO zu nehmen, um eine militärische Operation durchzuführen. Dieser Pakt hat nach Auffassung vieler Staatsrechtler die Neutralität von EU-Mitgliedsländern wie Österreich oder auch Schweden im Handstreich liquidiert.

Im Rahmen des FNC soll in absehbarer Zeit jedes EU-Land jeweils eine Brigade in die Bundeswehr eingliedern. Noch einmal das Auswärtige Amt: „Dem Konzept zufolge wird die gemeinsame Gestaltung neuer Projekte sowie die Entwicklung von Fähigkeiten an den NATO-Planungszielen des NATO-Verteidigungsplanungsprozesses ausgerichtet. Die Rahmennation übernimmt gegenüber den anderen Nationen eine höhere Verantwortung, indem sie die Koordination innerhalb der Fähigkeitsgruppen und mit der NATO sicherstellt.“

Dieser Beschluss bedeutet zum einen, dass die EU eine eigene Armee bekommen soll, er bedeutet weiter, dass Deutschland in dieser Armee eine übergeordnete Rolle zu spielen hat, und er führt endlich dazu, dass diese EU-Armee in der NATO aufgeht. EU und NATO sind nicht länger zwei verschiedene, nach Recht und Aufgaben getrennte Bündnisse, sondern eine Einheit. Da aber, wie es beim Auswärtigen Amt heißt, die NATO-Planungsziele die politische Richtung vorgeben, wird es die europäische Armee sein, die in der NATO aufgeht. Die NATO aber steht für immer und unverrückbar unter dem Kommando der USA. Das heißt: Mit dem Beschluss von Warschau haben sich die USA europäische Streitkräfte geschaffen, die unter US-Kommando stehen, aber von den Europäern finanziert werden. Nicht nur, dass Europas Staaten ihre Souveränität an die EU verlieren, die EU selbst gibt im entscheidenden Bereich des Militärwesens ihre Entscheidungsgewalt an die USA ab.

Genau derselbe Vorgang beim NATO-Gipfel in Brüssel am 25. Mai: US-Präsident Donald Trump erreichte es gegenüber allen anderen Mitgliedern, dass sich die NATO als Organisation am sogenannten Krieg gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligt. Damit haben auch hier die USA das Kommando über die Partner übernommen.

Schon heute sind Konturen der geplanten europäischen Armee sichtbar. Neben der deutsch-französischen Brigade gibt es die Division Schnelle Kräfte (DSK) mit einer Kampfstärke von 9500 Mann, der jetzt schon rund 2300 niederländische Soldaten zugeordnet sind. Als nächstes soll eine rumänische Brigade dazukommen. Eine tschechische Brigade, die bislang im Kosovo und in Afghanistan stationiert gewesen ist, wird Teil der 10. Panzerdivision der Bundeswehr. Und Deutschland und die Niederlande stellen zurzeit ein gemeinsames See-Bataillon auf. 3000 Mann der 43. Mechanisierten Brigade der Niederlande werden der 1. Deutschen Panzerdivision unterstellt. Generalleutnant Erhard Bühler, der Abteilungsleiter Planung im Verteidigungsministerium in Berlin spricht von einem „deutlich intensivierten Agieren in der Multinationalität. Die europäischen Nationen müssen beim Bereitstellen einsatzbereiter Fähigkeiten noch weiter zusammenwachsen.“

Irgendwelche Zweifel an dem politischen Willen, der hinter dieser Entwicklung steht, sind nicht zulässig. EU-Kommissionspräsident Juncker hat sich schon wiederholt für eine europäische Armee ausgesprochen. Im Rahmen seiner großen Europa-Rede in Straßburg am 9. November 2016 zur Lage der EU sagte er, die Europäer müssten selbst für ihre Sicherheit sorgen und dann: „Deshalb brauchen wir einen neuen Anlauf in Sachen europäische Verteidigungsunion bis hin zu dem Ziel der Einrichtung einer europäischen Armee.“ Auch Kanzlerin Angela Merkel begrüßt die Idee einer „vertieften militärischen Integration in der EU“ und mit ihr alle Atlantiker von Volker Kauder bis Elmar Brok. Mit Blick auf Russland meint Juncker, eine europäische Armee würde „den klaren Eindruck vermitteln, dass wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union“.

Nun muss man mit Russland nicht in allen Dingen einer Meinung sein, aber dass man sich dort bezüglich der Ernsthaftigkeit des Militarismus in NATO und EU Illusionen hingäbe, das darf man nicht unterstellen. Anschauungsmaterial gibt es genug. Ganz Osteuropa vom Baltikum bis nach Rumänien ist aufgerüstet, als gälte es, eine Generalmobilmachung durchzuführen. Damit nicht genug – ein Großmanöver löst das andere ab. Kaum waren gegen Mitte Mai in Lettland die militärischen Übungen beendet, wurden sie mit dem Manöver „Kevadtorm 2017“ in Estland fortgesetzt. Der Umfang: 9000 Soldaten aus 13 NATO-Ländern. Die Aufmärsche erfolgen in so großer Dichte, dass sie in den Nachrichten gar nicht mehr erwähnt werden. Die NATO plant an der Grenze zu Russland in diesem Jahr 28 Manöver.

Die Auf- und Umrüstung der NATO an den Grenzen Russlands ist Teil der US-Strategie „Prompt Global Strike“, die schon Friedensnobelpreisträger Barack Obama vorangetrieben hat. Mit dem „umgehenden weltweiten Schlag“ soll es möglich sein, jedes beliebige Ziel binnen einer Stunde zu treffen, nuklear oder konventionell. Auf diesen ersten Schlag sollen Eingreiftruppen folgen. In diesem Zusammenhang sucht das Pentagon nach Lehrern für Crash-Kurse in Russisch für US-Einheiten für Spezialaufgaben. Elite-Soldaten der US-Nationalgarde sollen in russischer Militärsprache unterrichtet werden. Ausersehen dazu ist das 20. Luftlanderegiment der US-Nationalgarde, die sogenannten Green Berets.


S. 9 Kultur

Eseleien im Sturm und Drang
Nur ein »vorübergehender Meteor«? – Der deutsch-baltische Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz

Die deutsche Literatur kennt drei Autoren mit Namen „Lenz“: den Ostpreußen Siegfried Lenz, den schwäbischen Dichter Hermann Lenz und den livländischen Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Mi­chael Reinhold Lenz. Goethe nannte ihn einen „vorübergehenden Meteor“. Tatsächlich aber zieht er bis heute an uns vorbei.

Am 4. Juni 1792 fand man die Leiche eines unbekannten Mannes auf einer Moskauer Straße. Schnell stellte sich heraus, dass es sich dabei um den deutschen Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz handelt, doch die Todesursache wurde nie ermittelt. War es Mord, Selbstmord oder einfach nur Herzversagen des erst 41-Jährigen? Klar ist nur, dass einer der großen Sonderlinge der deutschen Literatur der Nachwelt ein weiteres Rätsel hinterließ.

Um ein anderes Geheimnis rätselt man bis heute. Was geschah am Weimarer Hof im Herbst 1776? Auf Goethes Betreiben hin ließ der Herzog damals Lenz aus Weimar vertreiben. Der Grund dafür ist bis heute unklar. Goethe notierte in seinem Tagebuch unter dem Eintrag vom 26. November 1776 nur die beiden Worte: „Lenzens Eseley“. Der launische Lenz schien wieder einmal gegen die Etikette verstoßen zu haben. Wo­möglich kam er Goethes Brieffreundin Charlotte von Stein beim Englischunterricht zu nahe.

Zuvor schon hatte sich Lenz an Frauen herangemacht, die Goethe nahestanden: Er flirtete mit Friederike Brion, die Goethe in den „Sesenheimer Liedern“ verherrlichte – Lenz ergänzte die Sammlung mit eigenen Beiträgen –, und der verheirateten Goethe-Schwester Cornelia. Er blitzte jedesmal ab. Glück bei den Frauen hatte der kleine Mann aus Livland nie.

Wieso aber machte er sich dauernd zum Esel? Die Frage stellt sich die Nachwelt immer wieder. Es fing schon mit Goethe selbst an, dessen Drama „Tasso“ an den wahnsinnig gewordenen Lenz erinnert und wo der wirre Held und Dichterkönig wie Lenz selbst nach Liebeshändeln vom Hof des Gönners vertrieben wird. Später versuchte „Woyzeck“-Autor Georg Büchner in seiner einzigen Novelle „Lenz“ eine Ehrenrettung des Sturm-und-Drang-Kollegen, in­dem er dessen Wahnsinn als Spiegelbild einer ebenso verkorksten Lebenswirklichkeit sah. Später nahmen sich der Komponist Wolfgang Rihm in seiner Oper „Jakob Lenz“ und mehrere TV-Filme desselben Stoffes an.

Das Leben des lebensuntüchtigen Lenz scheint interessanter zu sein als sein Werk. Dabei gilt er neben Goethe, Schiller und Herder als wichtigster Sturm-und-Drang-Autor. Seine Dramen „Der Hofmeister“ und „Die Soldaten“ finden sich noch heute hin und wieder auf den Spielplänen der Theater. Es sind skurrile Stücke mit absurden Zügen: Im „Hofmeister“ entmannt sich der Titelheld, weil er die standeshöhere Schülerin ge­schwängert hat, und in den „Soldaten“, die Büchner zu seinem „Woyzeck“ inspiriert haben dürfte, empfiehlt Lenz Soldatenehen, damit die Vergewaltigungsrate abnehme. Aber in ihnen geht es auch um Aufbegehren gegen Autoritäten und Standesdünkel.

Lenz selbst hatte unter einem autoritären Vater zu leiden. Aufgewachsen in der historischen Region Livland, die politisch zu Russland gehörte, die volkssprachlich lettisch, aber kulturell deutsch war, sollte der am 12. Ja­nuar 1751 in Seßwegen geborene Lenz wie der Vater Theologe werden. Sein Studium unter anderem bei Kant in Königsberg, wo auch das Drama „Der Hofmeister“ zu großen Teilen spielt, schmiss er hin und reiste als Bediensteter der Barone Friedrich Georg und Ernst Nikolaus von Kleist nach Straßburg, wo er Goethe traf. Es war seine fruchtbarste Zeit. Im Alter zwischen 21 und 26 Jahren schuf er sein nahezu vollständiges literarisches Werk. Dazu kamen noch Übersetzungen des Plautus und Shakespeares sowie theoretische Schriften.

In seinen „Anmerkungen übers Theater“ gibt er den Bilderstürmer, der die vorherrschende französische Kultur mit ihrem festen Regelwerk fürs Theater angreift. Wie schon Goethe in „Götz von Berlichingen“ verzichtet Lenz in seinen Dramen konsequent auf die Einheit von Zeit und Ort. Dafür lesen sich seine Dramen wie moderne Filmdrehbücher. An der Vielzahl von Szenen, den rasanten Schnitten sowie abrupten Orts- und Zeitwechseln hätte ein Kinoregisseur seine Freude.

Wie ein früher 68er wollte Lenz die erstarrte Kulturwelt aus den An­geln heben. Dabei verhob er sich, weil er sich weder weiterentwickeln noch Anspruch und Wirklichkeit in Einklang bringen konnte. Während der Stürmer und Dränger Goethe zum Klassiker reifte, blieb Lenz zeitlebens ein Stürmer und Dränger – quasi ein Alt-68er. Ob er nun daran verzweifelte oder er sich in der Rolle des Esels und Possenspielers ge­fiel, lässt sich per Ferndiagnose schwer sagen. Klar ist, dass sich manisch depressive, wenn nicht gar schizophrene Zü­ge bei ihm abzeichneten, bei de­nen sich geistig helle Augenblicke neben verwirrten, von Verfolgungswahn und Suizidgedanken geprägten Zuständen abwechselten. Ein Aufenthalt in den Vogesen bei dem Wegbereiter der Kindergärten, dem Pädagogen Johann Friedrich Oberlin, brachte keine Besserung.

Der inzwischen zum Superintendant aufgestiegene Vater ließ seinen verlorenen Sohn zurück­holen, der aber schnell weiter Richtung Moskau entfloh. Dort schnorrte er sich in damals von der Zarin gewaltsam po­litisch verfolgten Freimaurerzirkeln elf Jahre lang durch, fertigte noch belanglose Geschichts-Übersetzungen aus dem Russischen an, ohne auch nur einmal wieder dichterisch in Erscheinung zu treten, ehe er vor 225 Jahren in Moskau tot aufgefunden wurde.

Obwohl Büchner in seiner No­velle das negative Lenz-Bild revidierte, indem er den Aufenthalt seines Helden bei Oberlin mit seinem eigenen Schicksal als Sozialrevolutionär gleichsetzte, bleibt doch Goethes Verdikt über Lenz tonangebend. In seiner Autobiografie „Dichtung und Wahrheit“ rechnete er mit Lenz ab: „Für seine Sinnesart wüsste ich nur das englische Wort whimsical, welches, wie das Wörterbuch ausweist, gar manche Seltsamkeiten in einem Begriff zusammenfasst.“

Wunderlich und drollig soll Lenz also gewesen sein. Nimmt man seine Dramen hinzu, dann trifft die Bezeichung von Genie und Wahnsinn nirgends besser zu als auf Lenz.    Harald Tews


Flasche auf zwei Beinen
Herrlich inkorrekt – Vor 100 Jahren wurde Dean Martin geboren

Das könnte es heute nicht mehr geben: Ein Mann, der auf der Bühne säuft und raucht, der unter dem Jubel des Publikums frauenfeindliche und rassistische Witze reißt – ein solcher Mann würde von den Frauenbeauftragten und anderen Tugendwächtern mit Gewalt aus dem Saal gezerrt werden.

Der Schauspieler, Sänger und Entertainer Dean Martin, der vor 100 Jahren geboren wurde, aber konnte sich alle politischen Inkorrektheiten erlauben, und er wurde geliebt dafür. In den 60er Jahren füllte er in Las Vegas mit Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. die großen Säle von Las Vegas. Gemeinsam waren sie das „Rat Pack“, die Rattenbande, die auf der Bühne ungezwungen mit den Back­ground-Sängerinnen schäkerte, Zoten riss und zwischendurch schnulzige Lieder sang.

Bei Dean Martin schien das Whiskyglas dabei wie an der Hand und die Zigarette wie am Mundwinkel festgewachsen zu sein, während er das Publikum mit Schmacht-Hits wie „That’s Amore“ oder „Everybody Loves Somebody Sometime“ dahinschmelzen ließ.

Für viele war der Sänger die Verkörperung der Lässigkeit. Elvis Presley adelte ihn sogar als „King of Cool“. Als Vorbild der Jugend wäre der Weiberheld, der sich selbstironisch als Trinker inszenierte, heute undenkbar. Doch Martin, der am 7. Juni 1917 als Dino Crocetti in Ohio geboren wurde und der bis zum Alter von fünf Jahren nur Italienisch sprach, war ein Kind seiner Zeit, und die war noch nicht von jener moralischen Prüderie geprägt, die unsere Gegenwart kennzeichnet.

Als Sohn eines italienischen Friseurs hat er sich durchs Leben boxen müssen. Während der Prohibitionszeit kämpfte er als Boxer namens „Kid Crochet“ im Weltergewicht. Da er sich zu schön fand, um sich auf die Nase einschlagen zu lassen, und er sich auch als Alkoholschmuggler für die Mafia nicht geeignet sah, machte er zu­nächst Kapital aus seiner Schmuse-Stimme, ehe er mit dem Komiker Jerry Lewis in 16 Filmen ein erfolgreiches humoristisches Duo bildete. Der Schönling und der Narr – das war lange Zeit ein gut funktionierendes Gegensatzpaar. Am Ende gingen beide im Streit auseinander. Für den Fernsehsender NBC witzelte sich Martin später fast zehn Jahre lang durch die „Dean Martin Show“. Sein Talent zur Improvisation aber kam vollends in den legendären „Rat Pack“-Auftritten zur Geltung, wo er sich auf der Bühne wie in seinem Wohnzimmer verhielt. „Wo ist das Publikum?“, pflegte er mit dem Rücken zum Auditorium den Bandleader zu fragen, um danach „That’s amore, Bells will ring ting-a-ling-a-ling, ting-a-ling-a-ling“ wie unter der Dusche zu singen.

Am ersten Weihnachtstag 1995 starb Martin an Krebs. Seine Gesundheit war zuvor schon durch seinen Alkoholkonsum – Freunde schätzten seinen Jahresbedarf an Bourbon auf bis zu 1000 Flaschen – stark angeschlagen. Die Klatschkolumnisten Elsa Maxwell beschrieb ihn einst so: „Er ist ein ausgemachtes Ekel. Ich glaube, seine 18 Oldtimer-Autos liebt er mehr als seine Frauen. Ich frage mich, in welche Kurven diese Flasche auf zwei Beinen mehr vernarrt ist.“ Es war durchaus bewundernd gemeint.     H. Tews


Eine Kugel für alles
Elbphilharmonie wird zur Werbetrommel

Die Hamburger Elbphilharmonie, um deren Baukosten und -dauer es jahrelangen Streit gegeben hat, hat sich zu einem Publikumsmagneten entwickelt. Nicht nur sind sämtliche angesetzten Konzerte im großen Saal schon Monate vorher ausverkauft, auch der freie Zugang zur Plaza im achten Stock, wo man bei einem Rundgang ums Gebäude einen prächtigen Blick auf den Ha­fen und die Stadt hat, ist oft überlaufen. An Wo­chen­enden hat man hier schon über 15000 Be­sucher gezählt.

Auf einer Au­ßenfläche der Plaza zur Hafenseite hin stoßen die Tagesbesucher jetzt auf eine seltsame silberne Ku­gel, auf der ein paar Spielzeugschiffe befestigt sind. Die meisten laufen achtlos daran vorbei. Dass es sich um eine Kunstinstallation handelt, ist erst auf dem zweiten Blick zu er­kennen. Im Prinzip ist die rund drei Meter hohe Installation „Die Welt spielt Hafen“ auch weniger Kunst als Werbung, mit der gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden sollen. Der von einem Ausstellungsbüro gestaltete Globus soll zum einem auf das Festival „Theater der Welt“ aufmerksam machen, das noch bis zum 11. Juni in Hamburg stattfinden wird – allerdings nicht in der Elbphilharmonie. Schwerpunkt der Aufführungen von freien Theatergruppen aus aller Welt ist die Hafencity und das Kulturzentrum Kampnagel. Infos dazu unter: www.theaterderwelt.de.

Zum anderen soll die Kugel mit den Schiffsmodellen Lust und Laune auf das neue Deutsche Hafenmuseum machen. Doch das gibt es noch gar nicht, selbst der Standort am Hafen ist noch nicht be­stimmt. Klar ist bislang nur, dass der Haushaltsausschuss des Bun­destages 120 Mil­lionen Euro für Hamburgs neues Prestigeobjekt bereitgestellt hat. Dafür reist ein erstes Ausstellungsstück Mitte Juli an die Elbe: Die 100-jährige Viermastbark „Pe­king“, die noch als Museumsschiff in New York liegt, wird erst in ei­ner deutschen Werf renoviert, ehe sie dauerhaft vor dem neuen Ha­fenmuseum liegen soll.          H. Tews


FILMTIPP

Selbst mit ihren 73 Jahren ist Catherine Deneuve nicht aus Frankreichs Kino wegzudenken. Die Schauspielerei scheint – vielleicht auch dank künstlicher Hilfen – jung zu halten. Eine Oma könnte sie nur vom Alter, aber nicht vom Aussehen her spielen. In dem Film Ein Kuss von Béatrice soll sie die Mutter der von Catherine Frot gespielten Hebamme Claire sein, was man ihr aber kaum abnimmt. Die beiden unterscheiden im wahren Leben mal gerade 13 Jahre. Im Film aber taucht die von Deneuve gespielte Béatrice wie aus dem Nichts auf, um sich nach Jahren des Verschwindens mit Claire zu versöhnen. Das Mutter-Tochter-Verhältnis wird auf die Probe gestellt, indem die lebensfreudige Béatrice das Leben der kopfgesteuerten Claire kräftig aufwühlt. Das ist zu­nächst bemüht spaßig, endet dann aber in einem abermaligen, rührseligen Verschwinden der Mutter. Hebamme Claire hat es nicht leicht mit der jungen Mutter. Der Film auch nicht: eine schwierige Geburt.              tws


MELDUNGEN

60-mal Mozart in Würzburg

Würzburg − Unter anderem mit Mozarts „Prager-Sinfonie“ läutet das Freiburger Barockorchester unter Christiane Karg am 2. Juni um 19.30 Uhr im Kaisersaal der Würzburger Residenz das Mo­zartfest der Stadt ein. Das älteste deutsche Mozartfest, das schon seit 1922 existiert, steht bis zum 2. Juli unter dem Motto „Mozart 36 – Was ist Reife?“. In 60 Veranstaltungen wird ein Querschnitt dessen präsentiert, was Mozart in seinen 36 Lebensjahren geschaffen hat. Programm und Karten unter: www.mozartfest.de           tws

 

Keith Harings poppige Poster

Hamburg − In einer neuen Son­derausstellung präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe Plakatkunst des US-Malers Keith Haring. Bis zum 5. November sind rund 100 Poster zu sehen, die mit ihren bunten Motiven von der urbanen Graffiti-Kunst inspiriert sind. Der 1990 im Alter von nur 31 Jahren ge­storbene Haring gilt als bedeutendster Pop-Art-Maler der 80er Jahre. Infos im Internet: www.mkg-hamburg.de              tws

 

Gipfeltreffen der Goetheaner

Weimar − Vom 7. bis zum 10. Juni findet in Weimar die 85. Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft statt. Neben Podiumsveranstaltungen läuft aus diesem An­lass am 8. Juni im Deutschen Nationaltheater auch eine „Faust“-Aufführung sowie im Goethe- und Schiller-Archiv vom 2. Juni bis 17. September eine neue Ausstellung mit Nachlass-Autografen des Komponisten Franz Liszt.             tws


S. 10 Geschichte & Preussen

Warnung vor Seligsprechung Kardinal Hlonds
Langjähriger Vertriebenenbischof verweist in einem Protestbrief auf die Vertreibungsverbrechen des ehemaligen Primas von Polen

„Kardinal Hlond, gewiss ein polnischer Patriot, ja; aber ein Seliger der katholischen Kirche? Nein!“ In dieser unmissverständlichen Aussage gipfelt der Protestbrief des langjährigen Vertriebenenbischofs des deutschen Epis­kopats, Gerhard Pieschl, an die Bundesregierung in Berlin, den Apostolische Nuntius, also den Botschafter des Papstes in Deutschland, und hohe vatikanische Stellen.

Der emeritierte Limburger Weihbischof zeigt sich bestürzt über die Nachricht von der in Aussicht gestellten Seligsprechung des Kardinals August Hlond (1881–1948). Ungeachtet der Tatsache, dass dem ehemaligen Primas von Polen eine unrühmliche Rolle bei der Vertreibung der Deutschen vorgeworfen wird, hat die zuständige vatikanische Kommission bereits die Belege für die Anerkennung des „heroischen Tugendgrades“ des umstrittenen Kandidaten gebilligt. Nun haben die Kardinalsversammlung der Heiligsprechungskongregation und Papst Franziskus das letzte Wort. Werden sich beide Instanzen über die Bedenken hinwegsetzen, die seit Jahrzehnten von heimatvertriebenen Ostpreußen und Schlesiern, aber auch von Sudetendeutschen, gegen Hlond geltend gemacht werden? Der Kardinal hatte im Sommer 1945 unter Berufung auf angebliche vatikanische Anordnungen Verzichtserklärungen deutscher Oberhirten in den „wiedererlangten Gebieten“ erreicht, besser gesagt: erpresst. Gelogen, unberechtigterweise, im Namen des Papstes. Die bis dahin deutschen Jurisdiktionsbezirke wurden durch polnische Administratoren (Verwalter) gezielt polonisiert.

Peinlich für Hlond: Papst Pius XII. stellte später im Gespräch mit dem Breslauer Konsistorialrat Johannes Kaps, der sich auf abenteuerlichem Weg nach Rom durchgeschlagen hatte, richtig, dass der Primas lediglich den Auftrag hatte, sich um die Besetzung der verwaisten polnischen Bischofsstühle zu kümmern. So stand es in dem vatikanischen Schreiben: in tutto il territorio polacco (auf dem gesamten polnischen Gebiet). Hlond aber hatte diese Sondervollmachten überzogen, indem er sie auf die deutschen Ostgebiete ausdehnte – vier Wochen bevor diese von der Konferenz der Großen Drei in Potsdam unter polnische Verwaltung gestellt wurden. 1946 gestand er in einem Brief an den Pontifex sein Fehlverhalten ein, blieb aber dabei, dass seine Fehler durch den Gewinn für Polen gut ausgewogen worden seien. Er fabulierte, wie andere polnische Würdenträger auch, von „mystischen“ Aufgaben in den von „germanischer Häresie“ befreiten Territorien.

