25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.18 / Brandenburgs Trakehnen / Vor 230 Jahren wurde das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) errichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

Brandenburgs Trakehnen
Vor 230 Jahren wurde das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) errichtet
Sibylle Luise Binder

Was Ostpreußen das Hauptgestüt Trakehnen war, das ist Brandenburg das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse. „Zum Besten des Landes“ befahl Preußens König Friedrich Wilhelm II. vor 230 Jahren, das preußische Gestütswesen zu reformieren und in Neustadt an der Dosse ein neues Staatsgestüt zu errichten. Die Wahl des Standortes war kein Zufall. Neustadt war schon länger „Pferdeland“. 1662 hatte nämlich der Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg die von den Fluss­auen der Dosse gebildeten Sumpfgebiete rund um den Ort Neustadt trockenlegen lassen, um dort Pferde zu züchten. 1694 war Neustadt samt Umgebung an Brandenburg gefallen, das damals vom späteren ersten König in Preußen regiert wurde. Dessen Nachfolger, der sparsame Friedrich Wilhelm I., war allerdings nicht an einem weiteren Hofgestüt interessiert. Er hatte Trakehnen und das war ihm genug. Also wurden in Neustadt Maultiere gezüchtet. Diese Kreuzungsprodukte aus Pferdestuten und Eselshengsten haben Pferden gegenüber den Vorteil, weniger zu scheuen, langlebiger und belastbarer zu sein. Des Soldatenkönigs Enkel Friedrich Wilhelm II. liebte edle Pferde und sah zudem, dass sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor waren. Darum befahl er die Einrichtung eines neuen Haupt- und Landgestütes.

Er betraute mit der Aufgabe seine besten Architekten. Sie entwarfen eine großzügige, klassizistische Doppelanlage. Auf der einen Seite einer rund einen Kilometer langen Allee steht das Hauptgestüt, in dem 60 ausgewählte Zuchtstuten und ihr Nachwuchs aufgestallt werden konnten. Im Zentrum des Hauptgestütes steht das Landstallmeisterhaus, das trotz der preußischen Sparsamkeit, welche die Erbauer auf Fassadenschmuck und Schnickschnack verzichten ließ, heute noch sehr elegant und repräsentativ wirkt. Unter dem Walmdach fand nicht nur der Landstallmeister mit seiner Familie Platz. Auch ein Teil der Verwaltung war dort untergebracht und außerdem diverse Wohnungen für Mitarbeiter des Gestüts. 

Ein Spaziergang durch die von gepflegten Koppeln gesäumte Allee führt zum Gegenstück des Hauptgestüts: dem Landgestüt mit dem zentral gelegenen Verwaltungsgebäude und den Ställen, in denen rund 100 Hengste untergebracht sind. Wozu braucht man 100 Hengste, wenn man nur 60 Stuten hat, mag sich der eine oder andere fragen. Die Lösung ist ganz einfach. Die Hengste dürfen nicht nur die Stuten des Gestüts beglücken, sondern werden im Frühjahr auf die sogenannten Deckplatten, Stallanlagen, in denen drei bis sechs Hengste plus ihrem Gestütswärter untergebracht werden können – im ganzen Land verteilt. Früher wollte man damit sicherstellen, dass jeder Bauer im Land einen guten Hengst für seine Stuten fand, ohne mit ihr tagelang über Land reisen zu müssen. Für die Bauern hatte das System außerdem den Vorteil, dass die Landbeschäler subventioniert wurden. Andersrum profitierte das Land davon, dass der Landstallmeister über die Auswahl der Hengste Einfluss auf die bäuerliche Zucht nehmen konnte. In einer Zeit, in der nicht nur Landwirtschaft und Logistik, sondern auch das Militär vom Pferd abhängig waren, führte die Einrichtung eines Landgestüts zu einer Symbiose zwischen Bauern und Staat.

Dass das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt die DDR überstanden hat, liegt daran, dass zwar die Reiterei im Sozialismus eine eher unbeliebte Randerscheinung war, mit guten Pferden aber gutes Geld zu verdienen war. Und Neustadt war dank eines cleveren Landstallmeisters mit viel Pferdeverstand ein sehr guter Produzent von Export-Pferden. Dafür stand vor allem der Schimmelhengst Kolibri, dessen Denkmal heute vor der Verwaltung des Landgestüts steht. Seine Vorfahren waren Hannoveraner-Hengste, und die Linie, die er vertrat, war und ist auch im Westen stark. 

Wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, dass das Haupt- und Landgestüt die sogenannte Wende gut überstanden hat. Mittlerweile sind fast alle Gebäude auf das Feinste renoviert. In den Ställen stehen Stuten und Beschäler auf Weltniveau.