26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.18 / Im Schweinsgalopp / Dorf in Aufruhr – ZDF-Serie »Tannbach« geht in die nächste Runde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

Im Schweinsgalopp
Dorf in Aufruhr – ZDF-Serie »Tannbach« geht in die nächste Runde
Anne Martin

Ein Ort irgendwo an der Grenze von Thüringen und Bayern, geteilt durch den Eisernen Vorhang: hier Kapitalismus, dort Sozialismus – das ist Tannbach. Das Schicksal eines Dorfes ist für das Fernsehen ein Glücksfall: Wie un­ter dem Brennglas wird gezeigt, wie Ideologien die Köpfe besetzen, wie der moralische Kompass unter dem Druck der Systeme ins Trudeln gerät und wie selbst die reinste Liebe von Misstrauen zersetzt wird. Der im letzten Jahr ausgestrahlte Dreiteiler, der in den 40er und 50er Jahren spielte, wird nun mit einer neuen Staffel in die 60er Jahre fortgeschrieben („Tannbach“, Neue Zeiten. Alte Wunden. 8.,10., 11. Januar, 20.15 Uhr, ZDF).

Großartig die Darsteller: Heiner Lauterbach spielt auf der West-Seite den kalten Krieger Georg von Striesow, dem eine Annäherung an den ideologischen Feind so unmöglich ist wie eine gleichberechtigte Beziehung zu seiner Frau. Stolz und spröde gibt Anna Loos diese Rosemarie, geborene Czerni, die mit frischen Ideen den westlichen Versandhandel aufmischt und am Biedersinn der 50er und 60er Jahre scheitert. Erst wird ihr die Einstellung verweigert, weil sie nicht verheiratet ist, später dann der Aufstieg blockiert, weil sie sich von ihrem Mann, dem Grafen Striesow, scheiden lassen will. 

Gegen den Strich besetzt ist Martina Gedeck als Textilarbeiterin in einem volkseigenen Be­trieb. Als Hilde Vöckler wird Gedeck der Sabotage verdächtigt und erfährt in einem sozialistischen Gefängnis, wie im Arbeiter- und Bauernstaat mit Abweichlern umgegangen wird. „Du hast deinen Beruf wohl bei der Gestapo gelernt“, provoziert Vöckler ihre Aufseherin und wird prompt zu­sammengeschlagen. 

Jegliches Schema von Gut und Böse ist hier voller Risse: Der Pfarrer, der seine sozialistische Gemeinde zusammenhält, hat im Dritten Reich eine jüdische Familie verraten. Die aufrechte Modedesignerin verschweigt ihrem Mann, dass ihr Bruder im Gefängnis sitzt. Und der verbiesterte Vater, der seine uneheliche Tochter in eine der berüchtigten Erziehungsanstalten der DDR schickt, tut am Ende Buße: „Ich habe mich versündigt an dir.“ 

Nur Jahrzehnte ist es erst her, dass Deutsche durch Mauern und Stacheldraht getrennt wurden, und doch wirkt Tannbach wie ei­ne ferne Welt. So bizarr der kleinbürgerliche Spitzelstaat im Osten, so bieder und patriarchal das Weltbild in Westen. Immer wieder wird gezeigt: Wer sich nicht an­passt, geht unter, so wie der Bauer in Tannbach Ost, der seinen Hof nicht in eine LPG einbringen will. Freigelassene Schweine, die im Schweinsgalopp durch die Dorfstraße rennen, kündigen seine Verzweiflungstat an. 

Am meisten berührt, wenn die sogenannten einfachen Leute ihrem Herzen Luft machen: „Ihr könnt mir mit eurem Sozialismus den Buckel runterrutschen“ sagt Kathi Schober (Johanna Bittenbinder) beim Verhör. Angesichts des linientreuen Sachbearbeiters in Rhombenstrick, der ihr gegenübersitzt, ist das eine Heldentat. 

„Tannbach“ ist eine lebendige Geschichtsstunde, in der die Protagonisten die Tragik einer zerrissenen Zeit darstellen. Das Ende bleibt offen, Fortsetzung er­wünscht! Die erste Staffel von „Tannbach“ wird am 5. Januar auf 3sat wiederholt.