„Kardinal Hlond, als liturgischer Pontifex, war kein Brückenbauer in einer gespaltenen Kirche … Er stand hinter der Vertreibung der Deutschen, um eine ,polnische Kirche‘ auf ,polnischem Boden‘ zu schaffen“, urteilte deshalb 1996 der Theologieprofessor Franz Scholz, ein Priester der Erzdiözese Breslau. Der Primas habe sich als unfähig erwiesen, die Vertreibung der Deutschen als unmenschlich und in sich böse zu entlarven, habe vielmehr „geistige Finsternis“ verbreitet. Statt „Licht der Welt“ zu sein, habe August Hlond „mit den Wölfen geheult“. Der Historiker Michael Phayer merkte 2002 in einem Aufsatz über den von 1939 bis 1958 auf dem Heiligen Stuhl sitzenden Papst an: „Als Pius XII. erfuhr, dass Hlond nach dem Krieg den Gebrauch der deutschen Sprache in der Liturgie überall dort verbot, wo noch katholische Deutsche lebten, weinte er.“

Die Billigung der Vertreibung, so schreibt der emeritierte Weihbischof Pieschl in seinem auch an die polnische Bischofskonferenz adressierten Brief, sei unter Berücksichtigung der kirchlichen Aussagen zum Schutz der nationalen Identität seit dem IV. Laterankonzil, der Enzykliken der Päpste Pius XII. und Johannes Paul II. (besonders 1980 und 1984) und vor der UNO im Oktober 1985 „fast noch gewichtiger zu werten als die schweren unberechtigten Eingriffe“ in deutsche Diözesanstrukturen. Und weiter: „Da das der ,rechtfertigende‘ Brief bezüglich der Überschreitung der Vollmacht bestätigt, ist das Verhalten gegenüber der Vertreibung desto ernster zu beurteilen.“

Vor zwei Jahrzehnten hatte auch der deutsche Episkopat noch Bedenken gegen eine Seligsprechung des polnischen Primas angemeldet. Es bestand Übereinstimmung, hieß es damals in einer Stellungnahme der Bischofskonferenz in Bonn, „dass eine Seligsprechung aus deutscher Sicht keine Zustimmung finden kann“. Die Vorbehalte seien auch gegenüber dem Heiligen Stuhl zum Ausdruck gebracht worden. Zu einer neuerlichen Warnung vor einer solchen Ehrung des umstrittenen Kirchenmannes hat sich der deutsche Episkopat dann noch nicht aufgerafft. 2013 wurde in Polen ein Hlond-Jahr begangen, in Kattowitz wurde dem Kardinal ein drittes Denkmal gewidmet. Der so öffentlich Geehrte gilt heute als eine der großen Gestalten des polnischen Katholizismus des 20. Jahrhunderts. Die Vorbehalte aus Deutschland gegen ihn stießen auf Unverständnis, resümierte der Journalist Thomas Urban („Süddeutsche Zeitung“) in seinem Buch „Der Verlust“.

Die jüngst von Radio Vatikan verbreitete Meldung in der Causa Hlond zeige, dass die Seligsprechung ohne Rücksicht auf die „vielfache Beteiligung“ des Kardinals an der Vertreibung der ostdeutschen Ordinarien und der „gesamten katholischen ostdeutschen Bevölkerung“ durchgesetzt werden solle, heißt es in katholischen Vertriebenenkreisen. Die starken polnischen Kräfte in Rom und die nationalistische Regierung in Warschau würden vermutlich alles daran setzen, „auch im Wissen, dass deutscherseits niemand mehr von Gewicht dagegen votieren wird“, dass die Seligsprechung bald mit viel polnischer Prachtentfaltung erfolge, vermutet zum Beispiel das schlesische Monatsblatt „Grafschafter Bote“. Bereits 1996 hatte die Vertretung der aus ihrer Heimat vertriebenen Einwohner der Grafschaft Glatz gegen das „unverständliche und viele Vertriebene in hohem Maße provozierende Vorhaben“ protestiert. Ohne Erfolg, wie man weiß. Doch der ehemalige Vertriebenenbischof Pieschl gibt noch nicht auf. Aus seinem Ruhestandsdomizil unterhalb des Limburger Doms schreibt er: „Die Massenvertreibung und ihre grausamen Begleitumstände, vorrangig zu verantworten durch die Kommunisten, lassen es nicht zu, die polnische, auch kirchliche Mitverantwortung zu leugnen. Durch allerhand

Tricks versuchte man lange deren Völkerrechtswidrigkeit zu leugnen und die Untaten zu verschweigen. Viele Polen beteiligten sich aus den verschiedensten Gründen (auch als Antwort auf das selbst erfahrene Unrecht) an den einzelnen Untaten bei der Massenvertreibung, und angesichts der schwachen Staatsgewalt auch nicht wenige an Raub und Mord. Viele Polen bejahten politisch auch die Westverschiebung und die Vertreibung als solche. Im Widerspruch zu den Tatsachen versuchte man sich durch Berufung auf alliierte Vertreibungsgesetze reinzuwaschen.“ Dabei will der Sudetendeutsche Pieschl, wie er anmerkt, „gerne berücksichtigen“, dass in Politik, Geschichte und Zeitgeschichte auch hohe Geistliche irren können und die Infallbilität (Unfehlbarkeit) sich keineswegs auf diese Bereiche beziehe. Eine konkrete Antwort auf seine Warnung vor einer Seligsprechung Hlonds hat der 83-jährige Mahner vom Limburger Domberg bislang nicht erhalten. Er will aber, wie er andeutete, in dieser Sache nicht locker lassen. Gernot Facius


Ehrung durch eine Ausstellung und eine Briefmarke
Vor 100 Jahren wurde der Tierfilmer, Kameramann, Produzent und Publizist Heinz Sielmann in der preußischen Rheinprovinz geboren

Heinz Sielmann wäre am 2. Juni 100 Jahre alt geworden. Berühmt geworden ist der Tierfilmer vor allem durch die Sendung „Expeditionen ins Tierreich“, die 1965 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Bis 1991 produzierte und moderierte Sielmann die beliebte Sendung für das Erste Deutsche Fernsehen. In 171 Folgen hielten ihm die Zuschauer die Treue. Die Produktionen lagen in der Verantwortung des Norddeutschen Rundfunks (NDR).

1917 im rheinischen Rheydt (Mönchengladbach) geboren, verstarb der renommierte Tierfilmproduzent, Fernsehstar und Naturschützer nach einer langen und erfolgreichen Laufbahn im Alter von 89 Jahren am 6. Oktober 2006 in München. Bereits als Kind entwickelte Sielmann den Wunsch, die Tierwelt zu erforschen, um sie auf Celluloid zu bannen. Mit seinen aufwändigen Tierdokumentationen schrieb er in den darauffolgenden Jahrzehnten Kino- und Fernsehgeschichte. Fünf Kontinente hat Sielmann bereist und unzählige Filmproduktionen realisiert. Seine Werke brachten ihm als Kameramann, Regisseur, Produzent und Autor zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter fünf Bundesfilmpreise, die Goldene Kamera, den Bambi und den Silbernen Bären. Zu seinen berühmtesten Kinofilmen zählen bis heute: „Herrscher des Urwalds“ und „Galapagos – Trauminseln im Pazifik“.

Für Generationen von Naturfilmern wurde der „Pionier des deutschen Tierfilms“ damit zum Idol. „Heinz Sielmann war für mich als Kind ein großes Vorbild. Einerseits war er der Naturexperte schlechthin; glaubhaft und sympathisch. Andererseits trat er nie vor riesigen Teleobjektiven oder am Steuer hochgerüsteter Geländewagen vor die Kamera, sondern im karierten Hemd vor Holzstativ und VW-Käfer. Das gefiel mir schon damals“, sagt Naturfilmer Jan Haft.

Seine Bekanntheit nutzte er dafür, die Öffentlichkeit für den Schutz der Natur zu sensibilisieren. Sein innigster Wunsch, Natur auch für künftige Generationen zu erhalten, mündete in die Gründung der Heinz-Sielmann-Stiftung. Diese rief er gemeinsam mit seiner Ehefrau Inge im Jahr 1994 ins Leben.

Zu Ehren seines 100. Geburtstags präsentiert die Heinz-Sielmann-Stiftung gemeinsam mit dem Museum für Naturkunde Berlin vom 2. Juni bis zum 5. November die Sonderausstellung „Sielmann!“ Sie gliedert sich in sechs Themenbereiche. In einer Inszenierung wird nicht nur auf die Person Heinz Sielmann eingegangen, sondern es werden Landschaften in Deutschland vorgestellt, in denen die Heinz-Sielmann-Stiftung aktiv ist. Gezeigt werden vor allem Tiere, die auf besondere Weise durch Objekte und Filmbeiträge dargestellt werden. Die Ausstellung spiegelt das Leitbild von Heinz Sielmann wider: „Nur wer die Natur kennt und liebt, wird sie schützen.“

Fritz Brickwedde, der am 1. Juni Inge Sielmann als neuer Vorsitzender des Stiftungsrats nachfolgen wird, zeigt sich vom Ausstellungskonzept begeistert: „Die Chance, Heinz Sielmann und sein Lebenswerk durch eine Ausstellung im Berliner Museum für Naturkunde zu präsentieren, ist eine einmalige Gelegenheit für uns, das Anliegen Heinz Sielmanns auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Doch nicht nur mit einer Ausstellung, sondern auch durch eine Briefmarke wird Heinz Sielmann an seinem 100. Geburtstag geehrt. Das Bundesfinanzministerium würdigt den Naturfilmer mit einer Sonderbriefmarke. Das Wertzeichen zu 45 Cent ist ab dem 8. Juni an allen Verkaufsstellen der Deutschen Post AG erhältlich. Die Marke zeigt den Tierfilmer bei der Arbeit, wie er eine Schneegans mit ihren Küken filmt. Schneegänse brüten überwiegend im nordwestlichen Grönland, im nördlichen Kanada, im nordöstlichen Sibirien oder in den Vereinigten Staaten. Selten findet man sie auch in Europa. Gestaltet wurde die Briefmarke von dem Münchner Fotografen und Grafikdesigner Thomas Mayfried. Inge Sielmann freut sich über die besondere Ehre, die ihrem Mann posthum zuteilwird: „Nie hätte er zu Lebzeiten mit solch einer Ehre gerechnet. Aber er hätte sich natürlich sehr darüber gefreut.“         EB


S. 11 Geschichte & Preussen

Kredite gegen den Kommunismus
Vor 70 Jahren wurde der offiziell »European Recovery Program« (ERP) genannte Marshallplan verkündet

Es gab einen Plan zum Fürchten: den Morgenthau-Plan. Der sah vor, aus Deutschland einen Agrarstaat zu machen, eine Ziegenwiese, wie es damals hieß. Und es gab einen hilfreichen Plan: den Marshallplan. Er war das Programm der USA zum Wiederaufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Hilfsprogramm war keineswegs selbstlos. Zwischen 1948 und 1952 spülte der Marshallplan Kredite, Rohstoffe und Lebensmittel im Gesamtwert von 13,12 Milliarden US-Dollar in das notleidende Europa. Die Hilfe verfolgte zugleich politische und ökonomische Ziele. Der Ausweitung des Kommunismus sollten Grenzen gesetzt und zugleich ein riesiger Absatzmarkt für die Überproduktion der USA geschaffen werden. Benannt wurde der Plan nach dem US-amerikanischen Außenminister von 1947 bis 1949 sowie späteren Verteidigungsminister und Träger des Friedensnobel- wie des Karlspreises George C. Mar­shall.

Nach den anfänglichen Planungen war eine Unterstützung der am Krieg gegen Deutschland und Japan verbündeten Länder vorgesehen. Doch die Sowjetunion wollte sich nicht beteiligen. Und sie zwang die unter ihrem Einfluss stehenden Länder, ebenfalls zu verzichten. Hauptsächliche Nutznießer waren Großbritannien mit 3,5, Frankreich mit 2,8 und Italien mit 1,5 Milliarden Dollar. Die bedachten Staaten waren zusammengeschlossen in der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC, Organisation for European Economic Co-operation), der Vorläuferin der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Organisation for Economic Co-operation and Development).

Deutschland gehörte anfangs nicht zum Kreis jener 16 europäischen Länder, denen die USA finanzielle Unterstützung bis 1952 garantierten. Erst im Oktober 1949 wurden die französische und die britisch-US-amerikanische Bizone in den Kreis aufgenommen. Die wirtschaftliche Hilfe begleitete ein breit angelegtes Programm politischer Bildung, Propaganda beziehungsweise Indoktrination.

Nur allmählich war die Erkenntnis gereift, dass das Elend im zerstörten Deutschland die Entwick­lung in Europa behinderte. Bis dahin waren Ideen aus dem Mor­genthau-Plan lebendig. Noch 1946 hatten die Besatzungsmächte einen scharf terminierten Plan zur Deindustrialisierung Deutschlands verabschiedet. Die abgebauten Industrieanlagen sollten in den gegnerischen Staaten wiederaufgebaut werden. Die Demontage dauerte bis 1950 an. Auch die Franzosen verfolgten entsprechende Pläne, die ihnen die Kontrolle über die Kohle von Ruhr und Saar bringen sollten. Das Saarland und Oberschlesien, reich an Bodenschätzen, wurden abgetrennt, dem Ruhrgebiet drohte das gleiche Schicksal. Erst 1947, als sich im Verhältnis der Großmächte der Beginn des Kalten Krieges abzeichnete, reifte die Erkenntnis, dass ein dauerhaft am Boden gehaltenes Teildeutschland für niemanden von Nutzen sein würde. Es wurde in den Mar­shallplan aufgenommen. Allerdings rangierte es mit 1,4 Milliarden Dollar nur auf Platz vier der Empfängerländer, und im Gegensatz zu anderen bedachten Ländern flossen die Gelder lediglich als rück­zahlbarer Kredit.

Es war ein Geben und ein Nehmen in sehr unterschiedlichen Größenordnungen. Denn während US-Kredite in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar gewährt wurden, zahlte die Bundesrepublik jährlich 4,5 Milliarden Mark als Besatzungskosten. Das entsprach über 95 Mark je Einwohner und Jahr. Als die Zeitschrift „Stern“ über Verschwendung von Besatzungsgeldern berichtete, durfte sie eine Woche lang nicht erscheinen. Bis 1955 musste die Bundesrepublik diese Gelder aufbringen.

Auch andere, sehr viel höhere Forderungen standen den 1,4 Milliarden Dollar aus dem Marshallplan gegenüber. Bei den Verhandlungen über Deutschlands Schulden 1952 in London endete die Rechnung bei 29,7 Milliarden Mark. Sie setzte sich – nachdem alle Forderungen aus Zins und Zinseszins in Höhe von 14 Milliarden Mark gestrichen waren – aus nicht bezahlten alten Forderungen nach dem Ersten Weltkrieg in Höhe von 13,5 Milliarden Mark und den aktuellen Forderungen der drei Westmächte in Höhe von 15 Milliarden Mark zusammen. In dieser Summe waren die Gelder des Marshallplanes und andere alliierte Kredite enthalten.

29,7 Milliarden Mark, das war eine astronomische Summe in einer Zeit, in der auch sehr hohe Rechnungen irgendwo in den Millionen endeten. Diese Forderungen also standen im Raum, als Sieger und Besiegte zu einer Schuldenkonferenz zusammenkamen. Die Delegation der Bundesrepublik leitete Hermann Josef Abs. Das vormalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bank bekleidete das Amt des Stellvertreters des ersten Verwaltungsratsvorsitzenden der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Otto Schniewind, bevor er selber den Vorsitz des Verwaltungsrates übernahm. Als Grundstock der 1948 gegründeten KfW dienten die Gelder des Marshallplanes.  Der KfW-Mitarbeiter und Leiter der deutschen Delegation bei der Londoner Schuldenkonferenz zeigte sich als gewiefter Verhandlungspartner. Als die Konferenz 1953 endete, war die Rückzahlung von ehemals 29,7 Milliarden Mark auf 14 Milliarden Deutsche Mark geschrumpft, zahlbar in jährlichen Raten. Die Reparationen wurden vollkommen ausgeklammert bis zum Abschluss eines Friedensvertrages. Dazu ist es durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht gekommen. Letztendlich zahlte die Bundesrepublik bis 1966 eine Milliarde Dollar zurück. Nach der deutschen Vereinigung wurden die Zahlungen wieder aufgenommen. Am 3. Oktober 2010 erfolgte die letzte Schuldenzahlung in Höhe von 69,9 Millionen Euro. Klaus J. Groth


Wie Gaza und die West Bank in Israels Hand gerieten
An 5. Juni 1967 begann mit einem Angriff ohne vorherige Kriegserklärung der Sechstagekrieg Israels gegen Ägypten, Jordanien und Syrien

Vor 50 Jahren startete Israel einen Angriff, mit dem es auf Kriegsvorbereitungen seiner arabischen Nachbarn sowie die existenzbedrohende Blockade des Hafens von Eilat reagierte. Der so eröffnete militärische Konflikt dauerte lediglich sechs Tage. An dessen Ende stand der totale Sieg des jüdischen Staates. Verantwortlich hierfür war nicht zuletzt der Zickzackkurs der Sowjetunion.

Am 20. Mai 1967 konstatierte der damalige syrische Verteidigungsminister Hafiz al-Assad: „Unsere Streitkräfte sind nun voll bereit …, dem Akt der Befreiung den Anstoß zu geben und die zionistische Anwesenheit im arabischen Heimatland in die Luft zu jagen. Ich als Militär glaube, dass die Zeit gekommen ist, den Vernichtungskrieg zu führen.“ In das gleiche Horn stieß eine Woche später Gamal Abdel Nasser, seines Zeichens Staatspräsident von Ägypten: „Unser grundlegendes Ziel ist die Vernichtung Israels. Das arabische Volk will kämpfen.“

Das war keineswegs nur hohle Rhetorik angesichts früherer Niederlagen der Araber gegen den jüdischen Staat während der Kriege von 1948/49 und 1956. Dies belegen die parallelen militärischen Maßnahmen. Sie erfolgten nicht zuletzt wegen einer brisanten Meldung aus Moskau vom 13. Mai 1967, der zufolge Israel Syrien angreifen wollte. So schickte Nasser gleich am nächsten Tag drei Infanterie- und zwei Panzerdivisionen auf die Sinai-Halbinsel und in den Gaza-Streifen, wo bereits 10000 Mann der sogenannten Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA) und eine weitere ägyptische Division bereitstanden. Gleichermaßen kam es in Syrien und Jordanien zu großen Truppenaufmärschen, an denen auch saudi-arabische und irakische Kontingente beteiligt waren. Alles in allem boten die arabischen Staaten etwa 340000 Soldaten sowie 2200 Panzer und knapp 1000 Kampfflugzeuge gegen Israel auf. Das verfügte über 60000 Mann innerhalb der regulären Armee, konnte aber zusätzlich noch 200000 Reservisten mobilisieren. Außerdem standen rund 800 Panzer und 350 Flugzeuge bereit.

Eine weitere Eskalation der Situa­tion erfolgte durch den Abzug der UN-Friedenstruppen (UNEF) auf dem Sinai. Dieser war von Nasser durchgesetzt worden, ohne dass die Weltgemeinschaft dagegen aufbegehrt hätte. Des Weiteren verfügte der ägyptische Präsident Ende Mai die Sperrung der Straße von Tiran und damit den Zugang zum für Israel wirtschaftlich lebensnotwendigen israelischen Hafen Eilat, was gegen die UN-Konvention über Hoheitsrechte auf See und in den angrenzenden Zonen vom 27. April 1958 verstieß.

Dass Nasser und die anderen arabischen Staatschefs eine derartige Konfrontation riskierten, lag an der vermeintlichen Rückendeckung durch die Sowjetunion. Immerhin hatte diese 1966 den „Schild-und-Schwert-Plan“ für ägyptische Offensiven gegen Israel vom Sinai aus entworfen und zugleich jede Menge moderne Waffen an die Araber geliefert, darunter Flugzeuge vom Typ Mikojan-Gurewitsch MiG-21 und Tupolew Tu-16 sowie T-55-Panzer und diverse Kriegsschiffe. Außerdem entsandte der Kreml die beiden Kreuzer „Dserschinski“ und „Oktjabrskaja Rewoljuzija“ sowie zehn Zerstörer und ein Dutzend U-Boote vor die Küste der Levante. Diese Flotte neutralisierte die israelische Marine, die lediglich zwei Zerstörer, eine Fregatte, zwei U-Boote und einige Schnellboote besaß. Darüber hinaus wurde die Position des jüdischen Staates auch noch durch das von Präsident Charles de Gaulle angeordnete französische Waffenembargo geschwächt, denn so kam es zur Unterbrechung der Lieferung von Mirage-III-Abfangjägern.

Angesichts all dessen stand Israel mit dem Rücken zur Wand und musste zum dritten Male seit der Staatsgründung um seine nack­te Existenz fürchten. Hieraus resultierte die Entscheidung zum Angriff ohne Kriegserklärung auf die Araber vom 3. Juni 1967 – sie fiel nur 24 Stunden nach der Ernennung von Mosche Dajan, dem charismatischen früheren Oberkommandierenden der Armee und Triumphator im Sinaikrieg von 1956, zum Verteidigungsminister.

Entscheidend für den schnellen Sieg der Israelis in den nachfolgenden, nur sechs Tage währenden Kampfhandlungen war der Überraschungsschlag vom 5. Juni 1967, in dessen Verlauf die hochgerüstete ägyptische Luftwaffe am Boden zerstört wurde. Zwar hatten Nassers Piloten in Erwartung eines Angriffs seit Tagesanbruch in den Cockpits ihrer Maschinen gesessen, begaben sich dann aber um 8.45 Uhr zum Frühstück. In diesem Moment erschienen überraschend die Angreifer mit dem Davidstern an Himmel. Durch die so errungene Luftüberlegenheit konnte die israelische Armee blitzartig den gesamten Sinai erobern und am 8. Juni zum Suezkanal vorstoßen.

Ähnlich wie den Ägyptern erging es den Syrern und Jordaniern. Nachdem sie die meisten ihrer Flugzeuge verloren hatten, besetzten die Truppen Israels erst Ostjerusalem und dann die West Bank, das Westjordanland. Es folgte der Sturm auf die Golanhöhen an der Grenze zu Syrien. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Operationen und des Sinaifeldzuges wäre sogar die Einnahme von Kairo, Amman und Damas­kus möglich gewesen.

Die totale Niederlage der Araber resultierte wesentlich aus der Weigerung der Sowjetunion, nicht nur zu Wasser Präsenz zu zeigen, sondern ebenso in der Luft einzugreifen. Entsprechende Gesuche lehnte Moskau am 7. Juni ab. Der Kreml hatte nämlich inzwischen erkannt, dass andernfalls drastische Reaktionen der USA drohten. Deshalb drängte die UdSSR auf einen schnellen Waffenstillstand, der dann auch bereits am 11. Juni 1967 zustande kam. Tel Aviv konnte sich dieses Zugeständnis leisten, weil es inzwischen – mit Ausnahme des südlichen Libanon – alle Territorien kontrollierte, von denen aus es in der Vergangenheit bedroht oder attackiert worden war.

Der Sieg kostete Israel fast 800 Tote und 2600 Verwundete sowie 46 Flugzeuge und 122 Panzer. Die arabische Seite verlor hingegen über 20000 Mann und einen Großteil ihrer neu angeschafften Militärtechnik. Deshalb benötigte sie mehrere Jahre, um sich von der ebenso blamablen wie allumfassenden Schlappe zu erholen. Dann griffen Ägypten und Syrien 1973 während des höchsten jüdischen Feiertags, dem jüdischen Versöhnungsfest Jom Kippur, ihrerseits Israel an. Allerdings geriet dieser Jom-Kippur-, Ramadan oder Oktoberkrieg genannte nunmehr vierte arabisch-israelische Waffengang aus arabischer Sicht gleichermaßen zum Debakel. Damit war das Ziel der Vernichtung des jüdischen Staates in noch weitere Ferne gerückt. Wolfgang Kaufmann


S. 12 Mensch & Zeit

»Ein schneidiger Soldat«
Helmut Schmidt und das verzerrte politische Koordinatensystem

Nun ist also auch Helmut Schmidt ein Nazi, als Weltkriegs-II-Oberleutnant ein „Verbrecher der Wehrmacht“, ein williger Vollstrecker. Die nach ihm benannte Bundeswehruniversität in Hamburg entfernt das Bild ihres Namensgebers wegen dessen Wehrmachtsuniform. Die Stadt Hannover kann sich zur Benennung einer Straße nach Schmidt im Hinblick auf dessen Vergangenheit nicht durchringen.

Das alles nur eineinhalb Jahre nach seinem Tod und seinen letzten Auftritten in den TV-Talkshows. Damals war er populär. Obwohl er – im Gegensatz zu Adenauer, Brandt und Kohl – keine Gelegenheit zu historischen Grundsatzentscheidungen hatte, weisen ihn mehrere Umfragen der letzten Jahre als den beliebtesten deutschen Regierungschef der Nachkriegszeit aus, zuletzt im Dezember 2013 anlässlich Schmidts 95. Geburtstag. In der für Politiker besonders problematischen Kategorie „Ehrlichkeit“ führte er die Liste mit haushohem Vorsprung von über 20 Prozent auf den Zweitplatzierten (Wolfgang Schäuble) an.

Aber gerade diese Ehrlichkeit und seine Liebe zum Klartext scheint Schmidt bei der nachgeborenen politischen Klasse jetzt zum Verhängnis zu werden: Multikulti nannte er „eine Illusion von Intellektuellen“. Der deutsche Nationalstaat stand für ihn nicht zur Disposition. Energiepolitisch zeigte er sich als Befürworter der Kernenergie, in der Außenpolitik als Verfechter der Nichteinmischung und der nationalen Souveränität. Speziell für die deutsche Außenpolitik formulierte er noch als Kanzler, diese dürfe „nicht von Auschwitz überschattet werden“. Und dann sagte Schmidt auch noch, seine Familie habe zur NS-Zeit mitunter Juden versteckt, von einem Genozid an ihnen aber nichts gewusst, „wie es damals bei vielen Menschen der Fall gewesen ist“.

Besonders die letzte Aussage ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die seit den späten 80ern des vergangenen Jahrhunderts mittels „Einmaligkeitstheorie“ und „Funktionalismus“ („willige Vollstrecker“ also Kollektivschuld) immer neue Entnazifizierungswellen ins Rollen bringen. Sehr erfolgreich waren sie dabei. Sie haben den Boden für „Multikulti“ und die Auflösung des deutschen Nationalstaates bereitet. Sie haben das politische Koordinatensystem verzerrt. Was einst gemäßigt links war, ist nun Rechtsaußen: Schmidt schloss sich unmittelbar nach dem Krieg der SPD an und orientierte sich an den Politikern des realpolitischen Flügels, die für das Godesberger Programm standen, mit dem sich die SPD 1959 von sozialistischen Utopien absetzte. Als Krisenmanager war er seit der Hamburger Sturmflut 1962 die Topadresse der Republik, seine rechtsstaatlich begründete Unbeugsamkeit gegenüber dem Linksterrorismus der RAF in den 70er Jahren verschaffte ihm zusätzlich Respekt. Während seiner achtjährigen Amtszeit als Kanzler wirkte er weit in die Anhängerschaft der damals noch konservativen Unionsparteien hinein, von denen sich viele eine Wahlstimme für den Kanzler Schmidt vorstellen konnten, wäre dieser nur nicht in der falschen Partei gewesen.

