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05.01.18 / Bombenterror und bedingungslose Kapitulation / Auf der Konferenz von Casablanca traten Roosevelt und Churchill den Geist ihrer Atlantik-Charta mit Füßen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

Bombenterror und bedingungslose Kapitulation
Auf der Konferenz von Casablanca traten Roosevelt und Churchill den Geist ihrer Atlantik-Charta mit Füßen
Wolfgang Kaufmann

Während des Zweiten Weltkriegs veranstalteten die Führungsmächte der Anti-Hitler-Koalition mehrere große Konferenzen. Die erste davon fand vom 14. bis 26. Januar 1943 in der marokkanischen Hafenstadt Casablanca statt und en­dete mit der Forderung nach einer „bedingungslosen Kapitulation“ Deutschlands, Japans und Italiens, die den Krieg verlängerte und Millionen zusätzliche Menschenleben kostete.

Anfang 1943 hatte sich die militärische Lage deutlich zugunsten der Alliierten verändert. So konnten die USA nach der gewonnenen Flugzeugträgerschlacht um Midway zur Offensive gegen Japan übergehen. Währenddessen musste sich das einst so schlagkräftige Deutsche Afrika-Korps nach Tunesien zurückziehen. Und an der Ostfront siegte die Rote Armee im Kampf um Stalingrad und den Kaukasus und stieß in Richtung des Donezbeckens vor. Deshalb hielten der US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill nun den Moment für gekommen, die Weichen für den weiteren Verlauf des Krieges und die Zeit danach zu stellen. Stalin blieb der Zusammenkunft fern und schickte auch keinen Vertreter, weil er noch nicht bereit war, sich hinsichtlich seiner Kriegsziele in die Karten schauen zu lassen.

Neben Maßnahmen, um der U-Boot-Gefahr Herr zu werden, sowie Offensiven im Pazifikraum und Burma vereinbarten die beiden Regierungschefs und deren hochrangige militärische Entou­rage auf der Konferenz, statt der von Moskau geforderten zweiten Front in Frankreich eine solche zunächst nur in Italien, dem „weichen Unterleib Europas“, zu eröffnen. Die Westalliierten zögerten die Landung in Frankreich unter anderem deshalb hinaus, um ihre Position im Mittelmeerraum zu festigen, was besonders im Interesse Churchills lag. Dieses erwies sich später aus westalliierter Sicht insofern als kontraproduktiv, als Stalin dadurch in die Lage versetzt wurde, seinen Einflussbereich in Ost-, Südost- und Mitteleuropa erheblich zu vergrößern. 

Beschlossen wurde desweiteren eine Kombination von Tag- und Nachtangriffen der angloamerikanischen Bomberflotten auf Deutschland. So sollten deren Flugabwehr, Jagdwaffe und arbeitende Bevölkerung keine Pause gegönnt, die Rüstungszentren zerstört und die Moral der Zivilbevölkerung untergraben werden. Gemäß der Arbeitsteilung flogen fortan meist die US-amerikanischen Bomber militärische Ziele am Tage an, während die britischen die Zivilbevölkerung mit nächtlichen Terrorangriffen auf Wohnquartiere um den Schlaf sowie Hab und Gut zu bringen versuchten. Die mit dem sogenannten Moral Bombing erhofften Friktionen zwischen der NS-Führung und der deutschen Bevölkerung blieben aus. Vielmehr schweißte der Hass auf die Täter beide zusammen. 

Über die bilateralen Vereinbarungen wurden die rund 50 akkreditierten westlichen Journalisten am 24. Januar in Kenntnis gesetzt. Allerdings erschien den Pressevertretern das Ganze wenig spektakulär, weshalb sie Roosevelt bestürmten, auch etwas über die künftige Politik gegenüber den Achsenmächten zu äußern. Daraufhin sagte der US-Präsident, das Ziel sei die „bedingungslose Kapitulation“ (unconditional surrender) Deutschlands, Italiens und Japans. Hierdurch sollte dem miss­trauischen Stalin signalisiert werden, dass die Westmächte keinen Sonderfrieden anstrebten. 

Damit negierten Roosevelt und Churchill den Unterschied zwischen den Völkern Deutschlands, Italiens und Japans sowie deren jeweiligen politischen Führungen und ermöglichten es sich, die gerade erst vollmundig verkündete Atlantik-Charta, nach der jede Nation das Recht haben sollte, souverän und ohne Druck von außen über ihre Angelegenheiten zu entscheiden, gleich wieder partiell außer Kraft setzen (siehe PAZ Nr. 31 vom 5. August 2016) zu können. Dieses Taktieren erinnert an das Handeln von Präsident Woodrow Wilson, der nach dem Ersten Weltkrieg auch von seinem ambitionierten 14-Punkte-Programm abwich, als es beispielweise um das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen oder Ungarn ging.

Die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation hatte gravierende Folgen, wie der britische Arbeitsminister von 1940 bis 1945 und Außenminister von 1945 bis 1951, Ernest Bevin, nach Kriegsende in einer Sitzung des Londoner Unterhauses feststellte: „Da man auf bedingungsloser Kapitulation bestand, blieb … nichts, worauf man hätte weiterbauen können: kein Gesetz, keine Verfassung, keine Persönlichkeit, mit der verhandelt werden konnte.“ Aber genau dies war ja die Absicht von Roosevelt und Churchill, der später vorgab, dass der US-Präsident ihn mit seiner Aussage überrumpelt habe. Es ging eben nicht nur darum, drei diktatorische Regime zu zerschlagen, sondern genauso wichtig war die nachhaltige Ausschaltung von weltpolitischen und wirtschaftlichen Konkurrenten.

Naheliegenderweise lähmte die Kapitulationsformel von Casa­blanca, die ab dem 26. Januar 1943 von den westlichen Medien verbreitet wurde, die deutsche Widerstandsbewegung gegen Adolf Hitler. Insbesondere regimekritisch eingestellte Militärs verzichteten darauf, sich der Opposition anzuschließen, weil sie davon ausgehen mussten, dass die Alliierten Deutschland auch bei einem erfolgreichen Putsch gegen Hitler keine günstigeren Friedensbedingungen zugestehen würden. Damit blieben für die meisten nur noch die Optionen Kampf bis zum „Endsieg“ oder Untergang des Vaterlandes. 

Und auch sonst profitierte die NS-Führung ganz erheblich von der Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation. Das zeigt nicht zuletzt die duldsame Reaktion der Deutschen auf die Sportpalastrede von Propagandaminister Joseph Goebbels am 18. Februar 1943, mit der die Menschen im Dritten Reich auf den „totalen Krieg“ eingeschworen wurden. 

Analog war die Situation in Japan. Da kein Friedensschluss unter ehrenhaften und die nationale Existenz sichernden Bedingungen in Aussicht stand, wurde der Pazifikkrieg mit verbissener Härte fortgesetzt, was auf beiden Seiten noch einen gewaltigen Blutzoll fordern sollte, bis schließlich die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki den Kampf im Pazifik beendeten.