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05.01.18 / »Spielraum für Reformen« / Haushaltsüberschuss: Wirtschaftsweise fordern Steuerentlastungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

»Spielraum für Reformen«
Haushaltsüberschuss: Wirtschaftsweise fordern Steuerentlastungen
Peter Entinger

Die wirtschaftlichen Kennzahlen sind hervorragend. Die Arbeitslosenquote ist gering, viele Menschen zahlen Steuern, noch dazu sind die Zinsen niedrig. Kein Wunder, dass der Staat seit einigen Jahren einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Nun stellt sich mehr und mehr die Frage, was mit den zusätzlichen Einnahmen passieren soll. „Es ist nicht Aufgabe der Finanzpolitik, dauerhaft strukturelle Überschüsse zu erzielen“, sagt Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. 

Laut einer Untersuchung des Instituts liegt der aktuelle finanzpolitische Spielraum des Staates bei rund 30 Milliarden Euro jährlich. Diese Summe ergibt sich, wenn man den Überschuss von aktuell 45 Milliarden Euro um Sondereffekte wie die geringe Schuldenlast infolge der Niedrigzinspolitik der EZB bereinigt. Bleibt es bei der guten konjunkturellen Entwick­lung, dürfte der Handlungsspielraum sogar steigen.

„Die gute konjunkturelle Lage bietet beste Chancen für eine Neujustierung der Wirtschaftspolitik, um Deutschland auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten“, sagt Christoph Schmidt, der Vorsitzende des Expertengremiums Wirtschaftsweisen. Die Wirtschaftsweisen rechnen für dieses Jahr beim Bruttoinlandsprodukt mit einem Plus von zwei Prozent, für 2018 mit 2,2 Prozent. „Der Haushaltsüberschuss eröffnet Spielräume für wachstumsfreundliche Reformen“, betonen die Ökonomen. So gehöre der Solidaritätszuschlag schrittweise abgeschafft. Zudem solle der Staat den Bürgern auch die Mehreinnahmen zurückgeben, die regelmäßig allein durch die sogenannte kalte Progression, die inflationsbedingte heimliche Steuererhöhung, entstehen.

Die Forscher des Leibnitz-Instituts sehen allerdings auch Risiken, die es zu beachten gelte. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit tendenziell in einer Phase der Überauslastung“, sagt Holtemöller. Bei einer zu expansiven Finanzpolitik drohe die Konjunktur zu überhitzen. Auch Steuersenkungen hätten einen prozyklischen Effekt, würden die bisherigen Effekte somit noch verstärken.

Der bis vor wenigen Wochen amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte sich bereits in den vergangenen Monaten gegen Steuersenkungen ausgesprochen. Es sei weder die Zeit für eine Steuerdebatte noch für neue Begehrlichkeiten an anderer Stelle. Die Tilgung von Altschulden sei die sinnvollste Maßnahme und ein Signal an die internationalen Partner. Beim Schuldenabbau geht es um die Altlasten des in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 aufgelegten Investitions- und Tilgungsfonds (ITF). IHW-Experte Holtemöller empfiehlt zusätzlich niedrigere Staatseinnahmen. Die Regierung könnte demnach den Grund- und Kinderfreibetrag erhöhen, den Solidaritätszuschlags von 2020 an abbauen und den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung senken. Aus Kreisen der Unions-Fraktion im Bundestag gab es zudem die Forderung nach Auflegung eines Investitionsprogramms zur Sanierung maroder Brücken und Autobahnen durch den Bund.

Die Wirtschaftsweisen warnen allerdings davor, unnötige Risiken einzugehen. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsse weiterhin höchste Priorität haben. Grund dafür seien „finanzpolitische Risiken, etwa aufgrund der demografischen Entwicklung“. Selbst zusätzliche öffentliche Investitionen sollten nicht mit neuen Schulden finanziert werden.