Als der frühere israelische Ministerpräsidenten Menachem Begin (1913–1992) Helmut Schmidt im Mai 1981 als NS-Kollaborateur beschimpfte, nachdem der Kanzler den Palästinensern ein Recht auf staatliche Selbstorganisation zugesprochen und einem Waffendeal mit Saudi-Arabien zugestimmt hatte, nahm ihm „Spiegel“gründer Rudolf Augstein in seinem Magazin in Schutz: „Denn wenn der junge Mann aus Hamburg auch ein schneidiger Soldat war ... ein Nazi war er nicht.“   Hubertus Thoma


Der Moment der Woche

Da hatte der liebe Gott dem Berliner Landesbischof Markus Dröge (rechts) eine besonders schwere Prüfung auferlegt. Dem Leibhaftigen musste er auf dem evangelischen Kirchentag zwar nicht gegenübertreten. Die Begegnung mit Anette Schultner (ganz links) dürfte im bischöflichen Wertekanon kaum weniger unangenehm gewesen sein. Die 43-Jährige aus Hameln ist Sprecherin des Bundesverbandes der Christen in der AfD. Viele Protestanten und Katholiken haben in der Partei eine politische Heimat gefunden, denn sie tritt für die traditionelle Familie ein, steht dem Islam kritisch gegenüber und möchte das Christentum generell stärken.

Die Kirchenoberen allerdings verfolgen die AfD mit geradezu unversöhnlichem Hass (siehe PAZ 19/2017, S. 12). Dröge selbst hatte die Partei noch am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin Direkt“ scharf kritisiert, ihr Nächstenliebe und christlich-ethisches Denken abgesprochen. Unversöhnlich und kompromisslos gab sich der Bischof dann auch in der Diskussion und kanzelte die Gesprächspartnerin – unterstützt vom AfD-kritischen Publikum – kräftig ab.

„Du siehst mich“, lautete das Motto des diesjährigen evangelischen  Kirchentages. Bischof Dröge hat nur seine eigene vorgefertigte Meinung  gesehen.             Frank Horns


Wenn die Currywurst klimaneutral wird
Erderwärmung hin oder her – Vollkommen überhitzt erscheinen derzeit vor allem die Köpfe der selbsternannten »Klimaretter«

Klimawandel oder Klimaschwindel? Ein Glaubenskrieg ist ausgebrochen, und wie immer im Krieg bleiben zuerst die Wahrheit und der gesunde Menschenverstand auf der Strecke.

In den Jahren zwischen 535 und 545 nach Christus sank die globale Durchschnittstemperatur um drei Grad. Verantwortlich hierfür waren Naturkatastrophen im Pazifikraum. Davon wussten die Menschen rund ums Mittelmeer aber nichts. Deshalb machte der prominente christliche Missionar und spätere Bischof Johannes von Ephesos die „Zügellosen“ und „Verschwender“ unter seinen Zeitgenossen für die Kältewelle sowie alle daraus resultierenden Hungersnöte und Seuchen verantwortlich – womit er quasi den Prototypen des „Klimasünders“ kreierte. Und auf den wartete natürlich der Henker. So lautete das Gesetz von Kaiser Justinian I., dem weltlichen Oberhaupt des byzantinischen Reiches.

Derart streng will heute offiziell niemand mehr sein, abgesehen von Richard Parncutt. Der Professor für Systematische Musikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität in Graz meinte unlängst: „Die Todesstrafe ist angemessen für einflussreiche Leugner der Erderwärmung“, denn es sei „prinzipiell in Ordnung …, jemanden umzubringen, um eine Million andere Menschen zu retten“. Gleichzeitig sollten die Verurteilten aber die Chance auf Begnadigung zu lebenslanger Haft haben, wenn sie ihren Thesen abschwören und sich verpflichten, aus dem Gefängnis heraus Forschungen zum Beweis der globalen Erwärmung zu betreiben. Glücklicherweise stand der wackere Musikus mit diesen Phanta-sien (noch) alleine auf weiter Flur und musste seinerseits widerrufen, um den Lehrstuhl zu behalten.

Anders sieht es hingegen aus, wenn jemand die „Klimaleugner“ – ein unsinniger Begriff, denn „geleugnet“ wird ja nur die These vom menschengemachten Klimawandel und nicht das Klima als solches – mit „Geschichtsrevisionisten“ vergleicht, die den Holocaust oder zumindest dessen Dimensionen bestreiten: Diese Art der Scharfmacherei ist mittlerweile schon eher salonfähig. Das beweist unter anderem ein kaum kritisiertes Editorial von Klaus Liedtke, vormals Chefredakteur von „National Geographic Deutschland“. Der schrieb, man solle „Unbelehrbare“ vom Schlage der „Evolutionsgegner“ und Zweifler am Klimawandel genauso konsequent juristisch verfolgen, wie jene, die den nationalsozialistischen Massenmord an den Juden in Frage stellen. Damit forderte er praktisch langjährige Haftstrafen für „Klimaleugner“ – von der parallelen sozialen Vernichtung der „Volksverhetzer“ ganz zu schweigen.

Durch die heimtückische Semantik, welche dem Begriff „Klimaleugner“ innewohnt, werden viele ängstliche Gemüter eingeschüchtert, woraus dann die Bereitschaft resultiert, sich in quasireligiöser Weise zur These vom Klimawandel zu „bekennen“ und an der Austreibung des Satans – pardon: des „Killergases“ Kohlendioxid – zu beteiligen. Denn dabei muss am Ende jeder mitwirken, schließlich enthält die menschliche Ausatemluft über 100 Mal mehr CO2 als die umgebende Atmosphäre. Zu dieser, letztlich nur mittels 100-prozentigem Luftanhalten aus der Welt zu schaffenden Erbsünde kommen dann außerdem unsere sonstigen Aktivitäten, bei denen noch mehr von dem „schädlichen Karbon“ produziert wird. Aber hier besteht ja zumindest die Chance, Verzicht zu üben oder durch „klimaneutrales“ Verhalten Buße zu tun. Dazu gehört der Kauf von modernen Ablassbriefen. „Kompensation“ heißt nun das Zauberwort: Wenn bei irgendwelchen Handlungen CO2 entsteht, dann ist eine finanzielle Abgabe fällig, welche den Ausstoß des Gases anderswo – theoretisch – obsolet macht. Das läuft natürlich auf eine Umverteilung von Vermögen hinaus, was der Chefvolkswirt des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, auch lauthals begrüßt. Wer also „klimaneutral“ zu leben versucht, reduziert nicht etwa seinen persönlichen CO2-Ausstoß, sondern kauft sich lediglich davon frei, wobei offen bleibt, ob das Geld tatsächlich immer bei der richtigen Adresse landet oder am Ende letztlich doch nur wieder in die Taschen der ewig gleichen Absahner fließt.

Darüber denken freilich die wenigsten Leute nach, welche nun das Klima schützen wollen, wann immer dies geht und sie es sich leisten können – angefangen mit dem Einkauf im neuerdings kli-maneutralen Aldi-Süd und endend bei „karbonfreien“ Umzügen. Allerdings treibt das Bestreben, den eigenen „CO2-Fußabdruck“ zu minimieren, inzwischen etliche skurrile Blüten.

So bietet der Bonner Erivian-Imbiss klimaneutrale Currywürste an. Für jede einzelne derselben sollen dann 20 Quadratzentimeter (!) Regenwald aufgeforstet werden – gegen einen Zusatzobolus, versteht sich. Nach diesem Prinzip kann heute eigentlich fast alles „klimaneutral“ abgewickelt werden: vom Autofahren über das Drucken, Fliegen, Grillen und Heizen, die Internetnutzung sowie Urlaubskreuzfahrten bis hin zum Postversand oder der Produktion von Wein. Ja, sogar ein klimaschonendes Geschlechtsleben ist möglich, wie uns die US-Amerikanerin Stefanie Iris Weiss in ihrem Erfolgswerk „Eco-Sex“ verriet. Wie das geht? Nun, weniger Blumen schenken, „natürlich“ verhüten, fair gehandelte Reizwäsche tragen und wohnortnahes koitieren, um Benzin zu sparen. Desgleichen ist die Benutzung veganer Kondome Pflicht. Und natürlich gehören auch Öko-Vibratoren dazu, welche nicht von umweltschädlichen Batterien angetrieben werden, sondern ihre lustspendende Kraft durch das Aufladen vermittels Handkurbel erhalten. Das einzige, was zum Überleben des Planeten in dieser Hinsicht jetzt noch fehlt, ist das klimaneutrale Bordell, aber Bio-Puffs scheinen bisher keine Liebhaber gefunden zu haben.

Ansonsten könnte die Lösung natürlich ebenso darin bestehen, weitgehend auf Sex zu verzichten. Dann gäbe es deutlich weniger Nachwuchs, was die Zahl der CO2-Produzenten reduzieren würde. Nicht vergessen: Jeder Mensch pustet pro Jahr stattliche 380 Kilogramm des „Klimakillers“ in die Gegend! Alternativ dazu böten sich auch klimaneutrale Kriege an, um die Öko-Bilanz durch eine „nachgelagerte Bevölkerungsreduzierung“ aufzubessern, doch militärische Konflikte ohne Kollateralschäden in Form von Treibhausgasen sind offenbar genausowenig realisierbar wie Freudenhäuser, die kein Kohlendioxid freisetzen.

Ob das ganze umständliche und oftmals auf strenge Selbstkasteiung hinauslaufende „klimaneutrale“ Treiben am Ende tatsächlich geeignet ist, die Erde oder wenigstens deren Klima zu retten, muss freilich offen bleiben. Denn so solide fachlich untermauert, wie immer behauptet wird, kommt die These vom menschengemachten Klimawandel aufgrund der Emission von Treibhausgasen nämlich gar nicht daher. Das zeigt eine Untersuchung der kanadischen Journalistin Donna Laframboise. Mit 80 Helfern überprüfte sie alle 18531 „wissenschaftlichen Quellen“ im vierten großen Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC. Dabei zeigte sich, dass 5587 der Texte, welche angeblich aus der Feder „führender Experten“ stammten, amateurhafte Elaborate von Studenten oder Umweltaktivisten ohne jedwede einschlägige akademische Ausbildung waren. Wolfgang Kaufmann


Gute Schweine, schlechte Rinder

Zu den schlimmsten „Klimasünden“ des Menschen zählen Ökologen seine Vorliebe für den Verzehr von Schlachttieren. Allerdings ist Fleisch durchaus nicht gleich Fleisch. Wie Thilo Bode von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch uns Deutsche wissen ließ, seien Rinder die mit Abstand gefährlichsten „Klimabomben“. Denn die Wiederkäuer stoßen im Zuge ihrer Verdauung jede Menge Methangas aus, das dem Klima noch 23 Mal stärker zusetze als Kohlendioxid. Letztendlich entstehe bei der Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch die dreifache Menge an Treibhausgasen im Vergleich zur Erzeugung von einem Kilo Schweinefleisch.

Die naheliegende Konsequenz aus diesem Umstand, nämlich die umgehende, vollständige und unvoreingenommene Überprüfung der Klimafolgen sämtlicher religiöser Vorschriften, wagte aber bisher niemand zur Sprache zu bringen. Offenbar muss die „Rettung des Klimas“ – bei aller gebotenen Dringlichkeit – unbedingt auch kultursensibel und politisch korrekt erfolgen.           WK


S. 13 Das Ostpreußenblatt

Königsberger feierten »ihren« Dichter
Zum 130. Geburtstag des deutschen Widerstandsliteraten Ernst Wiechert trafen sich Deutsche und Russen

Am 18. Mai jährte sich der Geburtstag des Dichters Ernst Wiechert zum 130. Mal, kein „großes“ Jubiläum, aber die Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG) wollte doch ihres Dichters gedenken.

Das gelang auf eine ganz besondere Weise: Man konnte in Königsberg den Geburtstag auf den Tag genau begehen.

Ernst Wiechert (1887–1950) wurde im Forsthaus Kleinort im Kreis Sensburg geboren und lebte  30 Jahre in Königsberg. Dort besuchte er von 1898 bis 1905 die Königliche Oberrealschule auf der Burg, legte 1905 die Reifeprüfung ab, studierte an der Albertina und war als Lehrer bis 1930 an dem seinerzeit neu erbauten Hufengymnasium am Tiergarten tätig. Königsberg war der Ort wichtiger Stationen seines Lebens und auch seines dichterischen Schaffens.

Entsprechend groß ist das Interesse der heutigen russischen Bewohner an „ihrem“ Dichter. Mehrere seiner Werke liegen inzwischen in russischer Übersetzung vor. Seine Lebenserinnerungen „Wälder und Menschen“ und „Jahre und Zeiten“ sind den russischen Lesern schon lange zugänglich. 2014 erschien ein Band „Ostpreußen im Werk Ernst Wiecherts“ mit verschiedenen Texten in russischer Übersetzung, und nun wurde ein weiterer Band mit dem Titel „Ernst Wiechert – ein Dichter des Widerstandes im Dritten Reich“ genau zu seinem Geburtstag ausgeliefert.

Lidia Natjagan, Mitglied der russischen Sektion der IEWG, hat alle Übersetzungen durchgeführt. Am 17. Mai nahm sie glücklich und stolz die erste Lieferung der Bücher durch den Verlag „Wir leben“ mit Sitz in Königsberg entgegen. Die Bücher wurden an die Städtische Bibliothek Tschechow weitergeleitet, denn dort sollte am 18. Mai, also genau an Wiecherts Geburtstag, das neue Buch vorgestellt werden.

Der besagte Band enthält Texte, die Wiecherts Rolle im Dritten Reich dokumentieren. Der Bericht „Der Totenwald“, in dem Wiechert seine Verhaftung am 6. Mai 1938 sowie seine Häftlingszeit im Polizeigefängnis München und im Konzentrationslager Buchenwald bis zum 24. August 1938 beschreibt, bildet das Herzstück des Buches. Verhaftet wurde er wegen seines Protestes gegen die Einweisung von Pastor Martin Niemöller in das KZ Sachsenhausen, aber vorher stand er schon unter Beobachtung wegen seiner Reden 1933 und 1935 vor Studenten der Münchner Universität. Er hatte dazu aufgerufen, angesichts von Unrecht und Unmenschlichkeit nicht zu schweigen. Diese beiden Reden und seine Rede vom November 1945, eine eindringliche Abrechnung mit dem NS-Regime, sind ebenfalls Bestandteil des Buches sowie einzelne Texte, die die Nachwirkungen der Terror-Herrschaft vor Augen führen. Professor Wladimir Gilmanow von der Kant-Universität hat ein Nachwort geschrieben, in dem er besonders den Bericht „Der Totenwald“ in die abendländische Geistesgeschichte einordnet. Er zeigt dabei die Aktualität dieses Werkes auf, indem er von einer „beinahe mystischen Unfähigkeit“ der Moderne spricht, „aus den vergangenen Todesfugen zu lernen“.

Zum 130. Geburtstag fanden sich die Wiechert-Freunde am Hufengymnasium ein, um an dem dortigen Gedenkstein, den die russischen Wiechert-Verehrer 1993 aufgestellt haben, Blumen niederzulegen. „Die Augen der Menschen würden anders, wenn sie in der Kindheit Blumen gesehen hätten“, zitierte die Vorsitzende der IEWG, Bärbel Beutner, aus Wiecherts letztem Roman „Missa sine nomine“. Sie wies auf Wiecherts Aufruf hin, eine Welt zu schaffen, in der die Kinder Blumen sehen können.

Dann ging es in die Städtische Bibliothek Tschechow, wo sich eine ansehnliche Zuhörerschaft einfand. Die Vertreterin der Direktion, Jelena Georgijewna Kotowa, moderierte die Buch-Präsentation, begrüßte die Gäste und dankte allen Beteiligten für ihren Beitrag zu dieser neuen russischen Publikation.

Gilmanow wies auf die schwierige politische Situation hin, in der Wiechert für uns ein „Bote der Hoffnung“ werden könne, wenn wir nach dem erlösenden und rettenden Wort bei ihm suchen. Alle, die mit Kunst und Literatur zu tun haben, seien heute dazu verpflichtet, nach einer Rettung vor der existenziellen Bedrohung der Menschen zu suchen, sagte er im Gespräch.

Der Beitrag der Übersetzerin Lidia Natjagan nahm den größten Raum der Veranstaltung ein, denn sie stellte das Leben und das Werk Wiecherts detailliert vor. Der Schwerpunkt lag natürlich auf seinem Schicksal unter dem NS-Regime.

Die Zuhörer waren tief beeindruckt. Hatte man 2012 den 125. Geburtstag des Dichters in Königsberg eine Woche lang mit großen Feierlichkeiten begangen, so lag jetzt ein mahnender Ernst über den eher stillen Zusammenkünften. Doch das Wort des „Dichters der Stille“ findet Gehör, auch, ja besonders in Zeiten politischer Konflikte.           B.B.


Hoffnung für das Deutsch-Russische Haus
Gebietsgericht des Königsberger Gebiets hob Entscheidung der unteren Instanz auf – Viktor Hoffmann unschuldig

Das Gebietsgericht des Königsberger Gebiets hat das laufende Verfahren gegen den Verein „Eintracht“ und dessen Vorsitzenden Viktor Hoffmann eingestellt.

Wie die PAZ bereits berichtete (Folgen 1 und 7), wurde dem Kulturverein der Russlanddeutschen „Eintracht“, der das Deutsch-Russische-Haus in Königsberg leitet, vom russischen Justizministerium der Status eines „ausländischen Agenten“ erteilt. Zuvor war das Deutsch-Russische-Haus (DRH) geschlossen worden, nachdem ein Gericht ein Verfahren gegen es eingeleitet hatte wegen der „Störung der Ordnung durch die Tätigkeit einer Non-Profit-Organisation, die als ausländischer Agent dient“. Die Überprüfung des Hauses erfolgte vom Herbst 2016 bis zum 20. Januar 2017. Anlass dafür war der Auftritt von Vertretern des Vereins BARS (Baltische Avantgarde des russischen Widerstands) auf einer Veranstaltung am Abend des 30. Oktober vergangenen Jahres zur Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen.

In der Entscheidung des Bezirksgerichts wurde der Kulturverein der Russlanddeutschen für schuldig befunden, „systematisch öffentliche Veranstaltungen unter Beteiligung gesellschaftlicher Organisationen durchzuführen – darunter Regierungsvertreter und Mitarbeiter des deutschen Konsulats – mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Handlungen staatlicher Organe und der Zivilgesellschaft zu richten.“ Unter anderem meinte das Gericht Beweise dafür vorliegen zu haben, dass auf dem Grundstück des DRH Veranstaltungen unter Beteiligung der Organisation BARS stattfanden, die sich als politische Organisation positioniere und die offen den Wunsch äußere, die Macht in Königsberg zu übernehmen angesichts der Tatsache, dass das gesamte politische System in Russland illegal sei. Ähnliche Anschuldigungen wurden in dem Verwaltungsverfahren auch gegen Viktor Hoffmann als Leiter des Vereins erhoben. Das Gericht verhängte Anfang März eine Geldstrafe gegen den Verein der Russlanddeutschen und deren Leiter  in Höhe von 300000 (4750 Euro) beziehungsweise 100000 Rubel (1583 Euro).

Das Gebietsgericht stellte das Verfahren in beiden Fällen ein. Ermittelt wurde ebenfalls wegen eines Auftritts des damaligen Kulturattachés des deutschen Generalkonsulats Daniel Lissner im Jahr 2014, bei dem dieser offen zum Widerstand gegen die Ukrainepolitik Russlands aufgerufen hatte. Das Gebietsgericht erkannte an, dass Hoffmann nichts mit den Aktivitäten der Organisation BARS zu tun hat.

Bei ihrem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi hatte Kanzlerin Angela Merkel nach eigenen Worten auch das Thema DRH angeschnitten. Bei einer Pressekonferenz sagte sie: „Ich habe das Thema des Deutsch-Russischen Hauses in Kaliningrad angesprochen und ich denke, dass wir es geschafft haben, eine Lösung für dieses Problem zu finden.“ Gut möglich, dass das Treffen in Sotschi zum Zeichen guten Willens zur Aufhebung der Anklage geführt hat.

                Jurij Tschernyschew


MELDUNGEN

Elektronische Dokumente

Lyck – Die Stadt Lyck testet Dokumente, die bei erfolgreicher Anwendung bald Standard werden könnten. Eine SMS mit einem Passwort, die auf einem Handy ankommt, bestätigt die Identität des Bürgers und ersetzt ein aufwendiges Verfahren. Lyck testet das neue Verfahren als eine von vier Städten der Republik Polen. Die Ministerin für Digitalisierung Anna Strezynska hat die Stadt besucht und sich mit Beamten unterhalten. Dank deren Enthusiasmus ist die Realisierung des Projektes möglich. Neben dem Personalausweis werden bis zum Ende des Jahres auch Fahrzeug-Dokumente in elektronischer Form getestet – Führerschein, Zulassung und die Versicherung. Geplant ist die landesweite Einführung der elektronischen Dokumente schon im kommenden Jahr.      PAZ

 

Wieder in deutscher Hand

Königsberg – Die Königsberger Traditionsbrauerei Ponarth, in der erstmals Bier aus dem deutschen Süden für Ostpreußen gebraut wurde, hat einen neuen Besitzer. Es handelt sich nach Angaben der Königsberger Stadtverwaltung um einen Industriellen aus der Bundesrepublik, dessen Vorfahren einst die Brauerei gehört hatten und dessen Name noch ungenannt bleiben soll. Nachdem dieser erst unlängst vom brauindustriellen Teil seiner Familiengeschichte erfuhr, habe er sich entschlossen, den unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex zu erwerben. Jetzt soll hier ein Bier-Museum mit Erlebnismöglichkeiten rund um das beliebte Getränk entstehen. Die Königsberger Gebietsregierung plant ebenfalls die Errichtung einer „Bier-Route“ für Touristen, was sich mit dem Ponarther Vorhaben gut verbinden lassen sollte.             T.W.W.

 

Störungen des Verkehrs

Allenstein – Straße Nr. 7: Elbing [Elblag] – Jazowa, Baustelle; Liebemühl [Miłomłyn] – Osterode [Ostróda], Baustelle; Osterode – Hohenstein [Olsztynek], Baustelle; Bergheim [Gorki] – Schwenteinen [Swietajny], Baustelle; Zalusken [Załuski] – Napierken [Napierki], Baustelle. Straße Nr. 7j: Zalusken – Napierken, Baustelle.  Straße Nr. 15: Rheinsgut [Rynskie] – Mörlen [Morliny], Baustelle. Straße Nr. 16: Osterode – Alt Jablonken [Stare Jabłonki], Baustelle. Straße Nr. 16c: Kaplitainen [Kaplityny] – Reushhagen [Ruszajny], Baustelle; Allenstein [Olsztyn] – Fittigsdorf [Wójtowo], Baustelle. Straße Nr. 51: Bartenstein [Bartoszyce], Baustelle; Allenstein – Pagelshof [Ameryka], Baustelle. Straße Nr. 53: Schönwalde [Szczesne] – Klaukendorf [Klewki], Baustelle; Friedrichshof [Rozogi], Baustelle. Straße Nr. 58: Hohenstein [Olsztynek] – Jedwabno, Baustelle. Straße Nr. 63: Angeburg [Wegorzewo], Baustelle.            E.G.


S. 14 Ostpreussische Familie

Keiner spürt es – und dennoch ist es unabwendbar
Über das Schwinden des ostpreußischen Idioms

In diesen Jahren vollzieht sich fast unbemerkt und schleichend ein besonders trauriger Vorgang in unserem Alltagsleben: Wir erleben das Schwinden der letzten Reste sprachlicher Besonderheiten großer Regionen, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg an Russland und Polen hat abtreten müssen. Im Sommer 1945 wurden auf der Konferenz von Potsdam recht formlos Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Schlesien und das Sudetenland der Verwaltung der Siegermächte im Osten unterstellt. Die Bewohner, rund 14 Millionen Menschen, wurden vertrieben, soweit sie nicht schon vorher geflohen waren.

Es gibt zwar reichlich Bücher – etwa von Ernst Wiechert, Agnes Miegel, Siegfried Lenz, Arno Surminski und Andreas Kossert, um nur einige zu nennen – die auch sprachliche Besonderheiten konservieren helfen. Aber das rein sprachliche Idiom steht im Begriff, auf immer verloren zu gehen, wenn die letzten derer verstorben sein werden, die ihre angestammte Sprechweise mit ihrem unverkennbar gerollten „R“ und dem schweren Zungenschlag bis heute erhalten haben. „So zärtlich“, wie Siegfried Lenz über den Ort Suleyken nahe Oletzko geschrieben hat, wird es nie wieder jemand tun. Wenn er den Füsilier Adolf Abromeit sagen lässt, „Aus mir läuft Blut“ – den sicheren Tod vor Augen, nachdem ihn ein Schuss durch eines seiner großen roten Ohren verletzt hatte, dann stellt das die Spitze von Hingabe und Leidensfähigkeit dar, deren ein Ostpreuße fähig ist.

Das Ostpreußische hat sich über Jahrhunderte im Wesentlichen rein erhalten. Einflüsse von außerhalb gab es dennoch, trotz der Randlage im Osten, etwa durch die Holländer, die wegen ihrer Kenntnisse im Deichbau und im Trockenlegen ganzer versumpfter Landstriche ins Land geholt wurden. Oder die schottischen Schiffbauer sowie die Salzburger, die wegen ihres Glaubens von dort vertriebenen evangelischen Christen. Sie brachten nach der Entvölkerung durch die Pest dem Preußenkönig einen willkommenen Bevölkerungszuwachs. Die Preußen waren tolerant und gaben immer vielen Glaubensflüchtlingen eine neue Heimat. Diese und ähnliche Bewegungen dürften auch einige sprachliche Bereicherungen mit sich gebracht haben wie zum Beispiel jabbern, welches verwandt sein dürfte mit dem englischen to jabber für schwätzen.

