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12.01.18 / »Wir brauchen eine linke Volkspartei« / Flankiert Oskar Lafontaine mit der Forderung einen Rückzug Sahra Wagenknechts aus der »Linken«?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-18 vom 12. Januar 2018

»Wir brauchen eine linke Volkspartei«
Flankiert Oskar Lafontaine mit der Forderung einen Rückzug Sahra Wagenknechts aus der »Linken«?
Peter Entinger

Ausgerechnet in dem Moment, in dem das Gerücht umgeht, Sahra Wagenknecht wolle sich aus der Linkspartei zurückziehen, plädiert ihr Ehemann Oskar Lafontaine für die Gründung einer linken Sammlungsbewegung. 

„Wir brauchen eine linke Sammlungsbewegung, eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun“, sagte der ehemalige Parteichef der Linken dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Rechte sei immer dann stark geworden, wenn gegen das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit verstoßen wurde, größere Teile der Bevölkerung benachteiligt wurden und diese sich durch die etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlten. Dies sei jetzt massiv der Fall. Das Parteiensys-tem, so wie es heute bestehe, funktioniere nicht mehr: „Wir brauchen eine Neuordnung. Nur so kann es wieder eine linke Machtoption geben.“ Die SPD kritisierte er erneut als mutlos. SPD-Chef Martin Schulz habe sich angepasst. „Das hat doch der Schulz-Hype gezeigt: Es gibt das Potenzial für eine linke Mehrheit bei den Wählern. Die Leute warten geradezu auf so eine Option.“ Die gewünschte linke Bewegung solle „nicht nur die klassischen Parteien, sondern auch Gewerkschafter, Sozialverbände, Wissenschaftler, Kulturschaffende und andere umfassen“. 

Lafontaines Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der sich die Linkspartei, deren Fraktion im saarländischen Landtag er führt, in internen Streitigkeiten ergeht. Auch deshalb halten ihn frühere Weggefährten für nur noch bedingt bündnisfähig. Lafontaine, der 1999 als SPD-Chef und Finanzminister unter Gerhard Schröder zurückgetreten und wenige Jahre später aus der Partei ausgetreten war, sei „politisch ziemlich retro“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dem „Tagesspiegel“, „und als ,Friedensengel‘ und Ratgeber für die politische Linke in Deutschland eher eine Fehlbesetzung“. 

Lafontaine verwies demgegenüber darauf, dass die SPD in den letzten Jahren die Hälfte ihrer Mitglieder und Wähler verloren hat. „Nur wenn sie ihre Politik grundlegend ändert, wird sie wieder Wähler gewinnen. Sie hat nicht nur Sozialabbau zu verantworten. Sie hat auch die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts aufgegeben. Deutsche Truppen stehen an der Grenze zu Russland“, sagte ihr früherer Bundesvorsitzender. Die Asylpolitik der Linken sei im Übrigen genauso falsch wie die der anderen Parteien, weil sie 90 Prozent der Asylsucher mehr oder weniger außer Acht lasse: „Nur zehn Prozent schaffen es, in die Industriestaaten zu kommen.“ 

Nicht nur der Sozialdemokrat Stegner, sondern auch die Grünen-Vorsitzende Simone Peter äußerte sich skeptisch bis zurückhaltend zu dem Vorschlag des Saarländers für eine linke Sammlungsbewegung. Für eine solche, so Peter, brauche „es keine Parteineugründung, sondern Mut und das Vertrauen der linken Parteien in die eigenen Ideen und Visionen von Politik und Gesellschaft“. 

Innerhalb der Linkspartei droht der parteiinterne Streit zu eskalieren. Der „Spiegel“ äußert unter Berufung auf Berliner Parteikreise die Spekulation, Lafontaines Vorstoß diene dazu, die Position seiner besseren Hälfte Sahra Wagenknecht zu stärken, die als Fraktionsvorsitzende die zentrale Figur der parteiinternen Auseinandersetzungen ist. In der Partei kursieren nämlich Gerüchte über eine „Liste Wagenknecht“, die sich von der Linkspartei abspalten könnte. Offiziell sagt Wagenknecht dazu: „Ich habe nicht vor, die Linke zu spalten.“ Vordergründig mag dies richtig sein. Lafontaine und seine Frau halten die bisherige Formation offenkundig für überholt und zu wenig schlagkräftig. Ihr Vorbild ist offenbar der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der aus der Sozialistischen Partei ausscherte und eine eigene Bewegung gründete. „Das Projekt ,Emmanuel Sahra Lafontaine‘ hat begonnen“, schrieb der Nachrichtensender NTV auf seiner Internetseite. 

Noch zumindest umgeben sich Lafontaine und Wagenknecht aber lieber mit französischen Oppositionspolitikern. Für den 14. Januar ist in der Hauptstadt eine Veranstaltung geplant, auf der neben Lafontaine auch der Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung und Kandidat von „La France insoumise“ (Unbeugsames Frankreich) für die letzte Präsidentschaftswahl Jean-Luc Mélenchon reden sollten. Diese von dem Linksparteiabgeordneten Dieter Dehm organisierte Veranstaltung wurde von Teilen der Bundestagsfraktion heftig kritisiert, da kein prominenter Redner der Parteispitze vorgesehen ist. Aufhorchen ließ, dass der frühere SPD-Vorsitzende und ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck als Redner gehandelt wurde. 

Lafontaine, das steht außer Frage, war stets ein Mann mit einem Gespür für Stimmungen. Die Politik der offenen Grenzen, die bis heute von der Linken-Spitze propagiert wird, hat Teile der Anhängerschaft vergrault. Lafontaine verwies kürzlich darauf, dass die Partei gerade in den früheren Hochburgen seiner saarländischen Heimat, aber auch in mitteldeutschen Regionen starke Verluste zulasten der AfD hatte. Seine Ehefrau springt ihm bei. „Wenn jeder, der die Position ,offene Grenzen für alle Menschen jetzt sofort‘ nicht teilt, sofort unter Generalverdacht gestellt wird, ein Rassist und halber Nazi zu sein, ist eine sachliche Diskussion über eine vernünftige strategische Ausrichtung nicht mehr führbar“, schrieb Wagenknecht in einem Brief an ihre Fraktionskollegen. Viele in der Partei halten dies für die Ankündigung eines Rückzugs.