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05.01.18 / Geduld ist gefragt / Der Beruf des Vergolders trotzt allen modernen Techniken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-18 vom 05. Januar 2018

Geduld ist gefragt
Der Beruf des Vergolders trotzt allen modernen Techniken
Silvia Friedrich

Eine nervöse Hand wäre hier klar von Nachteil. „Es ist ein Kunsthandwerk, das Ruhe braucht“, sagt Anja Isensee, Vergoldermeisterin aus Berlin. Dieses Handwerk arbeitet noch heute mit Techniken, die schon seit der Antike bekannt sind. Selbst das Computerzeitalter, wo Maschinen menschliche Arbeit übernehmen, kennt keine neueren, beschleunigenden Methoden. Das aber macht diese künstlerischen Arbeiten auch so wertvoll.

Geboren in Altenburg, besitzt Isensee nun eine Werkstatt auf einem der schönsten alten Gutshöfe Berlins, der Domäne Dahlem. Gerade vor und nach Weih­nachten, wenn viele noch festlich gestimmte Gäste in ihren Laden hereinschauen, häufen sich die Aufträge.

Hervorgegangen aus dem Ma­lerhandwerk, befasst sich der Vergolder mit der Veredelung von Oberflächen. Das heißt, er bringt Blattgold oder andere Metalle auf Gegenstände auf. Vorwiegend bei der Restaurierung alter Kunstwerke, Bilderrahmen, von Büchern und Architekturteilen kommt dieser künstlerische Beruf zum Einsatz. Isensee bekommt viele Aufträge von privaten Kunden, aber auch von Künstlern, denen sie mit ihrem Wissen und Können hilfreich zur Seite steht. Blattgold ist eine hauchdünne Goldfolie mit einer Stärke von 0,000125 Millimeter. Das ist noch viel dünner als die Dicke eines Haares, das zwischen 0,04 und 0,08 Millimeter dick sein kann. 

Wenn Vergolder mit der hauchdünnen Folie arbeiten, müssen sie aufpassen, dass diese nicht durch einen kräftigen Atemzug davonfliegt. Vor der eigentlichen Arbeit mit dem edlen Metall müssen die zu vergoldenden Objekte jedoch mehrfach grundiert, also mit verschiedenen Gemischen aus Kreide und Leim eingestrichen werden. Erst danach beginnt die an­strengende Fummelei, das Gold aufzubringen. 

Dazu benötigen die Vergolder auch besondere Werkzeuge. Zum Beispiel Tierhaarpinsel und ein Vergolderkissen, ein gepolstertes Brett mit Halte­schlaufe. Manchmal sogar mit Windschutz, damit die darauf liegenden Blattgoldpapiere nicht wegfliegen. Mit der einen Hand hält der Vergolder das Vergolderkissen und schneidet mit der anderen Hand ein winziges Blatt Gold zurecht. Aufgebracht wird es dann mit dem Tierhaarpinsel.

Von den verschiedenen Techniken seien hier nur zwei erwähnt. Einmal die Ölvergoldung, wobei die Untergrundbehandlung, bevor das Gold „angeschossen“ wird, sich auf einen Ölanstrich be­schränkt. Sie findet häufig An­wendung im Außenbereich, aber auch auf Stein, Metall und Texti­lien. Des Weiteren gibt es die Polimentvergoldung. Sie ist seit etwa 2500 v. Chr. im alten Ägypten bekannt und nur für den Innenraum geeignet. Diese aufwendige Handwerkstechnik bedarf großer Erfahrung. 

Die Rezepte für die Untergrundbehandlung mit Kreidegrund, der mit organischem Leim gebunden ist, waren früher streng gehütete Geheimnisse der Vergolder. Das hauchdünne Gold wird mit dem Anschießer aufgebracht, einem flachen Pinsel aus Tierhaar. Es gibt Vergolder, die vor der Goldaufnahme mit dem Pinsel über die Wange streichen. Das Hautfett soll so eine bessere Goldaufnahme möglich machen. Mit einem Achat-Polierstein wird das Kunstwerk schließlich noch auf Hochglanz gebracht. 

Es erfordert viel Geduld und Geschicklichkeit, aber auch Fingerspitzengefühl, um etwas sorgfältig zu vergolden. Vielleicht ziehen sich Vergolder deshalb gerne zurück, wie die Meisterin wissen lässt. In der Ruhe liegt die Kraft des Vergolders.