Wie man als Mensch eher bescheiden und zurückhaltend aufzutreten bemüht war, sprach man ohne Eile bedächtig und gerne verniedlichend, man reiste umständlich ins Nachbardorf, um ein „Kilochen Nägel“ zu kaufen – nicht etwa ein Kilo Nägelchen. Die Verkleinerungsform war beliebt bei allem, was es auszudrücken galt, wobei Onkelchen und Tantchen bis hin zu Omsche ganz alltäglich waren, so wie man auch gerne ein Tulpchen Bier mochte. Wenn das Jungsche sich das Knie berupst hatte und sich nach seiner Mutter bangte, könnte das auch heißen: Der Junge hat Schmerzen und will zu seiner Mutter. Wenn er dann aufhörte zu schlurzen, bekam er zur Beruhigung ein Bollchen. Wenig später war der Gnorschel dann wieder dreibastig und rachullrich nach einem weiteren Bollchen, wie eh und je, dieser Lausangel.

In der Johannisburger Heide züchtet man nicht nur Tarpan Pferdches, sondern auch anderswo. Außer den 40 Meter hohen Kiefern wuchs aber dort sonst nuscht nichts. Im Herbst suchte man Gelbchens, die mit Spirkel und Schmand zubereitet wurden. Man trank Wermuttee, wenn man Bullern im Bauch hatte und einem kodderig war. Das Fahren auf der Kringelstraße macht einen dammelig. Die Alleen waren alle schmalche und langsamche, so rechte Plachenderwege. Es roch brennerig wie nach angepesertem Holz. Am Seeufer waren Bootjes anjebammelt. Im Zelt nebenan kullern sich Lorbas und Marjellchen. Eine Königsberger Kaufmannsfamilie weilt dort zur Sommerfrische. Die drei Töchter, von denen eine ein rotes Kleid trug, erkunden die Umgebung. Ein Stier auf der Weide nimmt sie schnaubend an und rennt hinter ihr her. Sie springt über Stock und Stein, über Gräben und Wurzeln und lässt sich schließlich koppskegel ins tiefe Gras fallen mit den Worten: „Bevor ich werd´ kriegen e Herzschlag, bekomm ich lieber a Kälbche.“

An der Straße ist heute „Russenmarkt“, man verkauft Pracherzeugs. Abseits auf einer Anhöhe fragt Vater Storch seine drei Kinder, was sie denn Nützliches angestellt hätten in diesem Sommer. Der Älteste sagt, er habe dem Schmied einen kräftigen Lorbas gebracht, damit er ihm später den Blasebalg ziehen wird. Der Zweite antwortet, er habe der Näherin ein tüchtiges Marjellchen in die Wiege gelegt, damit es ihr in ein paar Jahren zur Hand gehen kann. Der Jüngste, noch ein wenig kodderig von einem auf das andere Bein wechselnd, antwortet verschmitzt mit einem Augenzwinkern: „Ich hab dem Fräulein Lehrerin dreimal Angst jemacht.“ Na, gut so! Wozu gibt es denn die Störche?

Oder ein Ballgespräch: Sie fragt ihren Tischherrn: „Was sind Sie denn für ein Offizierchen?“ „Ich bin Deckoffizier.“ „Ach, dann kommen se von Trakehnen.“ „Nein, ich bin Mariner und komme aus Pillau.“

Ein anderer fragt seine Dame: „Freilein assen se jern Arpsen?“ „Nein, die kullern mich immer vons Masser.“

Vor Jahren versuchte man in Allenstein, den fetten Bürgermeister in einen kleinen Fiat Topolino zu zwängen – vergeblich. Der erste Versuch, Beine voran und dann das Gesäß auf den Sitz zu bekommen

– unmöglich. Dann schob man zuerst den Oberkörper hinein – er verklemmte. Mittlerweile hatten sich Zuschauer versammelt. Nach einer Weile ließ sich die Fistelstimme eines hageren Männchens aus der dritten Reihe vernehmen: „Versuchen sie es doch mal nackisch und mit jriiiene Seife.“

Wer das Ostpreußische liebt, wird die vor sich gehende Entwick­lung mit Schmerz beobachten und die letzten Reste einer unabwendbar dahindämmernden Sprache begierig in sich aufnehmen und zu bewahren versuchen. Große Traditionen aus dem Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen wurden jäh beendet. Man denke an den Dichter Simon Dach, den Verfasser des „Ännchen von Tharau“, Johann Gottfried Herder, der zu den großen Dichtern, Denkern und Aufklärern um Goethe und Schiller gehörte, geboren 1744 in Mohrungen, welches bis heute sein gotisches Rathäuschen erhalten konnte. Der Philosoph Immanuel Kant lebte und lehrte in Königsberg von 1724 bis 1804. Dem Vernehmen nach hat er es im Leben nie verlassen. Marion Dönhoff ruhte nicht eher, bis sie vor Jahren eine Replik seiner verlorenen Bronzestatue vor der alten Albertus-Universität aufstellen konnte.    Rudolf Waldmann


Wehe dem, der kein »Migrant« sein will
Die auswärtige Kulturpolitik bringt die Deutsche Minderheit Polens auf Linie

Seit einigen Jahren grassiert der Trend, die Vertreibung der Deutschen in einer allgemeinen Migrationsgeschichte als quasi eine ihrer Facetten aufzulösen. Die staatlichen Geldgeber haben bereits die Deutsche Minderheit in Polen auf Linie gebracht – vielleicht, da man sonst für die eigene Geschichte kaum wissenschaftliche Begleitung finanziert bekäme. Ein neuerlicher Anlauf in dieser Richtung war die Konferenz „Europa und Polen in Zeiten der Migration”, die vom 11. bis 12. Mai in Posen stattfand. Und dank des Titels war auch gleich die Marschrichtung klar, krampfhaft Vergleiche zwischen Volksgruppen und Flüchtlingen zu ziehen. Denn ganz offenkundig war die Deutsche Minderheit quasi Hauptzielgruppe für die Wissenschaftler – denn medial nahm außer den organisierten Deutschen in Polen niemand Interesse an dem Thema.

„Wenn ich also keine Perspektiven mehr sehe, dann versuche ich es halt mal mit der Migration – ob in Somalia 2017 oder in Ostpreußen 1946“, könnte man das Ganze auch sarkastisch zusammenfassen. Das „Wochenblatt“ als Zeitung der Deutschen Minderheit lief prompt in die gestellte Falle. Nach Ansicht der promovierten Lehrbeauftragten Irene Kurasz dürfe ja nicht vergessen werden, „dass auch polnische Staatsbürger, darunter Angehörige der deutschen Minderheit, eine Art Migranten waren“, ließ sie wissen und sagte weiter: „Ich habe in meinem Referat sozusagen den Anteil der zugezogenen Deutschen an den Deutschen in Niederschlesien dargestellt, das heißt wie viele Bewohner der Region bodenständige Deutsche sind, wie es sie hier bereits vor vielen Generationen gab, und wie viele in den späteren Jahrhunderten gekommen sind und von wo.“

Nun gut, mitunter kann man den Politikern ohne solche Bekenntnisse kaum mehr Geld für Konferenzen aus dem Ärmel leiern, sagt man sich da und hofft, dass nach dem Textbaustein die kritische Expertise so deutlich durchschimmert, dass sie auch den Medienschaffenden nicht entgehen kann. Im „Wochenblatt“ heißt es jedoch weiter: „Ihre Nachforschungen hätten ergeben, dass die deutsche Volksgruppe insbesondere in Niederschlesien ,ständig in Bewegung‘ gewesen sei. Deutsche seien demnach einerseits in die Region geströmt, andererseits wanderten sie in das heutige Staatsgebiet Deutschlands aus oder wurden z.B. im Rahmen von Familienzusammenführungen ausgesiedelt.“

Na dann ist ja alles bestens. Nach Belieben hat man mal hierhin, mal dahin Ausflüge unternommen oder wurde aus karitativen Gründen sozialer Fürsorge für die lieben Angehörigen auch nachgeschickt, ehe noch jemand verlorengeht. Vor allem ist man aber aus Deutschland nach Deutschland ausgesiedelt, oder wohin finden Aus- oder Umsiedlungen eigentlich statt?

Interessant ist jedoch, dass entsprechende Formulierungen eher aus deutschem als aus polnischem Munde stammen. Letztere hatten traditionell andere Formulierungen parat, mit denen man Geschichte umschrieb. Auch der Professor Grzegorz Janusz, der als Mitautor und Wegbegleiter der Deutschen in Polen die Schirmherrschaft über die Konferenz an der Adam-Mickiewicz-Universität Posen übernommen hat, dürfte tendenziell manches Neudeutsch eher als Marotte der heutigen Deutschen denn als wissenschaftliche Notwendigkeit empfunden haben.

Bereits der einzige wissenschaftliche Höhepunkt eines jeden Jahres, für den die Deutsche Minderheit ernsthafte Förderung erhält – das Schlesienseminar in Groß Stein –, hatte sich zuletzt im Oktober 2016 mit dem Leit- oder bereits dem Leid-Thema „Migration aus den Perspektiven schlesischer, deutsch-polnischer und europäischer Erfahrungen“ beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland selbst ist es ja seit vielen Jahren geübte Praxis, die Vertriebenen als Migranten für ganz andere Botschaften zu missbrauchen. Wenn wir erst einmal alle Migranten sind oder waren, dann können wir auch alle glücklich und zufrieden zusammenleben. Ganz egal, ob wir nun Nachkommen von Hugenotten, Germanen oder aber Osmanen sind.

                Edmund Pander


S. 15 Glückwünsche

Wir gratulieren

ZUM 98. GEBURTSTAG

Geisendorf, Christel, geb. Kallweit, aus Heinrichswalde, Kreis Elchniederung, am 29. Mai

Gerlach, Erna, geb. Rosengart, aus Canditten, Kreis Preußisch Eylau, am 2. März

Mootz, Else, geb. Salamon, aus Prostken, Kreis Lyck, am 4. Juni

ZUM 97. GEBURTSTAG

Baginski, Gisela, geb. Jedamski, aus Neidenburg, am 2. Juni

Heidrich, Elfriede, geb. Dudda, aus Farienen, Kreis Ortelsburg, am 6. Juni

Runck, Ursula, geb. Arlart, aus Ebenrode, am 5. Juni

Schirmacher, Magdalene, geb. Lehwald, aus Gedwangen, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

ZUM 96. GEBURTSTAG

Bohnhof, Karl, aus Lyck, Soldauer Weg 11, am 1. Juni

Borriß, Anna, geb. Niedzella, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 7. Juni

Gorriahn, Irmgard, geb. Stamm, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 123, am 8. Juni

May, Ursula, geb. Stoermer, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Schüttke, Alfred, aus Richau, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Sreball, Charlotte, aus Aschpalten, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

ZUM 95. GEBURTSTAG

Dziedo, Maria, geb. Dausch, aus Kutzen, Kreis Lyck, am 1. Juni

Powilleit, Erika, geb. Sudau, aus Breitenhof, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Roßberg, Erika, geb. Cytrich, aus Rogallen, Kreis Lyck, am 1. Juni

ZUM 94. GEBURTSTAG

Genzen, Erna, geb. Plietzka, aus Stucken, Kreis Elchniederung, am 4. Juni

Klotzbücher, Irmgard, aus Sinnhöfen, Kreis Ebenrode, am 2. Juni

Pulpanek, Anna, geb. Meschkat, aus Neusorge/H., Kreis Elchniederung, am 4. Juni

ZUM 93. GEBURTSTAG

Becker, Dora-Erika, geb. Laschat, aus Plein, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Bertuleit, Martha, geb. Priekuln, aus Dippelsee, Kreis Lyck, am 5. Juni

Brzoska, Robert, aus Burdungen, Kreis Neidenburg, am 5. Juni

Budzinski, Waltraut, geb. Hermann, aus Lyck, Sentker Chaussee, am 6. Juni

Dörr, Ruth, geb. Matzko, aus Lyck, am 3. Juni

Dutz, Horst, aus Gellen, Kreis Ortelsburg, am 4. Juni

Klisch, Gertrud, geb. Jeschonnek, aus Treuburg, am 5. Juni

ZUM 92. GEBURTSTAG

Baier, Christel, geb. Lewitzki, aus Köllmisch Damerau, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Bieberneit, Bruno, aus Königsruh, Kreis Treuburg, am 3. Juni

Bondzio, Ilse, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 8. Juni

Borries, Kurt, aus Nußdorf, Kreis Treuburg, am 4. Juni

Hansen, Hildegard, geb. Wenzlawski, aus Grammen, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Hollstein, Rolf, aus Friedrichsthal, Kreis Wehlau, am 7. Juni

Klaproth, Else, geb. Kunzat, aus Ebenrode, am 8. Juni

Krause, Amalie, geb. Gawrisch, aus Saberau, Kreis Neidenburg, am 4. Juni

Rebmann, Edeltraut, aus Walden, Kreis Lyck, am 7. Juni

Salz, Alfred, aus Jarken, Kreis Treuburg, am 4. Juni

Schiwiora, Erika, aus Zielhausen, Kreis Lyck, am 8. Juni

Schmidt, Anna Elisabeth, geb. Tresp, aus Kölmersdorf, Kreis Lyck, am 8. Juni

Schroeter, Herta, geb. Ragnitz, aus Treuburg, am 7. Juni

Sengutta, Ingeborg, geb. Neumann, aus Dietrichsdorf, Kreis Neidenburg, am 4. Juni

Tonski, Christel, geb. Amenda, aus Talhöfen, Kreis Neidenburg, am 1. Juni

Vosgerau, Hildegard, geb. Meya, aus Gorlau, Kreis Lyck, am 7. Juni

ZUM 91. GEBURTSTAG

Böttcher-Jodeit, Gerda, geb. Jodeit, aus Inse, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

Dauner, Ilse, geb. Damerau, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Dennig, Lieselotte, geb. Synowzik, aus Prostken, Kreis Lyck, am 3. Juni

Dittwald, Erna, geb. Serafin, aus Klein Schläfken, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

Freyer, Meta, geb. Nock, aus Moithienen, Kreis Ortelsburg, am 8. Juni

Gienap, Erna, geb. Sombray, aus Froben, Kreis Neidenburg, am 7. Juni

Grosch, Helmut, aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 8. Juni

Hansen, Ruth, geb. Torkler, aus Wehlau, Kreis Wehlau, am 7. Juni

Hocke, Hildegard, geb. Heydasch, aus Montwitz, Kreis Ortelsburg, am 5. Juni

Ilbertz, Herta, geb. Reichert, aus Merunen, Kreis Treuburg, am 7. Juni

Jaritz, Elisabeth, geb. Böhm, aus Reinlacken, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Thiede, Erika, geb. Hoffmann, aus Fließdorf, Kreis Lyck, am 8. Juni

Weingart, Ruth, geb. Becker, aus Treuburg, am 3. Juni

ZUM 90. GEBURTSTAG

Alpers, Ilse, geb. Bandilla, aus Albrechtsfelde, Kreis Treuburg, am 3. Juni

Brejora, Heinz, aus Mostolten, Kreis Lyck, am 7. Juni

Bunnemann, Eberhard, aus Ortelsburg, am 5. Juni

Cziesso, Hilde, geb. Daduna, aus Loien, Kreis Lyck, am 2. Juni

Gegner, Elsbeth, geb. Bobel, aus Wallenrode, Kreis Treuburg, am 8. Juni

Heuer, Liesbeth, geb. Franz, aus Georgsfelde, Kreis Lyck, am 2. Juni

Kullak, Else, aus Deutscheck, Kreis Treuburg, am 2. Juni

Mestekemper, Herta, geb. Gaupsien, aus Bredauen, Kreis Ebenrode, am 7. Juni

Rosenwald, Benno, aus Skaten, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Rugullis, Ewald, aus Schwentwokarren, Kreis Memel, am 3. Juni

Schmidt, Irma, geb. Hoff, aus Plauen, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Schulz, Christa, geb. Krause, aus Borschimmen, Kreis Lyck, am 7. Juni

Sostak, Horst, aus Funken, Kreis Lötzen, am 5. Juni

Toll, Ulrich, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 8. Juni

Westphal, Walburga, geb. Malies, aus Lyck, Kaiser-Wilhelm-Straße 82, am 2. Juni

Zumkeller, Gertrud, geb. Scherwenings, aus Girschunen, Kreis Tilsit-Ragnit, am 1. Juni

ZUM 85. GEBURTSTAG

Benisch, Elfriede, geb. Schulz, aus Kalkofen, Kreis Lyck, am 1. Juni

Ennulat, Evelyn, geb. Madeyka, aus Lyck, H.-Göring-Straße 4, am 2. Juni

Heuer, Annemarie, geb. Gieger, aus Treuburg, am 3. Juni

Hilger, Inge, geb. Statz, aus Kalkhof, Kreis Treuburg, am 6. Juni

Hoyer, Reno, aus Reipen, Kreis Wehlau, am 5. Juni

Kolin, Horst, aus Grünwalde, Ortsteil Freihufen, Kreis Heiligenbeil, am 6. Juni

Laudien, Helene, geb. Fröbus, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Loch, Werner, aus Großwalde, Kreis Neidenburg, am 3. Juni

Marcinowski, Waltraud, aus Lyck, Yorkstraße 30, am 5. Juni

Milbrandt, Robert, aus Schwalgenort, Kreis Treuburg, am 7. Juni

Müller, Waltraut, geb. Galilea, aus Treuburg, am 6. Juni

Mundt, Ilse, geb. Bendzko, aus Aulacken, Kreis Lyck, am 1. Juni

Onischke, Anni, geb. Nitsche, aus Schallen, Kreis Wehlau, am 3. Juni

Petrikowski, Edith, geb. Kramer, aus Klein Dankheim, Kreis Ortelsburg, am 3. Juni

Roszkowski, Elfriede, geb. Bondzio, Kröstenwerder, Kreis Lyck, am 1. Juni

Schröter, Hildegard, geb. Jelowik, aus Neuendorf, Kreis Lyck, am 3. Juni

Schwabe, Erich, aus Kögsten, Kreis Ebenrode, am 6. Juni

Schwiderek, Herbert, aus Ulrichsfelde, Kreis Lyck, am 8. Juni

Weichert, Werner, aus Neidenburg, am 4. Juni

Wiedenhöft, Irmgard, geb. Nogga, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 1. Juni

ZUM 80. GEBURTSTAG

Ackermann, Martin, aus Tapiau, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Aretz, Hildegard, geb. Laska, aus Prostken, Kreis Lyck, am 2. Juni

Bögler-Reimann, Helga, geb. Gloss, aus Reinlacken, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Buczylowski, Karl-Eitel, aus Wittenwalde, Kreis Lyck, am 5. Juni

Donder, Inge, geb. Geißler, Kreisgemeinschaft Lyck, am 1. Juni

Eichler, Bruno, aus Obuchshöfchen, Kreis Mohrungen, am 7. Juni

Galuschka, Mathilde, aus Breslau, am 8. Juni

Hille, Waltraut, geb. Bublitz, aus Alt Kiwitten, Kreis Ortelsburg, am 4. Juni

Hoffmeister, Ursula, geb. Biernatzki, aus Lyck, am 7. Juni

Jacobs, Annemarie, geb. Sauff, aus Magotten, Kreis Wehlau, am 4. Juni

Jakubowski, Dieter Bernd, aus Sentken, Kreis Lyck, am 4. Juni

Kebernick, Dieter, aus Golbitten, Kreis Mohrungen, am 3. Juni

Kulcke, Prof. Richard, aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg, am 5. Juni

Kunz, Magdalene, geb. Klein, aus Griepen, Kreis Ebenrode, am 5. Juni

Kurps, Hardy, aus Karkeln, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Kurschat, Ulrich, aus Seckenburg, Kreis Elchniederung, am 5. Juni

Lambrecht, Rosemarie, geb. Drescher, aus Imten, Kreis Wehlau, am 2. Juni

Lojewski, Frank A., aus Schwentainen, Kreis Treuburg, am 3. Juni

Markowski, Brigitte, geb. Szepan, aus Dorschen, Kreis Lyck, am 4. Juni

Meyer, Karl, aus Eichensee, Kreis Lyck, am 6. Juni

Müller, Elfriede, geb. Bury, aus Rodefeld, Kreis Ortelsburg, am 6. Juni

Petschulat, Gerhard, aus Rauterskirch, Kreis Elchniederung, am 3. Juni

Radelli, Ute, geb. Tummescheidt, aus Lyck, am 5. Juni

Rogalla, Lieselotte, geb. Kipar, aus Ortelsburg, am 5. Juni

Schmelzer, Helga, geb. Laschewski, aus Kobulten, Kreis Ortelsburg, am 7. Juni

Skrodzki, Lothar, aus Kalthagen, Kreis Lyck, am 5. Juni

Steppuhn, Horst, aus Königsberg und Liekeim, Kreis Bartenstein, am 31. Mai

Trennepohl, Brigitte, geb. Krause, aus Gerdauen, am 4. Juni

Wassenberg, Helga, geb. Korallus, aus Goldbach, Kreis Wehlau, am 6. Juni

Weihs, Helmut, aus Purgalken, Kreis Neidenburg, am 6. Juni

ZUM 75. GEBURTSTAG

Babst, Erhard, aus Oschekau, Kreis Neidenburg, am 2. Juni

Bartels, Sabine, geb. Bleck, aus Bladiau, Kreis Heiligenbeil, am 7. Juni

Grünke, Dr. Udo, aus Sangnitten, Kreis Preußisch Eylau, am 2. Juni

Günther, Regina, aus Müllersbrück, Kreis Treuburg, am 5. Juni

Lesch, Renate, geb. Lundschien, aus Dünen, Kreis Elchniederung, am 2. Juni

Radmacher, Renate, geb. Müller, aus Plauen, Kreis Wehlau, am 8. Juni

Schiminski, Gert-Ulrich, aus Eibenau, Kreis Treuburg, am 7. Juni

Schumann, Ursula, geb. Dietrich, aus Altengilge, Kreis Elchniederung, am 2. Juni


S. 16-18 Heimatarbeit

Aus den Heimatkreisen

BARTENSTEIN

Kreisvertreter: Christian v. der Groeben, Ringstraße 45, 97950 Großrinderfeld, Telefon (09349) 929252, Fax (09349) 929253, E-Mail: csgroeben@gmx.de.

Der Vorschlag kam von Rose-Marie Nauber, der Ortsvorsteherin von Bartenstein in Hohenlohe: „Lasst uns die 65. Wiederkehr der Unterzeichnung des Patenschaftsvertrages zwischen dem hohenlohischen und dem ostpreußischen Bartenstein festlich begehen – wer weiß, ob es zum 70. Jahrestag noch reichen wird?“

Die Gelegenheit nutzend hatte sich der erweiterte Vorstand am Abend zuvor in Niederstetten zu einer Vorstandssitzung getroffen. Bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein versammelten sich die ostpreußischen Bartensteiner am Sonnabend, 20. Mai, in der Mehrzweckhalle, herzlich empfangen von Rose-Marie Nauber und ihren vielen eifrigen Helfern. Christian von der Groeben, der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft, begrüßte unter den Anwesenden Jaqueline Förderer, die neue Bürgermeisterin der Stadt Schrozberg, in die Bartenstein eingemeindet ist, und aus dem heutigen Bartoszyce Bürgermeister Piotr Petrykowski und seinen Kulturdirektor Kamil Runiewicz sowie von der Deutschen Minderheit Ewa Pyszniak und Jadwiga Piluk, die als Dolmetscherinnen vermittelten. Grußworte der Bürgermeisterin und des Bürgermeisters waren ein weiteres Zeichen der gewachsenen Verbundenheit.

Karl-Heinz Hupfer sagte in aller Namen Ilse Markert für ihren Einsatz, ihre geduldige Hilfe und ihre vielfältige Arbeit herzlichen Dank. Hans-Gerhard Steinke präsentierte seinen Bildband „Bartenstein 1332–1945“. Er fand mit seinen 1250 Bildern aus 125 Jahren Stadtgeschichte reges Interesse. 

Die Hohenloher Gastgeber luden zu einem üppigen Mittagessen ein, dem tüchtig zugesprochen wurde. Durch die barock geprägte Hauptstraße führte dann der Weg zum Schloss. Dort empfing uns Maximilian, Erbprinz zu Hohenlohe-Bartenstein; in der Schlosskirche gab er Auskunft über die Kirche, das Schloss und die Geschichte der Familie zu Hohenlohe-Bartenstein und begleitete die Gäste durch den sonst nicht zugänglichen Hofgarten zum Ostkreuz über dem Ort.

Zu Füßen des Ostkreuzes legte der Vorsitzende einen Kranz nieder. Als die einzige Anwesende, die schon die Unterzeichnung des Vertrages vor 65 Jahren erlebt hatte, erinnerte Rosemarie Krieger an jene bewegenden Tage. Der Bartensteiner Chor bereicherte diese Feier des Erinnerns musikalisch. Die Ortsvorsteherin hatte zum Gedenken an diesen Tag eine Tafel errichten lassen.

Der zweite Teil des Rückweges zur Mehrzweckhalle führte über den Friedhof, wo der Vorstand am Grab von Bürgermeister Brauns mit einer Blumenschale dankend an den Begründer unserer Patenschaft erinnerte

Ein überaus reichhaltiges Kuchen- und Tortenbüffet erwartete die Gäste. Unermüdlich und freundlich schleppten die Gastgeber Getränke, bedienten und räumten ab. Wir wurden in jeder Hinsicht verwöhnt. Wieder erfreute uns der örtliche Bartensteiner Chor. Manfred Eckert zeigte einen aus vier Reisen zusammengestellten Film über das ostpreußische Bartenstein.

Ein Tag voller bewegender Eindrücke, reich an freundlichen Gesprächen und herzlichen Begegnungen klang harmonisch aus. Wir sagten optimistisch für alle Fälle „Auf Wiedersehen!“

                Rosemarie Krieger 

 

MOHRUNGEN

Kreisvertreterin:  Ingrid Tkacz, Knicktwiete 2, 25436 Tornesch, Telefon/Fax (04122) 55079.

