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12.01.18 / Protest gegen Abaya-Zwang / Schach-Weltmeisterin verzichtet auf Titelverteidigung in Riad

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-18 vom 12. Januar 2018

Protest gegen Abaya-Zwang
Schach-Weltmeisterin verzichtet auf Titelverteidigung in Riad
Bodo Bost

Ein purer Terminzufall wollte es, dass Ende vergangenen Jahres die Weltmeisterschaften im Schnellschach erstmals in Saudi-Arabien ausgetragen wurden. Mehrere Profispieler aus Ländern wie Israel, Katar oder Iran, zu denen das wahhabitische Königreich keine diplomatischen Beziehungen unterhält, durften nicht teilnehmen. Andere sagten ihrerseits ab. Unter letzteren war die Weltmeisterin der Frauen, Anna Musytschuk, die sich weigerte einen Schleier zu tragen. Die Ukrainerin protestierte mit ihrem Fernbleiben gegen die Benachteiligung von Frauen in Saudi-Arabien. 

2016 hatte Anna Musytschuk in der Hauptstadt Katars, in Doha, ohne Kopftuchzwang ordentlich abgeräumt und wurde mit Erfolgen im Schnell- und Blitzschach zur Doppelweltmeisterin. Bei der diesjährigen WM in Saudi-Arabien verzichtete sie, wie ihre ebenfalls im Profischachsport engagierte Schwester Marija, auf eine Teilnahme. Sie verzichtete nicht nur auf die Titelverteidigung, sondern auch auf die hohen Preisgelder, und prangerte die Ungleichbehandlung der Frauen in Saudi-Arabien an. Als Frau dürfe sie nicht einmal ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen. Musytschuk schrieb auf

Facebook: „Ich habe beschlossen, nicht nach irgendjemandes Regeln zu spielen, nicht ein Abaya (Überkleid) zu tragen, nicht begleitet zu werden, wenn ich hinausgehe, und mich nicht als Lebewesen zweiter Klasse zu fühlen.“ 

Auch der amerikanische Großmeister Hikaru Nakamura hatte seine Teilnahme abgesagt. „Ein Schachturnier in einem Land auszutragen, in dem grundlegende Menschenrechte nicht geachtet werden, ist grausam“, schrieb Nakamura bei Twitter. 

Die Weltmeisterschaft im eigenen Land, die eigentlich zur Verbesserung des Images Saudi-Arabiens hatte genutzt werden sollen, wurde immer mehr zu einem PR-Desaster. Das Fernbleiben der Doppelweltmeisterin sorgte neben dem Krieg der Saudis im Jemen für neue Negativ-Schlagzeilen. 

Vor zwei Jahren noch hatte Großmufti Abdulaziz Al Sheikh das Schachspiel im Wüstenstaat für unerwünscht erklärt. „Denksport sei Zeitverschwendung und fördere unnötige Rivalität“, hieß es damals von religiös legitimierten saudischen Stellen. Aber Kronprinz Mohammed ibn Salman verbannte die Zuständigkeit der Geistlichen aus dem Bereich des Sports und holte gleich drei Weltmeisterschaften in einem Jahr in das Königreich, um damit die Glaubwürdigkeit seiner Reformen zu dokumentieren. Großzügige Spenden an die jeweiligen Sportverbände machten dies möglich. Auch bei den Preisgeldern wollte sich das ölreiche Land nicht lumpen lassen. Diese flossen zu den Sportereignissen wie nie zuvor und sollten die jeweils Besten anlocken. Für die teilnehmenden Frauen wurden immerhin während den Wettkämpfen die strengen Bekleidungsvorschriften weitgehend aufgehoben. Nur beim Verlassen der Sportstätten müssen sie sich an die strengen islamischen weiblichen Kleidervorschriften halten. Eine gesetzliche generelle Verschleierungspflicht besteht in Saudi-Arabien, anders als im Iran, für Ausländerinnen im Gegensatz zu den einheimischen Frauen nicht. Allerdings ist es die Regel, sich züchtig zu kleiden. Bundeskanzlerin Merkel hatte bei ihrem letzten Besuch in Saudi-Arabien auf das Anlegen eines Schleiers verzichtet.