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05.01.18 / Polens Wähler im Auge / Warum Tusk im Asylsucherverteilungs-Streit die Seiten wechselte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

Polens Wähler im Auge
Warum Tusk im Asylsucherverteilungs-Streit die Seiten wechselte

Der letzte EU-Gipfel des vergangenen Jahres brachte in Brüssel neuen Streit um die Asylpolitik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere Regierungschefs kritisierten den Leiter des Treffens, den Polen Donald Tusk, zum Teil heftig. Der Präsident des Europäischen Rates hatte für die Beratungen des Gipfels ein Papier zur Asylpolitik vorgelegt. Darin bezeichnete er verbindliche Quoten zur Verteilung von Asylsuchern als unwirksames und die EU spaltendes Mittel. Damit stellte sich Tusk erstmals offen auf die Seite seiner polnischen Landsleute und ihrer PiS-Regierung, die sich gegen verbindliche Asylsucheraufnahmequoten wehren. Die Mehrheit der EU-Staaten wirft Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei, den sogenannten Visegrád-Staaten, vor, mit ihrer Verweigerung unsolidarisch gegenüber den übrigen Staaten zu sein. Die EU-Kommission hat vor Kurzem Ungarn, Polen und die Tschechische Republik verklagt, weil sie verbindliche Quoten nicht umgesetzt haben. Bei der Reform des Dublin-Systems geht es im Kern um die Frage, ob verbindliche Aufnahmequoten dauerhaft eingeführt werden. 

Bereits im Vorfeld hatte der EU- Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, der Grieche Dimitris Avramopoulos, Tusks Papier als „inakzeptabel“ bezeichnet. Die Regierungschefs von Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei erklärten vor dem Gipfel, dass sie bereit seien, für Maßnahmen der EU zum Schutz der Außengrenzen über 30 Millionen Euro vor allem in Libyen auszugeben.

Tusk hat mit seinen Bemerkungen zur Asylsucherverteilungspolitik der EU nicht zuletzt auf sein polnisches Heimatpublikum gezielt. Der aus Danzig stammende Kaschube wähnt, dass er in Polen noch eine politische Zukunft haben könnte. Manche trauen ihm zu, bei der 2020 anstehenden polnischen Präsidentschaftswahl anzutreten. Da kann es sich noch einmal als nützlich erweisen, schon jetzt in Brüssel zu bekräftigen, wovon eine große Mehrheit der Polen überzeugt ist: Der Verteilungsschlüssel für Asylsucher sei eine Schnapsidee der Eurokraten, die an der Wirklichkeit scheitern werde.

Dieselbe Angela Merkel, die, ohne ihre europäischen Partner zu konsultieren, die Asylsucherschleusen geöffnet hat, verlangt jetzt am lautesteten die Solidarität der vorher übergangenen Partner. Tusk hat nur eine traurige Wahrheit ausgesprochen, als er den 2015 auf Druck von Merkel ausgedachten Verteilungsschlüssel als „ineffektiv“ und „höchst spaltend“ bezeichnete. Gegen eine gleichmäßige Verteilung der von Merkel eingeladenen Immigranten sind keineswegs nur die Visegrádstaaten, die sich vor allem gegen die Aufnahme von Muslimen wehren. Auch EU-Gründerstaaten wie Frankreich beschwören zwar in blumigen Sonntagsreden gerne europäische Ideale, in der Praxis tun sie jedoch sehr wenig, um Nachbarn in der Asylsucherfrage zu entlasten. 

Das Problem bei der Verteilung der Asylsucher wird jedoch weniger die geringe Aufnahmebereitschaft jener Staaten sein, welche diese nicht eingeladen haben, als vielmehr die geringe Bereitschaft der Asylsucher, sich von der EU-Bürokratie verteilen zu lassen. Es wird sie immer in jene Länder ziehen, wo sie die höchsten Sozialleistungen erhalten. Bevor diese nicht EU-weit vereinheitlicht sind, werden auch die ärgsten Maßnahmen gegen aufnahmeunwillige EU-Mitglieder nicht zum Ziel führen.B.B.