Stellv. Kreisvertreterin; Luise-Marlene Wölk, Schwalbenweg 12, 38820 Halberstadt, Telefon (03941) 623305. Stellv. Kreisvertreterin Monika Buddych, Op de Dümmer 32, 45772 Marl/Westf., Telefon (02365) 691690. Schatzmeister: Frank Panke, Eschen-weg 2, 92334 Berching, Telefon (08462) 2452. Geschäftsstelle Horst Sommerfeld, Lübecker Straße 4, 50858 Köln, Telefon (02234) 498365.

Montag, 5. Juni: Zehnjähriges Bestehen der Gedenkstätte „Lapidarium“ in Liebstadt.

Dienstag, 6. Juni: Zehnjähriges Bestehen der Mohrunger Stuben, Mohrungen.

 

TILSIT–STADT

Stadtvertreter: Hans Dzieran, Stadtgemeinschaft Tilsit, Postfach 241, 09002 Chemnitz. Geschäftsführer: Manfred Urbschat, E-Mail: info@tilsit-stadt.de.

Sonnabend, 17. Juni, von 9 bis 18 Uhr, Gaststätte „Seilbahn“, Max-Liebermann-Straße 91, 04157 Leipzig: Mitteldeutsches Regionaltreffen. Alle Tilsiter sind herzlich eingeladen. Einlass ist ab 9 Uhr. Um 10 Uhr wird die Veranstaltung mit dem Glockengeläut des Königsberger Doms und dem „Ostpreußenlied“ feierlich eröffnet. Die Besucher erwartet ein anspruchsvolles Programm.

Der Stellvertretende Sprecher der Landsmannschaft, Hans-Jörg Froese wird zugegen sein und eine Grußansprache halten. Mit einem interessanten Vortrag unter dem Titel  „Angekommen in der neuen Heimat“ wird Professor Heinz Radszuweit aus Cottbus seinen Lebensweg vom ostpreußischen Dorfjungen bis in die Höhen der medizinischen Wissenschaft schildern. Das Programm wird umrahmt von musikalischen Darbietungen des Chors „Heimatmelodie“ aus Dresden, des Kinder-Ensembles „Sonnenschein“ aus Leipzig und des Blasorchesters der Freiwilligen Feuerwehr Seehausen. Die Gaststätte „Seilbahn“ sorgt für die gastronomische Betreuung während der gesamten Veranstaltung und bietet auch auf Wunsch zwei preisgünstige Mittagessen an. Das Heimattreffen wird gegen 18 Uhr seinen Abschluss finden. Auskünfte sind bei Eberhard Grashoff, Telefon (0341) 9010730 erhältlich.

Liebe Tilsiterinnen und Tilsiter! Lasst uns die Gelegenheit nutzen, in Leipzig zusammenzukommen. Die Tische für die Tilsiter sind ausgeschildert. Wir werden ausreichend Gelegenheit haben, über Erinnerungen aus der Heimat zu plachandern und werden uns wieder einmal in heimatlicher Umgebung wohlfühlen. Bis zum Wiedersehen in Leipzig grüßt der Vorstand der Stadtgemeinschaft Tilsit


Landsmannschaftliche Arbeit

BADEN-WÜRTTEMBERG

Vors.: Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon und Fax (0711) 854093, Geschäftsstelle: Haus der Heimat, Schloßstraße 92, 70176 Stuttgart, Tel. und Fax (0711) 6336980.

Landesgruppe – Mittwoch, 14. Juni, 19 Uhr, Parkhotel Pforzheim, Deimlingstraße 36, Pforzheim: 141. Preußischen Tafelrunde der Landesgruppe und der Kreisgruppe Pforzheim/Enzkreis im BdV. Nach einem gemeinsamen ostpreußischen Abendessen referiert der Pfarrer im Ruhestand Klaus Plorin über „Martin Luther, Herzog Albrecht und die Reformation in Ostpreußen“. Aus dem Vor-tragsinhalt: Nach Beratungen mit dem Reformator Martin Luther legte der letzte Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus der fränkischen Linie der Hohenzollern am 8. April 1525 in einem großen Festakt in Krakau den weißen Ordensmantel ab und ließ sich von seinem Onkel, König Sigismund von Polen, als weltlicher und erblicher Herzog in Preußen anerkennen, lehnsabhängig vom polnischen König. Der Orden in Preußen war damit untergegangen. Die Geschichte des Herzogtums Preußen bis hin zum Königreich Preußen und dessen Einbindung in das Erste Deutsche Reich konnte beginnen. Martin Luther gab den einzig richtigen Kommentar zu dieser Wandlung: „Siehe dieses Wunder! In vollem Lauf, mit vollen Segeln eilt jetzt das Evangelium nach Preußen“. Pfarrer Plorin berichtet, wie durch Luthers Einwirken und Albrechts Entscheidungen Ostpreußen die erste evangelisch-lutherische Landeskirche und der erste evangelisch-lutherische Staat in Europa wurde, und was wir dem damaligen und weiteren Geschehen dort bis heute noch immer verdanken. Für das Abendessen sind 20 Euro zu überweisen an: LM Ostpreußen, Landesgruppe, IBAN: DE39 6425 1060 0000 1332 21, BIC: SOLADES1FDS. Anmeldungen bei Uta Lüttich, Feuerbacher Weg 108, 70192 Stuttgart, Telefon (0711) 854093 oder E-mail: uta.luettich@web.de.

Stuttgart – Dienstag, 6. Juni, 14.30 Uhr, Kleiner Saal, Haus der Heimat, Schloßstraße 92: Frauengruppe und Kreisgruppe treffen sich zu einem interessanten Nachmittag mit Berichten über Pfingsten damals in der Heimat und heute mit Gedichten und Liedern. Gäste sind herzlich eingeladen.

 

BAYERN

Vorsitzender: Friedrich-Wilhelm Böld, Telefon (0821) 517826, Fax (0821) 3451425, Heilig-Grab-Gasse 3, 86150 Augsburg, E-Mail: info@low-bayern.de, Internet: www. low-bayern.de.

Bamberg – Mittwoch, 21. Juni, 15 Uhr, Hotel „Wilde Rose“, Keßlerstraße: Monatstreffen, Vortrag Wolfskinder.

Landshut – Dienstag, 6. Juni, 14 Uhr: Treffen beim Minigolf-Platz, Mitterwöhr. – Dienstag, 20. Juni, 14 Uhr, Biergarten „Insel“: Zusammenkunft.

Weiden – Der Erste Vorsitzende Norbert Uschald begrüßte die Mitglieder und Gäste im Cafe Mitte zum Heimatnachmittag mit Muttertagsfeier. Besonders freute er sich über die Anwesenheit eines Landsmanns, der zum ersten Mal bei der Kreisgruppe zu Besuch war.

Nach den Heimatliedern „Land der dunklen Wälder“ und „Westpreußen mein lieb Heimatland“ gratulierte der Vorsitzende dem Geburtstagskind des Monats Mai. Danach hielt er einen Rückblick auf den traditionellen Maibaumaufbau des Heimatrings Weiden. Dieser sei wieder sehr erfolgreich abgelaufen.

Die Muttertagsfeier leitete Uschald mit einem Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Muttertages bis hin zur Gegenwart. Er würdigte die wichtige Rolle der Mütter und Großmütter für unseren Staat und unsere Gesellschaft. Leider seien heutzutage zunehmend kommerzielle Interessen im Vordergrund. Andreas Uschald, Katharina Uschald, Barbara Uschald und Ilse Stark erfreuten dann mit Gedichten zum Muttertag beziehungsweise zur Frühlingszeit.

Anita und Norbert Uschald unterhielten die Anwesenden mit Frühlings- und Maienliedern, die sie mit Flöte und Melodika vortrugen. Die Mütter erhielten im Anschluss daran eine Süßigkeit  als Geschenk, die Väter wurden dagegen mit „Hochprozentigem“ bedacht. Mit dem Lied „Kein schöner Land“ verabschiedete man sich bis zum nächsten Heimatnachmittag am 11. Juni im Café Mitte.    Norbert Uschald 

 

BERLIN

Vorsitzender: Rüdiger Jakesch, Geschäftsstelle: Forckenbeck-straße 1, 14199, Berlin, Telefon (030) 2547345, E-Mail: info@bdv-bln.de, Internet: www.ostpreussen-berlin.de. Geschäftszeit: Donnerstag von 14 Uhr bis 16 Uhr Außerhalb der Geschäftszeit: Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Königsberg – Freitag, 9. Juni, 14 Uhr, Johann-Georg-Stuben, Johann-Georg- Straße 10, 10709 Berlin-Halensee: gemeinsames Treffen, Anfragen bei Elfi Fortange, Telefon (030) 4944404.

Rastenburg – Sonntag, 11. Juni, 15 Uhr, Restaurant Stammhaus, Rohrdamm 24 B, 13629 Berlin, Anfragen bei Martina Sontag, Telefon (033232) 188826.

Frauengruppe - 12. Juni, 13.30 Uhr, Pflegestützpunkt, Wilhelmstraße 116–117, 10963 Berlin: Frauengruppe, Referat über Ostpreußen, Anfragen bei Marianne Becker, Telefon (030) 7712354.

Bartenstein – Anfragen für gemeinsames Treffen bei Elfi Fortange, Telefon  (030) 4944404.

 

BREMEN

Vorsitzender: Jörg Schulz, Telefon (04296) 747701, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede. Stellvertrende Vorsitzende: Marita Jachens-Paul, Ratiborer Straße 48, 27578 Bremerhaven, Telefon (0471) 86176. Landesgeschäftsführer: Jörg Schulz, Am Anjes Moor 4, 27628 Uthlede, Telefon (04296) 74 77 01.

Landesgruppe – Bei der Jahreshauptversammlung wurde der bisherige Geschäftsführer Jörg Schulz mit Mehrheitsbeschluss zum neuen Vorsitzenden gewählt. Zweite Vorsitzende bleibt Marita Jachens-Paul. Der bisherige langjährige Vorsitzende Helmut Gutzeit wurde einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Wir danken für seine gute Arbeit als Landesvorsitzender und wünschen ihm weiterhin alles Gute. Der neue Vorsitzende möchte die Verbandsarbeit in seinem Sinne und „gegen das Vergessen“ weiterführen.

                Marita Jachens-Paul

Bremen – Freitag 2. Juni, 12 Uhr. Hotel Robben, Grollander Krug (Telefon 0421/514620), Emslandstraße 30, Bremen-Grolland: Die Frauengruppe lädt alle Mitglieder und Freunde der Landsmannschaft herzlich zum Spargelessen (Preis: 19,90 Euro pro Person) ein. Anfahrt über die BSAG-Linien 1 und 8, Haltestelle: „Norderländerstraße“. Anmeldungen bitte bei Frau Richter, Telefon 405515. – Dienstag, 6. Juni, 19 Uhr, Borgfelder Landhaus, Warfer Landstraße 73 (Haltestelle „Truper Deich“ der BSAG-Linie 4): Dr. Christoph Hinkelmann vom Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg hält einen Vortrag zum Thema „Jagdparadies Rominten – Mythos und Wirklichkeit“.

 

HAMBURG

Erster Vorsitzender: Hartmut Klingbeutel, Haus der Heimat, Teilfeld 8, 20459 Hamburg, Tel.: (040) 444993, Mobiltelefon (0170) 3102815. 2. Vorsitzender: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69 b, 22459 Hamburg, Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

KREISGRUPPEN

Insterburg, Sensburg – Die Heimatkreisgruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat (außer im Januar und im Juli) zum Singen und einem kulturellem Programm um 12 Uhr, Hotel Zum Zeppelin, Frohmestraße 123–125. Kontakt: Manfred Samel, Friedrich-Ebert-Straße 69b, 22459 Hamburg. Telefon/Fax (040) 587585, E-Mail: manfred-samel@hamburg.de.

 

HESSEN

Vorsitzender: Ulrich Bonk, Stellvertretender Vorsitzender: Gerhard Schröder, Engelmühlenweg 3, 64367 Mühltal, Telefon (06151) 148788

Dillenburg – Bei der letzten Monatsversammlung fragte Pfarrer i. R. Dietmar Balschun nach Begrüßung und Kaffeetrinken: „Wie sah ich Ostern“? Dazu zeigte er Bilder von Lovis Corinth und aus der Rembrandt-Bibel und sprach ausführlich über das Leben des Malers Lovis Corinth.

Er wurde als Franz Heinrich Louis Corinth am 21. Juli 1858 in Tapiau/Ostpreußen geboren. Sein Vater war Landwirt und Lohgerber, später sogar Ratsherr von Tapiau. Er heiratete die Gerbermeister-Witwe Wilhelmine Amalie, die fünf Kinder mit in die Ehe brachte. Louis war das einzige gemeinsame Kind. 1873, nach dem Tod seiner Mutter, verkaufte der Vater seinen Betrieb und zog mit dem Sohn nach Königsberg. Dort begann Lovis ein Studium an der Akademie. Er lernte das Zeichnen nach dem lebenden Modell und übte Kopieren nach Büchern, Drucken und Gipsmodellen. Bei seinem Lehrer Otto Günther zeichnete er vor allem bäuerliche Szenen. Dieser riet ihm, an der Akademie in München weiter zu studieren, was er ab 1880 tat. Bei Franz Defregger, Wilhelm Leibl, Max Liebermann, Fritz Uhde unter anderem lernte er den Naturalismus kennen. 1887 geht er nach Berlin und nimmt den Künstlernamen Lovis an. 1891 eröffnete er in München ein eigenes Atelier und unternahm erste Versuche mit Radierungen. 1892 gehörte Lovis Corinth zu den Gründern der Münchener Sezession. 1893 entstand der Graphik-Zyklus „Tragikomödien“. 1895 verkaufte er sein erstes Bild, eine Kreuzabnahme, bei einer Ausstellung im

Glaspalast. Erfolg bei einer Ausstellung der Berliner Sezession war Anlass für seinen Umzug nach Berlin. Im Oktober 1901 eröffnete er eine „Malschule für Akt und Portrait“. Eine seiner ersten Schülerinnen war seine spätere Ehefrau Charlotte Berend, mit der er im Sommer 1902 nach Horst an der Ostseeküste reiste. Im selben Jahr wurde Sohn Thomas, 1909 Tochter Wilhelmine geboren. 1911 wurde Corinth nach Max Liebermanns Rücktritt zum Präsident der Berliner Sezession gewählt. Auf Rat seines Freundes Struck beschäftigte sich Lovis Corinth mit Radierungen und Lithographie. Im selben Jahr erlitt er einen Schlaganfall, erholte sich aber. 1918 ernannte Corinths Geburtsstadt Tapiau ihn zum Ehrenbürger. Daraufhin besuchte er seine alte Heimat wieder. Die Akademie in Berlin verlieh ihm den Professoren-Titel. 1921 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Albertus-Universität Königsberg. Im Jahre 1925 reiste er nach Amsterdam, wo er an einer Lungenentzündung erkrankte. In Zandwoort starb Corinth am 17. Juli.

Lovis Corinth gehört neben Max Liebermann und Max Slevogt zu den wichtigsten Vertretern des Impressionismus. Im Dritten Reich zählten seine Werke zur Entarteten Kunst. Außerdem schrieb er zahlreiche Aufsätze für verschiedene Zeitschriften, und er verfasste die Bühnenbilder für viele Berliner Theater.

Auf Rembrandt ging Dietmar Balschun nur ganz kurz ein: geboren 1606 in Leiden, gestorben 1669 in Amsterdam, verheiratet mit Saskia, die ihm auch als Modell diente. Er hinterließ rund 700 Gemälde, wovon das bekannteste die „Nachtwache“ ist, zahlreiche Portraits, Radierungen und Handzeichnungen. Sein Markenzeichen war der Kontrast von Hell und Dunkel. Im Alter verarmte er, seine Schaffenskraft ließ aber nicht nach.

Zum Abschluss zeigte Dietmar Balschun noch einmal mehrere typische Bilder von Lovis Corinth, Rembrandt und zur Ergänzung von dem modernen Holzschneider Günter Skrotzky, die sich alle mit Ostern befassten. Die Holzschnitte von Skrotzky sind im Gegensatz zu Corinth und Rembrandt sehr düster. Dietmar Balschun bekam für seinen Vortrag viel Beifall, bevor wir nach dem gemeinsamen Singen des Ostpreußenliedes auseinandergingen.

Die nächste Monatsversammlung findet am Mittwoch, dem 31. Mai 2017 um 15 Uhr im Cafe Eck-stein in Dillenburg, Königsberger Straße, statt. Dann wird Helga Schnepf über die Majolika-Manufaktur in Cadinen, Kreis Elbing, sprechen. Cadinen gehörte bis zur Flucht 1945 samt Gestüt dem kaiserlichen Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

                Ingrid Nowakiewitsch

Kassel – Beim Maitreffen der Kreisgruppe wurden wieder einmal preußische Akzente gesetzt. Unter dem Titel „Preußen die wir hatten“ stellte Dr. Rolf Sauerzapf drei Persönlichkeiten vor, welche einen festen Platz in der geistigen Schatzkammer des Preußentums einnehmen: König Friedrich-Wilhelm I., Johann Gottfried Herder und Jochen Klepper. Mancherlei fällt den an Preußen interessierten Landsleuten zu den Genannten ein. Lediglich über den in Beuthen/Niederschlesien geborenen Jochen Klepper sollen an dieser Stelle einige Stichworte in Erinnerung gerufen werden: Bald nach dem Theologiestudium und der Heirat mit einer Jüdin wirkte Klepper in Berlin als Journalist und Schriftsteller. Mit seinem historischen Roman über den Soldatenkönig Friedrich-Wilhelm I. („Der Vater“) fand er hohe Anerkennung. Ist dieses Hauptwerk heute weitgehend in Vergessenheit geraten, so berühren seine Kirchenlieder durch ihre Glaubensstärke und Sprachmächtigkeit noch in unseren Tagen die empfänglichen Seelen vieler Christen. So wie Klepper den Soldatenkönig beschrieb als einen, der vor allem bestrebt war, als Staatsdiener seine Pflicht zu erfüllen, so ließ er selbst nicht von seiner Treuepflicht zu seiner Ehefrau ab, verweigerte die ihm vom NS-Regime empfohlene Scheidung und ging 1942 mit seiner Familie in den Tod. - Preußen sei der einzige Staat, der eine Idee hatte - so der Referent - und die lautet: „ich dien“. An den vorgebrachten Lebensbildern wurde dies wieder deutlich. Diese und andere „preußischen Tugenden“ sind es, die früher und heute manchen Deutschen zu einem Preußenbekenner werden ließ.

                Gerhard Landau

Rüsselsheim – Sonnabend,

10. Juni, 15 Uhr, Aula der Immanuel-Kant-Schule, Evreuxring 25: Großer Volkstumsnachmittag mit ostdeutschen Musik- und Tanzgruppen zum Tag der Vertriebenen beim 57. Hessentag.

Wetzlar – Montag, 12. Juni,

19 Uhr, Restaurant „Grillstuben“, Stoppelberger Hohl 128: „Bernstein – Gold des Nordens – und die Bernsteinstraße“. So lautet das Thema beim Treffen der Kreisgruppe Wetzlar. Darüber spricht Roland Virnich. Der Eintritt ist frei. Kontakt: Kuno Kutz, Telefon (06441) 770559.

Wiesbaden – Dienstag, 13. Juni, 14.30 Uhr, Wappensaal, Haus der Heimat, Friedrichstraße 35: Frauengruppe. – Sonnabend, 17. Juni, 15 Uhr, Großer Saal, Haus der Heimat, Friedrichstraße 35: Monatstreffen zum Thema „Luthers Wirken in Ostpreußen“. Vortrag von Dr. Bärbel Beutner aus Unna. Mit Veröffentlichung einer neuen Gottesdienstordnung durch Herzog Albrecht im März 1526 war das Herzogtum Preußen erste Land, in dem Luthers Lehre kirchlich eingeführt wurde. Kommen Sie zu diesem heimatgeschichtlichen Vortag und bringen Sie auch Freunde und Bekannte mit.

 

NIEDERSACHSEN

Vorsitzende: Dr. Barbara Loeffke, Alter Hessenweg 13, 21335 Lüneburg, Telefon (04131) 42684. Schriftführer und Schatzmeister: Gerhard Schulz, Bahnhofstraße 30b, 31275 Lehrte, Telefon (05132) 4920. Bezirksgruppe Lüneburg: Manfred Kirrinnis, Wittinger Straße 122, 29223 Celle, Telefon (05141) 931770. Bezirksgruppe Braunschweig: Fritz Folger, Sommerlust 26, 38118 Braunschweig, Telefon (0531) 2 509377. Bezirksgruppe Weser-Ems: Otto v. Below, Neuen Kamp 22, 49584 Fürstenau, Telefon (05901) 2968.

Helmstedt – Donnerstag, 8. Juni, 15 Uhr, Begegnungsstätte, Schützenwall 4: Treffen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Auskünfte erteilt Frau Anders, Telefon (05351) 9111.

Oldenburg – Mittwoch, 14. Juni, 15 Uhr, Stadthotel, Hauptstraße 28: „Die Marienburg in Westpreußen und ihre neue Madonna an der Schlosskirche“ – Vortrag mit Bildern von Professor Helmut Freiwald, Mitglieder und Freunde der Kreisgruppe sind herzlich willkommen. 

Osnabrück – Freitag, 16. Juni, 15 Uhr, Gaststädte „Bürgerbräu“, Blumenhaller Weg 43: Treffen der Frauengruppe.

Rinteln – Donnerstag, 8. Juni 2017, 15.00 Uhr, Hotel Stadt Kassel, Klosterstraße 42, 31737 Rinteln: Vortrag von Dr. Hans-Walter Butschke aus Lemgo „Friedrich Schiller: Dramen und Balladen - ein Überblick“. Landsleute und ihre Nachkommen sowie alle interessierten Gäste aus Nah und Fern sind beim Monatstreffen der Gruppe zusammen mit ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten herzlich willkommen. Auskünfte zur landsmannschaftlichen Arbeit in Rinteln gibt es beim Vorsitzenden Joachim Rebuschat unter Telefon (05751) 53 86 oder über rebuschat@web.de.

 

NORDRHEIN-WESTFALEN

Vorsitzender: Jürgen Zauner, Geschäftsstelle: Buchenring 21, 59929 Brilon, Tel. (02964) 1037,  E-Mail: Geschaeft@Ostpreussen-NRW.de, Internet: www.Ostpreussen-NRW.de

Bonn – Dienstag, 6.Juni, 18 Uhr, Haus am Rhein, Elsa-Brändström-Straße 74; „Die Marienburg lebt!“ – Vortrag über die Restaurierungen der neuesten Zeit in der ehemaligen Hauptstadt des Deutschordenslandes Preußen. Referent ist Waldemar Moscicki, der Stellvertretende Vorsitzender der Kreisgruppe. Er berichtet unter anderem über den rekonstruierten Innenraum der Marienkirche, mit dem die Burg ihr geistig-geistliches Herzstück in würdiger Form zurückerhalten hat.

Dortmund – Montag, 19. Juni, 14.30 Uhr, Heimatstube, Landgrafenstraße 1-3 (Eingang Märkische Straße): Zusammenkunft der Kreisgruppe.

Düsseldorf – Mittwoch, 7. Juni, 15 Uhr, Raum 311, GHH: Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt. – Donnerstag, 8. Juni, 9 Uhr: Tagesfahrt nach Köln, Abfahrt am Busbahnhof Worringer Straße. 10.15 Uhr 1,5 stündige Stadtrundfahrt, vorbei an den Zeugen des römischen und mittelalterklichen Kölns. Gezeigt und erklärt werden die Sehenswürdigkeiten aus allen Epochen. Mittagessen in einem Kölner Brauhausrestaurant, 14 Uhr Besuch des Käthe-Kollwitz-Museums, Kaffeepause um Café Reichhard. Zeit zur freien Verfügung. 18.30 Uhr: Rückfahrt vom Bushaltepunkt „Komödienstraße“ zurück nach Düsseldorf, geplante Ankunft gegen 20 Uhr. Die Kosten für Busfahrt in einem modernen Reisebus, Stadtrundfahrt mit Stadtführer, Eintritt und Führung im Käthe-Kollwitz-Museum und Mittagessen betragen 70 Euro pro Peron (bei 20 Teilnehmern, ab 25 Teilnehmern erfolgt anteilige Fahrtkostenerstattung). – Freitag, 9. Juni, 19 Uhr, Eichendorffsaal, GHH: Lesung und Gespräch mit Carolin Emcke „Gegen den Hass“, nochmals Montag, 12. Juni,

19 Uhr. – Sonnabend, 10. Juni, 18 Uhr, GHH: Lesung und Gespräch mit Iris Wolff „So tun, also ob es regnet“. – Dienstag, 13. Juni, 18.30 Uhr, GHH: Ausstellungseröffnung „Gegen den Wahnsinn“ – der syrische Karikaturist Silo. – Dienstag, 13. Juni, 19.30 Uhr, GHH: Vortrag und Lesung mit Felix Ackermann „Zweierlei Untergang: Das Ende der kleinsten ostpreußischen Stadt Schirwindt und der Holocaust in Litauen“. – Dienstag, 13. Juni, 19.30 Uhr, GHH_ Lesung mit Andreas Platthaus „Das geht ins Auge“ – Geschichte der Karikatur. – Mittwoch, 14. Juni, 15 Uhr, Bibliothek, 2. Etage, GHH: Leseinspirationen aus der Bibliothek „Bücher im Gespräch“. – Donnerstag, 15. Juni, 19.30 Uhr, Raum 412, GHH: Offenes Singen mit Marion Cals. – Sonnabend, 17. Juni, 19 Uhr, GHH: Vortrag und Gespräch mit Stefan Weidner „Fluchthelferin Poesie – Friedrich Rückert und der Orient“. – Sonntag, 18. Juni, 11 Uhr, GHH: Lesung und Gespräch mit Georg Stefan Troller „Unterwegs auf vielen Straßen – Erlebtes und Erinnertes“.

Neuss – Donnerstag, 15.-18. Juni: Jahresausflug nach Bremerhaven. Anmeldung und Programmanforderung bei Peter Pott, Zollstraße 32, 41460 Neuss, Telefon (02131) 3843400.

Witten – Montag, 19. Juni: Schifffahrt und Kaffeetrinken auf der Kemnade.

Wuppertal – Sonnabend, 3. Juni, ab 14 Uhr, „Alte Färberei“, Stennert 8, Wuppertal-Oberbarmen: 7. Ostpreußisches Maifest. Bei Kaffee, Tee und belegten Brötchen wird ein buntes Unterhaltungsprogramm geboten. Es treten die Tanzgruppe von Ursula Knocks, die Pianistin M. Kogan, der Geigensolist J. Schewalenko und das Mundharmonika-Duo Waltraut Bombe und Ulla Busch auf. Auch Sketch- und Wortbeiträge bereichern das Programm. Zum Tanz und zur Unterhaltung spielt in bewährter Weise Christoph Marr. Gäste sind wie immer herzlich willkommen.

 

SACHSEN

Vorsitzender: Alexander Schulz, Willy-Reinl-Straße 2, 09116 Chemnitz, E-Mail: alexander.schulz-agentur@gmx.de, Telefon (0371) 301616.

Limbach Oberfrohna  – Unsere zweite Veranstaltung in diesem Jahr fand im Mai statt und stand unter dem Motto: „Die Geschichte Ostpreußens und ihre verdienten Persönlichkeiten“. Der Himmel hatte uns das schönste Frühlingswetter geschickt.

Der Vorsitzende Reinhard Gerullis begrüßte alle Teilnehmer auf das herzlichste. Herr Kurt Weihe begleitete unseren gemeinsamen Gesang musikalisch. Das Ostpreußenlied und das Lied der Pommern sangen alle kräftig mit. Nach unserem Gesang waren die Schüler der Gerhard-Hauptmann -Oberschule gekommen um uns zu erfreuen. Die Lehrerin Frau Wolf begrüßte uns herzlich und wünschte einen schönen Nachmittag. Die Kinder erfreuten uns mit einem bunten Strauß von Frühlingsliedern und Gedichten aus unserer Heimat. Unsere Klei-ne Maja Büchner überraschte uns wie immer mit einem Solo-Ge-sang und einem Masurengedicht.

Von Irmgard Gläser wurde nun das Gedicht „Lobe die Heimat“ vorgetragen. Sie hatte auch zur Freude aller wieder ihre sehr schönen ostpreußischen Handar-beiten ausgestellt.

Der Landsmann Jürgen Scheffler hatte sich auf sein Referat sehr gut vorbereitet. Um uns viel Wis-senswertes über unsere Heimat und den Menschen zu erzählen. Zur Unterstützung seines span-nenden Vortrages hatte er große Landkarten aufgehängt. Die eine Landkarte stammte aus dem 16. Jahrhundert. Die andere Landkar-te war von 1671-1914. Alle Landsleute und Gäste zeigten großes Interesse und hörten auf-merksam zu. Wir folgten einer Zeitreise durch unsere Heimat über das deutsche Reich und der wechselhaften Geschichte unserer geliebten Heimat. Trotzdem der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Darüber hatte sich der Referent sehr ge-freut und dem Teilnehmerkreis gedankt.

Trotz der schweren Zeiten und der laufenden Unruhen hat unsre Heimat viele hervorragende Men-schen hervorgebracht, welche in der ganzen Welt bekannt und anerkannt waren. Er sprach nun einige davon an und ihre großen Verdienste: Imanuel Kant, Lovis Corinth, Clara Zetkin und u.v.a.m.

Nach diesem interessanten Be-richt folgte eine erholsame Pause. Bei Kaffee und Kuchen wurde viel plachandert.

Nun ging es weiter mit einem Gedicht von Ruth Geede „Was war mein Zuhause“ vorgetragen von Elli Springwald. Danach sangen wir gemeinsam das Lied „Jetzt kommen die lustigen Tage“ musikalisch begleitet von Kurt Weihe.

Nun brachte Hannelore Kedzierski ein lustiges Gedicht zu Gehör. „In meiner Heimat kehrt der Frühling ein!“ erzählt von Anneliese Marschall.

Unser gemeinsames Singen unter musikalischer Begleitung von Herrn Weihe macht uns sehr viel Freude und nun folgten die Lieder „Hohe Tannen und im grünen Wald!“

Anschließend folgten wichtige Informationen für die Zukunft mitgeteilt von Kurt Weihe und Reinhard Gerullis. Es sind wieder schöne gemeinsame Fahrten geplant. Zum Chöretreffen nach Reichenbach (Oberlausitz), nach Torgau und in unsere Heimat Ostpreußen, um nur einige zu nennen.

Reinhard Gerullis hatte zum Abschluss noch sein selbst Gereimtes vorgetragen. Wir verabschiedeten uns und freuen uns schon auf die nächste Zusammenkunft. Ein ganz herzliches Dankeschön für den wissenswerten Vortrag unseres Landsmanns Jürgen Scheffler. Ein wunderbarer Nachmittag, den wir gemeinsam erleben durften.

                Hannelore Kedzierski

 

SACHSEN-ANHALT

Vors.: Michael Gründling, Große Bauhausstraße 1, 06108 Halle,  Telefon privat (0345) 2080680.

Gardelegen – Montag, 19. Juni, 10 Uhr: Besichtigung der Übungsstadt Schöggersburg in der Colbitz, Letzlinger Heide. – Dienstag, 20. Juni, 14 Uhr: Tag der Heimatvertriebenen in Arendsee.

Magdeburg – Dienstag, 6. Juni, 13 Uhr, Immermannstraße: Treffen der Stickerchen. – Freitag, 9. Juni, 16 Uhr, Sportgaststätte TuS Fortschritt, Zielitzer Straße: Singkreis. – Sonntag, 11. Juni, 14 Uhr, Sportgaststätte Post, Spielhagenstraße: „Pfingsten lässt grüßen. Bräuche in der Heimat“.

 

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Vors.: Edmund Ferner, Julius-Wichmann-Weg 19, 23769 Burg auf Fehmarn, Telefon (04371) 8888939, E-Mail: birgit@kreil.info

Flensburg – Mittwoch, 21. Juni, 11.30 Uhr, Delfter-Stuben, Flensburg-Mürwik: Spargelessen.

Neumünster – Sonnabend, 10. Juni 15 Uhr, Stadthalle: Der Vorstand und die Helfer der Gruppe treffen sich zum „Dankeschön- Plauderstündchen“.

– Bericht –

Ein Liedbuch ist nicht schwer zu handhaben. Man braucht nur einen fröhlichen Mut und Freude am Singen. Das hatte die Gruppe Neumünster bei ihrer monatlichen Veranstaltung am 10. Mai, dem Frühlingssingen. Begleitet wurde sie von Nora Kawlath (90 Jahre) auf dem Akkordeon.

Gemeinsames Singen ist ein Zeichen der Verbundenheit. Volkslieder können graue Wolken zerreißen und das Herz höher schlagen lassen. Ein Lied stärkt, macht froher, es richtet müde Seelen wieder auf und bringt Freude, den jungen und alten Menschen. Am Ende des Treffens bedankte sich die Vorsitzende Brigitte Profé bei Nora Kawlath für die musikalische Begleitung und bei den sangesfreudigen Mitgliedern für das zahlreiche Erscheinen. 

Pinneberg – Donnerstag, 8. Juni, 15 Uhr, Restaurant „Mondea“, Mühlenstraße 70 d: „Wie sprachen wir zu Hause“. Ein ostpreußisches Marjellchen erzählt Gedichte und Geschichten in Mundart. Gäste sind herzlich willkommen. Der Vorstand freut sich über zahlreiche Anmeldungen bei Rosemarie Schmidt, Telefon (04101) 62667.

Uetersen – Freitag, 9. Juni, 15 bis 17 Uhr, Haus Ueters End, Kirchstraße 7: Bericht des Landesvorsitzenden Edmund Ferner mit DIAs über seine neuerliche Reise durch das „Reich der Mitte“, durch China.


Für Heimatfreunde
Leipzig lädt zum 5. Regionaltreffen

Am 17. Juni treffen sich auf Einladung der Kreisgemeinschaften Wehlau, Fischhausen, Labiau und der Stadtgemeinschaft Tilsit sowie der Landesgruppe Sachsen alle interessierten Landsleute und Freunde der Heimat beim 5. Regionaltreffen.

Die Veranstaltung wird im Saal des Kleingartenverein „Seilbahn“ in Max-Liebermann-Straße 91, 04157 Leipzig, durchgeführt. Einlass ist ab 9, Beginn um 10 Uhr. Zu sehen sein wird die Ausstellung „Angekommen in der neuen Heimat“. Das „Ensamble Sonnenschein“ wird aufmunternde Lieder vortragen und Professor Heinz Radzuweit aus seinem Leben berichten.

Nach einer ausführlichen Mittagspause wird der Chor „Heimatmelodie“ aus Dresden mit besinnlichen und heiteren Gesängen unterhalten. Ebenfalls mit von der Partie: Das Blasorchester der freiwilligen Feuerwehr Seehausen. Das Ende des Heimattreffen ist für 18 Uhr vorgesehen. Weitere Informationen: Eberhard Grashoff, Telefon (0341) 9010730, E-Mail: ebs.grashoff@web.de.


Mehr als 100000 Klicks für Ostpreußen
Beim Jahrestreffen in Neuss erhielt Jürgen Zauner das Goldene Ehrenzeichen – Hier die Laudatio

Jürgen Zauner wurde am 5. März 1939 im ostpreußischen Allenstein geboren. Die Familie des Vaters Friedrich Zauner stammte aus Grünau im oberösterreichischen Almtal, diejenige der Mutter Frieda Zauner, geborene Friedriszik, aus dem masurischen Kreis Johannisburg. Jürgen Zauner verließ Ostpreußen im Alter von vier Jahren. Der Abmeldung in Allenstein am 9. Juli 1943 folgten eine Fahrt nach Grünau im Almtal und die dortige Einschulung im Herbst 1945. Am 8. Dezember 1945 schloss sich der Transport in das Lager Ebensee an und Mitte Januar 1946 die Ausweisung aus Österreich, die die Familie nach Eila in Oberfranken führte. Mitte Juni 1948 holte der Großvater Adolf Friedriszik seinen Sohn Gerhard sowie seine Tochter Frieda nach Dülken. Dort lebte man zuerst mit fünf Personen in einer zirka 14 Quadratmeter großen Mansarde.

1954 schloss Jürgen Zauner die Evangelische Volksschule in Dülken ab und begann eine Lehre als Technischer Zeichner bei der Firma Menschner in Dülken. Später wechselte er zur Firma Kleinewefers in Krefeld und 1964 zur Firma Otto Fuchs in Dülken, wo er bis zur Pensionierung im Jahre 2002 arbeitete.

Jürgen Zauner ist seit dem 18. Juni 1970 mit Gertrud, geborene Hermges, aus Dülken verheiratet. 1975 wurde der erste Sohn, Friedrich-Jörn, geboren. Im Jahr darauf reiste Jürgen Zauner erstmals in den Kreis Johannisburg. 1980 kam der zweite Sohn Jochen zur Welt. In den Jahren 1991 und 1994 bereiste Zauner mit seiner Familie das südliche Ostpreußen und auch Königsberg.

Schon sehr früh hat sich Jürgen Zauner ehrenamtlich in der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) engagiert. Im Jahre 1981 wurde er zum Vorsitzenden der Örtlichen Gruppe der Landsmannschaft Ost-, Westpreußen und Danzig in Dülken gewählt. Dieses Amt bekleidet er bis heute. Am 20. März 1999 folgte die Wahl zum Schriftführer im Vorstand der LO-Landesgruppe Nord-rhein-Westfalen. Nachdem Zauner am 31. März 2001 zum stellvertretenden Vorsitzenden der LO NRW gewählt worden war, schloss sich am 12. März 2005 die Wahl zum Vorsitzenden an. Dieses Amt übte er bis zum 18. März 2017 aus.

Unter dem Landesvorsitzenden Jürgen Zauner fanden jährlich drei große Veranstaltungen statt. Es sind dies die Frühjahrs- und Herbsttagungen in Oberhausen mit Teilnehmerzahlen von 60 bis 80 Personen sowie das jährlich stattfindende traditionelle Treffen auf Schloss Burg an der Wupper mit bis zu 800 Teilnehmern. Das Ostpreußentreffen auf Schloss Burg findet zwar seit zwei Jahren unter Beteiligung der Schlesier und 2017 erstmals auch der Pommern statt – die Initiative zu einem gemeinsamen Treffen ging von den beiden genannten Landsmannschaften aus –, der öffentlichen Wirksamkeit hat das allerdings keinen Abbruch getan. Nach wie vor wird die Veranstaltung im Wesentlichen als Treffen der Ostpreußen in NRW gesehen. Stets sind in Schloss Burg Mandats- und Funktionsträger (wie zum Beispiel Bürgermeister) aus der regionalen Politik vertreten. Auch findet dieses Treffen stets Resonanz in der örtlichen Presse.

Zu allen Veranstaltungen der Landesgruppe NRW wurden Referenten aus Politik und Gesellschaft eingeladen, die unterschiedliche Themen – nicht nur historische Sachverhalte Ostpreußen betreffend – behandelten, sondern auch aktuelle gesellschaftspolitische Fragen. Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen unter der Führung von Jürgen Zauner beließ es aber nicht allein bei diesen Vorträgen.

Vielmehr hat der Landesvorsitzende zwei weitere Initiativen gefördert, die in ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden können: Es ist dies zum einen der Druck von Broschüren, basierend auf ausgewählten Vorträgen, die zum Selbstkostenpreis abgegeben werden und Auflagenhöhen von insgesamt mehreren Tausend Exemplaren und eine buchstäblich weltweite Verbreitung erreichten (unter anderen in Australien, Kanada und den USA).

Ergänzend zu den Printmedien war und ist Jürgen Zauner steter Förderer der digitalen Plattformen Ostpreußen-TV, Ostpreußischer Rundfunk und Ostdeutsches Diskussionsforum (ODF), für die die Landesgruppe NRW verantwortlich zeichnet und die über den engeren landsmannschaftlichen Rahmen hinaus wirken. Ostpreußen-TV kommt unter diesen Medien eine besonders herausragende Stellung zu. Unter www.ostpreussen-nrw.de oder www.youtube.com/OstpreussenTV können Videos rund um das Zeitgeschehen sowie von verschiedenen landsmannschaftlichen Veranstaltungen abgerufen werden. Einzelne Beiträge in Ostpreußen-TV erreichen „Klicks“, das heißt Nutzerzahlen, in einer fünfstelligen Größenordnung. Die höchste bisher erreichte Zahl von Klicks erreichte mit mehr als 20000 Nutzern ein Video über die Wiedervereinigung: „Gorbatschow bot Kohl Königsberg zum Kauf an“. Alle Beiträge zusammen haben bisher zu weit mehr als 100000 Klicks geführt. Durch die Medienarbeit tragen die Ostpreußen in Nordrhein-Westfalen und insbesondere Jürgen Zauner dazu bei, dass ostpreußische Themen und die ostpreußischen Anliegen einem breiten Publikum im In- und Ausland zugänglich gemacht worden sind und auch weiterhin zugänglich gemacht werden.

In Würdigung seiner außergewöhnlichen und langjährigen, mit einer großen öffentlichen Wirksamkeit für Ostpreußen verbundenen Leistungen verleiht die Landsmannschaft Ostpreußen Herrn Jürgen Zauner das Goldene Ehrenzeichen.


S. 19 Heimatarbeit

Raffinierte Frauenhauben, verbotene Seide
Diesmal ging es zur Werkwoche nach Allenstein – 26 Teilnehmerinnen übten sich im sticken, stricken, weben und knüpfen 

Die Werkwoche ist eine jährliche Veranstaltung der Landsmannschaft Ostpreußen, die früher in Bad Pyrmont und jetzt in der Politischen Bildungsstätte Helmstedt durchgeführt wird. Alle zwei Jahre findet sie in Ostpreußen statt, diesmal zum 14. Mal.

26 Teilnehmerinnen trafen sich vom 23. bis 30. April im Haus Kopernikus in Allenstein, um gemeinsam die ostpreußische Volkskunst zu vertiefen. Die Vertreterinnen der Deutschen Minderheit aus dem südlichen Ostpreußen wurden in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt: Stricken und Sticken unter der Leitung der Werklehrerin Gudrun Breuer sowie Weben einschließlich Knüpfen und Jostenbandweben unter der Leitung von Werkmeisterin Liesa Rudel.

Nach einer Woche intensiver Tätigkeit entstanden wunderschöne Handarbeiten, die bei einer abschließenden Ausstellung bewundert werden konnten. Der lange Tisch im Ausstellungsraum war mit Handschuhen, Socken, Mützen, Topflappen, Weißstickerei, gewebten Läufern, Taschen und Jostenbändern bedeckt. Einige der Teilnehmerinnen waren zu dieser Veranstaltung in selbstgenähten ostpreußischen Trachten gekommen.

Neben dem Erwerb neuer Fertigkeiten konnten die Teilnehmerinnen ihr Wissen über Trachten erweitern. Darüber hielt Uta Lüttich, Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise und Leiterin der Werkwoche, einen Vortrag. Sie stellte die Trachten als einen Teil der Kultur-, Kleidungs- und Textilgeschichte der Landbevölkerung vor. In Ostpreußen war die Bevölkerung gemischt, deswegen gab es keine einheitliche Volkstracht, sondern es wurden „Trachtengebiete“ unterschieden. Im Ermland zum Beispiel gehörte zur Frauentracht ein langer faltiger Rock mit hellen, breiten Streifen. Dazu trug man ein enges, wollenes Leibchen, meist von roter Farbe und eine selbstbedruckte oder gestreifte Schürze. Das schönste Trachtenstück des Ermlandes war jedoch die raffinierte Frauenhaube.

In Masuren bestand die Tracht aus einem handgewebten dunklen Rock, weißer Bluse mit langen Ärmeln, mit Plattstich gestickter bunter Borte, einem einfarbigen, gewöhnlich schwarzen Mieder, einer weißleinenen, buntbestickten Schürze, weißen Strümpfen zu schwarzen Schuhen und der seidenen, buntbestrickten Haube mit langen seidenen Bändern.

Auch die Trachten an der Samlandküste, im Oberland, in Tilsit, Memel und Nidden unterschieden sich voneinander. In Königsberg regelte eine Kleiderordnung von 1584 die Trachten von Freien und Schulzen. Frauen trugen Satinröcke. „Hartzkappen“ und „Hüftbinden“ waren verboten. Frauen waren Silberknöpfe und Seidengürtel gestattet. 1612 wurde den Bauersfrauen verboten Seide zu tragen.

Das Tragen von Trachten hörte gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf, aber was in ganz Ostpreußen weiter gepflegt wurde, war die auf alter Tradition beruhende Handarbeitskunst. In den 20er Jahre des 20. Jahrhunderts fanden viele ostpreußische Mädchen und Frauen wieder zum Trachtenkleid zurück. Es wurde intensiv daran gearbeitet, eine für ganz Ostpreußen gültige Tracht zu schaffen, zu der jede Landschaft ihren Beitrag liefern sollte.

Das Ostpreußenkleid besteht aus Miederrock, Bluse, Schürze, Haube, eventuell Jacke. Miederrock und Jacke sind aus Wolle in den Farben rot, blau, grün oder schwarz gewebt, Silber oder Bernsteinknöpfe, Bluse und Schürze aus Baumwolle. Dazu wird Bernstein- oder Silberschmuck getragen.

In einem weiteren Vortrag berichteten die Teilnehmerinnen aus der Arbeit der deutschen Vereine. Zurzeit gibt es auf dem Gebiet des südlichen Ostpreußens 22 deutsche Vereine, mit Sitz in den Kreisstädten. Außer Allenstein und Neidenburg sind alle in einem Dachverband (Verband der deutschen Gesellschaften in Emland und Masuren) vereint. Situation und Größe der einzelnen Vereine sind unterschiedlich. Die Allensteiner Gesellschaft der deutschen Minderheit ist eine der größten in der Region. Ihr gehört das Haus Kopernikus, in dem die Werkwoche stattgefunden hat. Die Gesellschaft bietet ihren Mitgliedern zahlreiche Veranstaltungen an, wie Karneval, Kartoffelfest, verschiedene Studienreisen, Volkstrauertag und einen Weihnachtsmarkt. Es wird ein Deutschkurs angeboten und für Kinder gibt es Samstagskurse. Bei der Allensteiner Gesellschaft ist auch eine Handarbeitsgruppe tätig, die zurzeit zehn Frauen zählt. Sie treffen sich einmal in der Woche.

Andere Vereine sind kleiner, aber nicht weniger aktiv. Der deutsche Verein in Bartenstein zählt 160 Mitglieder. Seit zwölf Jahren besteht dort eine Handarbeitsgruppe mit 15 Frauen. Bei der Gesellschaft ist auch die Volkstanzgruppe Saga tätig, die in ostpreußischen Trachten auftritt.

Dem deutschen Verein in Lyck (70 Mitglieder) gehört der neogotische Wasserturm, in dem ein Museum zur ostpreußischen Kultur und Geschichte eingerichtet wurde. Die Dauerausstellung in polnischer und deutscher Sprache zieht hier im Sommer viele Touristen an.

Die Deutsche Minderheit in Heilsberg (200 Mitglieder) ist für ihren Chor „Ermland“ und für das Adventsreffen „Bethlehem der Nationen“, zu dem alle Minderheiten und die polnische Bevölkerung eingeladen sind, bekannt. Chöre sind auch bei den deutschen Gesellschaften in Lötzen und Neidenburg aktiv.

Weitere Gesellschaften der Deutschen Minderheit befinden sich in Angerburg, Bischofsburg, Braunsberg, Deutsch Eylau, Elbing, Goldap, Hohenstein, Johannisburg, Landsberg, Mohrungen, Ortelsburg, Osterode, Pr. Holland, Rastenburg, Sensburg und Treuburg.

Leider hatten nicht alle deutschen Vereine Vertreterinnen zur Werkwoche nach Allenstein geschickt, aber trotzdem gab es unter den Teilnehmerinnen auch jüngere Personen. Die kleinste Dame, die an der diesjährigen Werkwoche teilnahm und mehrere Jostenbänder webte, war acht Jahre alt. Es scheint, dass die Handarbeit doch nicht passé ist und die junge Generation die Webkunst lernen will oder einzigartige Handschuhe und Mützen stricken möchte und so die alte Tradition und Volkskunst weiterpflegt.

Die Werkwoche in Allenstein wurde durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

                Edyta Gladkowska


S. 20 Leserforum

Leserforum

Vom anderen Stern

Zu: Auf schwachen Wurzeln gegründet (Nr. 20)

Neben dem aktuellen, auch auf Selbstschutz bedachten Aktionismus der Bundesverteidigungsministerin und dem angeblich geplanten Terroranschlag gibt es nach wie vor das unerledigte große Identitätsproblem der Truppe.

Noch immer waren die Menschen eingebunden in ihren Zeit­horizont. Sie waren auf ihrer Individualebene Abhängige, auch Ausgelieferte und demagogisch Irregeführte. Dem sollten die Nachgeborenen mit Fairness und Respekt Rechnung tragen, denn es wird dereinst auch für sie und ihre Rolle in der Geschichte gelten.

Aktuell verdeutlicht die Überarbeitung des Traditionserlasses der Bundeswehr einmal mehr das Ausmaß unserer Selbstvergessenheit, die von vielen Menschen unserer Gesellschaft nicht mitgetragen werden kann.

Dieser grundsätzliche Wandel wird offenbar, wenn wir uns an die Worte Konrad Adenauers erinnern, die er am 3. Dezember 1952 vor dem deutschen Bundestag sprach: „Wir möchten heute vor diesem hohen Hause im Namen der Regierung erklären, dass wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Rahmen der hohen soldatischen Überlieferungen ehrenhaft zu Lande, zu Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, dass der Ruf und die Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserem Volk noch lebendig geblieben sind und auch bleiben werden.“

Das ist heute wie eine Botschaft von einem anderen Stern. Aber es ist dasselbe Land, es sind dieselben Menschen mit derselben Geschichte, die sie erlebt und erlitten haben. Welche neue Identität, welche Vorbilder sollte denn die Bundeswehr nach Meinung der Ministerin heute haben? Etwa die, dass unsere Soldaten jetzt die „Freiheit unseres Landes am Hindukusch verteidigen“? Es bleiben viele Fragen, die unsere Soldaten nicht werden beantworten können.

Dr. med. Horst A. Hoffmann, Kiel

 

 

Die Ostpreußen werden die Wehrmachtssoldaten nicht vergessen

Zu: Inquisition (Nr. 19)

Das kriminelle Verhalten eines Bundeswehroffiziers und das Aufdecken „rechten und völkischen Gedankenguts“ in der Truppe nimmt Frau von der Leyen zum Anlass, sich von der Wehrmacht zu distanzieren. Generell werden alle Soldaten verdächtigt, „Dreck am Stecken zu haben“.

Dabei muss sie sich fragen lassen, ob ihre beiden Großväter – ebenfalls Soldaten der Wehrmacht – hierzu auch zählen. Oder sind es dann mal wieder nur „die anderen“. Bei 19 Millionen Soldaten der Wehrmacht sind Kriegsverbrechen vorgekommen, aber es war doch die absolute Ausnahme. Hierzu die Aussage von General Kießling: „Aus diesem Krieg ist niemand als Jungfrau hervorgegangen“ (Ansprache vor Jahren am Volkstrauertag in Munster).

Beim Partisanenkampf gab es auf beiden Seiten kein Pardon. Repressalien der Wehrmacht als Reaktion waren in der Regel völkerrechtlich gedeckt. Heute wird solches Verhalten der Wehrmacht als Kriegsverbrechen dargestellt.

Das Wüten im Osten geht ausschließlich auf das Konto von Einsatzgruppen der SS, des SD (Sicherheitsdienst) sowie von Polizeieinheiten. Wenn die Ministerin mit ihren willfährigen Generälen sich jetzt von der Wehrmacht distanziert, möchte sie vergessen lassen, dass die Bundeswehr quasi ein Kind der Wehrmacht ist.

Peinlich, dass man sich jetzt von den Gründungsvätern distanziert. Zum vorbildlichen Verhalten möchte ich hier den Einsatz der Soldaten der Wehrmacht beim Endkampf um Ostpreußen in Erinnerung bringen. Unzählige Ostpreußen der Erlebnisgeneration werden das bestätigen. Nachdem die NS-Gewaltigen die hilflosen Ostpreußen mit Frauen und Kindern ins offene Messer haben laufen lassen, waren es die Soldaten, die das Schlimmste verhinderten. Die Ostpreußen haben ihre Soldaten nicht vergessen. Bei jedem Ostpreußentreffen bedanken sich die Sprecher der LO bei den Soldaten der Wehrmacht.

Als Fazit ein Zitat von Leopold von Ranke: „Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es seine Soldaten nach einem verlorenen Krieg behandelt.“

Bernd Dauskardt, Hollenstedt

 

 

Macron wird sein Sold von den Deutschen einzufordern wissen

Zu: Die Zeit der Wahrheit (Nr. 19)

Der Investmentbanker Emmanuel Macron besuchte als erstes Deutschland. Der Präsident von Frankreich wird den Sold für sein Land einklagen. Na, das wird ein „teurer Spaß“ für den Dukatenesel Deutschland. Ich habe mir angeschaut, wie in Frankreich gearbeitet wird. Bald jeder zweite arbeitet beim Vater Staat und hat die 30-Stundenwoche und Urlaub ohne Ende. Soll jetzt der Normalbürger in Deutschland mit einer 42-Stundenwoche, gesetzlichen 18 Urlaubstagen, keinem Weih­nachts- und Urlaubsgeld die Faulheit der Franzosen bezahlen?

Jahrzehntelang haben sich die Franzosen um keine Reformen bemüht. Sollte Kanzlerin Merkel den Dukatenesel spielen, wird ihr der Bürger an der Bundestagswahl die Quittung präsentieren.

Seit Kurzem müsste auch der dümmste Politiker erkennen, dass der Bürger in Deutschland ganz genau weiß, was in unserem Land passiert, und sich sehr gut informiert. Von Politik-Verdrossenheit ist keine Rede. Der Normalo in Deutschland hat bestimmt gar keine Lust, für die Faulheit der Franzosen aufzukommen.

Ich hoffe, dass auch die Politiker in Deutschland das erkennen. Erst muss Macron als Präsident klare Reformen in Frankreich um- und durchsetzen. Sonst kommt in fünf Jahren Front-National-Chefin Marine Le Pen und wird den EU-Selbstversuch im Land beenden. Der deutsche Normalbürger wird nicht für Frankreich bluten. Ganz bestimmt nicht.

Paul Nemec, Sachsenheim

 

 

Verwählte SPD

Zu: Frankreichs Selbstunterwerfung (Nr. 2)

Michel Houellebeqs Roman „Unterwerfung“ erschien an dem Tag, als Islamisten die kaltblütigen Morde an den Redaktionsmitgliedern der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ verübten. Der Roman beschreibt ein Frankreich unter der Scharia im Jahre 2022 – also bald. Der Übergang zur neuen Ordnung wurde nicht etwa mit Gewalt erzwungen, er geschah freiwillig. Bei den Parlamentswahlen hatte sich, mit Unterstützung aller anderen Parteien, ein muslimischer Kandidat gegen die ach so böse Marine Le Pen durchgesetzt.

Masochistische Feindesliebe hatte zur Selbstzerstörung der eigenen Identität geführt. Wie schon angemerkt, das Jahr 2022 ist nicht mehr fern.

Aber zeigen wir nicht mit dem Finger auf Frankreich. Auch in Deutschland sind wir von ähnlichen Szenarien nicht weit entfernt. Nehmen wir nur mal als Beispiel das Bundesland Nord­rhein-Westfalen. Hier wurde mit viel „Kraft“ versucht, Türken das Wahlrecht zuzusprechen. Rund eine Million NRW-Bürger haben ihre Wurzeln zwischen Bosporus und Anatolien, etwa die Hälfte davon hat auch einen deutschen Pass. Am 15. März wollten SPD, Grüne und Piraten eine Verfassungsänderung erzwingen, um auch Ausländern von außerhalb der EU das Wahlrecht zu geben.

Die Ministerpräsidentin sagte zur Begründung, es seien „Bürger mit türkischen Wurzeln, die bei uns leben, die hier hergekommen sind, ob sie oder ihre Vorfahren, sich in das Gemeinwesen hier in Nordrhein-Westfahlen einbringen. Für uns sind sie alle Nord­rhein-Westfahlen“. Die Doppelpass-Türken können ohnedies bei uns mitwählen. Aber die SPD will partout alle Türken mitbestimmen lassen.

Heinz-Peter Kröske, Hameln


S. 21 Reise

Als »Ringel« am Meerbusen fror
Stranderlebnisse an Lettlands Küste – Dichter Joachim Ringelnatz urlaubte an der »Riviera des Baltikums«

Vor dem Ersten Weltkrieg ent­deck­te der Dichter Joachim Ringelnatz das lettische Seebad Jurmala als Refugium fürs Verseschmieden. Heute blüht Jurmala als Urlaubsort auch dank vieler deutscher Gäste wieder auf.

Am Rigaischen Meerbusen liegen die längsten Sandstrände Europas, die sich 20 Kilometer nordwestlich von Riga schier endlos hinstrecken. 1958 wurden 15 Dörfer an Lettlands Ostseeküste zu einem Kurort zusammengelegt, der seinen Namen nach dem 26 Kilometer langen Sandstrand er­hielt: Jurmala heißt auf Lettisch „Strand“. Der Ort erstreckt sich entlang der Küstenlinie von der Mündung des Flusses Lielupe bis Kauguri im Osten, wo fast die Hälfte der Einwohner lebt. Mit 56000 Einwohnern ist Jurmala das größte Seebad der baltischen Staaten am Meerbusen.

Zu Recht bezeichnet man die Strandstadt als „Riviera des Baltikums“. In der Sommersaison ist Jurmala ein beliebtes Reiseziel von Urlaubern aus Lettland, Russland und ganz Europa. Die Besucher lockt neben dem Badevergnügen ein breites Angebot an Sportaktivitäten und Erholung. Auch werden in der Stadt wieder Kuren, Bade-, Heil- und Reha-Dienstleistungen angeboten. Ke­meri ist schon seit Jahrhunderten wegen seiner heilsamen schwefelhaltigen Quellen bekannt. 1838 verlieh Zar Nikolaus I. dem Dorf das Prädikat Kurort.

Der Kern von Jurmala ist Majori. Hier verläuft die einzige Fußgängerzone der Stadt, die im Sommer zur Flaniermeile wird. Im Naturpark Ragakapa kann man die einmalige Mischung von frischer Seeluft und dem angenehmen Klima des Kiefernwaldes erleben. Gleich daneben befindet sich das Freilichtmuseum.

Einige Ortsteile von Jurmala sind aus Fischerorten hervorgegangen. Als in Deutschland die ersten Seebäder populär wurden, entdeckten auch die Rigaer Bürger die nahe Küstenregion als Erholungsraum für sich. Die ersten Unterkünfte für die Feriengäste erbauten die Fischer selbst. Seit Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Riga-Tukums im Jahr 1877 erlebten die Fischerdörfer an der Ostsee einen wahren Bauboom. Namhafte Architekten wurden bestellt und hinterließen eine großartige Vielfalt der vom Jugendstil beeinflussten Bäderarchitektur. Kunsthandwerker fertigten die detailreichen Dach- und Fassadenschnitzereien. Die Liste der Architekturdenkmäler um­fasst 408 Häuser. Insgesamt existieren noch 4000 Gebäude der historischen Bebauung.

Bilderlingshof (Bulduri) war bis 1914 der bevorzugte Sommerwohnsitz des deutschbaltischen Geld- und Blutadels und des Stadtbürgertums Riga. Bilderlingshof ist in die deutsche Literaturgeschichte eingegangen, weil der Schriftsteller Joachim Ringelnatz alias Hans Bötticher in seinen 1931 erschienenen Memoiren „Mein Leben bis zum Kriege“ über seine desolate Situation während der Wintermonate 1911/12 in dem Ort berichtet hat.

Der chronisch in Geldnöten steckende Hans Bötticher hatte die Sommermonate des Jahres 1911 als Gast auf dem kurländischen Anwesen Halwigshof an der Düna verbracht und dort in einer großen Hausgemeinschaft das müßige, sorglose Leben der adeligen Oberschicht genossen. Dorthin hatte ihn sein Münchener Freund Baron Thilo von Seelbach eingeladen, der mit der Tochter des Gutsbesitzers verlobt war und auf Halwigshof Hochzeit feiern wollte. Die beiden Bohemiens kannten sich aus der Künstlerkneipe „Simplizissimus“, wo „Ringel“, wie seine Freunde ihn nannten, als Rezitator seiner eigenen Versdichtungen auftrat.

Zum Gut Halwigshof gehörte neben einer großen Landwirtschaft auch ein Sanatorium, wo vor allem russische Familien einen Kur-Urlaub verbrachten. So bot sich dem kontaktfreudigen Bötticher in der idyllischen Um­gebung auch viel Abwechslung. Kurz nach der Eheschließung des Freundes verließ er Halwigshof und fuhr nach Riga, wo er seine Freundinnen Fanny von Deters und Selma Plawneck, die er Franjka und Wanjka nannte, mit seinem Besuch überraschte. Man kannte sich ebenfalls aus dem „Simplizissimus“. Die junge Malerin Selma von Plawneck gehörte um diese Zeit bereits zu den bekanntesten jungen Künstlerinnen des Baltikums.

Das Jahr über pendelte sie zwischen ihrem Wohnort Riga und München hin und her. Zu Dritt unternahmen sie an schönen Herbsttagen Ausflüge mit der Eisenbahn und quartierten sich in Wanjkas zweigeschossigem Sommerhäuschen in Bilderlingshof ein. Allen Warnungen zum Trotz entschloss sich der Humorist, mit­tellos wie er war, in der Kate zu überwintern und dort auf eventuell eintreffende Tantiemen zu warten.

Das sollte er bitter bereuen. In dem zweigeschossigen Häuschen war nur die Wohnstube durch einen Ofen beheizbar. In der Nähe verlief eine Dünenstraße aus Holzbrettern durch den Sand. Ganz auf sich allein gestellt kämpfte er gegen die bittere Kälte an. Einmal war sogar die Klappe des Ofens festgefroren, er konnte sie nur mit Hammerschlägen öffnen. In dieser verzweifelten Lage litt er umso mehr an seiner Einsamkeit.

Manchmal besuchten ihn Wanjka und Franjka, um ihn ein wenig aufzumuntern. Bilderlingshof war im Winter nur von Letten be­wohnt. „Es wohnten ja nur ungebildete und unfreundliche Letten um mich, kein einziger Mensch, mit dem ich einmal ein Wort austauschen konnte. Ich ging in der Glasveranda wie ein gefangenes Tier auf und ab“, schrieb Bötticher in seinen Memoiren.

Mitunter fuhr er nach Riga, um einen Wertgegenstand zu versetzen oder auch wieder einzulösen. Einmal versetzte er seine Manschettenknöpfe, um mit seinen Freundinnen ein Maskenfest zu besuchen. Ende Januar 1912 war für ihn das Martyrium zu Ende. Jubelnd schrieb er Wanjka, dass er eine „herrliche, köstliche, kaum glaubliche Stellung“ erhalten habe, nämlich als Bibliothekar beim Grafen Yorck von Wartenburg auf Schloss Klein-Oels in Niederschlesien nahe Breslau.

Selma Plawneck kehrte ihrer baltischen Heimat 1919 endgültig den Rücken und übersiedelte nach München. 1921 heiratete sie den 20 Jahre älteren Maler Adolf Des Coudres und zog mit ihm nach Bruck, heute Fürstenfeldbruck, vor den Toren Münchens. Bereits drei Jahre später verstarb ihr Gatte. Bis zu ihrem Tod 1956 lebte Selma Des Coudres als Künstlerin und Porträtmalerin in Fürstenfeldbruck.

Joachim Ringelnatz und Wanjka blieben in Freundschaft verbunden. Inspiriert von ihren Landschaftsbildern verfasste Ringelnatz 1911 sein Gedicht „Die Dü­nenwälder bei Riga“: „Die Kiefernwälder meiner Heimat / Rauschen ein ernstes, ergreifendes Lied / Von Einsamkeit und Ewigkeit. / Dort habe ich oft meine kindlichen Sorgen / Still in das traumvolle Moos geweint.“

                Dagmar Jestrzemski


Augenbraue der Berge
Architekturfreunde zieht es 2017 in die Wüste Arizonas zum Wohnhaus des vor 150 Jahren geborenen F. L. Wright

Er trug stets Anzug und Krawatte und war immer perfekt gekleidet. Frank Lloyd Wright stand in dem Ruf, einer der schillerndsten US-Architekten zu sein. Mit seinem in Scottsdale im Bundesstaat Arizona gelegenen Atelier „Taliesin West“ schuf er 1937 nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch am Rande der Wüste einen persönlichen Rück­zugsort, der heutzutage einen besonders intimen Einblick in Wrights Leben erlaubt.

Anlässlich des 150. Geburtstags des Star-Architekten startete die Frank-Lloyd-Wright-Stiftung da­her neue Führungen: Bei der „Garden Walk Tour“ wird den Be­suchern verdeutlicht, dass Natur, Farben und Materialien der Sonora-Wüste das Genie maßgeblich inspirierten. Wrights Verständnis einer organischen Architektur, die ihre Umgebung beeinflusst, zeigt sich darin, dass das Gebäude aus der richtigen Perspektive wie die Augenbrauen der Berge wirkt. Taliesin bedeutet auf Walisisch „strahlende Augenbrauen“.

Die „Augenbrauen“-Besucher können im am Rande der Hauptstadt Phoenix gelegenen Scottsdale – hier verstarb vor einem Jahr übrigens der Boxer Muhammad Ali – bei der neuen „Private Collections Tour“ außerdem in Wrights Sammlungsgewölbe blicken und seine persönlichsten Kunstwerke bestaunen.

Taliesin West war nicht nur Wrights Winterresidenz, sondern auch zugleich Architekturschule. Heute ist das Gebäude Hauptsitz der Frank Lloyd Wright School of Architecture. Wrights Ideen und viele Werke seiner Schüler sind auch im gesamten Stadtbild von Scottsdale wiederzufinden.

Eine der exklusivsten Ferienanlagen in Scottsdale, das Sanctuary on Camelback Mountain, genießt nicht nur einen legendären Ruf, sondern lässt sich auch mit Wright in Verbindung bringen. Denn das Gebäude wurde in den 50er Jahren von Wrights Schützling Hiram Hudson Benedict entworfen. Mit seinen klaren Linien und dem minimalistischen Ansatz gilt das Hotel als Meilenstein in Scottsdales Architektur.

Auch beim Hotel Valley Ho, das den Charme des Hollywoods der 30er bis 50er Jahre versprüht, lässt sich der Einfluss des Star-Architekten wiedererkennen. Sein Lehrling Edward L. Varney entwarf den Kern der mittlerweile vollständig renovierten Anlage mit den ebenfalls typisch minimalistischen Elementen. Eröffnet wurde das Haus am 20. De­zember 1956. Anlässlich des 60. Geburtstags vor einem halben Jahr wird bis 2017 hinein mit verlockenden An­geboten gefeiert. Bis Ende des Jahres gibt es beispielsweise zehn Prozent Rabatt auf ein Zimmer, zwei Willkommensgetränke und eine Zehn-Dollar-Zimmer-Hochstufung bei der Ankunft. Wer also einmal dort übernachten möchte, wo bereits Hollywood-Stars wie Tony Curtis oder Zsa Zsa Gabor zu Gast waren, dem bietet sich jetzt gute Gelegenheit dazu.

Alle Architektur- und Design-Begeisterten sollten sich auch nicht das Scottsdale Museum of Contemporary Art entgehen lassen. Das von dem preisgekrönten Architekten Will Bruder umgestaltete ehemalige Kino mit seinen unverkennbaren klaren Formen befindet sich in Scottsdales beliebtem Viertel Old Town und verfügt über eine der weltweit größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst, moderner Architektur und exklusiver Designexponate. Auch hier stoßen die Besucher immer wieder auf die Spuren von Wright.        H. Tews/D. Jestrzemski

Reiseangebote und Buchungen: www.experiencescottsdale.com


Urteil stärkt Flugreisende

Verzögerungen am Flughafen, die dazu führen, dass der ge­buchte Flug nicht wie geplant an­getreten werden kann, sind ein Ärgernis und bringen oft hohe Zusatzkosten mit sich. Wer seinen Anschlussflug verpasst, weil der Zubringer-Flug Verspätung hatte, kann sich mit Entschädigungsansprüchen an die Fluggesellschaft  wenden. Doch was passiert, wenn schon der erste Flug verpasst wird, weil es bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu endlosen Schlangen kommt? Ein Szenario, das gar nicht so selten ist, und für das bislang niemand haften wollte.

Der Flughafen trägt durchaus eine Mitschuld, wenn der Reisende seinen Flieger verpasst. Vorausgesetzt wird, dass der Reisende rechtzeitig am Flughafen ist und seinen Flug aufgrund einer enorm langen Schlange, mit der nicht zu rechnen gewesen sei, an der Sicherheitskontrolle verpasst. So entschied Anfang März ein Gericht in Erding. Es ist ein Urteil, dass Reisenden Hoffnung darauf macht, in Zukunft eine Entschädigung direkt vom Flughafen erhalten zu können.

Wer sich rechtzeitig zum Flughafen begibt und nachweislich rechtzeitig eincheckt, sein Gepäck aufgibt und sich zur Sicherheits-kontrolle begibt, hat alles Notwendige unternommen, um seinen Flug wahrzunehmen. Das ist die Schlussfolgerung, die sich aus dem Urteil des Amtsgerichts Erding ableiten lässt. Rechtzeitig bedeutet dabei nach Einschätzung von Reiserechts-Experten bei innerdeutschen Flügen eine Stunde vor Abflug, bei Flügen in ein Land innerhalb der EU eineinhalb Stunden vor Abflug.

In dem Fall, der vom Amtsgericht Erding verhandelt wurde, hatte eine Familie geklagt, die von München aus nach Istanbul fliegen wollte. Nach dem Einchecken am Flughafen begaben sich die Reisenden zur Sicherheitskontrolle. Mit der verbleibenden Zeit von rund anderthalb Stunden bis zum Abflug hätte dieser Zeitraum ausreichen sollen, um rechtzeitig an Bord des Flugzeugs zu gehen.

Doch als der gebuchte Flug rund anderthalb Stunden später das Boarding beendete und das Flugzeug wenig später auf die Startbahn rollte, stand die Familie noch immer in der Schlange. Und das, obwohl der Kläger dem Flughafen-Personal gegenüber seine Besorgnis im Hinblick auf die lange Wartezeit kundgetan hatte. Die Familie musste ihren Flug umbuchen. Es entstanden da­durch Mehrkosten in Höhe von rund 600 Euro.

Das Urteil des Richters sprach dem Kläger eine Erstattung von 80 Prozent seiner Mehrkosten zu. Ihm wurde eine Mitschuld angerechnet, da er seine Situation an der Sicherheitskontrolle mit mehr Nachdruck hätte zur Kenntnis geben müssen. In der Schlange stehen zu bleiben und zu warten, sei in diesem Fall nicht ausreichend gewesen.

Das Urteil, das in gewisser Weise ein Meilenstein ist, hat jedoch für viele Fälle von Verzögerungen keine übertragbare Vergleichbarkeit. Die Voraussetzung, rechtzeitig am Flughafen anzukommen, lässt sich mit dem Einchecken am Flughafen zeitlich nachweisen. Da immer mehr Reisende jedoch vorab online einchecken, wird es in diesen Fällen schwer sein, das rechtzeitige Erreichen des Flughafens nachzuweisen.  Stephanie Sieckmann


S. 22 Bücher im Gespräch

Terror in Deutschland
Holger Schmidt zieht Vergleiche zwischen IS- und RAF-Anschlägen

Vor 40 Jahren erschütterte  die Rote Armee Fraktion (RAF) die Bundesrepublik in bisher nicht gekanntem Maße, doch nie hat sich Westdeutschland so erfolgreich den Terroristen entgegengestellt. Deren Tötungen einzelner Persönlichkeiten standen im völligen Gegensatz zur Rechtfertigung ihres Vorgehens. Dies verstärkte die Debatte um den politischen Sinn dieser Morde und, wie der Autor Holger Schmidt analysiert, sie „brachen der Gruppe schließlich ideologisch das Genick“.

Wollte die RAF mit ihren Taten bekannt werden, gab es bei der NSU keinerlei Propaganda-Aktionen, sodass die Täter der gängigen Sichtweise zufolge über ein Jahrzehnt unentdeckt morden konnten. Der Leser erfährt von vielen Merkwürdigkeiten sowie dem Versagen der Politik. In den letzten Jahren gehe die größte Terrorgefahr vom „Islamischen Staat“ aus, der massive Propaganda betreibe. Seine „Gotteskrieger“ seien noch radikaler und brutaler, da sie ihre Opfer willkürlich auswählten und ihr Leben einzusetzen. Dies ziehe nicht wenige junge Menschen in Europa an, in Syrien „für Allah“ zu kämpfen. Manche Rückkehrer stoße jedoch die Brutalität ab. Viele von ihnen indes dürften „Schläfer“ sein und auf Befehle für Attentate in ihrem Heimatland warten.

Ihr erster Terroranschlag erfolgte 2006. Mit ihm wollten die Verantwortlichen Rache nehmen für eine Karikatur des Propheten Mohammed, aber wegen Denkfehlern der Attentäter beim Bau der Sprengsätze schlug dieser fehl. Der Autor hätte dabei betonen sollen, dass manche Politiker damals nur die Religionsfreiheit als Grundpfeiler unserer Verfassung sahen; dass ein Mord stets ein Mord bleibt, übersahen sie offenbar. Das Buch schildert die Vorfälle des vergangenen Jahres in Würzburg und Ansbach sowie besonders den Fall al-Bakr, der offenbar einen Berliner Flughafen sprengen sollte.

Am 19. Dezember 2016 kam es zur Katastrophe am Berliner Weihnachtsmarkt. Dabei wurde der 24-jährige Tunesier Anis Amri wiederholt im Abwehrzentrum als „Gefährder“ genannt, gegen ihn lief ein Ermittlungsverfahren, V-Männer wurden auf ihn angesetzt, doch angesichts des Personalmangels war die Observation nur sporadisch. Bis heute ist sehr vieles ungeklärt, noch immer hat angeblich niemand Schuld an dem völligen Versagen unserer Sicherheitsstellen …

Bei allen diesen Fragen müsse man der deutschen Bevölkerung „größtes Unwissen“ bescheinigen, insbesondere seien die Erfolge des Bundesnachrichtendiensts (BND) unbekannt. Oft werde vieles als „Geheimdienstgespinste“ abgetan, andererseits würden dem Verfassungsschutz unbegrenzte Möglichkeiten unterstellt. Verständlicherweise könnten diese Stellen nicht alles öffentlich darlegen. Tatsache sei, dass diese viel zu spät die Gefahr der „Gotteskrieger“ erkannt hätten  und nicht hätten glauben wollen, dass wohl etliche von ihnen ganz bewusst über die Balkanroute eingeschleust wurden. Wir haben 40 Abwehrbehörden mit insgesamt 5828 Bediensteten, die allzu oft neben-, zuweilen aus Neid und Vorurteil sogar gegeneinander arbeiteten. Gegen ein Zusammenlegen kleiner Verfassungsschutzstellen werde auf die föderale Souveränität, regionales Know-how verwiesen, kein Amt wolle Kompetenzen abgeben. Immerhin ist das Bundeskriminalamt in eine Zentralstelle zu einer Bundespolizei umgebaut worden. Die Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei basiert auf einer Anordnung der Siegermächte, die aber nicht verfassungsrechtlich verankert und nach Ansicht vieler Juristen mit dem Deutschlandvertrag (1955) erloschen ist. Ein Darüber-Nachdenken wäre nach Ansicht des Verfassers ein lohnender Ansatz.

Eine europäische Terrorismusbekämpfung? Die einzelnen Länder haben unterschiedliche Ansichten über Datenschutz und Persönlichkeitsrechte sowie auch nicht dieselben Arbeitsweise. Ob die Unabhängigkeit unserer Justiz immer gewährleistet ist, muss nach dem Buch angezweifelt werden. Ohnehin sind die Gerichte überlastet, ihre Terror-Prozesse dauern länger als in an­deren Ländern, und ihre Strafen sind häufig zu gering. Notwendig ist gemäß dem Autor primär eine personelle Verstärkung der Polizei. Ziemlich pessimistisch glaubt er, nur eine Katastrophe würde wohl Veränderungen in unserem Staatswesen erzwingen.

                Friedrich-Wilhelm Schlomann

Holger Schmidt: „Wie sicher sind wir?“, Orell-Füssli-Verlag, Zürich, 2017, gebunden, 288 Seiten, 19,95 Euro


Verfrühte Schlüsse
Zum 100. Geburtstag

Manche Bücher erscheinen zu spät, andere hingegen zu zeitig. Und auf „JFK. Staatsstreich in Amerika“ von Mathias Bröckers trifft sogar beides zu. Einerseits bietet der ehemalige „taz“-Redakteur nämlich eine „aktualisierte Neuauflage“ seines Werkes von 2013, die keine nennenswerten weiteren Erkenntnisse enthält und daher letztlich nur als zweiter Aufguss aus Anlass des 100. Geburtstages von John F. Kennedy eingestuft werden kann. Andererseits läuft am 26. Oktober dieses Jahres die Sperrfrist für immerhin 37571 bisher geheim gehaltene Dokumente von FBI, CIA und Justizministerium über die Ermordung des Präsidenten ab. Deren Auswertung hätte Bröckers besser abwarten sollen, bevor er mit einer Neuauflage von „JFK“ an die Öffentlichkeit tritt.

Aber der frühere Journalist ist sich ja bereits jetzt schon ganz sicher, dass die demnächst zugänglichen Papiere seine Thesen über den Kennedy-Mord in vollem Umfang stützen werden. Diese lauten in knapper Zusammenfassung: Die tödlichen Schüsse von Dallas seien ein „Staatsverbrechen“ gewesen und keinesfalls von dem „Sündenbock“ Lee Harvey Oswald abgegeben worden. Einige besonders reaktionäre und auf Konfrontation mit der UdSSR versessene Verschwörer in Kennedys eigener Regierung sowie den Geheimdiensten der USA hätten den Präsidenten von Kriminellen ermorden lassen, um dessen Politik der Deeskalation im Kalten Krieg ein nachhaltiges Ende zu bereiten.

Nun, im Herbst wissen wir mehr. Dann wird sich zeigen, ob es Beweise für Bröckers Vorwürfe gegenüber Personen wie Allen Welsh Dulles von der CIA und Luftwaffenchef Curtis LeMay gibt oder ob der von seiner Argumentation absolut überzeugte Autor blamiert dasteht.       Wolfgang Kaufmann

Mathias Bröckers: „JFK. Staatsstreich in Amerika“, Westend-Verlag, Frankfurt/Main 2017, broschiert, 295 Seiten, 18 Euro


Schreiben gegen Folter
Türkische Autorin hat Courage

Asli Erdogan ist nicht nur türkische Romanautorin, sondern auch Oppositionelle. In Zeitungskolumnen und Romanen setzt sie sich für politisch Verfolgte ein. Besonders hat sie die Diskriminierung der Kurden in der Türkei angeprangert. Sie nennt Willkür, Unterdrückung, Gewalt wie Folter und Vergewaltigungen beim Namen. Diese Offenheit brachte ihr nach dem gescheiterten Militärputsch im vergangenen Dezember ihre Verhaftung und ein Schreibverbot ein.

Das vorliegende Buch ist ein Band mit 29 Essays, die unter anderem von der tiefen Spaltung der Türkei erzählen. Neben Präsident Erdogan (die Namensgleichheit mit der Autorin ist zufällig) von dessen AKP-geführten rückwärtsgewandten Landleuten gibt es europäisch-orientierte, gut ausgebildete Türken, die es zunehmend schwerer haben.

Die studierte Physikerin Asli Erdogan bedient sich einer literarisch-poetischen Sprache, die es dem Leser zuweilen erschwert, das Thema des jeweiligen Essays zu erfassen. Die Anmerkungen der Übersetzer mit Informationen zum Kontext sind hier hilfreich.

Wie Erdogans Zukunft als Kolumnistin und Romanautorin aussieht, ist noch unklar. Sie wurde für die Dauer des laufenden Prozesses aus der Haft entlassen.

MRK

Asli Erdogan: „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“, Knaus Verlag, München 2017, gebunden, 192 Seiten, 17,99 Euro


Schriften wider alle Dogmen
Texte aus dem Nachlass des deutschen Historikers Rolf Peter Sieferle

Der Historiker Rolf Peter Sieferle hat im September 2016 den Freitod gewählt. Sein umfassendes Werk harrt noch immer einer angemessenen Rezeption. Unter mehreren posthum publizierten Schriften befindet sich ein Band, welcher 31 skizzenartige Darlegungen vereint. Um Deutschland geht es. Um Geschichte und Gegenwart, Bewertungen, Perspektiven, Politik, Anthropologisches und Philosophisches. Es sind, je nach Standpunkt, Provokationen oder wohltuende, sachlich-argumentativ unterfütterte Ansichten. Der Titel „Finis Germania“, welcher den Lateiner zunächst stutzen lässt, ist bewusst gewählt. Die vor Jahren verfassten, aber nichtsdestotrotz für die Gegenwart aktuellen Texte enthalten viele Thesen, geeignet als Ansatzpunkte für fundierte Ausarbeitungen. Liberale Demokratie und technische  Moderne sind, wenn auch durch Wissenschaft und Politik anders postuliert, für Sieferle nicht zwingend miteinander verbunden. Er weist darauf hin, dass es gerade in einer modernen Welt zum Holocaust gekommen ist – eine Tatsache, die dem Glauben an einen positiven Fortschritt per se oder gar an eine „irreversible Entwick-lung der Moral“ stark den Wind aus den Segeln nimmt.

Auch der vielfach in der Geschichtsschreibung aufgenommene Terminus vom „deutschen Sonderweg“, der mit dieser Problematik eng verknüpft ist, lasse sich allein mit dem Hinweis darauf relativieren, dass er die Annahme eines „Normalweges“ voraussetze. Dieser wiederum sei abhängig vom Definierenden und damit ebenso hypothetisch wie an Zeit und persönlichen Standort gebunden.

Für Sieferle ist Verantwortung individuell zu betrachten. Schuldkategorien seien eine Frage des Strafrechts, nicht der Geschichte. Gegen Kulturlosigkeit der gegenwärtigen politischen Klasse zieht er zu Felde und konstatiert, historisch und parteiübergreifend, einen deutschen Hang zum „Sozialdemokratismus“. Der den Menschen verändernde Verlust der Kulturlandschaft, welche weit mehr als eine geografische Kategorie sei, wird angeprangert. Sieferle glaubt, dass der öffentliche Umgang mit dem durch den Terminus „Vergangenheitsbewältigung“ charakterisierten Komplex dem vorgegebenen Anliegen alles andere als dienlich sei. Konformitätsdruck, erkenntnislähmender Moralismus sowie der dogmatisch-doktrinäre und erstaunlich widersprüchliche „Antifaschismus“ stehen seiner Meinung nach einem wirklich freien Diskurs unverrück-bar im Wege.

Bezüglich der Zukunft der von ihm analysierten und geschätzten Werteordnung war Sieferle tief pessimistisch. In einem Jüngerschen „Waldgang“, einer inneren Emigration, sah er keine Lösung für sich. Dem weiteren ohnmächtigen Verfolgen der seiner Meinung nach verhängnisvollen  Wege der deutschen Gegenwart hat er das vorzeitige Ende seiner physischen Existenz vorgezogen.                E. Lommatzsch

Rolf Peter Sieferle: „Finis Germania“, Verlag Antaios, Schnellroda 2017, gebunden, 104 Seiten, 8,50 Euro


Konservative als Feindbild
Ex-»Frankfurter Rundschau«-Redakteur vertritt eine simple Ideologie

Wie einfach sind doch die Rezepturen, wenn man eine simple Ideologie hat, die alle Komplexitäten ausblendet. Die Feinbilder müssen stimmen.

Da ist zuerst die Kanzlerin, die selbst dem Autor ein „Rätsel“ ist, weswegen er ihr eine Ideologie andichtet, den „Merkelismus“. Doch diesen gibt es nicht und das Taktieren aus der Situation heraus folgt keiner „Leitkultur“. Die von Stephan Hebel, Ex-Redakteur der „Frankfurter Rundschau“, propagierte Variante, „Der Anfang ist rot-rot-grün ist ein Wunschtraum eines „Linken“, den selbst die SPD längst ausgeträumt hat. Er scheidet als „Alternative“ aus!

Hebel versteht sein Buch als „Angebot“, die „Dinge anders zu sehen“. Er führt einen „Kampf gegen Rechts“, gegen die „neoliberale Ideologie der Globalisierung“ wie die „rechte Ideologie der nationalen Abschottung“. Er plädiert für eine „Koalition, die die Offenheit von Grenzen mit dem Anspruch der internationalen Sicherung sozialer Standards, gerechter Besteuerung und öffentlicher Daseinsvorsorge verbinden würde“. Ihm fehlt eine „umfassende soziale Integrationspolitik“.

Das sind alles hohle Schlagworte, die schnell dahingeplappert werden können, die aber an der realen Welt wie an den realen Menschen scheitern. Warum wohl ist das Modell der „sozialistischen Internationale“ so kläglich gescheitert? Der Mensch ist halt nicht „von Natur aus gut“. Der „Mensch ist des Menschen Wolf“ und daran hat sich seit Urzeiten trotz aller idealistisch-utopischen Gesellschaftsentwürfe nichts geändert.

Hebel brandmarkt die „neo-rassistische Ideologie“ der AfD, die sich bereits in „gut-bürgerliche Kreise gefressen“ habe. Offensichtlich sieht er Gespenster, denn wenn eine Ideologie mit der „einen Rasse“ argumentiert, dann die Linke. Sie lehnt den „Ethnopluralismus“ entschieden ab, sondern propagiert die totale Rassendurchmischung. Sie fordert für den Menschen das, was sie bei Pflanzen und Tieren kategorisch ablehnt. Da gibt es die Biodiversitäts-Konvention, die zusammen mit der Klimarahmen-Konvention 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Da werden einheimische vor invasiven Arten geschützt, auch mit Gewalt!

Hebel singt ein Loblied auf den „Erlöser“ Martin Schulz, doch alle drei Landtagswahlen hat dieser „Hoffnungsträger“ wohl deswegen verloren, weil er „Rot-Rot-Grün“ als Option an die Wand gemalt hat.

Wenn Hebel den amerikanischen Präsidenten Donald Trump als „neoliberalen Neorassisten“ bezeichnet, muss er sich fragen, ob der ständige Blick durch eine rot-rot-grün gefärbte ideologische Brille ihn nicht blind gemacht hat für den Arten- und Farbenreichtum der realen Welt. So kämpft er gegen „Gespenster“ oder Windmühlen, die es gar nicht gibt. Wen außer sich will er überzeugen?       Wolfgang Thüne

Stephan Hebel: „Mutter Blamage und die Brandstifter. Das Versagen der Angela Merkel – warum Deutschland eine echte Alternative braucht“, Westend Verlag, gebunden, 255 Seiten, 18 Euro


Streit mit dem König
Blicke ins Schloss Sanssouci

Das Bilderbuch über einen Streit zwischen Friedrich dem Großen und dem Müller von Sanssouci aus dem Elsengold-Verlag zeigt einen Einblick in das bekannte Schloss, wie Friedrich dort mit seinen Hunden lebte. Man erfährt, was Friedrich zum Frühstück aß und dass seine Hunde immer etwas abbekamen. In der Geschichte möchte der König schon am frühen Morgen komponieren.

Doch dann ertönt ein Schrei durch den königlichen Garten. Der Müller Johann von nebenan kann sein Mehl nicht mehr richtig mahlen, weil das Königsschloss seiner Mühle den Wind nimmt. Außerdem wirft das Schloss Schatten auf seinen Garten. Friedrich tritt vor all die Leute, die sich in seinem Garten versammelt haben. Schließlich  hat der König eine rettende Idee und alle sind zufrieden.

Was am Buch beeindruckt, sind die von Barbara Schumann mit leichter Hand eingestreuten Details über Friedrichs Neigungen. Wer jemals im Schloss Sanssouci war, wird hier im bezaubernden Bilderbuch die Bibliothek des Königs wiedererkennen.

Am Ende gibt es einen Lebenslauf des Königs und ein Rezept für knusprige Königsbrötchen zum Nachbacken wie aus der Schlossküche. Ein Bilderbuch, das sich hervorragend zum Vorlesen eignet, aber auch Erwachsenen Freude bereitet.             Silvia Friedrich

Andrea Weisbrod/Barbara Schumann: „Friedrich und der freche Müller“, Pappbilderbuch, 32 Seiten, 14,95 Euro


S. 23 Anzeige Rautenberg Buchhandlung

Anzeige Rautenberg Buchhandlung


S. 24 Panorama

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Brauner Wind / Wie Merkel wieder ganz nach oben kam, wie Käßmann zum Rassismus fand, und wie in Cannes die Wirklichkeit verrutscht ist

Wie sich alles wieder ändern kann, und dazu noch so schnell! Schluss mit „Merkeldämmerung“, die wir vor nicht mal einem Jahr heraufziehen sahen. Die Kanzlerin hat Gipfel erklommen, die selbst ihre besinnungslosesten Zujubler bislang kaum für erreichbar hielten.

Angela Merkel bilde nunmehr den „archimedischen Punkt der liberalen Demokratie“, um den andere Staatsführer herumbalzten, schmachtet Ulf Poschardt in der „Welt“. Die starke Frau aus Berlin strahle „noch heller“, die „Macher der freien Welt“ drängelten sich um sie.

Da strotzen wir Deutsche doch vor Stolz auf unsere Regierungschefin, die uns sozusagen zur Führungsmacht der Guten in der Welt emporgeschraubt hat. Der Blick von hier oben auf die miesen kleinen Trumps, Mays oder Putins dort unten im Getümmel fühlt sich fabelhaft an.

Wie wir es bis hierauf geschafft haben, ist kein Geheimnis: Wir haben uns die Welt so lange und gründlich durch den Filter unserer Wunschvorstellungen gegossen, bis alles so aussah, wie wir es gerne hätten.

In dieser Welt können Konferenzen und deutsche Gesetze dem Weltklima die Schranken weisen, bedarf es keiner Grenzkontrollen mehr, weil die Bundesrepublik die Lebensumstände von mehr als einer Milliarde Afrikanern derart verbessern wird, dass sich die „Fluchtursachen“ in Luft auflösen. Hier wird „Entwick­lungshilfe“ mit dem Wehretat verrechnet, weil Brunnenbohren und Küchenbauen in der Dritten Welt unsere Sicherheit viel wirksamer (und vor allem auf viel nettere Art) garantieren als Verteidigungsfähigkeit.

Angela „Wir schaffen das!“ Merkel hat diesen wunderbaren Zeitgeist vollständig in sich aufgenommen. Daher werden wir Deutsche sie im September im Gefühl tiefster Geistesverwandtschaft wiederwählen.

In dieser unserer sauberen Filterwelt ist der Euro eine Erfolgsgeschichte, Griechenland schon fast genesen und radikal-islamischer Terror nichts als eine Reihe von Einzelfällen, die nichts mit dem ... und so weiter. Das einzige Problem stellen „Rechte“ dar (Multi-Kulti-Zweifler, „Klimaleugner“, Gender-Gegner, Euro-Kritiker, Islam-Warner oder ähnliches Pack) und − ja − „Deutsche“!

Deutsche? So ganz allgemein? Ja, das wussten wir auch nicht, bis uns Margot Käßmann auf dem EKD-Parteitag („Kirchentag“) die Augen öffnete. Der Wunsch der AfD, dass die Deutschen wieder mehr Kinder bekommen mögen, entspreche dem „kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten“, donnerte sie ihren vor Begeisterung tosenden 5000 Zuhörern in Berlin zu. Wie sie darauf kommt? „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern. Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht“, erklärt uns die offizielle Botschafterin des EKD-Rats für das Reformationsjubiläum 2017.

Für diese Einlassung müssen wir Frau Käßmann aufrichtigen Dank zollen. Wir ahnten ja schon lange, dass linker „Antirassismus“ und antideutscher Rassismus irgendwie miteinander verwoben sind. Doch die frühere EKD-Ratsvorsitzende hat den Kurzschluss beider Ideologien so hell wie selten aufblitzen lassen.

Wer dem Verdacht entgehen will, vom „braunen Wind“ in die Welt gepustet worden zu sein, der muss demnach eine rassisch einwandfreie Ahnentafel vorlegen können, die ein Mindestmaß an Multi-Kulti aufweist. Wehe dem, der da nur Deutsche drin hat. Damit hat Käßmann den Kreis vom Nationalsozialismus über den Antifaschismus zum zeitgenössischen Neorassismus geschlossen − unter dem rasenden Jubel von 5000 Begeisterten mitten in der Reichshauptstadt.

Wir wollen jedoch nicht allzu hart sein. Käßmann hat es vermutlich besonders gestört, dass die AfD vor allem mehr „deutsche“ Kinder will. In ihrem Furor ist sie dann unversehens in die Abgründe der Rassenpolitik gestolpert. Laut dem herrschenden Dogma steht die Unterscheidung von deutsch und nichtdeutsch unter Höchststrafe, es darf nur „Menschen“ geben, deren Identität oder Herkunft in der Weltgesellschaft ignoriert werden müssen.

Vor dem Hintergrund ist die Empörung der EKD-Politikerin über den AfD-Vorstoß schon verständlich − zumindest, solange man die ungefilterte Wirklichkeit draußen hält, die auf Kirchentagen aus gutem Grunde nichts zu suchen hat.

Diese hässliche Wirklichkeit sieht nämlich so aus, dass sich ausgerechnet Eltern ausländischer Herkunft darüber beklagen, dass in den Schulklassen ihrer Kinder kaum noch deutsche Mitschüler die Bank drücken. Das bremse die Integration ihres eigenen Nachwuchses und vermindere so dessen Entwicklungschancen. Mit anderen Worten: Besorgte Einwanderer sehen ihren Nachwuchs von einem grassierenden Deutschenmangel bedroht. Manche, wie ein kurdischer Bekannter des Verfassers dieser Zeilen, verlegen ihren Nachwuchs gezielt auf Schulen, an denen „echte“ deutsche Schüler (also, mit Käßmann gesprochen, das Treibgut des „braunen Windes“) noch Ton und Takt vorgeben, statt ihn den Stadtteilschulen auszusetzen, wo Immigranten dominieren.

Zwickt Sie jetzt auch der Wunsch, Margot Käßmann einmal mit dieser Entwicklung zu konfrontieren, um zu hören, was die gute Frau dazu zu sagen hätte? Müsste das nicht spannend werden? Brächte sie das nicht in arge Erklärungsnöte, wenn nicht gar       − zum Nachdenken?

Ach, begraben wir unsere Hoffnung. Ich verrate Ihnen, was uns erwartet: Die „Reformationsbotschafterin“ schlüge uns um die Ohren, dass wir die „Sorgen und Nöte von Zuwandererfamilien für populistische Parolen missbrauchen“, und Schluss!

Machen wir uns also keine Illusionen. Die Keule hängt immer bereit, mit der man jeden plattmachen kann, der mit der echten Wirklichkeit aufzutauchen wagt.

Wie fest die Bastionen gegen die „Welt da draußen“ stehen, konnten wir sogar bei den Filmfestspielen in Cannes beobachten. Die Korrespondentin des deutschen Staatsfernsehens zeigte sich einigermaßen ernüchtert. Sicher, das Wetter sei ganz toll, und es habe wieder eine lange Reihe sehr guter Filme gegeben. Aber die Feierlaune, welche die Festspiele bislang jedes Jahr zu einem rauschenden Erlebnis erhoben hätte, sie sei kaum spürbar gewesen dieses Mal.

Denn 2017 sei alles militärisch abgeschirmt gewesen, überall schwer bewaffnete Sicherheitkräfte, Sperren gegen mögliche Lkw-Attentäter und Kontrollen, Kontrollen, Kontrollen. Die Angst vor einem radikal-islamischen Anschlag mit vielen Toten wie in Nizza, in Berlin oder gerade eben erst in Manchester hat das Filmfest gründlich verdunkelt.

Nun ist Cannes ja bekannt dafür, dass hier nicht die seichte Klamotte das Bild beherrscht, sondern ernste, künstlerisch hochwertige und insbesondere auch politisch kritische Filme. So einer war auch der deutsche Beitrag „Aus dem Nichts“ des in Berlin gefeierten Regisseurs Fatih Akin, allerdings auf eine sehr gegenwartsdeutsche Art.

Während draußen nämlich ganze Bataillone gegen die radikal-islamische Terrorbedrohung aufgezogen waren, stürzte sich „Aus dem Nichts“ auf jenen Winkel, den die gutgefilterte, merkeldeutsche Wahrheit als eigentlichen Quell der allgegenwärtigen Gefahr für jedermann festgelegt hat: den Naziterror.

Das nötigt uns beinahe eine frivole Art von Bewunderung ab. Wie haben es Akin und seine Kollegen bloß geschafft, durch die gewaltigen Antiterror-Barrieren von Cannes zu schlüpfen, ohne den geringsten Verdacht, dass ihre eigene Schwerpunktsetzung vielleicht ein wenig verrutscht sein könnte? Andererseits mag einen angesichts dessen auch eine gewisse Verzweiflung erfassen: Sie lernen nicht, egal, wie schmerzhaft ihnen die tatsächliche Wirklichkeit auch auf die Füße fallen mag. Aber vielleicht benötigen sie ja auch nur ein bisschen länger dazu, wer weiß?


MELDUNGEN / ZUR PERSON

Peinliche Umweltbilanz

Stuttgart – Eine peinliche Statistik hat im Landtag von Baden-Württemberg für Aufregung gesorgt. Danach hat sich die CO²-Belastung durch Flüge von Bediensteten der grün dominierten Landesregierung zwischen 2010 und 2015 um 52 Prozent erhöht. Dies meldet die „Stuttgarter Zeitung“. Zuletzt waren die Grünen mit Vorschlägen zu einer SUV-Steuer, Fahrverboten und Preiserhöhungen beim Dieselkraftstoff hervorgetreten.           H.H.

 

Terrorsoldaten bilden Armee

Wien/Budapest – Wie die österreichische Zeitung „Wochenblick“ meldet, hat der ungarische Geheimdienstexperte László Földi vor einer „muslimischen Armee“ gewarnt, die sich in den „No-Go-Zonen“ europäischer Städte herausbilde. Vor allem durch die, insbesondere von Kanzlerin Merkel betriebene, Grenzöffnungspolitik seien Tausende muslimischer Terrorsoldaten unkontrolliert eingesickert.        H.H.

 

Außenpolitischer Schachspieler

Vor 20 Jahren erschien ein politisches Sachbuch, das vielen die Augen geöffnet hat über den Machtanspruch der USA. In „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ enthüllte Zbigniew Brzezinski die geostrategischen Ziele, welche die Vereinigten Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion in Angriff nahmen. US-Politiker sähen vor allem in Eurasien ein „Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird“.

Im Original heißt das Buch entsprechend „The Grand Chess­board“. Jetzt ist der Autor, der selbst einer der großen außenpolitischen Schachspieler der USA war, im Alter von 89 Jahren gestorben. Als Nationaler Sicherheitsberater von Jimmy Carter regte der in Warschau geborene und in Kanada aufgewachsene Sohn eines adeligen polnischen Diplomaten die Normalisierung der Beziehungen zu China an, um damit die Sowjetunion zusätzlich unter Druck setzen zu können.

Der Hardliner befürwortete 1979 die Bewaffnung der radikalen Moslemgruppen in Afghanistan, um die Sowjets in ein „Vietnam“ zu locken − was gelingen sollte. Das heutige Ergebnis − dauerhafter Terror in einer ganzen Region − ist aus Sicht Brzezinskis ein strategischer Erfolg: Solange andere sich gegenseitig schwächen, bleiben die USA stark.

Nur einmal geriet ein Rat des früheren Harvard-Professors zum Fiasko: Die von ihm befürwortete Befreiung der 52 US-Geiseln im Iran durch ein US-Kommando-Unternehmen ging 1980 spektakulär schief. Als Carter danach als Präsident nicht wiedergewählt wurde, verlegte sich Brzezinski zurück aufs Bücherschreiben sowie auf seine Fähigkeiten als Strippenzieher auf Bilderberg- und anderen Konferenzen.           H. Tews


MEINUNGEN

Aufgrund des Säuberungserlasses von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wurde ein Foto von Helmut Schmidt in Wehrmacht­uniform aus der Hamburger Bundeswehr-Universität entfernt. Helmut Markwort schreibt dazu im „Focus“ (27. Mai):

„Die ,Säuberung‘ − der stalinistische Begriff wurde tatsächlich verwendet − löste mehr als 70 Jahre nach dem fürchterlichen Krieg emotionsgeladene Diskussionen aus. In jeder Familie wurden Soldaten betrauert, die ,eingezogen‘ worden waren. Von vielen blieb nur ein Foto in Uniform als letzte Erinnerung an den Heimaturlaub. Die Kriegerwitwen und -waisen wollen weder ihr Gedächtnis noch ihr Fotoalbum säubern.“

 

 

Der Leipziger Medienrechts-Professor Marc Liesching sieht im von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geplanten Gesetz gegen „Hass und Hetze“ im Internet einen schweren Schlag gegen die Meinungsfreiheit, wie er im Gespräch mit dem „Cicero“ (29. Mai) erklärt:

„Wenn man im Hinterkopf das Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro hat, wird man sich als wirtschaftlich denkendes Unternehmen im Zweifelsfall für die Löschung entscheiden. Das wird dazu führen, dass der Beitrag nicht mehr abrufbar ist. Das beeinträchtigt die Meinungsäußerungsfreiheit desjenigen, der die Meinung geäußert hat, aber auch die Informationsfreiheit von jedem Netzwerknutzer, weil er die Beiträge nicht mehr lesen kann.“

 

 

Der Historiker Michael Stürmer warnt in der „Welt“ (30. Mai) davor, das transatlantische Bündnis infrage zu stellen, weil er die Fähigkeit der deutschen Politik zu souveränem Handeln bezweifelt:

„Wer heute über die NATO hinausdenkt, muss wissen, dass er tektonische Kräfte und historische Faktoren in Gang setzt, die schwer einzudämmen sind. Für deren Bewältigung aber fehlt es der deutschen Politik an den Begriffen, den Mitteln und der Führungsfähigkeit.“

 

 

Die Kirchentagsleitung ließ die alten Texte für ihr Gesangbuch „geschlechtergerecht“ umformulieren. Dazu schreibt Heike Schmoll in der „Frankfurter Allgemeinen“ (29. Mai):

„Diese sogenannte ,gerechte Sprache‘ schließt die einen aus, um die anderen einzuschließen. Sie entmündigt den Einzelnen und schreibt ihm unaufhörlich vor, wie er etwas verstehen soll. ,Das Wort sie sollen lassen stahn‘ hat Luther in seinem Reformationslied ,Ein feste Burg ist unser Gott‘ nicht umsonst gedichtet. Sich den Sinn der Texte nach eigenem Gutdünken zurechtzulegen war für ihn das Kennzeichen von Schwärmerei, und die sah er bekanntlich nicht nur im römischen Lehramt, sondern auch in linksreformatorischen Gesinnungsbewegungen am Werk.“

 

 

Die SPD habe Nordrhein-Westfalen wegen der inneren Sicherheit verloren, meint Jan Fleischhauer in „Spiegel-online“ (29. Mai), denn:

„Soziale Gerechtigkeit ist wichtig, klar, das finden alle. Aber noch wichtiger ist den Menschen, dass sie das Haus verlassen können, ohne Angst haben zu müssen, dass die Bude ausgeräumt ist, wenn sie am Abend zurückkommen.“